Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.04.2019, Az. 2 B 25/18

2. Senat | REWIS RS 2019, 7780

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Gegenstand

Zur Bindungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO


Gründe

1

1. Der 1969 geborene [X.]eklagte ist Lehrer und steht als Studienrat ([X.]esoldungsgruppe [X.]) im Dienst des klagenden [X.]. Wegen einer exhibitionistischen Handlung im November 2008 wurde er 2010 gemäß § 183 Abs. 1 StG[X.] durch Strafbefehl zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Dem lag zugrunde, dass er in einem Café in Gegenwart von drei 16- bzw. 17-jährigen Mädchen onaniert hatte. Mit weiterem Strafbefehl verurteilte ihn das Amtsgericht 2011 wegen besonders schweren Diebstahls in zwei Fällen gemäß § 242 Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StG[X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten; die Vollstreckung setzte es zur [X.]ewährung aus. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der [X.]eklagte im Dezember 2009 und im Februar 2010 aus einem Warenhaus verschiedene Gegenstände in einem Gesamtwert von rund 2 200 € entwendet und anschließend über "[X.]" veräußert hatte.

2

Auf die im Jahre 2012 erhobene [X.] hin hat das Verwaltungsgericht den [X.]eklagten aus dem [X.]eamtenverhältnis entfernt. Die [X.]erufung des [X.]eklagten beim Oberverwaltungsgericht ist erfolglos geblieben.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat im ersten [X.]erufungsurteil die Feststellungen des Strafbefehls aus dem Jahre 2011 zu den Diebstahlshandlungen zugrunde gelegt und sie als schwerwiegendes außerdienstliches Dienstvergehen durch Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gewertet. Eine verminderte Schuldfähigkeit sei nach den Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung befragten Sachverständigen nicht anzunehmen. Hinzukomme die exhibitionistische Handlung; insoweit legte das Oberverwaltungsgericht die vom Verwaltungsgericht nach Zeugenvernehmung getroffenen Feststellungen zugrunde, allerdings sei insoweit nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" von einer Minderung der Steuerungsfähigkeit auszugehen. [X.]ei einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigenden Gesichtspunkte habe der [X.]eklagte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren und sei aus dem [X.]eamtenverhältnis zu entfernen.

4

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]eklagten hat das [X.] das erste [X.]erufungsurteil aufgehoben und die Sache wegen eines Verfahrensfehlers an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen ([X.], [X.]eschluss vom 8. Juni 2017 - 2 [X.] 5.17 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 43). Das Oberverwaltungsgericht habe gegen die Pflicht zur fehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen. Zwar sei es nicht zu beanstanden, dass das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich der Diebstähle eine verminderte oder fehlende Schuldfähigkeit verneint habe. Es habe allerdings hinsichtlich der exhibitionistischen Straftat die Voraussetzungen des § 21 StG[X.] für eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bejaht, ohne zugleich der Frage nachzugehen, ob die Therapie des [X.]eklagten dauerhaften Erfolg verspreche. Außerdem habe es die verminderte Schuldfähigkeit hinsichtlich einer der Pflichtverletzungen unter Heranziehung des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens außer [X.] gelassen. Damit habe es zugleich den Zweifelssatz in [X.] Weise angewendet; wenn ein Gericht "in dubio pro reo" vom Vorliegen einer verminderten Schuldfähigkeit ausgehe, dürfe es sich im Folgenden hierzu nicht in Widerspruch setzen, sondern müsse diesen Sachverhalt ohne inhaltliche Einschränkung seiner Entscheidungsfindung zugrunde legen. Im Rahmen der nunmehr gebotenen erneuten Durchführung des [X.]erufungsverfahrens werde das [X.]erufungsgericht hinsichtlich der exhibitionistischen Handlungen die nicht auszuschließende erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit hinreichend zu berücksichtigen haben.

5

In der erneut durchgeführten [X.]erufungsverhandlung hat das [X.]erufungsgericht das Disziplinarverfahren auf die Diebstahlsvorwürfe beschränkt und den [X.] ausgeschieden. Die [X.]erufung hat es erneut zurückgewiesen. Zur [X.]egründung hat es u.a. darauf abgestellt, dass die Exhibitionismushandlung nach der [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens nicht mehr Verfahrensgegenstand sei; ungeachtet dessen führe ihre [X.]erücksichtigung nicht zu einem dem [X.]eklagten günstigeren Ergebnis. Aus einem etwaigen Therapieerfolg hinsichtlich der Neigung zum Exhibitionismus ergebe sich nichts für die [X.]ewertung des Dienstvergehens hinsichtlich der Diebstähle. [X.]ei einer Gesamtwürdigung sei im Hinblick auf die Diebstahlshandlungen die Höchstmaßnahme geboten.

6

2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung (§ 67 [X.] NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

7

Grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom [X.]eschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des [X.] erheblich sein wird (stRspr, [X.], [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 [X.] 78.61 - [X.]E 13, 90 <91 f.>). Ein Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 24. Januar 2011 - 2 [X.] 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 und vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9).

8

Die von der [X.]eschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig gehaltene Fragen,

"Ist das [X.]erufungsgericht nach der Zurückverweisung zur 'anderweitigen Verhandlung' daran gebunden, dass das Revisionsgericht von einer [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens bzw. von der Aufrechterhaltung des angefochtenen Urteils aus Gründen der [X.] keinen Gebrauch gemacht hat?"

und

"Ist das [X.]erufungsgericht nach der Zurückverweisung zur 'anderweitigen Verhandlung' daran gebunden, dass das Revisionsgericht die Ermittlung einer Tatsachenfrage als unterlassen moniert und auf die [X.]eweiserhebung durch ergänzende [X.]efragung eines Sachverständigen oder sachverständigen Zeugen verweist?"

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie lassen sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.]s beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

9

a) Nach § 144 Abs. 6 VwGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche [X.]eurteilung des [X.] zugrunde zu legen. Diese [X.]indungswirkung umfasst die für die Aufhebungsentscheidung kausal ausschlaggebenden Gründe. Dies schließt die den unmittelbaren [X.] vorausgehenden Erwägungen jedenfalls insoweit ein, als diese die notwendige (logische) Voraussetzung für die unmittelbaren Aufhebungsgründe waren ([X.], Urteile vom 30. Mai 1973 - 8 C 159.72 - [X.]E 42, 243 <247> und vom 28. November 2012 - 8 C 21.11 - [X.]E 145, 122 Rn. 22; [X.]eschlüsse vom 21. August 1997 - 8 [X.] - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8 und vom 4. Juli 2013 - 2 [X.] - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 9). Erfasst sind damit die Ausführungen des [X.], aus denen sich die Verletzung von revisiblem Recht ergibt (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 19. Februar 1973 - 3 [X.] - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 21 S. 9 und vom 21. März 1986 - 3 C[X.] 30.84 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 46 S. 10).

Die [X.]indung nach § 144 Abs. 6 VwGO besteht jedoch nur auf der Grundlage des vom [X.] im ersten Rechtsgang festgestellten Sachverhalts, der sich durch neue Tatsachenermittlungen und weitere [X.]eweisaufnahmen im zweiten Rechtsgang ändern kann. [X.]ei einer nachträglichen entscheidungserheblichen Änderung der Sach- und Rechtslage entfällt sie ohnehin ([X.], Urteil vom 30. Mai 1973 - 8 C 159.72 - [X.]E 42, 243 <247>; [X.]eschluss vom 21. August 1997 - 8 [X.] - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 9). Sie entfällt aber auch bei einer entscheidungserheblichen Änderung des Streitstoffs. Die Vorinstanz, an die die aufgehobene Entscheidung durch das Revisionsgericht zurückverwiesen wird, ist nach dem Wortlaut des § 144 Abs. 6 VwGO lediglich an die "rechtliche" [X.]eurteilung des [X.] gebunden; keine [X.]indung besteht jedoch hinsichtlich der Tatsachen, die der revisionsgerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegen haben. Die revisionsgerichtliche Entscheidung, die zur Zurückverweisung an die Vorinstanz führt, beruht auf der Tatsachengrundlage, die das [X.] im ersten Rechtsgang festgestellt hatte und an die das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, sofern nicht von den Prozessparteien angebrachte Verfahrensrügen greifen. Den [X.]eteiligten ist jedoch unbenommen, nach Zurückverweisung dem [X.] im zweiten Rechtsgang neue Tatsachen vorzutragen (§ 128 Satz 2 VwGO). Auch das [X.] selbst ist nicht gehindert, den Sachverhalt weiter aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO). Ändert sich auf diese Weise der entscheidungserhebliche Streitstoff, so wird der zurückverweisenden revisionsgerichtlichen Entscheidung gleichsam die Tatsachengrundlage entzogen. Da das Revisionsurteil die veränderte Tatsachengrundlage noch nicht beurteilt hatte, kann es für sie keine bindende Aussage getroffen haben ([X.], Urteil vom 28. November 2012 - 8 C 21.11 - [X.]E 145, 122 Rn. 23 f.).

Eine weitergehende [X.]indungswirkung wird auch vom Zweck des § 144 Abs. 6 VwGO nicht gefordert. Dieser liegt darin, dass es für die [X.]eteiligten eines Rechtsstreits untragbar und mit der rechtlichen [X.]edeutung einer revisionsgerichtlichen Entscheidung unvereinbar wäre, wenn das [X.] im zweiten Rechtsgang die Rechtsauffassung des [X.] als für seine Entscheidung unmaßgeblich behandeln dürfte. Anderenfalls könnte eine endgültige Entscheidung in der Sache dadurch verzögert oder gar verhindert werden, dass sie endlos zwischen Tatsachen- und Revisionsinstanz hin- und hergeschoben wird. Eine andere Lage besteht jedoch dann, wenn nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im zweiten Rechtsgang neuer Sachvortrag der [X.]eteiligten oder die Sachverhaltsermittlung durch das [X.] eine gegenüber der revisionsgerichtlichen Entscheidung wesentlich veränderte Tatsachengrundlage ergibt. Dies gilt auch dann, wenn es sich insoweit um das Entdecken oder Auffinden "alter", also bereits zur Zeit des ersten [X.] vorliegender, damals vom [X.] aber noch nicht festgestellter oder übersehener Tatsachen handelt. Denn das [X.] muss nach einer revisionsgerichtlichen Zurückverweisung des gesamten Rechtsstreits, sofern nicht einzelne Teilentscheidungen (teil-)rechtskräftig geworden sind, eigenständig prüfen, ob die Tatsachengrundlage in entscheidungserheblicher Hinsicht gegenüber dem ersten Rechtsgang unverändert ist oder ob sie sich etwa aufgrund neuen [X.] oder einer nunmehrigen Heranziehung bisher übersehenen oder nicht hinreichend zur Kenntnis genommenen [X.] der [X.]eteiligten oder der Aktenlage anders darstellt. Das mag für die Prozesspartei, die auf der alten Tatsachengrundlage eine für sie günstige, aber noch nicht (teil-)rechtskräftige Entscheidung des [X.] erreicht hat, schmerzlich sein, dient aber der materiellen Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung ([X.], Urteil vom 28. November 2012 - 8 C 21.11 - [X.]E 145, 122 Rn. 25).

Die in § 144 Abs. 6 VwGO bestimmte [X.]indung des [X.]erufungsgerichts verwehrt diesem lediglich eine Abweichung von der der Aufhebung und Zurückverweisung unmittelbar zugrundeliegenden rechtlichen [X.]eurteilung des [X.] und somit die Wiederholung der vom Revisionsgericht gerügten Fehler; sie bezieht sich hingegen nicht auf darüber hinausgehende, weiterführende Hinweise des [X.] für die anderweitige Verhandlung und Entscheidung ([X.], [X.]eschluss vom 20. Dezember 1990 - 2 [X.] 114.90 - juris Rn. 10 m.w.N.).

Von der [X.]indungswirkung nach 144 Abs. 6 VwGO erfasst sind nicht nur diejenigen Ausführungen im Revisionsurteil, welche die Verletzung von [X.]undesrecht dartun und die Aufhebung des angefochtenen Urteils unmittelbar herbeigeführt haben, sondern auch diejenigen Gründe, die eine [X.]estätigung des angefochtenen Urteils nach § 144 Abs. 4 VwGO ausgeschlossen haben und damit für dessen Aufhebung ebenfalls ursächlich gewesen sind ([X.], [X.]eschluss vom 21. März 1986 - 3 C[X.] 30.84 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 46 S. 10 m.w.N.). Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, muss seiner Entscheidung zudem auch die rechtlichen Erwägungen zugrunde legen, wegen derer das [X.] die anderweitige [X.] des angefochtenen Urteils nach § 144 Abs. 4 VwGO verneint hat ([X.], Urteil vom 28. November 2012 - 8 C 21.11 - [X.]E 145, 122 Rn. 22).

Die [X.]indungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO gilt auch für zurückverweisende [X.]eschlüsse nach § 133 Abs. 6 VwGO ([X.], [X.]eschlüsse vom 11. Juli 2000 - 8 [X.] - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 68 S. 2 und vom 4. Juli 2013 - 2 [X.] - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 10). [X.]ei der [X.]estimmung der Reichweite der [X.]indungswirkung des [X.]eschlusses nach § 133 Abs. 6 VwGO ist aber dessen beschränkter Gegenstand zu berücksichtigen. Aus § 133 Abs. 3 VwGO ergibt sich, dass das [X.]eschwerdegericht, sofern die [X.]eschwerde auf Verfahrensmängel gestützt wird, nur prüfen kann, ob die geltend gemachten Verfahrensfehler vorliegen. [X.] ein [X.]eteiligter mit der Rüge der unzureichenden Sachaufklärung im Verfahren der [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Aufhebung des [X.]erufungsurteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 133 Abs. 6 VwGO, so ist die [X.]indungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO auf die [X.]eurteilung der gerügten Sachaufklärung und anderer nicht durchgreifender [X.] durch das [X.] beschränkt; diesem ist es aufgrund des [X.] nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verwehrt, sich mit Gesichtspunkten zu befassen, die der [X.]eschwerdeführer nicht gerügt hat ([X.], [X.]eschluss vom 4. Juli 2013 - 2 [X.] - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 80 Rn. 1o ff. m.w.N.).

b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung entfaltet die [X.]indungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO keine Sperrwirkung für eine [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens durch das [X.]erufungsgericht nach § 56 [X.] bzw. nach der entsprechenden [X.]estimmung des [X.]disziplinarrechts, hier § 55 [X.] NRW. Die [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens ist ein Instrument, das dem Disziplinargericht aus Gründen der [X.] eröffnet ist. Hiervon kann es auch nach einer Zurückverweisung gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 oder § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Gebrauch machen. Selbstverständlich entbindet die grundsätzliche [X.]efugnis des [X.]erufungsgerichts zur [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens auch in diesem Verfahrensstadium das [X.]erufungsgericht nicht von der Pflicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine solche [X.]eschränkung vorliegen. [X.] ihm hierbei ein Verfahrensfehler, kann dieser mit der Verfahrensrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemacht werden. Es kann auch dann nichts anderes gelten, wenn das Revisionsgericht in seiner stattgebenden Entscheidung über die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Nichtaufklärung einer Tatsachenfrage beanstandet und Hinweise zur [X.]eweiserhebung gegeben hat.

Schließlich entfaltet es keine Sperrwirkung für eine [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens durch das [X.]erufungsgericht nach § 56 [X.] bzw. nach der entsprechenden [X.]estimmung des [X.]disziplinarrechts, hier § 55 [X.] NRW, wenn das [X.] in einem ersten [X.] nicht selbst das Disziplinarverfahren beschränkt und deshalb die [X.]eschwerde gemäß § 133 Abs. 6 VwGO zurückgewiesen hat. Dies folgt schon daraus, dass eine [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens zwar nicht nur in der Tatsacheninstanz, sondern auch im Revisionsverfahren, nicht aber im Verfahren über die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in [X.]etracht kommt.

3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 67 Satz 1 [X.] NRW, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des [X.]erufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der im Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das [X.] oder ein anderes divergenzfähiges Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den [X.]edeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - 2 [X.] 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). Die [X.]ehauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das [X.] oder ein anderes divergenzfähiges Gericht aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer [X.] dagegen nicht. Die Entscheidungen müssen dasselbe Gesetz und dieselbe Fassung des Gesetzes zum Gegenstand haben (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 17. Januar 1995 - 6 [X.] - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55 und vom 9. April 2014 - 2 [X.] 107.13 - NVwZ 2014, 1174 Rn. 3 ff. m.w.N.).

Eine Divergenz in diesem Sinne ist von der [X.]eschwerde nicht dargetan. Die [X.]eschwerde stellt dem von ihr angeführten Rechtssatz des [X.]s im [X.]eschluss vom 21. August 1997 - 8 [X.] - ([X.] 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8) zum Umfang der [X.]indungswirkung nach § 144 Abs. 6 VwGO keinen divergierenden Rechtssatz im [X.]erufungsurteil gegenüber, sondern rügt der Sache nach eine abweichende Handhabung durch das [X.]erufungsgericht im konkreten Fall. Der damit letztlich gerügte Verstoß gegen § 144 Abs. 6 VwGO kann nicht zu der Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO führen, sondern ist - wie die [X.]eschwerde selbst erkennt (vgl. unter 2.2.4. der [X.]eschwerdebegründung) - unter dem Gesichtspunkt des Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu würdigen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 17. März 1994 - 3 [X.] 24.93 - [X.] 310 § 144 VwGO Nr. 57 S. 1 unter Hinweis auf [X.], [X.]eschluss vom 29. Juni 1977 - 5 [X.] 88.76 - [X.] 310 § 132 Nr. 154 S. 30 f.).

4. Die Revision ist schließlich nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 67 Satz 1 [X.] NRW, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

a) Soweit die Verfahrensrügen sich darauf beziehen, dass im [X.]erufungsurteil die [X.]indungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO nicht beachtet worden sei, können sie nicht durchdringen, weil das [X.]erufungsgericht - wie oben unter 2. ausgeführt - nicht durch § 144 Abs. 6 VwGO an einer [X.]eschränkung des Disziplinarverfahrens gehindert war.

b) Soweit die [X.]eschwerde rügt, dass das [X.]erufungsgericht in anderer [X.]esetzung entschieden hat als bei der ersten [X.]erufungsverhandlung, genügt sie nicht den nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geforderten [X.]egründungsanforderungen für eine Verfahrensrüge, weil sie sich auf die [X.]enennung der unterschiedlichen Spruchkörperbesetzung beschränkt, aber - auch nach Übermittlung der insoweit einschlägigen Teile des [X.] des [X.]erufungsgerichts für das Jahr 2018 - jedwede Ausführungen zu der sich nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.]erufungsgerichts ergebenden [X.]esetzung des Spruchkörpers vermissen lässt (vgl. zu diesem Erfordernis [X.], [X.]eschluss vom 25. Januar 2016 - 2 [X.] 34.14, 2 PKH 1.14 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 75 Rn. 12).

c) Soweit die [X.]eschwerde rügt, dass wegen der [X.]esetzung der [X.]bank drei der fünf [X.] der persönliche Eindruck von der in der ersten [X.]erufungsverhandlung durchgeführten [X.]efragung des Sachverständigen gefehlt habe, zeigt sie damit keinen Verfahrensfehler auf. Auch insoweit genügt der [X.]eschwerdevortrag nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Angesichts dessen, dass beim [X.] in größerem Umfang als beim Zeugenbeweis indirekte [X.]eweismittel zulässig sind, weil es beim Sachverständigen weniger auf Glaubwürdigkeit als auf wissenschaftlich fundierte Aussagen ankommt, so dass die Verwertung von in den Akten befindlichen Gutachten regelmäßig zulässig ist, und angesichts dessen, dass ausweislich der Niederschrift zur erneuten [X.]erufungsverhandlung dem [X.]erufungsgericht zur mündlichen Verhandlung nicht nur die Gerichtsakten, sondern auch die einschlägigen Verwaltungsvorgänge vorlagen, hätte es weiteren Vortrags dazu bedurft, warum es der von der [X.]eschwerde geforderten Verlesung der Sachverständigenbefragung bedurft haben sollte.

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des [X.]s geklärt, dass dem Erfordernis des § 112 VwGO - wonach das Urteil nur von denjenigen [X.]n und ehrenamtlichen [X.]n gefällt werden kann, die an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben - in den Fällen mehrerer mündlicher Verhandlungen bei unterschiedlicher [X.]esetzung der [X.]bank grundsätzlich genügt ist, wenn der [X.]erichterstatter den Sachverhalt einschließlich des Prozessverlaufs in der mündlichen Verhandlung vorträgt ([X.], [X.]eschlüsse vom 15. November 1996 - 7 [X.] 273.96 - juris Rn. 3 m.w.N. und vom 21. Februar 2017 - 2 [X.] 7.16 - juris Rn. 16). Aber auch dann, wenn in der mündlichen Verhandlung - wie hier - auf den Vortrag des [X.] verzichtet wird, bleibt es bei dem Grundsatz, dass eine Wiederholung der [X.]eweisaufnahme vor dem anders besetzten Spruchkörper im Ermessen des Gerichts steht und selbst im Falle einer Zeugenvernehmung nur dann zwingend ist, wenn der persönliche Eindruck des Zeugen für alle [X.] unverzichtbar ist ([X.], [X.]eschlüsse vom 1. Juni 2007 - 8 [X.] 85.06 - juris Rn. 11 m.w.N. und vom 21. Februar 2017 - 2 [X.] 7.16 - juris Rn. 16). Ein solcher Fall war hier nicht gegeben.

d) Soweit die [X.]eschwerde meint, dass das angegriffene Urteil ein "Scheinurteil" sei, weil in den zur Akteneinsicht übersandten Gerichtsakten nur eine beglaubigte Ausfertigung, nicht aber ein von den [X.]erufsrichtern unterzeichnetes Exemplar enthalten ist, kann sie auch damit nicht durchdringen. Es ist gerichtsbekannt, dass die von dem Senat des [X.]erufungsgerichts unterzeichneten Urteilsurschriften unabhängig von dem jeweiligen Verfahren in einem gesonderten Ordner geführt werden. Dass die dem [X.]eklagten übermittelte Ausfertigung mit der Urschrift des Urteils übereinstimmt, wird durch den [X.]eglaubigungsvermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle belegt; dieser schließt ein, dass es eine solche, von den [X.]erufsrichtern unterzeichnete Urschrift (gegenständlich) überhaupt gibt (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 2012 - 7 C 1.11 - [X.] 451.171 § 6 AtG Nr. 5 Rn. 11. f.; [X.], in: [X.], VwGO, 15. Aufl. 2019, § 117 Rn. 26 m.w.N.).

e) Soweit die [X.]eschwerde rügt, dass dem [X.] nicht gemäß § 118 VwGO, sondern - mit der Folge einer anderen [X.]esetzung der [X.]bank - nach § 119 VwGO hätte stattgegeben werden müssen, zeigt sie damit - abgesehen davon, dass der als unrichtig beanstandete Satz "Der [X.]eklagte ist ledig". nach der [X.]erichtigung nicht mehr Teil des mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffenen [X.]erufungsurteils ist - nicht auf, dass das [X.]erufungsurteil auf diesem behaupteten [X.] "beruhen kann", wie dies § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert.

f) Soweit die [X.]eschwerde als Verfahrensfehler die Verletzung von [X.]undesrecht durch einen Verstoß gegen das grundgesetzliche Verbot der [X.] rügt, weil das Verhalten des [X.]eklagten nicht nur strafrechtlich, sondern auch disziplinarrechtlich sanktioniert worden sei, hat sie damit ebenfalls keinen Erfolg. Die [X.]eschwerde erkennt selbst, dass ihre Rechtsansicht, wonach das Disziplinarrecht insgesamt gegen das Schuldprinzip verstößt, im Gegensatz zur ständigen und vom [X.]undesverfassungsgericht gebilligten Rechtsprechung des [X.]s steht. Die von der [X.]eschwerde zitierte hiervon abweichende Literaturauffassung teilt der Senat nicht. Auch soweit die [X.]eschwerde meint, der Umstand, dass eine "kritische Würdigung" des Verhältnisses von Strafrecht und Disziplinarrecht unterblieben sei und deshalb die Maßnahmebemessung an einem Fehler leide, geht sie ersichtlich fehl und zeigt einen Verfahrensfehler nicht auf.

g) Schließlich genügt die [X.]eschwerde mangels jedweder weiterer Ausführungen hierzu den [X.]egründungsanfordernissen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO auch insoweit nicht, als sie einen Verfahrensfehler darin sieht, dass "§ 55 [X.] NRW zur [X.]eschränkung des Verfahrens angewandt wird, um ausschließlich Ermittlungen zugunsten des [X.]eklagten zu verhindern".

5. [X.] folgt aus § 74 Abs. 1 [X.] NRW, § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das [X.]eschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 [X.] NRW erhoben werden.

Meta

2 B 25/18

29.04.2019

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Dezember 2017, Az: 3d A 1826/12.O, Urteil

§ 56 BDG, § 55 DG NW 2004, § 133 Abs 3 VwGO, § 133 Abs 3 S 3 VwGO, § 133 Abs 6 VwGO, § 144 VwGO, § 144 Abs 4 VwGO, § 144 Abs 6 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.04.2019, Az. 2 B 25/18 (REWIS RS 2019, 7780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7780

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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