Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2001, Az. 2 BGs 42/00

Ermittlungsrichter | REWIS RS 2001, 3453

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Nachschlagewerk:ja[X.]St:neinVeröffentlichtung:[X.] §§ 100a, 100bDie Strafverfolgungsbehörden können im Rahmen einer nach §§ 100a, 100b StPO an-geordneten Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation mit einem Mobil-funktelefon von dem Netzbetreiber die Bereitstellung von Informationen darüber, inwelcher [X.] sich das Telefon befindet, auch dann verlangen, wenn mit [X.] telefoniert wird.[X.], Ermittlungsrichter, Beschluß vom 21. Februar 2001 [X.] 2 [X.] 42/2001 [X.] [X.]Ermittlungsrichter2 [X.] 42/20013 [X.] 30/00-1 (8) B [X.]vom 21. Februar 2001im Ermittlungsverfahrengegenwegen- 2 -Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeith i e r :Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikationbetroffene [X.]:betroffener Anschlußinhaber:Die Gegenvorstellung der [X.] [X.] 3 -G r ü n d e :[X.] Beschluß vom 25. Januar 2001 - 2 [X.] 15/2001 - hat der Ermittlungsrichter [X.] auf Antrag des [X.] die Überwachung und Auf-zeichnung der Telekommunikation des Mobiltelefonanschlusses ..................... fiein-schließlich der Mitteilung der regelmäßig erfolgenden Positionsmeldungen ([X.] gemäß §§ 100a, 100b, 169 Abs. 1 StPO gestattet. Gegen diesen Be-schluß wendet sich die betroffene [X.] mit ihrer als Gegenvorstellung be-zeichneten Eingabe vom 26. Januar 2001, soweit er die Mitteilung der Positionsmel-dungen betrifft.Sie macht geltend, die Mitteilung dieser Daten werde, wenn sie nicht im Rahmen einesTelefongesprächs anfallen, von § 100a StPO nicht erfaßt, weil sie dann nicht im Rah-men eines Telekommunikationsvorgangs entstünden. Auch sei die Erhebung dieserDaten aus technischen Gründen nicht möglich.Dem tritt die [X.] entgegen.[X.] sich gegen eine nicht mit der Beschwerde anfechtbare (§ 304 Abs. 4 StPO) Anord-nung der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation richtende Eingabeist als Gegenvorstellung zulässig.Sie ist jedoch nicht begründet. Die [X.] ist aufgrund der nach §§ 100a, 100bStPO ergangenen Anordnung verpflichtet, den Ermittlungsbehörden die zur Stand-ortbestimmung des (eingeschalteten) Mobiltelefons erforderlichen geographischenDaten der betroffenen [X.]n unabhängig davon mitzuteilen, ob mit dem Mobilge-rät telefoniert wird oder nicht (vgl. [X.], 577; [X.] 1999, 84; [X.], 590 m. abl. [X.]. [X.]; [X.] in K/[X.] 4. Aufl. § 100a Rdnr. 13; [X.], [X.]. § 100a Rdnr. 1; [X.], [X.] 1998, 202).- 4 -1.Der Überwachung und Aufzeichnung nach §§ 100a, 100b StPO unterliegen alleFormen der Nachrichtenübermittlung unter Raumüberwindung in nicht-körperlicherWeise mittels technischer Einrichtungen ([X.] [Ermittlungsrichter] NStZ 1997, 247;[X.] aaO Rdnr. 4, 6; [X.]/[X.], StPO 44. Aufl. § 100a Rdnr. 2).Der Gesetzgeber hat diese Vorschriften auch für neue, zunächst noch nicht be-kannte Techniken der Nachrichtenübertragung bewußt offen gehalten. Das ergibtsich insbesondere aus der Ersetzung der Formulierung [X.] auf [X.] das umfassendere Wort [X.] durch das am 1. Juli 1989 in [X.] ([X.] [X.] 1026, 1050) sowie aus der Ersetzung [X.] durch [X.] durch das Begleitgesetzzum [X.] vom 17. Dezember 1997 ([X.] [X.] 3108, 3113).Da die §§ 100a, 100b StPO mit ihrem weiteren Anwendungsbereich eine gesetzli-che Ermächtigung zu Eingriffen in das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fern-meldegeheimnis darstellen, muß sich ihre Auslegung, insbesondere des nunmehrmaßgebenden Begriffs der Telekommunikation, in erster Linie an diesem Grund-recht ausrichten ([X.] 46, 120, 143; [X.] [Ermittlungsrichter] aaO). [X.] ist seinerseits gegenüber den techni-schen Entwicklungen, wie sie sich z.B. in den heutigen Möglichkeiten der Speiche-rung und Verarbeitung von Informationen jeglicher Art durch Digitalisierung zeigen,offen und dynamisch (vgl. [X.]/[X.], GG 3. Aufl. Art. 10 Rdnr. 5). Die Einbe-ziehung neuer Formen der Telekommunikation in § 100a StPO überschreitet des-halb nicht die Grenzen, die der Auslegung dieser Vorschrift durch Art. 10 GG nachder Rechtsprechung des [X.] gezogen sind (vgl. [X.]St 31, 296,298; 34, 39, 51). Es ist heute auch unstreitig, daß das Grundrecht des [X.] nicht nur den Kommunikationsinhalt, sondern ebenso die Kommuni-kationsumstände umfaßt; hierzu gehört insbesondere, ob und gegebenenfalls wannund wie oft zwischen welchen Personen oder Fernmeldeanschlüssen Fernmelde-verkehr stattgefunden hat oder versucht worden ist ([X.] 67, 157, 172; 85,386, 396; 100, 313, 358; vgl. auch [X.] [X.] 1998, 173).Der Gesetzgeber hat dies inzwischen [X.] in § 85 Abs. 1 TKG [X.] wort-gleich in § 206 Abs. 5 Satz 2, 3 StGB [X.] ausdrücklich geregelt. Diese wie auchweitere Bestimmungen des [X.]es und die aufgrund diesesGesetzes ergangenen Rechtsverordnungen können bei der Auslegung der grund-rechtseinschränkenden Norm des § 100a StPO jedenfalls als wesentliche Orientie-rungshilfe herangezogen werden.- 5 -Als nähere Umstände der Telekommunikation stellen sich nach diesen Regelungeninsbesondere die Verbindungsdaten eines Kommunikationsvorgangs dar (Büchnerin [X.], 2. Aufl. § 85 Rdnr. 3), wie sie in § 89 Abs. 2 Nr. 1 Buchst.b TKG [X.] in Abgrenzung zu den Bestandsdaten im Sinne von § 89 Abs. 2 Nr. [X.]. a TKG [X.] umschrieben sind. Die neue [X.] ([X.]) vom 18. Dezember 2000 ([X.] [X.] 1740) defi-niert in § 2 Nr. 4 die Verbindungsdaten nunmehr ausdrücklich als [X.] der Bereit-stellung und Erbringung von Telekommunikationsdiensten erhobenfl. Hierunterkönnen, wie sich aus dem Begriff Bereitstellung deutlich ergibt, auch Daten fallen,die bereits im Vorfeld eines (potentiellen) Telefongesprächs erhoben werden.Die technisch bedingten Positionsmeldungen nicht telefonierender [X.] derartige Verbindungsdaten dar. Sie erfüllen die Legaldefinition des § 3Nr. 16 TKG, wonach Telekommunikation fider technische Vorgang des [X.], Übermittels und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in der Form [X.], Sprachen, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagenfl ist.Die Positionsmeldungen sind, auch wenn nicht telefoniert wird, kommunikationser-heblich, weil sie die Betriebsbereitschaft des im sog. Stand-by-Betriebs befindli-chen Mobiltelefons sicherstellen. Es gehört zwingend zu dem Telefonieren mit ei-nem Mobilgerät, dieses empfangsbereit zu halten, da sonst der Empfang von Ge-sprächen nicht möglich ist. Um ständig empfangsbereit zu sein, muß das [X.] seine Position regelmäßig dem Netz mitteilen.Da es sich folglich auch insoweit um [X.] in dem [X.] vorgegebenen weiten Rahmen handelt, steht nichts entgegen, daßdie Strafverfolgungsbehörden unter den Voraussetzungen des § 100a StPO auf dietechnisch bedingten Positionsmeldungen von Mobilgeräten auch dann zurückgrei-fen, wenn mit diesen nicht telefoniert wird. Angesichts der im Vergleich zu anderenstrafprozessualen [X.] engen Zulässigkeitsvoraussetzungen einerMaßnahme nach § 100a StPO und des bedeutend geringeren Gewichts der Offen-barung von Standortdaten gegenüber dem inhaltlichen Abhören von Telefonge-sprächen bestehen hiergegen auch im Hinblick auf den hohen Rang des [X.] keine Bedenken, zumal § 100a StPO auchausdrücklich die Möglichkeit zur Aufenthaltsermittlung des Beschuldigten eröffnet.Daß die verfassungsrechtliche Problematik derartiger Standortbestimmungen durchÜberwachung der digitalen [X.] von [X.] auch bei dem allge-meinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) liegt, steht [X.] entgegen, da das Grundrecht des Art. 10 GG, das in seiner durch die techni-- 6 -schen Entwicklungen bedingten heutigen Bedeutung gesehen werden muß, ge-genüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht das speziellere Grundrecht darstellt(vgl. [X.] aaO Rdnr. 13; a.A. [X.], [X.] 1999, 592).Die [X.] leitet Einwände gegen ihre Verpflichtung zur Mitteilung [X.] auch aus § 3 Abs. 2 Nr. 4 der [X.] ([X.]) vom 18. Mai 1995 ([X.] [X.] 722) her. [X.] verpflichtet die Netzbetreiber, bei überwachten [X.] (nur) zu den [X.]n mitzuteilen, fiüber die die Verbindung abgewik-kelt wirdfl. Diese Einwände greifen schon deshalb nicht durch, weil die [X.] die sichaus §§ 100a, 100b StPO ergebenden Eingriffsbefugnisse (das [X.]) weder ergänztnoch einschränkt, sondern lediglich [X.] wie in § 1 [X.] formuliert - fidie Anforderun-gen und das Verfahren zur technischen Umsetzung von Überwachungsmaßnah-menfl (das [X.]) regelt. Davon abgesehen betrifft § 3 Abs. 2 Nr. 4 [X.] mit [X.] [X.] bei sachgerechter systematischer Auslegung der Bestimmun-gen der [X.] nicht nur die Zeiträume, während derer telefoniert wird, sondern dengesamten Zeitraum der richterlichen Anordnung ([X.] aaO; [X.] aaORdnr. 13; [X.] aaO S. 206).2.Daß die zur Standortbestimmung erforderlichen Daten bei der [X.] nichtautomatisch erfaßt werden und deshalb den Strafverfolgungsbehörden nicht fion-linefl zugänglich gemacht werden können, hindert die [X.] nicht, ihrengesetzlichen Mitwirkungspflichten durch Feststellung und Mitteilung von [X.] nachzukommen. Eine unzumutbare Belastung kann darin nicht gesehenwerden.Zur Klarstellung sei allerdings darauf hingewiesen, daß die [X.] nur zurMitteilung der [X.] im Sinne des § 2 Nr. 5 [X.] und nicht zu weitergehendenPeilungen oder Messungen innerhalb der [X.] verpflichtet ist. Dr. KolzRichter am [X.]

Meta

2 BGs 42/00

21.02.2001

Bundesgerichtshof Ermittlungsrichter

Sachgebiet: BGs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2001, Az. 2 BGs 42/00 (REWIS RS 2001, 3453)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3453

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