Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2019, Az. 2 StR 337/19

2. Strafsenat | REWIS RS 2019, 2825

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Konkurrenzrechtliche Bewertung von 390 Fälle des Betruges und der Urkundenfälschung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. April 2019, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 390 Fällen zu einer „Freiheitsstrafe“ von drei Jahren und drei Monaten verurteilt, von der sechs Monate als vollstreckt gelten. Darüber hinaus hat es gegen den Angeklagten ein Berufsverbot verhängt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s veranlasste der als Vermögensberater tätige Angeklagte ab Anfang des Jahres 2008 eigenmächtig und entgegen dem Willen der von ihm betreuten Kunden den Verkauf von Wertpapieren aus deren Depots sowie „Auszahlungen von Depots bzw. Verrechnungskonten“. Zur Tatausführung fälschte der Angeklagte „auf den jeweiligen Auftragsformularen“ die Unterschriften der ihm vertrauenden Kunden, indem er Unterschriften einkopierte oder Auftragsformulare mit Blankounterschriften verwendete, die er kopierte und eigenmächtig ausfüllte. Ihm war bewusst, dass „die Zahlungsanweisungen zu seinen Gunsten“ bei der depotführenden Bank „zu der Annahme führten, die Transaktion sei berechtigt“ und entsprechend durchgeführt werde. Durch „133 manipulierte Aufträge und hierdurch ausgelöste 180 Überweisungsvorgänge“ hat er die Überweisung von insgesamt 134.811,71 € auf das Konto seiner Tochter ([X.] 1) und in „zehn weiteren Transaktionen“ Auszahlungen auf das Konto seines Schwiegersohns in Höhe von 5.281,28 € ([X.]) bewirkt. Darüber hinaus veranlasste der Angeklagte „auf die gleiche Art und Weise (...) durch Erstellen und Verwenden falscher Zahlungs- bzw. [X.] in insgesamt mindestens 247 Fällen zum Nachteil von mindestens 29 Geschädigten Überweisungen auf Konten Dritter“ in Höhe von 116.425,69 € ([X.] 3). In den letztgenannten zwei Fallgruppen listet die [X.] jeweils mit „Datum (Ausführung/Buchung)“ Zahlungsein- oder -ausgänge auf und nimmt an, der Angeklagte habe sich jeweils des (gewerbsmäßig begangenen) Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung strafbar gemacht.

3

2. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben.

4

Die Feststellungen ermöglichen es dem Senat nicht, die konkurrenzrechtliche Bewertung der dem Angeklagten zur Last liegenden Taten nachzuvollziehen. Sie belegen damit nicht, dass dieser sich in 390 Fällen des Betruges und der Urkundenfälschung strafbar gemacht hat. Ob die Annahme des [X.]s, in allen Fällen sei ein Bankmitarbeiter getäuscht worden, beweiswürdigend hinreichend belegt ist, braucht der Senat daher nicht zu entscheiden.

5

Werden durch dieselbe Irrtumserregung mehrere Vermögensverfügungen bewirkt, liegt rechtlich nur eine Tat vor (vgl. [X.], Urteil vom 2. April 1987 - 4 StR 81/87). Hiervon ausgehend wären im vorliegenden Fall konkrete Feststellungen dazu erforderlich gewesen, welche Vermögensverfügung der depotführenden Bank auf welcher durch Vorlage einer gefälschten Urkunde bewirkten Täuschungshandlung beruht. Hierzu verhalten sich die Urteilsgründe widersprüchlich. Einerseits wird festgestellt, dass Kunden des Angeklagten sowohl Depots als auch Verrechnungskonten hatten und dass der Angeklagte im [X.] 1 (Auszahlungen auf das Konto der Tochter) unterschiedlich wirkende Aufträge fälschte und an die depotführende Bank schickte; manche Aufträge lösten mehrere Auszahlungen aus. Andererseits führt die [X.] zu den nachfolgenden Fällen aus, der Angeklagte sei in gleicher „Art und Weise“ bzw. nach dem „oben geschilderten Modus operandi“ vorgegangen, ohne im Nachfolgenden eine Differenzierung vorzunehmen, was auf eine gleichförmige Tatbegehung auch in [X.] 1 hinweist. Der Widerspruch wird auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht aufgelöst. Insoweit hätte näherer Erläuterung bedurft, welche „Transaktionen“ der Angeklagte in [X.] beauftragt oder welche „Zahlungs- bzw. [X.]“ er in [X.] 3 erteilt hat. Deren Inhalt ist weder selbsterklärend noch wird er ansatzweise oder wenigstens beispielhaft mitgeteilt. Die [X.] konnte sich daher auch nicht - wie geschehen - ohne nähere Erörterung auf die tabellarische Wiedergabe einzelner Auszahlungen beschränken, zumal darin wiederholt auch taggleiche Buchungen zu Lasten derselben Kunden ausgewiesen sind, was es naheliegend erscheinen lässt, dass diese auf derselben Täuschungshandlung des Angeklagten beruhen.

6

Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt, auch um dem neuen Tatrichter umfassende eigene, in sich widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

7

3. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, ausgehend von den neu zu treffenden Feststellungen die Verfolgungsverjährung und die Voraussetzungen für die Verhängung eines Berufsverbots zu prüfen.

8

a) Die Annahme des [X.]s, die Verjährungsfrist sei ausgehend von dem für besonders schwere Fälle des Betruges bzw. der Urkundenfälschung vorgesehenen Strafrahmen zu bestimmen, ist rechtsfehlerhaft. Gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre bei Taten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu fünf Jahren bedroht sind. Maßgeblich ist die Regelstrafandrohung unter Berücksichtigung von Privilegierungs- und Qualifikationstatbeständen, jedoch ohne Rücksicht auf [X.] oder [X.], die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind (§ 78 Abs. 4 StGB).

9

b) Das Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis, vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll. Es darf nur dann verhängt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur [X.] erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass eine - auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte - Gesamtwürdigung des [X.] und seiner Taten den [X.] zu der Überzeugung führt, dass die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Oktober 2018 - 1 [X.], [X.], 273, 274; Beschluss vom 25. Januar 2017 - 1 [X.], Rn. 8; Urteil vom 25. April 2013 - 4 StR 296/12, Rn. 6 jeweils mwN). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verhängung eines Berufsverbots dann ausscheidet, wenn zu erwarten ist, dass der Angeklagte bereits durch die Verurteilung zu der verhängten Strafe oder jedenfalls durch deren Verbüßung von weiteren Taten abgehalten werden kann (Senat, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 2 StR 221/14, Rn. 14, [X.], 27, 29 mwN).

Franke     

        

Krehl     

        

Eschelbach

        

Zeng     

        

Meyberg     

        

Meta

2 StR 337/19

09.10.2019

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Erfurt, 8. April 2019, Az: 821 Js 11548/13 - 2 KLs

§ 267 StPO, § 52 StGB, § 53 StGB, § 70 StGB, § 78 Abs 3 Nr 4 StGB, § 263 StGB, § 267 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2019, Az. 2 StR 337/19 (REWIS RS 2019, 2825)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 2825

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 38/23 (Bundesgerichtshof)

Urkundenfälschung: Urkundseigenschaft einer Collage; mittelbares Gebrauchmachen einer Urschrift durch Vorlage einer Ablichtung


1 StR 439/06 (Bundesgerichtshof)


4 StR 491/18 (Bundesgerichtshof)

Untreue und zum Nachteil privater Krankenversicherungen begangene Betrugshandlungen: Tatmehrheit oder Tateinheit; Verschlechterungsverbot bei Bildung neuer …


2 StR 504/12 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrages wegen einer Beweisbehauptung "ins Blaue hinein"


4 StR 385/18 (Bundesgerichtshof)

Urkundenfälschung: Urkundeneigenschaft der Brief- und Paketmarken der Deutschen Post


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.