Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2018, Az. IX ZR 82/16

9. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 107

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde: Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde während der Verfahrensunterbrechung in Unkenntnis einer Insolvenzverfahrenseröffnung; Prüfung einer Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes wegen Divergenz zu BFH-Entscheidungen


Tenor

Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Senats vom 17. Mai 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte nach dem Anfechtungsgesetz auf Duldung der Zwangsvollstreckung in unbewegliches Vermögen und in die Mieteinnahmen aus der Vermietung verschiedener Eigentumswohnungen in Anspruch. Die Beklagte ist die Tochter von [X.]und [X.]     . Mit notariellem Vertrag vom 4. August 2005 übertrug [X.]F.    an die Beklagte drei Grundstücke. Der Vertrag wurde im April 2010 zum Vollzug beim Grundbuchamt eingereicht. Im August 2011 übertrug [X.]    an die Beklagte mehrere Eigentumswohnungen. Die Klägerin erwirkte ein rechtskräftiges Urteil vom 9. Juni 2011, mit dem [X.]und "J.   Consulting, Inhaberin [X.]F.    " zur Zahlung von 893.146 € nebst Zinsen verurteilt wurden. Die Vollstreckung aus dem Urteil erbrachte nur rund 50.000 €.

2

Wegen der titulierten Forderung verlangt die Klägerin von der Beklagten die Duldung der Zwangsvollstreckung in die Grundstücke und in die Mieteinnahmen aus der Vermietung der Eigentumswohnungen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hat das [X.] durch Beschluss zum überwiegenden Teil zurückgewiesen. Der Beschluss ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 19. April 2016 zugestellt worden. Mit ihrer am 26. April 2016 eingegangenen Beschwerde erstrebt die Beklagte die Zulassung der Revision, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgen will. Die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist bis zum 22. September 2016 verlängert worden. Die Begründung ist am 14. September 2016 eingegangen, am 13. Dezember 2016 hat die Klägerin darauf erwidert. Am 28. April 2017 ist über das Vermögen der [X.]F.   das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Ohne Kenntnis hiervon hat der Senat mit Beschluss vom 17. Mai 2018 die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen. Der zurückweisende Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten laut [X.] am 23. Mai 2018 zugegangen. Am 8. Juni 2018 hat die Beklagte gegen den Beschluss vom 17. Mai 2018 Gegenvorstellung eingelegt. Sie beantragt, den Beschluss aufzuheben, hilfsweise dessen Wirkungslosigkeit festzustellen, weil der Beschluss während der Verfahrensunterbrechung gemäß § 17 Abs. 1 [X.] ergangen sei.

II.

3

Die Gegenvorstellung der Beklagten hat keinen Erfolg.

4

1. Es kann dahinstehen, ob die Gegenvorstellung überhaupt statthaft und ob sie fristgerecht eingelegt worden ist. Sie ist jedenfalls in der Sache nicht begründet.

5

Die Gegenvorstellung ist begründet, wenn die angegriffene Entscheidung greifbar gesetzwidrig ist (vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2002 - [X.], [X.]Z 150, 133, 135 ff; vom 21. April 2004 - [X.] 279/03, [X.]Z 159, 14, 18; [X.], 13 Rn. 6; [X.], 226 Rn. 6). Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Beschluss vom 17. Mai 2018 war nicht gesetzwidrig. Zwar darf das Gericht grundsätzlich keine Entscheidung zur Hauptsache mehr treffen, wenn das Verfahren unterbrochen ist ([X.], Urteil vom 29. Januar 1976 - [X.], [X.]Z 66, 59, 61 f mwN; Beschluss vom 22. Dezember 2016 - [X.], [X.], 925 Rn. 3). Ist aber wie im Fall der Nichtzulassungsbeschwerde keine mündliche Verhandlung vorgeschrieben, so kann in entsprechender Anwendung von § 249 Abs. 3 ZPO eine Entscheidung auch während der Unterbrechung des Verfahrens ergehen, wenn keine Fristen mehr laufen, alle erforderlichen Prozesshandlungen vor Eintritt der Unterbrechung vorgenommen worden sind, der Beschwerdeführer wegen des Ablaufs der Begründungsfrist (§ 544 Abs. 2 ZPO) vor Eintritt der Unterbrechung mit weiterem Vortrag zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen ist und durch die Zustellung der Entscheidung keine Frist in Lauf gesetzt wird ([X.]NV 2015, 1252 Rn. 10; Prütting/Gehrlein/Anders, ZPO, 10. Aufl., § 249 Rn. 9). So liegt der Fall hier.

6

2. Die Beschlüsse des [X.] vom 27. November 2003 ([X.]/02, [X.]NV 2004, 366), vom 26. Juni 2009 ([X.]/08, [X.]NV 2009, 1819), vom 24. November 2010 ([X.]/08, [X.]NV 2011, 613) und vom 22. November 2012 ([X.]/11, [X.]NV 2013, 246) geben keinen Anlass für eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] nach dem Gesetz zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] vom 19. Juni 1968 ([X.] I S. 661; fortan: [X.]). Eine Divergenz liegt nicht vor.

7

Die Vorlagepflicht setzt die Abweichung in einer Rechtsfrage voraus (§ 2 Abs. 1 [X.]). Dieselbe Rechtsfrage liegt immer dann vor, wenn wegen der Gleichheit des Rechtsproblems die Entscheidung ohne Rücksicht auf die Verschiedenheit der Fälle oder der anwendbaren Vorschriften nur einheitlich ergehen kann ([X.], [X.], 90, 91; [X.], 307, 309; [X.]/[X.]/Pohlit, § 132 [X.] Rn. 11). Ein Rechtssatz, den ein Revisionsgericht zur Beurteilung des ihm unterbreiteten Falles aufgestellt hat, gilt für andere Fälle nur, wenn diese der entschiedenen Sache in den wesentlichen Beziehungen gleichkommen ([X.], [X.], 90, 91), das heißt wenn die Sachverhalte lediglich nicht rechtserhebliche Unterschiede aufweisen ([X.], Beschluss vom 24. April 1986 - 2 StR 565/85, [X.]St 34, 71, 76). Eine Entscheidung des [X.] kann nur eine Antwort auf den zu entscheidenden Fall geben; dieser bestimmt auch da, wo es dem Revisionsgericht nicht gelingt, sich in seiner Ausdrucksweise auf ihn zu beschränken, die Tragweite der Entscheidung für künftige Fälle ([X.], [X.], 90, 91; [X.], aaO mwN; [X.]/[X.]/Pohlit, aaO).

8

Der [X.]finanzhof hat nicht über dieselbe Rechtsfrage entschieden, die der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegt. Zwar heißt es in den Gründen seiner Beschlüsse jeweils, eine in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung erlassene Entscheidung sei ohne rechtliche Wirkung und aus Gründen der Rechtsklarheit aufzuheben. Dieser allgemein formulierte Rechtssatz ist aber unter der unausgesprochenen Voraussetzung zu verstehen, dass die Entscheidung wegen der Verfahrensunterbrechung unzulässig war, nicht - wie hier - trotz der Unterbrechung ausnahmsweise zulässig. Denn weder den [X.] noch den jeweils vorangegangenen Entscheidungen über die Nichtzulassungsbeschwerden ([X.]NV 2003, 1208; 2009, 801; 2010, 918; 2012, 1825) ist zu entnehmen, dass der [X.]finanzhof über einen Fall entschieden hat, in dem - wie hier - die Voraussetzungen vorlagen, unter denen ausnahmsweise in einem unterbrochenen Verfahren noch eine Entscheidung erlassen werden darf. Ob eine solche Ausnahme vorliegt oder nicht, ist rechtserheblich. Ihre Möglichkeit ist auch in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt ([X.]NV 2007, 2118 Rn. 6; 2015, 1252 Rn. 10; 2017, 917 Rn. 12).

9

4. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Kayser     

        

Gehrlein     

        

Pape   

        

Grupp     

        

Möhring     

        

Meta

IX ZR 82/16

20.12.2018

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 17. Mai 2018, Az: IX ZR 82/16

§ 17 Abs 1 AnfG, § 240 ZPO, § 249 Abs 3 ZPO, § 544 Abs 2 ZPO, § 12 Abs 1 RsprEinhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.12.2018, Az. IX ZR 82/16 (REWIS RS 2018, 107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 107


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZR 82/16

Bundesgerichtshof, IX ZR 82/16, 20.12.2018.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 81/16 (Bundesgerichtshof)


10 C 4/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Berufungszulassung trotz Verfahrensunterbrechung


X B 134/12 (Bundesfinanzhof)

Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle beendet nicht die Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens über diese Forderung …


II ZR 287/18 (Bundesgerichtshof)

Revisionszulassung: Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde während der Unterbrechung des Verfahrens


XI ZR 355/18 (Bundesgerichtshof)

(Besetzung des Gerichts für Antrag nach § 33 RVG auf Festsetzung des Wertes des Gegenstands …


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.