Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2011, Az. IX ZB 260/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 843

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 260/10

vom

1. Dezember 2011

in dem Restschuldbefreiungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 290 Abs. 1 Nr. 2
Die Restschuldbefreiung kann dem Schuldner auf Antrag eines Insolvenzgläubigers auch dann versagt werden, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig in der [X.] zwi-schen Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Schlusstermin schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse macht, um ei-nen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistun-gen an öffentlichen Kassen zu vermeiden.
[X.], Beschluss vom 1. Dezember 2011 -
IX ZB 260/10 -
[X.]

LG [X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Dr.
Kayser, [X.], [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am
1. Dezember 2011
beschlossen:

Dem Schuldner wird für die Durchführung des [X.] der 3.
Zivilkammer des Land-gerichts
[X.] vom 18.
November 2010 Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt

S.

beigeordnet. Raten-zahlungen oder Zahlungen aus dem Vermögen werden nicht fest-gesetzt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 18.
November 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung -
auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
-
an das Beschwerdegericht
zu-rückverwiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens
wird auf
5.000

fest-gesetzt.

-

3

-

Gründe:

I.

Am 12.
Juli 2002 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, in dem dieser Restschuldbefreiung bean-tragte. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gab der zum Insolvenzverwal-ter bestellte weitere Beteiligte zu
3
die mit [X.] der weiteren Betei-ligten zu
1
finanzierte Wohnimmobilie
des Schuldners frei. Zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen schlossen der Schuldner und seine Ehefrau mit der weiteren Beteiligten zu
1
im März 2005 eine Vereinbarung, nach der sie sich verpflichteten, monatlich 150

sie zu zahlen. Entsprechende Zahlungen
blieben
aus.
Am 23.
Juni 2005 widerrief die
weitere
Beteiligte
zu 1 die
Vereinba-rung. Im Juni 2006 erhielt sie eine Einmalzahlung von 300

der
vom Schuldner
getrennt lebenden Ehefrau, auf das dieser keinen Zugriff hatte. Zum Jahresende 2006 ließ der Schuldner im Rahmen eines Antragsver-fahrens nach §
22 SGB
II bei der A.

(im Folgenden: A.

) einen Auszug betreffend das Konto seiner Ehe-frau vorlegen, der für den [X.]raum 1.
Mai bis 31.
Dezember 2006 Zahlungen in Höhe von 2.400

1 auswies. Diesen Auszug, bei dem es sich um eine Totalfälschung handelte, hatte die Rechtsanwältin des Schuldners von dessen Ehefrau erhalten.

Im Schlusstermin am 28.
Mai 2010 haben die weiteren
Beteiligten
zu
1 und 2
beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Diesen
Anträgen
hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 25.
Juni 2010 entspro-chen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolg-1
2
-

4

-
los geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung weiter.

II.

Dem Schuldner war für das Rechtsbeschwerdeverfahren
schon
wegen der zur Klärung anstehenden Grundsatzfrage
Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§
7, 6 Abs.
1, § 300 Abs.
3 Satz
2
[X.]
in Verbindung mit Art. 103f EG[X.], §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO statt-haft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
und zur Zurückverweisung der Sache
an das Beschwerdegericht.

1. Das [X.] hat ausgeführt: Jedenfalls die weitere Beteiligte zu
1
habe einen wirksamen und begründeten Antrag auf Versagung der Restschuld-befreiung gemäß §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] gestellt. Indem der
Schuldner
es [X.] habe, dass seine Rechtsanwältin der A.

einen gefälschten [X.] vorgelegt habe, um Leistungen nach §
22 SGB
II zu erhalten, habe er grob fahrlässig schriftlich unrichtige Angaben über seine wirtschaftlichen [X.] gemacht, um Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen. Durch die Anweisung an
seine
Anwältin, etwaige von seiner getrennt lebenden
Ehe-frau zugeleitete Papiere direkt an die A.

weiterzugeben, ohne ihm diese zuvor zur Prüfung vorzulegen,
habe er mit einem Grad von Fahrlässigkeit ge-handelt, der weit über eine einfache oder durchschnittliche Fahrlässigkeit hin-3
4
5
-

5

-
ausgehe. Er habe sich damit jeglicher Kontrollmöglichkeiten über die Unterla-gen, die in seinem Namen in dem von ihm geführten Widerspruchsverfahren
bei der A.

eingereicht wurden, beraubt.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die bisherigen Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um den Vorwurf einer grob fahrlässigen Verletzung des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] zu tragen.

a) Gemäß §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ist dem Schuldner die [X.] zu versagen, wenn dies im Schlusstermin von einem Insolvenzgläubiger beantragt worden ist und wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Anga-ben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden. Grundsätzlich sind die Versagungsgründe des §
290 Abs.
1 [X.] auch einschlägig, wenn es darum geht, ob dem Schuld-ner in einem nach Ablauf von sechs Jahren noch nicht abgeschlossenen Insol-venzverfahren die Restschuldbefreiung zu erteilen ist ([X.], Beschluss vom
3.
Dezember 2009 -
IX
ZB 247/08, Z[X.] 2010, 102 Rn.
23
ff).
Eine Wohlver-haltensphase, in welcher der Schuldner die Obliegenheiten des §
295 [X.] zu erfüllen hätte, findet
in diesen Fällen
nicht statt.

b) Die Voraussetzungen des Versagungsgrundes des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] sind in objektiver Hinsicht gegeben. Zwar haben sich Insolvenz-
und Be-schwerdegericht nicht mit der
vom [X.] bisher nicht entschiede-nen
Frage befasst,
ob dem
Schuldner die Restschuldbefreiung auf Antrag eines
6
7
8
-

6

-
Insolvenzgläubigers im Schlusstermin
auch
dann versagt
versagen darf, wenn
dieser
Versagungsgrund erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
verwirk-licht wird.
Diese Frage ist aber im Ergebnis zu bejahen.

aa) Ob der Versagungsgrund des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] nach Eröff-nung des Insolvenzverfahrens noch
eingreifen kann, wird in der Literatur unein-heitlich beantwortet. Ganz überwiegend
wird
die Auffassung vertreten,
der
Ver-sagungsgrund
könne
bis zum Schlusstermin
geltend gemacht werden
(vgl.
FK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 290 Rn. 27;
Graf-Schlicker/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
290 Rn.
14; HmbKomm-[X.]/Streck, 3.
Aufl., §
290 Rn.
18;
[X.] in
Kübler/
[X.], [X.], 2008, §
290 Rn.
13a;
Kiesbye in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
290 Rn.
18; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
290 Rn.
42; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
290 Rn.
39), weil eine zeitliche Begren-zung der Anwendbarkeit dem Gesetz nicht zu entnehmen sei.
Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Vorschrift nach Eröffnung aufgrund der Publizität des Verfahrens ihre Bedeutung verliere
([X.]/[X.], aaO).
Erst nach [X.] in die Wohlverhaltensphase könne ein Versagungsantrag nicht mehr auf §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] gestützt werden ([X.], aaO).

Demgegenüber wird
vereinzelt
die Ansicht
vertreten,
die
Anwendbarkeit der Vorschrift
sei auf den [X.]raum bis zur Verfahrenseröffnung beschränkt (HK-[X.]/Landfermann, 6.
Aufl., §
290 Rn.
10).
Inkorrekte Angaben, die der Schuldner gegenüber Dritten mache, wirkten sich regelmäßig nicht mehr zum Nachteil der Insolvenzgläubiger aus. Verletzungen der Auskunfts-
und Informa-tionspflichten des Schuldners gegenüber den [X.] blieben nach §
290 Abs.
1 Nr.
5 und 6 [X.] erheblich.

bb) §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] ist
so
zu
verstehen, dass
Falschangaben des Schuldners, die dieser macht, um einen Kredit zu erlangen oder öffentliche 9
10
11
-

7

-
Leistungen zu beziehen oder zu vermeiden, auch
über die
Eröffnung des Insol-venzverfahrens
hinaus bis zum Schlusstermin
erheblich sind. Zwar enthält der Wortlaut der
Vorschrift keine ausdrückliche
Regelung der Frage, bis zu wel-chem [X.]punkt unrichtige schriftliche Angaben zur Erlangung
eines Kredits
oder von Leistungen aus öffentlichen Mitteln oder zur Vermeidung von Leistun-gen an öffentliche Kassen für den Antrag
des Schuldners auf Restschuldbefrei-ung schädlich sein können. Von
dem Wortlaut
werden sowohl Angaben bis zur Verfahrenseröffnung als auch solche bis zur Einstellung des Verfahrens oder sogar darüber hinaus während des Laufs der Wohlverhaltensphase erfasst. Nach
der Entstehungsgeschichte und dem
Sinn und Zweck der
Regelung
muss aber davon ausgegangen werden, dass der Schuldner bis zu dem [X.]punkt, zu dem der Versagungsgrund geltend gemacht werden muss, sich redlich
im Sin-ne des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] zu
verhalten hat.
Dies ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] der Schlusstermin oder aber eine im schriftlichen Verfahren an dessen Stelle tretende Frist, innerhalb derer [X.] nach §
290 [X.] zu stellen sind (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
März 2003 -
IX
ZB 388/02, Z[X.] 2003, 413, 414
f; vom 12.
Mai 2011 -
IX
ZB 229/10, Z[X.] 2011, 1126 Rn.
8).

(1) Nach der Entstehungsgeschichte des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] wollte der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich der Regelung
jedenfalls über den [X.]punkt der Antragstellung hinaus erweitern. Während die ursprüng-liche Fassung des [X.] in §
239 Abs.
1 Nr.
2 RegE[X.] ([X.]. 12/2443, S.
47) nur die zeitliche Angabe: "vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens "
enthielt, hat der Ge-setzgeber auf Vorschlag des Bundesrates ([X.]. 12/2443, S.
256) die Formulierung: "
"
in das Gesetz aufgenommen (vgl. die Gegenäußerung der Bundesregierung [X.]. 12/2443, S.
267). 12
-

8

-
Hieraus folgt, dass
die
Ahndung eines unredlichen Verhaltens
sich jedenfalls nicht auf einen Drei-Jahres-[X.]raum vor Antragstellung beschränken sollte.

(2) Grund für die Aufnahme des Versagungstatbestandes
des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] war es, dass ein Schuldner, der die in der genannten [X.] näher konkretisierten Falschangaben tätigt, ebenso wenig wie in den Fäl-len des §
290 Abs.
1 Nr.
1 [X.] als redlich angesehen werden kann
(vgl. [X.]. 12/2443, S.
190, Begründung zu §
239 RegE[X.]). Dieser Grund [X.] auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort. Auch während des er-öffneten Verfahrens ist von einem redlichen Schuldner zu erwarten, dass er
weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unrichtige schriftliche Angaben macht, um entsprechende Leistungen zu erhalten
oder Zahlungen zu vermeiden. [X.] in der Wohlverhaltensphase kann der Versagungsgrund wegen der zwingenden Geltendmachung der Versagungsgründe des §
290 Abs.
1 [X.] im Schlusstermin nicht mehr zum Tragen kommen. In diesem Verfahrensabschnitt
gelten die Obliegenheiten des §
295 [X.], die dem Schuldner besondere [X.]spflichten auferlegen.

Der Anwendbarkeit des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] während des eröffneten Verfahrens steht nicht entgegen, dass
Gläubiger, die von dem unredlichen [X.] des Schuldners nach Verfahrenseröffnung unmittelbar betroffen sind, wegen der sich hieraus ergebenden Forderung
als Neugläubiger nicht am In-solvenzverfahren teilnehmen. Der antragstellende Gläubiger muss nicht selbst Opfer des unredlichen Verhaltens des Schuldners gewesen sein ([X.]/
[X.], [X.], 13.
Aufl., §
290 Rn.
15a; [X.] in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8.
Aufl., §
17 Rn.
53). Folgerichtig kann der Versagungsantrag des §
290 Abs.
1 Nr.
6 [X.]
von jedem Gläubiger
geltend gemacht werden, der eine Forderung angemeldet hat,
ohne dass
es
darauf an-kommt, ob
der Antragsteller durch die unvollständigen Angaben des Schuldners 13
14
-

9

-
betroffen ist (vgl. [X.], Beschluss
vom
22.
Juli 2007 -
IX
ZB 120/05, Z[X.] 2007, 446 Rn.
2
f; [X.], Z[X.] 2000, 456, 457; Nerlich/[X.], In-sO,
§
290 Rn.
17; [X.]/[X.], aaO; [X.] in Kübler/[X.], [X.],
§
290 Rn.
5; [X.], in Mohrbutter/Ringstmeier, aaO). Die vereinzelt vertre-tene Gegenauffassung
(vgl. [X.], [X.], 113, 118; FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
290 Rn.
56)
lehnt der [X.] jedenfalls für den Fall des §
290 Abs.
1 Nr.
6 [X.]
ausdrücklich
ab, weil eine einengende Betrachtungs-weise zu Gunsten des unredlichen Schuldners mit dem Normzweck des §
290 Abs.
1 [X.], darauf hinzuwirken, dass der Schuldner die im Rahmen des [X.] vorzulegenden Verzeichnisse sorgfältig erstellt und
insbesondere seine Gläubiger richtig und vollständig angibt, nicht zu ver-einbaren
ist ([X.], Beschluss
vom
22.
Juli 2007, aaO Rn.
3). Nichts anderes
gilt für den Fall des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.]. Auch hier ist eine generalisierende Betrachtungsweise geboten, bei der es nicht darauf ankommt, ob
der
den Ver-sagungsantrag
stellende Gläubiger von den Falschangaben des Schuldners selbst
betroffen
ist.

Ob die unrichtigen [X.] Bedeutung für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger haben, ist
ebenfalls
unerheblich (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Juli 2004 -
IX
ZB 174/03, Z[X.] 2004, 920, 921; vom 17.
März 2005 -
IX
ZB 260/03, [X.] 2005, 641; vom 8.
Januar 2009 -
IX
ZB 73/08, Z[X.] 2009, 395 Rn.
10,
für die Versagungsgründe des §
290 Abs.
1 Nr.
5 und 6
[X.]).
Maßgeblich ist, dass es dem Schuldner auch während des eröffneten Verfahrens nicht gestattet werden darf, sich durch unrichtige oder [X.] Angaben vermögensrechtliche Vorteile zu verschaffen.

(4) Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist durch die zeitlich befristete Anwendung des Versagungsgrundes Rechnung getragen. Hinsichtlich des
Be-ginns
der Frist hat der Gesetzgeber eine klare und eindeutige Regelung getrof-15
16
-

10

-
fen. Über den Drei-Jahres-[X.]raum
vor Antragstellung
darf nicht hinausgegan-gen werden ([X.], Beschluss vom 22.
Mai 2003 -
IX
ZB 456/02, Z[X.] 2003, 610, 611). Hat ein Schuldner früher als drei Jahre vor der Insolvenzeröffnung vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Anga-ben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, um Leistungen aus öf-fentlichen Mitteln zu beziehen,
und ist er gesetzlich verpflichtet, diese Angaben innerhalb der Dreijahresfrist zu berichtigen oder zu ergänzen, rechtfertigt dies allein die Versagung der Restschuldbefreiung gleichwohl nicht, weil der Schuld-ner die Falschangaben nicht innerhalb des [X.] gemacht hat.
Der Schlusstermin stellt den -
ebenfalls
klaren
und eindeutigen
-
Endzeitpunkt
dar.
Bis zu diesem
[X.]punkt muss
der
Schuldner damit rechnen, im Fall einer
Krediterschleichung im Sinne des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] die Erteilung der Restschuldbefreiung zu gefährden.
Seine Pflicht, sich redlich zu verhalten, en-det nicht mit der Verfahrenseröffnung.
Deshalb ist ihm dieser Endzeitpunkt selbst dann zuzumuten, wenn
sich die Aufhebung des Insolvenzverfahrens
-
aus welchen Gründen auch immer
-
hinzieht und über sie erst nach Ablauf des Abtretungszeitraums (vgl. §
287 Abs.
2 Satz
1 [X.]) entschieden werden kann.

[X.]) Vorliegend
betreffen die dem Schuldner zur Last gelegten Falschan-gaben gegenüber der A.

einen Vorgang, der sich während des eröffneten
Verfahrens ereignet hat. Die objektiven Voraussetzungen für die Anwendung des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] sind gegeben.

c) Die Feststellungen des [X.]s reichen jedoch nicht aus, um dem Schuldner subjektiv eine Verletzung des §
290 Abs.
1 Nr.
2 [X.] anzulas-ten. Das
Beschwerdegericht
hat nicht festgestellt, dass der Schuldner selbst den Kontoauszug gefälscht hat oder dessen Fälschung durch seine getrennt lebende Ehefrau oder einen Dritten veranlasst hat.
Ein vorsätzliches Verhalten 17
18
-

11

-
scheidet damit aus.
Gleiches gilt nach dem derzeitigen Verfahrensstand für die Annahme des [X.],
der Schuldner habe grob fahrlässig gehan-delt.

aa) Der Begriff der groben Fahrlässigkeit (vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Februar 2006 -
IX
ZB 218/04, Z[X.] 2006, 370 Rn.
9 mwN; vom 19.
März 2009 -
IX
ZB 212/08, Z[X.] 2009, 786 Rn.
7; vom 2.
Juli 2009 -
IX
ZB 63/08, [X.], 562 Rn.
13; vom 17.
März 2011 -
IX
ZB 174/08,
Z[X.] 2011, 836 Rn.
9) ist ein Rechtsbegriff. Die Feststellung der Voraussetzungen ist zwar tat-richterliche Würdigung und mit der Rechtsbeschwerde nur beschränkt anfecht-bar. Der Nachprüfung unterliegt aber, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahr-lässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat ([X.], Beschluss vom 9.
Februar 2006, aaO). So liegt der Fall hier.

bb) Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass der Schuldner keinen Zugriff auf die Konten seiner damals schon von ihm getrennt lebenden Ehefrau hatte und deswegen nicht in der Lage war, die inhaltliche Richtigkeit des von dieser unmittelbar seiner Anwältin zugeleiteten Kontoauszugs für das [X.] zu überprüfen. Obwohl der Schuldner damit keine
Möglichkeit hatte, die [X.] Richtigkeit des von der Ehefrau an seine Anwältin übersandten [X.] zu überprüfen, hat das Beschwerdegericht in der Anweisung, etwaige von der Ehefrau übersandte Unterlagen an die
A.

weiterzuleiten, ohne sie ihm zuvor zur Prüfung vorzulegen, ein Verhalten gesehen, das über eine einfache oder durchschnittliche Fahrlässigkeit weit hinausgeht und schon als grob fahr-lässig anzusehen ist. Diese Würdigung überspannt den Pflichtenkreis eines [X.] im Rechtsverkehr.

19
20
-

12

-

Wenn der Schuldner nicht im Stande war, die inhaltliche Richtigkeit des von seiner Ehefrau der Anwältin übersandten Kontoauszuges zu kontrollieren, war die Anweisung an seine Anwältin, etwaige von der Ehefrau übersandte [X.] an die A.

weiterzuleiten,
nur dann grob fahrlässig, wenn es sich ihm -
unterhalb der Schwelle eines im Streitfall verneinten kollusiven Zusammenwir-kens mit seiner Ehefrau
-
aufgrund konkreter Verdachtsmomente aufdrängen musste, seine Ehefrau werde gegenüber der A.

unredlich vorgehen. Auch hierzu hat das Beschwerdegericht keine Feststellungen getroffen.

IV.

Die
angefochtene
Entscheidung ist damit aufzuheben und
die Sache
an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz
1 [X.]). Eine eigene Sachentscheidung des
Senats
kommt nicht in Betracht, weil das Be-schwerdegericht
unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats wei-tere Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzungen des Versagungsgrun-des zu treffen hat.
Außerdem steht noch eine Entscheidung über den Versa-gungsantrag der weiteren Beteiligten zu
2 aus.

V.

Der Senat hat den Wert des Verfahrens gemäß seiner ständigen
Recht-sprechung auf
ein geschätztes Interesse des Schuldners
an der [X.]
von 5.000

Bezüglich der
Festsetzung des
Beschwerdege-richts,
das
seinen
Wert nach
dem
Betrag aller im Insolvenzverfahren anerkann-ten Forderungen
(409.466

bemessen hat, ist vorsorglich darauf hinzuweisen, dass eine derartige Festsetzung nur in Betracht käme, wenn sämtliche Forde-21
22
23
-

13

-
rungen in vollem Umfang werthaltig wären.
Anhaltspunkte dafür, dass dies hier der Fall sein könnte, gibt es nicht.

Kayser
Raebel
[X.]

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.06.2010 -
351 IN
219/02 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.11.2010 -
3 T 472/10 -

Meta

IX ZB 260/10

01.12.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2011, Az. IX ZB 260/10 (REWIS RS 2011, 843)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 843

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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