Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.09.2019, Az. 30 W (pat) 29/17

30. Senat | REWIS RS 2019, 3685

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 012 642.2

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 12. September 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Bezeichnung

2

[X.]

3

ist am 28. April 2016 u. a. für die Waren

4

Klasse 02: „Anstrichmittel; Farben; Lacke; Färbemittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler“

5

zur Eintragung als Wortmarke in das beim [X.] geführte Register angemeldet worden.

6

Die Markenstelle für [X.] des [X.]s hat die Anmeldung mit Beschlüssen vom 2. September 2016 und vom 24. Mai 2017 teilweise, nämlich hinsichtlich der o. g. Waren wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) zurückgewiesen.

7

[X.] handele es sich um die Kombination des auch im inländischen Sprachgebrauch allgemein geläufigen Begriffs „Flair“ im Sinne von „Atmosphäre; Ausstrahlung; persönliche Note; Stimmung“ mit dem Begriff „Colours“ als Pluralform des zum [X.] Grundwortschatz gehörenden Substantivs „colour“ (= Farbe). Das Zeichen werde somit ohne weiteres im Sinne von „Farben/Färbungen für/mit Atmosphäre, Stimmung, Ausstrahlung“ verstanden.

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Im Zusammenhang mit den vorgenannten Waren werde das angesprochene Publikum der angemeldeten Bezeichnung „[X.]“ dann aber lediglich den Hinweis entnehmen, dass diese dazu geeignet und bestimmt sein können, in Räumen eine gewisse Atmosphäre/Flair zu verbreiten oder den mit Farbe zu versehenden Gegenständen eine gewisse Ausstrahlung zu verleihen; hingegen werde der Verkehr darin keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen.

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[X.] und den vorliegend maßgeblichen Waren einer Unterscheidungsraft entgegen.

Unter „Flair" sei mehr als nur ein angenehmes Gefühl zu verstehen. Der Verkehr assoziiere mit „Flair" ein Gefühl, eine Stimmung oder Ausstrahlung, die man z. B. Personen oder einem Ort zuschreibe, nicht aber einem Wohnraum. Vorliegend seien kostengünstige konstruktive Massenprodukte betroffen, welche durch ein mit „Flair“ bezeichnetes „positives Gefühl“ weder mittelbar noch unmittelbar beschrieben würden. Der Begriff „Flair“ werde nach einer Internetrecherche der Anmelderin mit Hotels und Brillen in Verbindung gebracht, nicht aber mit den hier beanspruchten Waren. Daher verlange das Zeichen vom Verbraucher im Zusammenhang mit den vorliegend relevanten Waren einen Interpretationsaufwand, was dem Zeichen eine gewisse Originalität verleihe und die Unterscheidungskraft begründe.

Schließlich sei darauf zu verweisen, dass Zeichen mit den Bestandteilen „Flair“ und „Colours“ zur Eintragung gelangt seien.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für [X.] des [X.]es vom 2. September 2016 und vom 24. Mai 2017 insoweit aufzuheben, als die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

Der Senat hat der Anmelderin Rechercheergebnisse zur branchenüblichen Verwendung des Begriffs „Flair“ im Zusammenhang mit Farben bzw. farbgebenden Produkten übersandt. Die Anmelderin hat mit [X.] vom 3. September 2019 beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. September 2019, welcher auf den von ihr hilfsweise gestellten Antrag anberaumt worden war, aufzuheben und im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

[X.] in Bezug auf die zurückgewiesenen Waren an jeglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] fehlt. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher insoweit zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 und 5 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.] 2012, 610 ([X.]) – [X.]; [X.], 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; [X.], 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) – [X.]; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2004, 674, 678, Nr. 86 – Postkantoor; [X.] 2014, 1204, 1205, Nr. 12 – [X.]; [X.] 2012, 270, 271, Nr. 11 – Link economy; [X.] 2009, 952, 953, Nr. 10 – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2014, 1204, 1205, Nr. 12 – [X.]; [X.] 2012, 1143, 1144, Nr. 9 – [X.]; [X.] 2010, 1100, Nr. 23 – [X.]!; [X.] 2006, 850, 855, Nr. 28 f. – FUSSBALL WM 2006).

2. Nach diesen Grundsätzen entbehrt die Wortkombination [X.] für Waren, die - wie hier - im Zusammenhang mit farblicher Gestaltung stehen können, jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

a) Mit den hier maßgeblichen Waren werden [X.] und allgemeine Verkehrskreise angesprochen, wobei es sich überwiegend um Produkte handelt, die mit Bedacht und auch nach fachkundiger Beratung erworben oder nachgefragt werden. Bereits die Englischkenntnisse des [X.] dürfen nicht zu gering veranschlagt werden (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Auflage, § 8 Rn. 188 m. w. N.); darüber hinaus ist der mit den relevanten Waren der [X.] befasste Fachhandel mit der Welthandelssprache Englisch vertraut.

b) Die angemeldete Bezeichnung ist eine Kombination der beiden Begriffe „Flair“ und „Colours“.

Das ursprünglich aus der der [X.] stammende Wort „flair“ bezeichnet „die einen Menschen oder eine Sache umgebende, als positiv, angenehm empfundene persönliche Note; Atmosphäre“ und ist mit dieser Bedeutung als Fremdwort in die [X.] eingegangen (vgl DUDEN-online zu „flair“). Es wird im [X.] in den unterschiedlichsten Zusammenhängen zur Bezeichnung einer besonderen Atmosphäre verwendet. Insbesondere im Zusammenhang mit Waren findet der Begriff Verwendung, um in werblich-anpreisender Weise auf eine durch diese, z. B. aufgrund ihrer Qualität, ihrer Gestaltung o. ä., vermittelte positive Atmosphäre und/oder ein damit bestimmtes/vermitteltes Lebensgefühl hinzuweisen. Begegnet der Verkehr folglich Waren, die mit dieser Bezeichnung versehen sind, wird er darin lediglich eine allgemeine werbemäßige Anpreisung zu Wirkung und Ausstrahlung sehen. Für ein Verständnis als betrieblicher Herkunftshinweis besteht hingegen kein Raum (vgl. [X.] (pat) 147/04 v. 26.04.2005 – Flair; 33 W (pat) 559/11 v. 16.10.2012 – le flair).

Der weitere [X.] „Colours“ als Pluralform des zum Grundwortschatz der [X.] Sprache gehörenden Substantivs „colour“ wird in seiner Bedeutung „Farben“ ebenfalls im Inland ohne weiteres verstanden, wobei der Begriff „Farbe“ sowohl eine farbgebende Substanz als auch einen Farbton bezeichnen kann (vgl. DUDEN-online zu „Farbe“).

Hergeleitet aus dem Bereich der Farbtherapie/Farbpsychologie wird Farben/Farbtönen eine („positive“) Wirkung und Ausstrahlung auf die menschliche Psyche zugeschrieben (vgl. [X.], [X.], Beschluss vom 20. November 2014 – 30 W (pat) 530/13 – [X.]; Beschluss vom 9. November 2017 – 30 W (pat) 17/17 – [X.]). Der Verkehr wird daher auch die Kombination von „Flair“ mit der Pluralform des ebenfalls im Inland allgemein bekannten [X.] Substantivs „colour“ mit der Bedeutung „Farbe“ begrifflich auf Anhieb und ohne weitergehendere Überlegungen bereits aus sich heraus [X.]Farben mit Flair“, d. h. Farben, die eine positive Atmosphäre ausstrahlen oder zu einer positiven Atmosphäre beitragen, verstehen.

Ungeachtet dessen belegt die der Anmelderin mit der [X.] übersandte Recherche zudem eine vor dem Anmeldezeitpunkt bestehende Übung, eine besondere Wirkung und Ausstrahlung farbgebender bzw. der Farbgestaltung dienender Produkte werbemäßig mit dem Begriff „Flair“ zu umschreiben.

Verwiesen werden kann auf die am 22. November 2013 abrufbare Internetseite http://de.roomeon.com/blog/dulux-wandfarbe-farbton, auf der es unter der Überschrift „[X.]: Farben für das perfekte Flair zuhause“ u. a. heißt: „Jeder Farbton steht nicht nur für einen speziellen Charakter, sondern Farben schaffen in Deinem Zuhause auch das nötige Flair zum Wohlfühlen. Und sie können noch mehr!“; ferner auf die Fundstelle [X.] vom 3. Juni 2015, auf welcher Farbprodukte mit „Urlaubsstimmung mit [X.], [X.] und [X.]. Südsee-

c) Die zu [X.] zurückgewiesenen Waren „Anstrichmittel; Farben; Lacke; Färbemittel; Beizen, insbesondere Beizen für Holz; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler" stellen Produkte dar, die einen bestimmten Farbton aufweisen und im Rahmen ihrer Verwendung eine bestimmte Farbgebung hervorrufen sollen; Farbton und Farbwirkung sind somit wesentliche Produkteigenschaften dieser Waren. Die Bezeichnung [X.] wird in der Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrskreise hinsichtlich dieser Waren und in naheliegender und im Vordergrund stehender Weise als beschreibender Hinweis darauf verstanden, dass es sich bei diesen um „Farben mit Flair“ handelt, die aufgrund ihrer Farbgebung bzw. ihres Farbtons eine positive Atmosphäre ausstrahlen oder zu einer positiven Atmosphäre beitragen.

d) Die angemeldete Wortfolge [X.] verfügt insoweit weder über eine besondere Originalität und Prägnanz noch über eine ungewöhnliche Struktur oder Besonderheiten syntaktischer oder semantischer Art, sondern erschöpft sich in Bezug auf die vorgenannten Waren in dem werblich-anpreisenden Qualitätsversprechen, dass diese aufgrund ihrer Farbgebung oder ihres Farbtons eine positive Atmosphäre ausstrahlen oder zu einer positiven Atmosphäre beitragen können. Dieser Aussagegehalt erschließt sich dem Verkehr sofort und ohne weiteres. Insbesondere wird der Verkehr dabei weder interpretatorische Überlegungen zur Bedeutung des Begriffs „Flair“ vornehmen noch bedarf es einer analysierenden, mehrere differenzierende Gedankenschritte erfordernden Betrachtungsweise oder eines vertieften Nachdenkens, um diesen rein sachlichen Bezug zwischen dem angemeldeten Zeichen und den versagten Waren zu erkennen und zu erfassen.

Soweit die Wortfolge dabei keine Information dazu enthält, aufgrund welcher konkreten Eigenschaften und in welcher Art und Weise die so bezeichneten Waren geeignet sind, zu einer positiven Atmosphäre beizutragen, entspricht eine solche Unbestimmtheit bzw. Verallgemeinerung dem Charakter einer Werbeaussage, einen möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener Eigenschaften, Vorteile oder Leistungsinhalte in einer schlagwortartigen und werbewirksamen Weise zu erfassen, ohne diese im Einzelnen zu benennen (vgl. [X.] 2000, 882, 883 – Bücher für eine bessere Welt). Eine solche etwaige begriffliche Unschärfe der als Marke angemeldeten Bezeichnung steht einem Verständnis als Sachangabe und damit der Feststellung eines Eintragungshindernisses nicht entgegen (vgl. [X.] [X.] 2004, 146 – [X.]; [X.] 2004, 680 – [X.]; [X.] 2004, 674 – Postkantoor).

3. [X.] auf die im Amtsverfahren von der Anmelderin genannten Voreintragungen ist nicht veranlasst (vgl. [X.] 2012, 276, 277, Nr. 18 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V. m. w. N.).

4. Die angemeldete Marke ist damit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren von der Eintragung ausgeschlossen, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

Meta

30 W (pat) 29/17

12.09.2019

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.09.2019, Az. 30 W (pat) 29/17 (REWIS RS 2019, 3685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3685

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