Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.02.2017, Az. VIII ZR 59/16

8. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15594

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verkaufsaktion auf der eBay-Internetplattform: Auslegung der Erklärung der Teilnehmer; Vorliegen einer Anfechtungserklärung


Leitsatz

1. Sind bei Verkaufsaktionen auf der eBay-Internetplattform die Erklärungen der Teilnehmer nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft und bedürfen sie deshalb der Auslegung, ist grundsätzlich zwar der Aussagegehalt der eBay-AGB ergänzend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen. Rückt jedoch einer der Teilnehmer von den Regelungen der eBay-AGB erkennbar in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des Vertragsinhalts nicht mehr in Betracht. Es ist dann vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich (Fortführung der Senatsurteile vom 7. November 2001, VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 135 f.; vom 11. Mai 2011, VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 Rn. 21; vom 10. Dezember 2014, VIII ZR 90/14, NJW 2015, 1009 Rn. 19).

2. Zum Vorliegen einer Anfechtungserklärung kann es schon genügen, dass der Anfechtende eine Verpflichtung, die er nach dem objektiven Erklärungswert seiner - gegebenenfalls durch schlüssiges Handeln getätigten - Willensäußerung übernommen hat, bestreitet oder nicht anerkennt oder ihr sonst widerspricht, sofern sich unzweideutig der Wille ergibt, dass er das Geschäft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehenlassen will. Dies ist auch in Form einer Eventualanfechtung möglich, die für den Fall erklärt wird, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist (Bestätigung von BGH, Urteile vom 15. Mai 1968, VIII ZR 29/66, NJW 1968, 2099 unter B III mwN; vom 28. September 2006, I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil der 22. Zivilkammer des [X.] vom 10. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte bot im Oktober 2014 über die Internet-Plattform [X.] unter Nutzung der [X.] "[X.]" ein E-Bike zum Kauf an. An der dafür vom Plattformbetreiber auf der Angebotsseite vorgesehenen Stelle trug der Beklagte einen [X.] von 100 € und Versandkosten von 39,90 € ein. Die auf der Angebotsseite vom Beklagten unter Verwendung von Großbuchstaben und Fettdruck der Preisangabe unmittelbar vorangestellte Artikelbezeichnung lautete:

"Pedelec                       neu einmalig 2600 € Beschreibung lesen!!"

2

Am Ende der Artikelbeschreibung hatte der Beklagte - wiederum in Großbuchstaben - folgende Angaben hinzugefügt:

"Das Fahrrad ist noch original verpackt, kann aber auf Wunsch zusammengebaut werden. Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100 € eingeben kann (wegen der hohen Gebühren), erklären Sie sich bei einem Gebot von 100 € mit einem Verkaufspreis von 2600 + Versand einverstanden. Oder machen Sie [X.] einfach ein Angebot! Danke."

3

Der auf das Angebot aufmerksam gewordene Kläger betätigte am 16. Oktober 2014 die Schaltfläche ("Button") "[X.]" auf der Angebotsseite, um das E-Bike zu erwerben. In einer noch am gleichen Tage durch E-Mails über die Höhe des Kaufpreises geführten Korrespondenz wies der Beklagte den Kläger auf den in der Artikelbeschreibung angegebenen Kaufpreis von 2.600 € als aus seiner Sicht maßgeblich hin, während sich der Kläger auf den eingegebenen und ihm auch in der Kaufbestätigung von [X.] einschließlich der Versandkosten angezeigten Kaufpreis von 139,90 € berief. Auf die am Folgetag übersandte Aufforderung des Beklagen, den nach seiner Auffassung angefallenen Kaufpreis binnen fünf Tagen zu bezahlen, zahlte der Kläger nur 139,90 € und bat um den Versand des E-Bikes an seine Anschrift. Als der Beklagte dem nicht nachkam, verlangte der Kläger von diesem mit Anwaltsschreiben vom 31. Oktober 2014 unter Hinweis auf das von ihm durch Betätigung des Buttons lediglich zu 100 € zuzüglich Versandkosten angenommene Angebot erneut die Übersendung des E-Bikes.

4

Seine auf Herausgabe und Übereignung des E-Bikes sowie auf einen Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen gerichtete Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übereignung und Übergabe des E-Bikes aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil zwischen den Parteien ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sei. Hierbei könne im Ergebnis dahin stehen, ob es im Rahmen der Auslegung des Festpreisangebots des [X.]n nach dem objektiven [X.] (§§ 133, 157 BGB) auf den Inhalt der gesamten Artikelbeschreibung ankomme, zumal die Hinweise zu § 6 Nr. 3 [X.]-AGB einem Käufer auch bei [X.] insoweit eine Angebotsprüfung anrieten. Denn ein Angebot des [X.]n mit dem Inhalt, das E-Bike für 100 € zu verkaufen, sei jedenfalls wegen fehlender Ernstlichkeit nach § 118 BGB nichtig.

8

Die fehlende Ernstlichkeit ergebe sich bereits daraus, dass der [X.] am Ende der Artikelbeschreibung ausdrücklich darauf hingewiesen habe, der angegebene [X.] sei nicht der wirkliche Angebotspreis, sondern ein mit Rücksicht auf die [X.]-Gebühren bewusst niedrig gehaltener "[X.]". Der [X.] habe ersichtlich in der Erwartung gehandelt, der Interessent werde die gesamte Artikelbeschreibung lesen und erkennen, dass der angegebene [X.] nicht ernst gemeint sei. Ob der Kläger durch Betätigen des "[X.]-Buttons" ein (eigenes) Angebot über 100 € abgegeben habe, bedürfe keiner Entscheidung, da der [X.] ein solches Angebot jedenfalls nicht angenommen habe.

II.

9

Diese Beurteilung hält - allerdings nur im Ergebnis - rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen E-Bikes (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht zu. Zwar ist - wenn auch zu einem Kaufpreis von 2.600 € - zwischen den Parteien ursprünglich ein Kaufvertrag zustande gekommen, so dass der Kläger - den (Fort-)Bestand dieses Vertrages vorausgesetzt - die Übergabe und Übereignung des gekauften E-Bikes, allerdings nur Zug um Zug gegen Zahlung des zwischen den Parteien gemäß § 433 Abs. 2 BGB vereinbarten (Rest-)Kaufpreises in Höhe von 2.500 €, hätte verlangen können (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Februar 2015 - [X.], juris mwN). Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich aber zugleich, dass der Kläger seine nach dem [X.] des [X.]n objektiv auf einen Kaufpreis von 2.600 € lautende Annahmeerklärung anschließend gemäß § 119 Abs. 1, § 121 Abs. 1, § 143 Abs. 1, 2 BGB wirksam wegen eines [X.] angefochten hat, so dass es wegen der dadurch als von Anfang an als nichtig anzusehenden Annahmeerklärung (§ 142 Abs. 1 BGB) letztlich an einem die Klageforderung tragenden Vertragsschluss der Parteien fehlt.

1. Entgegen der Auffassung der Revision hat der [X.] das E-Bike nicht für 100 €, sondern für 2.600 € an den Kläger verkauft.

a) Durch die Nutzung der von [X.] zur Verfügung gestellten Option "[X.]" hat der [X.] das E-Bike zu einem von ihm vorgegebenen Festpreis zum Verkauf angeboten. Auch in diesem Fall richtet sich der Erklärungsgehalt der zu beurteilenden Willenserklärungen neben den sich dafür aus §§ 133, 157 BGB ergebenden Auslegungsregeln grundsätzlich nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von [X.] (im Folgenden: [X.]-AGB), denen die Parteien vor der Teilnahme an der Verkaufsaktion zugestimmt haben (vgl. Senatsurteile vom 8. Juni 2011 - [X.], [X.], 2146 Rn. 15; vom 28. März 2012 - [X.], [X.], 2299 Rn. 29; vom 24. August 2016 - [X.], NJW 2017, 468 Rn. 19 [zur Veröffentlichung in [X.]Z bestimmt]; jeweils mwN). Deren Aussagegehalt ist, wenn die Erklärungen der Teilnehmer an der Verkaufsaktion nicht aus sich heraus verständlich oder lückenhaft sind und der Auslegung bedürfen, dann entsprechend in die Auslegung der abgegebenen Willenserklärungen einzubeziehen (Senatsurteile vom 7. November 2001 - [X.], [X.]Z 149, 129, 135 f.; vom 11. Mai 2011 - [X.], [X.]Z 189, 346 Rn. 21; vom 10. Dezember 2014 - [X.], NJW 2015, 1009 Rn. 19).

Rückt jedoch einer der Teilnehmer an der Verkaufsaktion erkennbar von den Regelungen der [X.]-AGB in bestimmter Hinsicht ab, kommt deren Heranziehung insoweit zur Bestimmung des [X.] nicht mehr in Betracht. Denn diese Bedingungen werden nur zwischen [X.] und dem Inhaber eines Mitgliedskontos vereinbart, so dass ihnen keine unmittelbare Geltung im Verhältnis zwischen Anbieter und Kaufinteressent zukommt. In diesem Verhältnis ist vielmehr das individuell Vereinbarte maßgeblich (vgl. Senatsurteile vom 7. November 2001 - [X.], aaO S. 136 f.; vom 11. Mai 2011 - [X.], aaO; vom 10. Dezember 2014 - [X.], aaO). So verhält es sich auch im Streitfall.

b) Der [X.] hat - wovon auch das Berufungsgericht noch zutreffend ausgegangen ist - in dem von ihm auf der [X.]-Plattform eingestellten Angebot unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Preis für das zum Verkauf stehende E-Bike nicht nur 100 €, sondern 2.600 € betragen sollte.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision kann eine Auslegung des Angebots sich nicht auf den Umstand beschränken, dass das E-Bike aufgrund der Wahl der Verkaufsform und des neben dem [X.] angegebenen Festpreises auf den ersten Blick für einen Preis von 100 € zum (Sofort-)Kauf stehen sollte. Denn eine Auslegung darf sich jedenfalls bei einem - wie hier - Individualangebot, auf das § 305c Abs. 1 BGB mit dem darin geregelten Schutz vor überraschenden Klauselinhalten keine Anwendung findet, nicht auf einzelne Aussagen gründen, sondern hat die im Wortlaut des Angebots getroffenen Aussagen in ihrer Gesamtheit zu berücksichtigen und darf sich nicht nur auf die einem Anspruchsteller günstigen Erklärungsbestandteile stützen (vgl. [X.], Urteile vom 16. Oktober 1989 - [X.], [X.], 13 unter 2; vom 13. März 2003 - [X.], NJW 2003, 2235 unter II 1; vom 28. Mai 2014 - [X.], [X.]Z 201, 271 Rn. 23, 34).

bb) Die Auslegung des vom [X.]n geschalteten Angebots in seiner Gesamtheit ergibt, dass das E-Bike nicht für 100 € zum Verkauf gestellt war. Zwar mag ein Kaufinteressent aufgrund der Gestaltung der Angebotsseite nach seinem [X.] zunächst davon ausgehen, dass der neben der Schaltfläche "[X.]" erscheinende und optisch hervorgehobene Festpreis betragsmäßig dem Angebot des Verkäufers entspricht. Dabei darf er jedoch nicht stehenbleiben. Vielmehr muss er zur Bestimmung des wirklichen Erklärungstatbestands stets die insgesamt abgegebenen Erklärungen berücksichtigen und darf nicht nur einzelne Erklärungsbestandteile als vermeintlich maßgebend herausgreifen.

Bei der danach gebotenen Vorgehensweise zur Erfassung des [X.] fällt zwar zunächst ein Widerspruch auf zwischen dem ins Auge springenden [X.] über 100 € und der nachfolgend in der Beschreibung enthaltenen Erklärung, nach der bei einer Gebotsabgabe Einverständnis mit einem Verkaufspreis von 2.600 € besteht. Dieser Widerspruch löst sich jedoch allein schon durch die abgegebenen Erklärungen unmissverständlich dahin auf, dass der im Eingang genannte Angebotspreis von 100 € nur zwecks Einsparung von Verkaufsgebühren genannt, in Wirklichkeit aber nicht gewollt war, sondern auf 2.600 € lauten sollte, und dass das Angebot bei einer Betätigung des Buttons zu diesem Preis angenommen würde. Zudem hatte der [X.] bereits in der direkt über dem [X.] platzierten Angebotsüberschrift einen Preis von 2.600 € deutlich sichtbar hervorgehoben und zur Erläuterung auf die nachgestellte Beschreibung verwiesen.

cc) Diese Gegebenheiten verkennt das Berufungsgericht auch, wenn es - ohne das Angebot auf das erkennbar Gewollte hin auszulegen - sich im [X.] nur damit befasst, was der [X.] nicht gewollt hat, um daraus ein nicht ernstlich gemeintes und deshalb gemäß § 118 BGB nichtiges Angebot über 100 € herzuleiten. Denn es versteht sich von selbst, dass das Angebot, ein E-Bike für 2.600 € zu verkaufen, nicht gleichzeitig ein nicht ernstlich gemeintes Verkaufsangebot über 100 € sein kann, sondern sich auf den erkennbar gewollten Angebotsgehalt beschränkt und kein dazu im Widerspruch stehendes weiteres Angebot enthält.

dd) Die Auslegung des [X.]s, wonach der [X.] das E-Bike nur zum Preis von 2.600 € und zu keinem anderen Preis zum Verkauf gestellt hat, kann der Senat auch selbst vornehmen. Zwar ist die Auslegung von Individualerklärungen und -vereinbarungen grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. etwa Senatsurteile vom 17. Dezember 2014 - [X.], juris Rn. 34; vom 27. April 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 910 Rn. 26; jeweils mwN). Hat das Tatgericht jedoch unter Verkennung anerkannter Auslegungsregeln die gebotene Auslegung zur Ermittlung des mit einer Willenserklärung wirklich Gewollten unterlassen, kann diese Auslegung durch das Revisionsgericht erfolgen, wenn die erforderlichen Feststellungen getroffen sind (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 25. September 1975 - [X.], [X.]Z 65, 107, 112; vom 16. Juni 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1310 Rn. 10; vom 18. September 2014 - [X.], [X.], 258 Rn. 61; jeweils mwN). Dies ist nach den vorstehend wiedergegebenen und für den Vertragsschluss allein maßgeblichen Erklärungen in ihrer Gesamtheit, namentlich dem Wortlaut und der Gestaltung der Angebotsseite durch den [X.]n, hier der Fall. Danach hat der [X.] nur ein einheitliches Angebot zum Verkauf des E-Bikes für 2.600 € abgegeben.

ee) Ohne Erfolg wendet die Revision dagegen ein, es widerspreche dem Sinn und Zweck der Option "[X.]", wenn vom Käufer verlangt werde, vor Annahme das gesamte Angebot einschließlich der Artikelbeschreibung zu lesen, da dieses Angebotsformat gerade besonders schnell Entschlossenen die Möglichkeit einräumen wolle, einen Artikel zum Schnäppchenpreis zu erwerben. Für eine derartige Sichtweise des Verkehrs besteht jedoch kein Anhalt. Sie wäre im Streitfall zudem auch angesichts ihres Widerspruchs zu den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, insbesondere der in § 133 BGB zum Ausdruck kommenden Maßgeblichkeit eines - wie hier - hinreichend deutlich geäußerten Parteiwillens, unbeachtlich. Das gilt umso mehr, als der Plattformbetreiber [X.] den Kaufinteressenten in seinen auch im Berufungsurteil herangezogenen "Weiteren Informationen zur [X.]-Option" ausdrücklich empfiehlt, den "[X.]-Preis" wie auch die Versandkosten sowie andere sich eventuell aus der Artikelbeschreibung ergebende zusätzliche Kosten vor Annahme des Angebots zu überprüfen.

ff) Vergeblich macht die Revision weiter geltend, eine Auslegung der abgegebenen Erklärung, dass ein Kaufpreis in Höhe von 2.600 € gefordert sei, verstoße gegen den [X.], wonach die Vertragsparteien im Zweifel eine gesetzeskonforme Regelung gewollt hätten und deshalb diejenige Auslegung den Vorzug verdiene, bei der die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts vermieden werde. Denn ein auf 2.600 € lautender Kaufpreis liefe wegen der dann anfallenden höheren Transaktionsgebühren auf eine betrügerische Manipulation zu Lasten von [X.] hinaus und hätte gemäß § 134 BGB die Nichtigkeit einer solchen Preisvereinbarung zur Folge.

Dieser Einwand berührt das genannte Auslegungsergebnis schon deshalb nicht, weil bei der nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmenden Auslegung der Preisvereinbarung von deren Wortlaut und deren erkennbarem Sinn und Zweck auszugehen ist, ohne dass es jedenfalls bei einem danach - wie im Streitfall - eindeutigen Auslegungsergebnis noch zusätzlich darauf ankommt, ob die sich hierbei ergebende Vertragsbestimmung gesetzeskonform ist (vgl. [X.], Urteile vom 21. Oktober 2014 - [X.], [X.]Z 203, 77 Rn. 15; vom 21. Januar 1957 - [X.], [X.], 512 unter [X.]). Darüber hinaus verkennt die Revision, dass das Rechtsverhältnis der Parteien untereinander von ihrem Rechtsverhältnis zum Plattformbetreiber [X.] unabhängig und abweichenden Regelungen mit der Folge zugänglich ist, dass in dieser Rechtsbeziehung das individuell Vereinbarte gilt, auch wenn es mit den [X.]-AGB nicht im Einklang steht (dazu vorstehend [X.]; vgl. ferner [X.], [X.], 241 f.). Letztlich steht auch die erkennbare Akzessorietät des [X.] der Annahme entgegen, eine zu niedrige Kaufpreisangabe könne die nach der tatsächlichen Höhe angefallene Transaktionsgebühr beeinflussen oder führe sogar zu einer (Teil-)Nichtigkeit der Preisvereinbarung und damit des Kaufvertrages.

c) Das auf einen Kaufpreis von 2.600 € lautende Angebot hat - wie der Senat wegen Unterbleibens der gebotenen eigenen Auslegung durch das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ebenfalls selbst abschließend beurteilen kann - der Kläger angenommen. Der [X.] durfte zu dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der den Vertragsschluss vollendenden Annahmeerklärung des [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 5. April 2006 - V[X.] ZR 384/04, [X.], 1358 Rn. 12; vom 12. Oktober 2012 - [X.], NJW-RR 2013, 789 Rn. 32; jeweils mwN) mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nach seinem [X.] davon ausgehen, dass der Kläger durch die vorbehaltlose Betätigung des [X.]s die Annahme seines vorstehend beschriebenen Angebots uneingeschränkt erklärt hat. Denn auch bei Benutzung elektronischer Kommunikationsmittel zur Abgabe und zum Empfang von Willenserklärungen gelten die allgemeinen Auslegungsregeln, wonach empfangsbedürftige Willenserklärungen, bei deren Verständnis regelmäßig auch der Verkehrsschutz und der Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers maßgeblich ist, so auszulegen sind, wie sie der Empfänger nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste ([X.], Urteil vom 16. Oktober 2012 - [X.], [X.]Z 195, 126 Rn. 18 f.). Einen das Vertrauen des [X.]n in eine vorbehaltslose Angebotsannahme [X.] Willen, die Annahmeerklärung auf einen Kaufpreisbetrag von 100 € zu beschränken, hat der Kläger bei dieser Gelegenheit (noch) nicht zum Ausdruck gebracht.

2. Der danach aufgrund des wirksam geschlossenen Kaufvertrages zunächst entstandene, wenn auch vom [X.]n gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB nur Zug um Zug gegen Zahlung eines restlichen Kaufpreises von 2.500 € zu erfüllende Anspruch des [X.] auf Übergabe und Übereignung des E-Bikes (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist jedoch erloschen (§ 142 Abs. 1 BGB), weil der Kläger seine auf einen Kaufpreis von 2.600 € lautende Annahmeerklärung wirksam wegen eines [X.] angefochten hat (§ 119 Abs. 1, § 121 Abs. 1, § 143 Abs. 1, 2 BGB). Das Berufungsgericht hat zwar die nach seinem Rechtsstandpunkt nicht entscheidungserhebliche Frage offengelassen, ob der Kläger durch die Betätigung des [X.]s lediglich ein Angebot über 100 € abgegeben hat oder - wie das Amtsgericht angenommen hat - abgeben wollte. Dass der Kläger aber nur die neben dem [X.] angegebenen 100 € bieten und sich an einen Vertrag mit einem Kaufpreis von 2.600 € nicht gebunden wissen wollte, hat er nach dem festgestellten und nicht weiter ergänzungsbedürftigen Geschehensablauf alsbald unmissverständlich im Sinne einer Anfechtung gegenüber dem [X.]n zum Ausdruck gebracht, so dass der Senat in der Lage ist, hieraus selbst die erforderlichen rechtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen.

a) Der Kläger ist, als er den [X.] betätigt hat, einem Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 BGB über den von ihm damit angenommenen Kaufpreisvorschlag unterlegen. Ein solcher Irrtum setzt ein Auseinanderfallen von Wille und Erklärung voraus. Der Erklärende muss also, ohne dies zu bemerken, gegenüber dem Erklärungsempfänger aus dessen Sicht etwas anderes zum Ausdruck gebracht haben als das, was er in Wirklichkeit erklären wollte; er hat seine Erklärung zwar so, wie sie lautet, auch tatsächlich abgeben wollen, sich aber über die Bedeutung, die dem Erklärten unter den gegebenen Umständen im Rechtsverkehr zukam, geirrt ([X.], Urteil vom 28. April 1991 - [X.], [X.], 745 unter 5; Beschluss vom 5. Juni 2008 - [X.], [X.]Z 177, 62 Rn. 15; jeweils mwN). So verhält es sich auch im Streitfall.

Bereits in der am Tage des Kaufs mittels E-Mail geführten Korrespondenz hat der Kläger den vom [X.]n verlangten Kaufpreis von 2.600 € nicht gelten lassen wollen, sondern sich auf den eingegebenen und ihm auch in der Kaufbestätigung von [X.] angezeigten Kaufpreis von 100 € als maßgeblich berufen sowie auch nur diesen kurz darauf bezahlt, um wenig später durch Anwaltsschreiben vom [X.]n seinerseits die Erfüllung des Kaufvertrags nach diesen Bedingungen einzufordern. Allein schon ein derartiger Ablauf lässt mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen, dass diese Sichtweise bei dem Kläger bereits vorhanden war, als er kurz zuvor den [X.] betätigt hat, nämlich mit dem Willen, das Kaufangebot des [X.]n lediglich zu dem neben dem Button aufgeführten Preis von 100 € anzunehmen.

Insoweit kann dahin stehen, ob der Kläger, wie er behauptet hat, das Kaufangebot nicht zu Ende gelesen und deshalb die nach seiner Sicht im "Kleingedruckten" stehende Erläuterung nicht zur Kenntnis genommen hat, oder ob er die Erläuterung aus sonstigen Gründen, etwa wegen einer unzulässigen Abweichung von den durch [X.] vorgegebenen Regeln, für unmaßgeblich gehalten hat. Selbst wenn er das Angebot nicht zu Ende gelesen hätte, stünde dies einem Inhaltsirrtum nicht entgegen. Denn auch derjenige, der ein Schriftstück ganz oder teilweise ungelesen unterschrieben hat, darf anfechten, wenn er sich - wie hier - von dessen Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat und dadurch bei Abgabe einer hierauf bezogenen Erklärung Erklärungsinhalt und [X.] miteinander nicht im Einklang stehen ([X.], Urteile vom 27. Oktober 1994 - [X.], [X.], 2274 unter II 2 a; vom 15. Januar 2002 - [X.], [X.], 436 unter [X.] 1 a; Beschluss vom 30. Oktober 2013 - [X.], NJW 2014, 1242 Rn. 8; jeweils mwN).

b) Wegen dieses Irrtums hat der Kläger seine Annahmeerklärung unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB) und damit rechtzeitig gegenüber dem [X.]n angefochten.

aa) Eine Anfechtungserklärung im Sinne des § 143 Abs. 1 BGB ist jede Willenserklärung, die unzweideutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft rückwirkend beseitigt werden soll. Dazu bedarf es nicht des ausdrücklichen Gebrauchs des Wortes "anfechten". Es kann vielmehr nach den Umständen genügen, wenn eine Verpflichtung, die nach dem objektiven Erklärungswert der - gegebenenfalls durch schlüssiges Handeln getätigten - Willensäußerung übernommen worden ist, bestritten oder nicht anerkannt wird oder wenn ihr sonst widersprochen wird. Erforderlich ist nur, dass sich unzweideutig der Wille ergibt, das Geschäft gerade wegen des [X.] nicht bestehenlassen zu wollen ([X.], Urteile vom 22. September 1983 - [X.], [X.]Z 88, 240, 245; vom 7. Juni 1984 - [X.], [X.]Z 91, 324, 331 f.; vom 22. Februar 1995 - [X.], [X.], 648 unter 1 b; jeweils mwN). So liegt es nach dem dargestellten Geschehensablauf auch hier.

bb) Der Kläger hat bereits in der unmittelbar nach Abschluss des Geschäfts mittels E-Mail geführten Korrespondenz gegenüber dem [X.]n zum Ausdruck gebracht, dass er nicht bereit sei, eine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung in der vom [X.]n verlangten Höhe anzuerkennen, und dies in der wenige Tage später erfolgten Zahlung des nach seiner Auffassung geschuldeten Kaufpreises von lediglich 100 € nachdrücklich wiederholt. Dadurch ist die von § 121 Abs. 1 BGB geforderte Unverzüglichkeit der Anfechtungserklärung gewahrt.

cc) Einer Wirksamkeit dieser Anfechtungserklärung steht nicht entgegen, dass der Kläger gleichwohl in erster Linie die Erfüllung des Kaufvertrages durch den [X.]n nach Maßgabe des von ihm angenommenen [X.] begehrt und insoweit von einem (Fort-)Bestand des Vertrages ausgeht. Zwar ist eine Anfechtungserklärung wegen ihres Gestaltungscharakters grundsätzlich bedingungsfeindlich ([X.], Urteil vom 28. September 2006 - [X.], NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17 mwN). Gleichwohl wird aber eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist, allgemein für zulässig gehalten, weil hierin keine Bedingung im Rechtssinne zu sehen ist. Denn streiten die Parteien über die Auslegung eines Rechtsgeschäfts und will die eine Partei an den Vertrag nur gebunden sein, wenn er in ihrem Sinne ausgelegt wird, und ficht sie anderenfalls das Rechtsgeschäft vorsorglich an, ist die Anfechtungserklärung nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht. Vielmehr soll die (unbedingte) Anfechtungserklärung nur für den Fall gelten, dass die Auslegung in einem der Auffassung des [X.] widersprechenden Sinne erfolgt. Nur für diesen Fall will er an den Vertrag nicht gebunden sein. Die Wirkung der Anfechtung ergibt sich dann nämlich aus der künftigen gerichtlichen Klarstellung eines damals nur für die Parteien ungewissen, aber objektiv bereits bestehenden Rechtszustandes ([X.], Urteile vom 15. Mai 1968 - V[X.] ZR 29/66, NJW 1968, 2099 unter B [X.] mwN; vom 28. September 2006 - [X.], aaO). So verhält es sich auch im Streitfall.

Dr. Milger      

        

Dr. Achilles      

        

Dr. Fetzer

        

Dr. Bünger      

        

Dr. Bußmann      

        

Meta

VIII ZR 59/16

15.02.2017

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Bielefeld, 10. Februar 2016, Az: 22 S 129/15

§ 119 BGB, § 133 BGB, § 143 BGB, § 157 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.02.2017, Az. VIII ZR 59/16 (REWIS RS 2017, 15594)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1660 WM2017,1380 REWIS RS 2017, 15594

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 59/16 (Bundesgerichtshof)


3 O 131/22 (Landgericht Bonn)


8 O 321/20 (Landgericht Düsseldorf)


VIII ZR 90/14 (Bundesgerichtshof)

Vertragsschluss via eBay: Auslegung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versteigerungsplattform zur vorzeitigen Angebotsbeendigung; Anwendbarkeit des Rechts …


VIII ZR 213/16 (Bundesgerichtshof)

Kaufpreiszahlung unter Verwendung des Online-Zahlungsdienstes PayPal: Eintritt der Erfüllung des Kaufpreisanspruchs; Einbeziehung der von PayPal …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.