Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2017, Az. VI ZR 386/16

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 12068

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:250417UVIZR386.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

25. April 2017

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 209

Ein Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist (§
209 BGB), kann nur der nach Verjährungsbeginn verstrichene sein.

[X.], Urteil vom 25. April 2017 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom
25. April 2017
durch den Vorsitzenden [X.], den Richter
[X.],
die Richterinnen Dr. Oehler
und Dr. Roloff
und den Richter Dr.
Allgayer
für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil
der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 21.
Juli 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verjährung einer Schadensersatzforde-rung.
Am 14.
April 2011
wurde bei einem Verkehrsunfall ein dem Kläger
gehö-rendes Kraftfahrzeug beschädigt. Er nimmt die Beklagte als Haftpflichtversiche-rer des Unfallgegners
auf Schadensersatz
in Anspruch. Der Kläger
bezifferte
die sich daraus ergebenden Forderungen schriftlich gegenüber der Beklagten
und bat um Regulierung. Die Beklagte zahlte
daraufhin verschiedene
Teilbeträ-ge, unter anderem Nutzungsausfallentschädigung. Mit Anwaltsschreiben vom 21. September 2011 forderte der Kläger
die Beklagte unter Fristsetzung bis
zum 30. September 2011 auf, die noch offen stehenden Beträge zu bezahlen. Daraufhin teilte die Beklagte
durch
Schreiben vom 22.
September 2011, dem 1
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Klägervertreter zugegangen am 26.
September 2011,
mit, dass sie einen weite-ren Betrag überwiesen habe und dass mit ihren früheren Abrechnungen der
Sachschaden aus ihrer Sicht
abschließend reguliert sei.
Am 25.
Februar 2015 hat
der Kläger den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Beklagte
beantragt, mit dem er restliche [X.] geltend macht. Die Beklagte hat sich auf die Verjährung der
Forderung berufen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung
des Berufungsgerichts ist der
Anspruch des [X.] auf restliche
Nutzungsausfallentschädigung
mit Ablauf des 31.
Dezember 2014 verjährt. Bei Beantragung des Mahnbescheids sei die Verjährung bereits einge-treten
gewesen. Die im Verlauf des Jahres 2011 geführten und [X.] hätten die Verjährung nicht gehemmt, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu laufen begonnen habe. Anderenfalls würde der [X.] "doppelt"
berücksichtigt, da
die Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres
begonnen habe. Dies führe nicht zu einer unbilligen Schlechterstellung des
Gläubigers. Gesetzeszweck
sei nicht, die [X.] in jedem Fall um den Zeitraum zu verlängern, in dem die Parteien [X.] verhandelt hätten. [X.] die Parteien vor dem Lauf der [X.] mit Verhandlungen, seien sie bereits hinreichend dadurch geschützt, 3
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dass die Verjährung gehemmt werde, falls die Verhandlungen über den Beginn der Verjährungsfrist hinaus andauerten. Daraus ergebe sich kein Anreiz, mit Verhandlungen zuzuwarten.

II.
Das Berufungsurteil hält
revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Die Beklagte ist berechtigt, die Leistung
auf den
vom Kläger geltend gemachten Direktan-spruch (§ 115 Abs. 1 [X.])
wegen Verjährung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB).
Insbesondere hat
das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass ein Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist
(§ 209 BGB),
nur der nach Verjährungsbeginn verstrichene sein kann.
1. Der Anspruch des [X.] gegen die Beklagte auf [X.] wegen Beschädigung des Kraftfahrzeugs unterliegt der regel-mäßigen
Verjährungsfrist von drei Jahren, die mit dem Schluss des Jahres 2011 begann (§§
195,
199 Abs. 1 BGB, § 14 StVG, § 115 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.]; vgl. zur Fälligkeit Senat, Beschluss vom 18. November 2008 -
VI
ZB
22/08, [X.]Z 178, 338
Rn. 9 f.).
2. Die den Erwägungen des Berufungsgerichts zugrunde liegende [X.], dass nach Verjährungsbeginn
kein [X.] erfüllt war, wird von den getroffenen Feststellungen getragen.
a) Nach § 115 Abs. 2 Satz 3 [X.], der die erstmalige Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Unfall gegenüber einem Haftpflichtversicherer be-trifft (vgl. Senat, Urteile vom 25. Juni 1985 -
VI [X.], [X.], 1141; vom 5. November 2002 -
VI [X.], [X.]Z 152, 298, 301
jeweils zu § 3 Nr.
3 Satz 3 PflVG a.F.),
endet die Hemmung der Verjährung nach Anmeldung 6
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des Anspruchs des [X.] zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung des Versicherers dem Anspruchsteller in Textform zugeht. [X.] muss eindeutig der Entschluss hervorgehen, sich zu den angemeldeten Ansprüchen erschöpfend und endgültig zu erklären (vgl. Senat, Urteile
vom 14.
März 2017 -
VI [X.]; vom 16.
Oktober 1990 -
VI [X.], NJW-RR 1991, 470, 471 f.
zu § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a.F.; [X.], in: [X.]/[X.], [X.] 29. Aufl., § 115 [X.] Rn. 35 mwN).
Dies ist etwa der Fall, wenn bestimmte Positionen anerkannt und weitergehende Ansprüche zurückgewiesen
werden (vgl. [X.], in: MüKo
[X.], 2.
Aufl., § 115 [X.] Rn. 36
mwN).
Diese Anforderungen erfüllt das Schreiben der Beklagten vom 22. Sep-tember 2011 durch den Hinweis, dass der Sachschaden aus ihrer Sicht ab-schließend reguliert sei.
b) Ob § 203 Satz 1 BGB, wonach bei schwebenden Verhandlungen zwi-schen dem Schuldner und dem Gläubiger die Verjährung gehemmt ist, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert, im Streitfall zur Anwendung kommt, kann offen bleiben. Denn jedenfalls läge im Schreiben der Beklagten vom 22. September 2011 ein Abbruch der Verhand-lungen.
3. Entgegen der Auffassung der Revision wird nach
§ 209 BGB ein Zeit-raum in die Verjährungsfrist nur dann nicht eingerechnet, wenn er nach deren Beginn verstrichen ist.
Liegen die Voraussetzungen eines [X.] ausschließlich oder auch während eines Zeitraums vor Beginn der [X.] vor, ist dieser bei Berechnung der Verjährungsfrist nicht zu berücksich-tigen
(vgl. etwa [X.], Urteile
vom 14.
Juli 2009 -
XI ZR 18/08, [X.]Z 182, 76
Rn.
9,
13 ff.; vom 15. Dezember 2016 -
IX [X.], juris Rn. 12
ff., insbeson-dere Rn. 16; [X.], Urteil vom 3. Dezember 2013 -
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Sa 1012/13,
juris 10
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Rn.
46 ff.; [X.], Urteil vom 23. Oktober 2008 -
9
U 19/08, juris Rn.
43; [X.], Urteil vom 26. Juli 2006 -
3
U 87/06, NJW-RR 2007, 403, 404; [X.], in: [X.], [X.]., § 199 Rn. 41).
a) Für diese Auslegung spricht
der Wortlaut der Hemmungsvorschriften. Die Formulierung "Verjährung gehemmt"
in § 209 BGB und den einzelnen Hemmungstatbeständen
legt nahe, dass die Verjährung bereits laufen muss. Nach dem Sprachverständnis kann eine Frist nur angehalten werden, wenn sie schon zu laufen begonnen hat
(vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 2013
-
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Sa 1012/13,
juris Rn. 47).
b) Von der Revision befürchtete [X.] ergeben sich [X.] nicht. Zwar kann es vorkommen, dass sich ein [X.] nur auf die Verjährungshöchstfrist (§ 199 Abs. 3 und 4 BGB), nicht dagegen auf die regelmäßige Verjährungsfrist (§§
195,
199 Abs. 1 BGB) auswirkt. Weiter [X.] bei einheitlichen Verhandlungen über verschiedene Ansprüche nur
einzel-ne von ihnen gehemmt werden, wenn
nur deren Verjährung bereits begonnen hat (vgl. § 199 f. BGB). Dies ist jedoch Konsequenz
der gesetzgeberischen Grundentscheidung, neben der Verjährungsdauer auch den Verjährungsbeginn
unterschiedlich
zu regeln.
Im Gegenteil führt die von der Revision vertretene Auffassung, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, zu einem Wertungswiderspruch. Denn die Regelung des
§ 199 Abs. 1 BGB, wonach die
Verjährung
erst zum Ende des Jahres beginnt, wirkt bereits wie eine
"Anlaufhemmung"
(vgl. [X.]
[X.], in: [X.],
BGB [2014], § 209 BGB Rn. 9). Schon deshalb ist hin-sichtlich eines vor Verjährungsbeginn verstrichenen Zeitraums der Regelungs-
und Schutzzweck der Hemmungsvorschriften nicht berührt (vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 2013 -
7
Sa 1012/13,
juris Rn. 50; siehe weiter [X.]
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[X.], in: [X.],
BGB [2014], § 209 BGB Rn. 7 zum Zusammentreffen von Hemmung und Ablaufhemmung).
Auch im Übrigen lassen sich der Gesetzessystematik
keine Anhaltspunk-te für ein anderes
Verständnis der Hemmungsvorschriften
entnehmen.
c) Sinn und Zweck des
§ 115 Abs. 2 Satz 3 [X.]
sowie des § 203 Satz 1 BGB
sprechen ebenfalls nicht für die von der Revision vertretene Auffassung.
Ziel des § 115 Abs. 2 Satz 3 [X.] ist es, den Geschädigten vor allem für den Fall einer langen Verhandlungsdauer mit dem Versicherer vor den Nachteilen der Verjährung zu schützen. Deshalb wird der Geschädigte vor dem Weiterlau-fen einer die Durchsetzung seiner Ansprüche gefährdenden Verjährung be-wahrt, solange die Reaktion des Versicherers auf die [X.] noch in der Schwebe ist (vgl. Senat, Urteile vom 30. April 1991 -
VI
ZR
229/90, [X.]Z 114, 299, 302 f.; vom 28. Januar 1992 -
VI [X.], NJW-RR 1992, 606, 607 jeweils zu § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG a.F.).
Regelungszweck des § 203 BGB ist die
Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten. Deshalb
sollen Verhandlun-gen zwischen Gläubiger und Schuldner nicht unter den Druck einer ablaufen-den Verjährungsfrist gestellt werden (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 2009 -
XI ZR 18/08, [X.]Z 182, 76 Rn. 22).
Wenn jedoch die Verjährung (noch) gar nicht zu laufen begonnen hat, muss der Geschädigte vor deren Weiterlaufen (noch) nicht geschützt werden und stehen die
Verhandlungsparteien (noch) nicht unter Druck.
d) Schließlich steht diese Auslegung des § 209
BGB
in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs
zur Verjährungsunterbrechung nach altem Recht.
Danach lag
bei Klageerhebung oder Einreichung eines [X.] vor Verjährungsbeginn
(erst)
mit Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ein Zustand der Unterbrechung vor
(vgl. [X.], Urteile
vom 16
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31.
März 1969 -
VII
ZR 35/67, [X.]Z 52, 47, 49 f.; vom 27. September 1995
-
VIII
ZR 257/94, NJW 1995, 3380, 3381).
4. Da die Verjährung
zum Schluss des Jahres 2014 ablief,
konnte sie durch den erst danach beantragten Mahnbescheid nicht mehr gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB, § 167 ZPO
gehemmt werden.
Galke

[X.]

Oehler

Roloff
Allgayer
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.12.2015 -
8 C 456/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 21.07.2016 -
1 S 20/16 -

19

Meta

VI ZR 386/16

25.04.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2017, Az. VI ZR 386/16 (REWIS RS 2017, 12068)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12068

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 386/16

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IX ZR 58/16

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