Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.05.2019, Az. 1 StR 92/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 7070

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Gegenstand

Strafrahmenverschiebung für Gehilfen einer Steuerhinterziehung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten     S.   wird das Urteil des [X.] vom 17. Oktober 2018, soweit es den Angeklagten und den Mitangeklagten     Ö.   betrifft, im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten     S.   wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten     [X.]wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten und den Mitangeklagten     [X.]wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte     [X.]mit einer auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und führt insoweit zur Erstreckung der Revision auf den Mitangeklagten     [X.](§ 357 StPO); im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Der Strafausspruch hält materiell-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die [X.] hat die Strafe für den Angeklagten     [X.]dem nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1, Abs. 3 [X.] entnommen, ohne die weitere in § 28 Abs. 1 StGB zwingend vorgesehene Strafrahmenverschiebung in Betracht zu ziehen. Dies erweist sich hier als rechtsfehlerhaft.

3

a) Gemäß § 28 Abs. 1 StGB ist die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, wenn bei dem Teilnehmer besondere persönliche Merkmale fehlen, welche die Strafbarkeit des [X.] begründen. Die sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Pflichtwidrigkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] gründende steuerliche Erklärungspflicht ist nach der geänderten Rechtsprechung des Senats, die das [X.] bei seiner Entscheidung noch nicht kennen konnte, ein [X.] besonderes persönliches Merkmal nach § 28 Abs. 1 StGB ([X.], Urteil vom 23. Oktober 2018 - 1 [X.]). Bei einem Gehilfen, der im Zeitpunkt der Gehilfenhandlung nicht selbst zur Aufklärung der Finanzbehörde verpflichtet ist, ist daher eine Strafrahmenverschiebung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB neben der Milderung nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen, es sei denn, das Tatgericht hätte allein wegen Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe statt [X.]chaft angenommen (vgl. [X.], Urteil vom 23. Oktober 2018 - 1 [X.] und Beschluss vom 13. März 2019 - 1 StR 50/19, jeweils mwN).

4

b) Eine solche Pflicht zur Aufklärung der Finanzbehörden bestand nach den Feststellungen des [X.]s beim Angeklagten     [X.]nicht. Dieser ist - anders als die Mitangeklagten    [X.]und [X.]([X.]) - nicht wie ein faktischer Geschäftsführer als Verfügungsbefugter der verfahrensgegenständlichen Gesellschaften aufgetreten (vgl. dazu [X.], Urteil vom 9. April 2013 - 1 StR 586/12, [X.]St 58, 218, 232). Vielmehr bestand seine Aufgabe als Bandenmitglied vor allem darin, Scheinrechnungen für den Handel mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen und damit für die Hinterziehung von Umsatzsteuer zu erstellen. Die Voraussetzungen einer weiteren Strafrahmenmilderung nach § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB hätten daher erörtert werden müssen.

5

Der Senat kann ein Beruhen des Strafausspruchs auf diesem Erörterungsmangel nicht ausschließen. Denn die Urteilsgründe lassen nicht hinreichend deutlich erkennen, ob das [X.] allein wegen des Fehlens eines Auftretens nach außen und damit mangels einer sich aus § 35 [X.] ergebenden Erklärungspflicht nicht von [X.]chaft, sondern von Beihilfe ausgegangen ist, was freilich angesichts der Ausführungen auf [X.] und der Hervorhebung bei der Strafzumessung, dass der Angeklagte     [X.]eine bedeutende Rolle im Gesamtgefüge spielte ([X.]), nicht fernliegt. Es bedarf daher, erforderlichenfalls auf der Grundlage ergänzender Feststellungen, einer neuen tatrichterlichen Prüfung, ob die Voraussetzungen einer doppelten Strafrahmenverschiebung nach § 27 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB und § 28 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorliegen.

6

2. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei dem hier allein vorliegenden [X.] nicht. Die neu zur Entscheidung berufene [X.] kann aber ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

7

3. Die Aufhebung des Strafausspruchs ist auf den Mitangeklagten     [X.]zu erstrecken (§ 357 StPO), der vom [X.] ebenfalls wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 15 Fällen schuldig gesprochen wurde. Für ihn gelten die Ausführungen zum Angeklagten     [X.]entsprechend.

Jäger     

        

Fischer     

        

Bär     

        

Leplow      

        

Pernice      

        

Meta

1 StR 92/19

21.05.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 17. Oktober 2018, Az: 616 Js 10601/18 - 22 KLs

§ 27 Abs 1 StGB, § 27 Abs 2 S 2 StGB, § 28 Abs 1 StGB, § 370 Abs 1 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.05.2019, Az. 1 StR 92/19 (REWIS RS 2019, 7070)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7070

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