Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2014, Az. VI ZR 125/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1837

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
VI [X.]/13
Verkündet am:

28. Oktober 2014

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1 Aa
a)
Bestehen deutliche Anzeichen dafür, dass sich der Zustand der Schwan-geren
bzw. der Geburtsvorgang so entwickeln können, dass die [X.] zu einer echten Alternative zur vaginalen Entbindung wird, muss der Arzt die Schwangere über die unterschiedlichen Risiken und Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden aufklären.
b)
Besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass die [X.] im weite-ren Verlauf als relativ indiziert anzusehen sein wird, und klärt der Arzt die Schwangere in
Hinblick darauf über die verschiedenen Entbindungsme-thoden und die mit ihnen verbundenen Risiken auf, so muss er die Schwangere grundsätzlich nicht nochmals über die Möglichkeit der [X.] unterrichten, wenn die ernsthaft für möglich gehaltene Entwicklung eingetreten und die Sectio zur gleichwertigen Behandlungs-alternative geworden ist.
[X.], Versäumnisurteil vom 28. Oktober 2014 -
VI [X.]/13 -
OLG [X.]

[X.]

-

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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf
die mündliche Verhandlung vom
28. Oktober
2014
durch den Vorsitzenden [X.], die Richter

Wellner und [X.] und die Richterinnen von [X.] und Dr. Oehler
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 27. Februar 2013 aufge-hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger, der am 9.
Februar 2005 nach 31 +
1 Schwangerschaftswo-chen in der Frauenklinik der Beklagten geboren wurde und infolge einer Hirn-schädigung unter schweren körperlichen und geistigen Behinderungen leidet, nimmt die Beklagte
wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung und unzureichen-der Aufklärung über die Möglichkeit
der Sectio auf Ersatz materiellen und imma-teriellen Schadens in Anspruch.
Die Mutter des [X.] wurde am 27. Januar 2005 nach 29 + 2 Schwan-gerschaftswochen
wegen vorzeitiger Wehen in dem von der Beklagten
betrie-benen Krankenhaus stationär aufgenommen. Während der Schwangerschaft 1
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waren bei ihr wiederholt Nierenbeckenentzündungen aufgetreten. Außerdem litt sie unter Schwangerschaftsdiabetes. Am Tag ihrer stationären Aufnahme [X.] Entzündungsparameter nachgewiesen. Die Leukozyten und der [X.] waren deutlich erhöht. Bei einer Sonographie der Nieren wurde ein Harnstau auf beiden Seiten festgestellt. Der Mutter des [X.] wurden wehenhemmen-de Mittel und Antibiotika verabreicht. Darüber hinaus erfolgte eine
medikamen-töse Induktion der fetalen Lungenreife
durch zweimalige Verabreichung von
[X.]. Nach einem vorzeitigen Blasensprung in den frühen Morgenstunden des 9. Februar 2005 wurden die wehenhemmenden Mittel abgesetzt und die Mutter des [X.] unter fortlaufender [X.]-Registrierung an einen [X.] angeschlossen. Ab 15.50 Uhr verzeichnete das [X.] einen zunehmend auffälli-gen Verlauf der fetalen Herzfrequenz. Ab etwa 16.25 Uhr zeigte das [X.] ein pathologisches Muster. Um 16.42 Uhr fassten die behandelnden Ärzte den Ent-schluss zur Notsectio. Der Kläger wurde um 16.59 Uhr geboren und musste reanimiert werden. Bis um 18. Februar 2005 wurde er beatmet. Wegen ver-schiedener subarachnoidaler und epikranieller Blutungen, akuten
Nierenversa-gens, Leberinfarkts, Cholestase bei Leberinfarkt und Hämolyse sowie akuter
Blutungsanämie und cerebralen Krampfanfällen ist er schwerstbehindert. Eine histologische Untersuchung der Plazenta nach der Geburt des [X.] ergab das Vorliegen einer akuten eitrigen Chorioamnionitis bei der Mutter des [X.]. Das [X.] hat mehrere Behandlungsfehler angenommen, die es in ihrer Gesamtheit als grob qualifiziert hat. Es hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den im Zusammenhang mit seiner Geburt am 9.
Februar 2005 entstandenen und noch entstehenden immateriellen und mate-riellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht. Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, deren Haftung allerdings auf eine unzureichende Aufklärung über Behandlungsalternativen gestützt und den Feststellungsaus--

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spruch zur Klarstellung dahingehend umformuliert, dass die [X.] ist, dem Kläger den aus
dem ohne wirksame Einwilligung erfolgten Versuch einer vaginalen Geburt mit anschließender Notsectio am 9.
Februar 2005 ent-standenen und noch entstehenden
immateriellen und materiellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder übergeht.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte hafte wegen unzu-reichender Aufklärung der Mutter des [X.] über die Möglichkeit der [X.]. Hierauf könne sich der Kläger berufen, weil er in den Schutzbereich des [X.] zwischen seiner Mutter und der Beklagten einbezo-gen gewesen sei. Zwar sei die Mutter des [X.] zu Beginn der Behandlung im Krankenhaus der Beklagten über die grundsätzliche Möglichkeit eines Kai-serschnitts aufgeklärt worden. Zu diesem Zeitpunkt seien sowohl der Schwan-gerschaftsdiabetes als auch die wiederholten Nierenbeckenentzündungen, das starke Erbrechen in der Frühschwangerschaft und die vorzeitige Wehentätig-keit, derentwegen die Mutter des [X.] an die Beklagte überwiesen worden sei, bekannt
gewesen. Die Mutter des [X.] habe sich in Kenntnis der prob-lematischen Schwangerschaft
für eine vaginale Entbindung entschieden. [X.] sei aber nicht eine nochmalige Aufklärung der Mutter des [X.] für den Fall einer erheblichen Änderung der Gefahrenlage für Mutter oder Kind entbehr-lich geworden. Allerdings sei die Beklagte nicht schon am 6.
Februar 2005 zu einer nochmaligen Aufklärung verpflichtet
gewesen. An diesem Tag habe sich 3
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der Kaiserschnitt noch nicht als gleichwertige
Behandlungsalternative darge-stellt. Zwar habe an diesem Tag wahrscheinlich schon ein Amnioninfektions-syndrom vorgelegen. Mangels Blasensprungs sei dies aber nicht klar erkennbar gewesen. Die erhöhten Entzündungsparameter und die vorzeitige Wehentätig-keit hätten
auch durch eine Nierenbeckenentzündung hervorgerufen worden sein können. Außerdem sei am 6.
Februar 2005 die Phase der frühen [X.] noch nicht verstrichen gewesen, weshalb eine Verlängerung der Tragzeit wünschenswert und vorteilhaft gewesen sei. Der Blasensprung in der Nacht vom 8.
Februar 2005 habe aber eine nochmalige Aufklärungspflicht der [X.] ausgelöst. Denn hierdurch sei eine Änderung der Gefahrenlage eingetreten. Mit dem Blasensprung habe der Verdacht eines Amnioninfektionssyndroms na-hegelegen und die [X.] habe
als gleichwertige Behandlungsalter-native zu einer vaginalen Entbindung angesehen werden müssen.
Nach dem Blasensprung sei ein Aufklärungsgespräch mit der Mutter des Kindes aber nicht mehr erfolgt. Mangels hinreichender Aufklärung müsse die Beklagte deshalb für alle Schäden einstehen, die auf den Versuch einer vaginalen
Entbindung zu-rückzuführen seien. Der Senat sei davon überzeugt, dass die mechanischen Belastungen des [X.] durch die fehlgeschlagene vaginale Geburt mit an-schließender Notsectio für seine
Schädigung mitursächlich gewesen seien. [X.] statt des vaginalen [X.] sofort eine Sectio veranlasst [X.], wäre der Kläger geringeren mechanischen Belastungen ausgesetzt gewe-sen. Die mechanischen Belastungen der notfallmäßig vorgenommenen [X.] bei Entwicklung des [X.] aus kontrahiertem Uterus seien
zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu befürchten gewesen. Die Haftung der [X.] erfasse trotz [X.] anderer schicksalhafter Faktoren den ganzen Schaden des [X.], weil die nicht durch die mechanische Belastun-gen
unter der vaginalen Geburt und dem Notkaiserschnitt erklärbaren Hirnblu-tungen nicht zu einem abgrenzbaren Schadensteil geführt hätten. Auf das Vor--

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liegen der vom [X.] angenommenen Behandlungsfehler komme es deshalb nicht an.

II.
Über die Revision der Beklagten ist, da der Kläger im Revisionstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, auf Antrag der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des [X.], sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 -
V [X.], [X.]Z 37, 79, 82).
Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beurteilung
des Berufungsgerichts, die Ärzte der Beklagten hätten
die Mutter des [X.] trotz der bereits am 27. Januar 2005 erfolgten Aufklärung über die Möglichkeit der [X.] am 8. Februar 2005 nochmals über diese Behandlungsalternative unterrichten müssen, wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.
1.
Nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats ist eine Aufklärung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit erforderlich, wenn für eine medi-zinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungs-möglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastun-gen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. Senatsurteile vom 22. September 1987 -
VI [X.], [X.]Z 102, 17, 22; vom 13. Juni 2006 -
VI [X.], [X.]Z 168, 103 Rn. 13; vom 17. Mai 2011 -
VI [X.], [X.], 1146 Rn. 10, jeweils mwN). Gemäß
diesem allgemeinen Grundsatz braucht der geburtsleitende Arzt in einer normalen Ent-bindungssituation, in
der die [X.] medizinisch nicht indiziert und 4
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deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist, ohne besondere Ver-anlassung die Möglichkeit einer
[X.] nicht zur Sprache zu brin-gen. Anders liegt es aber, wenn für den Fall, dass die Geburt vaginal erfolgt, für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine [X.] sprechen und
diese unter Be-rücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt. In [X.] solchen Lage darf sich der Arzt nicht eigenmächtig für eine vaginale Geburt entscheiden. Vielmehr muss er die Mutter über die für sie und das Kind beste-henden Risiken sowie über die Vor-
und Nachteile der verschiedenen Entbin-dungsmethoden aufklären und sich ihrer Einwilligung für die Art der Entbindung versichern
(vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 1988 -
VI [X.], [X.]Z 106, 153, 157; vom 19. Januar 1993 -
VI [X.], [X.], 835, 836; vom 16. Februar 1993 -
VI [X.], [X.], 703, 704; vom 25. November 2003 -
VI [X.], [X.], 645, 647;
vom 14. September 2004 -
VI [X.], [X.], 227; vgl. zur Einwilligung allgemein: Senatsurteil vom 14.
Februar 1989 -
VI [X.], [X.]Z 106, 391, 397 f.). Gleiches gilt, wenn aufgrund konkreter Umstände die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass im weite-ren Verlauf eine Konstellation eintritt, die als relative Indikation für eine [X.] zu werten ist. Eine -
vorgezogene -
Aufklärung über die un-terschiedlichen Risiken und Vorteile der verschiedenen Entbindungsmethoden ist deshalb bereits dann erforderlich,
wenn deutliche Anzeichen dafür bestehen, dass sich der Zustand der Schwangeren
bzw. der Geburtsvorgang so
entwi-ckeln können, dass
die [X.] zu einer echten Alternative zur vagi-nalen Entbindung wird
(vgl. Senatsurteile
vom 16.
Februar 1993 -
VI
[X.],
[X.], 703, 704 f.
= NJW 1993, 2372, 2373 f.
mit Anmerkung Laufs/
Hiersche; vom 17. Mai 2011 -
VI [X.], [X.], 1146 Rn. 11 = [X.], 252 mit Anmerkung Schmidt-Recla).
Denn nur dann wird das Selbstbe--

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stimmungsrecht der Schwangeren, die die natürliche Sachwalterin der Belange auch des Kindes ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2011 -
VI [X.], [X.], 1146 Rn. 10), gewahrt.
Bei der Wahl zwischen vaginaler Entbindung und [X.] handelt es sich für die davon betroffene Frau um eine grund-legende Entscheidung, bei der sie entweder ihrem eigenen Leben oder dem Leben und der Gesundheit ihres Kindes Priorität einräumt.
Das Recht jeder Frau, selbst darüber bestimmen zu dürfen, muss möglichst umfassend gewähr-leistet werden (vgl. Senatsurteile
vom 16.
Februar 1993 -
VI
[X.], [X.], 703, 704; vom 17. Mai 2011 -
VI [X.], [X.], 1146 Rn. 11).
Besteht die
ernsthafte Möglichkeit, dass die [X.] im weite-ren Verlauf als relativ
indiziert
anzusehen sein wird, und
klärt der Arzt die Schwangere in Hinblick darauf über die verschiedenen Entbindungsmethoden und die mit ihnen im konkreten Fall verbundenen Risiken auf, so muss er die Schwangere grundsätzlich nicht nochmals
über die Möglichkeit der Schnittent-bindung unterrichten,
wenn die ernsthaft für möglich gehaltene Entwicklung eingetreten und die Sectio zur gleichwertigen Behandlungsalternative geworden ist.
Der Arzt braucht die erfolgte Aufklärung in einem solchen Fall nicht zu [X.]. Denn er
hat
der Schwangeren
bereits die zur eigenverantwortlichen Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts erforderliche
Entscheidungsgrundla-ge vermittelt
(informed consent)
und damit seine Verpflichtung zur Aufklärung
erfüllt.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich nachträglich -
sei es aufgrund [X.] Veränderung der Situation, sei es aufgrund neuer Erkenntnisse -
Umstände ergeben, die zu einer entscheidenden Veränderung der
Einschätzung
der mit den verschiedenen Entbindungsmethoden verbundenen Risiken
und Vorteile
führen
und die unterschiedlichen Entbindungsmethoden deshalb in neuem Licht erscheinen lassen.
In einem solchen Fall hat der Arzt die Schwangere zur Wah-7
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rung ihres Selbstbestimmungsrechts und ihres Rechts auf körperliche Unver-sehrtheit über
das veränderte Nutzen-Risiko-Verhältnis
-
beispielsweise über
nachträglich eingetretene oder erkannte Risiken
der von ihr gewählten
Entbin-dungsmethode
-
zu informieren und ihr eine erneute Abwägung
der
für und ge-gen die jeweilige Behandlungsalternativen sprechenden Gründe zu ermögli-chen.
Denn nur dann wird ihre Entscheidung von einer ausreichenden Grundla-ge getragen (vgl. Senatsurteile vom 25. März 2003 -
VI [X.], [X.], 1441 Rn. 20, 23;
vom 14. September 2004 -
VI [X.], [X.], 227,
228; [X.]/Wagner, 6. Auflage, Rn. 809, 826; [X.]/Pauge, [X.], 12. Aufl., Rn.
442,
jeweils mwN).
Eine solche Fallgestaltung kann
beispielsweise dann gegeben
sein, wenn sich das bereits aus anderen Gründen gesteigerte Risiko, das Kind
könnte bei einer vaginalen Entbindung wegen der mechanischen Widerstände in dem natürlichen Geburtsweg
ge-schädigt werden, durch eine
Lageänderung des Kindes (z.B. in die [X.]) nachträglich erhöht (vgl. zur [X.]ngeburt: Senatsurteil vom 6. Dezember 1988 -
VI [X.], NJW 1989,
1538, 1540 -
in [X.]Z 106, 153, 159 nicht vollständig abgedruckt).
2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berück-sichtigt.
Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass am 27. Januar 2005 die
ernsthafte Möglichkeit bestand, dass es zu einer sehr frühen Frühgeburt (28
+
0 bis 31
+
6 Schwangerschaftswo-chen) des [X.] kommen und eine [X.] zu einer echten Alter-native zur vaginalen Entbindung werden würde.
Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts war die Mutter des [X.] wegen vorzeitiger Wehen nach 29 + 2
Schwangerschaftswochen
stationär aufgenommen
worden. Bei ihr waren verschiedene Risikofaktoren gegeben -
so u.a. der
Schwangerschaftsdiabetes und deutlich erhöhte Entzündungsparameter
-
weshalb ihr wehenhemmende Mittel
und Antibiotika
verabreicht wurden. Darüber hinaus erfolgte eine medi-9
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10

-

kamentöse Induktion der fetalen Lungenreife durch mehrfache
Injektion von [X.].
Schließlich
wurde die Mutter des [X.] über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts aufgeklärt.
In Kenntnis der problematischen Schwangerschaft und der vorzeitigen Wehentätigkeit entschied sie sich für eine vaginale Entbin-dung.

Trotz der am 27. Januar 2005 erfolgten
und vom Berufungsgericht nicht für unzureichend erachteten Aufklärung der Mutter des [X.] hat das [X.] nach dem in der Nacht vom 8. Februar 2005 eingetretenen
Bla-sensprung eine "nochmalige" Aufklärung über die Möglichkeit der Schnittent-bindung gefordert, weil diese nunmehr als gleichwertige Behandlungsalternative zur vaginalen Entbindung anzusehen sei.
Dieser Umstand allein genügt aber nach den Ausführungen unter Ziffer 1 nicht, um eine Verpflichtung zur [X.] Aufklärung zu begründen. Feststellungen dazu, dass sich die [X.] der Frage, ob eine Sectio oder eine vagina-le Entbindung durchgeführt werden sollte,
entscheidend
verändert hatte und die mit einer vaginalen Entbindung verbundenen Risiken für den Kläger aufgrund nachträglich eingetretener Umstände oder Erkenntnisse höher einzuschätzen waren als am 27. Januar 2005, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat im Gegenteil
ausdrücklich festgestellt, dass
die
Voraussetzungen für die vagi-nale Entwicklung des [X.] nach wie vor gegeben gewesen seien. Aufgrund des mittlerweile gegebenen Verdachts eines Amnioninfektionssyndroms sei zwar die Beendigung der Schwangerschaft geboten gewesen;
die Wahl des vaginalen Entbindungsweges
sei
bei der hier gegebenen spontanen Wehentä-tigkeit und [X.] jedoch nicht zu beanstanden gewesen. In den Leitlinien werde
bei Vorliegen eines Amnioninfektionssyndroms
lediglich eine zügige Ent-bindung, aber keine bestimmte Entbindungsmethode empfohlen.
10
-

11

-

3. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur
neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann (§
562 Abs.
1,
§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO). Das Berufungsgericht wird dabei Gelegenheit haben, sich auch mit den weiteren Einwänden der Revision zu befassen. Für das wei-tere Verfahren weist der erkennende Senat darauf hin, dass die Mitursächlich-keit der [X.] haftungsrechtlich nur dann nicht gleichsteht, wenn feststeht, dass die von der [X.] gesetzte Schadensursache nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat (Teilkausalität). Entgegen der Auffassung der Revision ist hierfür nicht
maßgeblich, ob die Schadensursa-chen abgrenzbar sind. Entscheidend ist vielmehr,
ob die eingetretenen [X.] abgrenzbar auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden können

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12

-

(vgl. Senatsurteil vom 20. Mai 2014 -
VI [X.], [X.], 1130
Rn. 25 mwN).
Galke
Wellner
[X.]

von [X.]
Oehler

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.09.2010 -
6
O 107/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.02.2013 -
7 [X.] -

Meta

VI ZR 125/13

28.10.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2014, Az. VI ZR 125/13 (REWIS RS 2014, 1837)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1837

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 187/13

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