Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.04.2011, Az. 28 W (pat) 95/10

28. Senat | REWIS RS 2011, 7194

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - Kostenfestsetzung im Löschungsverfahren - zur Festsetzung des Gegenstandswertes im Löschungsverfahren wegen Bösgläubigkeit bei der Markenanmeldung - zur Erstattungsfähigkeit von Kosten einer Doppelvertretung in Löschungsverfahren wegen absoluter Schutzhindernisse (heir: wegen Bösgläubigkeit bei der Markenanmeldung)


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke …- S …Lösch

(hier: Kostenfestsetzung)

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 28. April 2011 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und [X.]

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 hat die Markenabteilung 3.4 des [X.] dem Antrag der Beschwerdeführerin stattgegeben und die Löschung der angegriffenen Marke … wegen Bösgläubigkeit bei der Anmeldung nach §§ 54 Abs. 1, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] angeordnet. Gleichzeitig hat sie die Kosten des Löschungsverfahren einschließlich der Gebühr für den Löschungsantrag der Antragsgegnerin auferlegt.

2

Nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses der Markenabteilung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 18. Januar 2010 an das [X.] die Festsetzung der ihr zu erstattenden Kosten des [X.] beantragt und zwar ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von 200.000 [X.] wie folgt:

3

jeweils 1,3 Verfahrensgebühr nach §§ 2, 13 [X.], [X.]. 3100 für [X.] und für den sachbearbeitenden [X.] zusammen

4

4.721,60 [X.]

5

jeweils Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem [X.]. 7001, 2x 20 [X.]

6

40, 00 [X.]

7

Zusammen mit der Löschungsgebühr in Höhe von 300.- [X.]

8

ergibt sich hieraus ein

9

Gesamtbetrag von

5.061,60 [X.]

Die Antragsgegnerin ist diesem Kostenansatz entgegengetreten und hat ausgeführt, ein Gegenstandswert von 25.000 [X.] sei angemessen. Sie wendet sich gleichfalls gegen die beantragte Verdoppelung der Verfahrensgebühr wegen Mitwirkung eines Patentanwalts.

Mit Bescheid vom 16. April 2010 hat der Kostenfestsetzungsbeamte der Markenabteilung die Beteiligten vorab auf seine Bedenken gegen den Kostenansatz hingewiesen. Seitens der Beschwerdeführerin erfolgte hierzu keine Stellungnahme.

Die Markenabteilung 3.4. hat mit Beschluss vom 15. Juni 2010 die erstattungsfähigen notwendigen Kosten für das vorliegende Löschungsverfahren gemäß § 63 Abs. 3 [X.] zugunsten der Beschwerdeführerin

auf insgesamt 1.679, 80 [X.] festgesetzt.

Zur Begründung hat sie dargelegt, für das vorliegende Löschungsverfahren sei ein Gegenstandswert von 50.000 [X.] angemessen. Die von der Kostengläubigerin geltend gemachte weitere 1,3 Geschäftsgebühr für den mitwirkenden Patentanwalt könne nicht festgesetzt werden, da eine (analoge) Anwendung des § 140 Abs. 3 [X.] nicht in Betracht komme.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kostengläubigerin. Sie hält einen Gegenstandswert von mindestens 100.000 [X.] ebenso für angemessen wie den Ansatz der geltend gemachten Kosten für die Mitwirkung des Patentanwalts in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 3 [X.]. In beiden Punkten seien die Grundsätze des patentrechtlichen Nichtigkeits- und Einspruchsverfahrens analog anzuwenden. Der Begriff der Kennzeichenstreitsache nach § 143 Abs. 3 [X.] sei weit auszulegen und im Markenrecht, also auch im Löschungsverfahren, als Ausnahmeregelung zu § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO analog anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

1. den Streitwert angemessen zu erhöhen, wobei ein Streitwert von 100.000 [X.] für mindestens angemessen erscheint.

2. 1.780, 20 [X.], hilfsweise 1.379, 80 [X.], hinzuzusetzen, jeweils zu verzinsen mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz (§ 104 Abs. 1 ZPO) ab dem 18. Januar 2010.

Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss in jeder Hinsicht für zutreffend begründet. Der festgesetzte Betrag sei auch der Höhe nach angemessen.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 63 Abs. 3 Satz 3 [X.] in Verbindung mit § 66 [X.] statthaft sowie zulässig, insbesondere fristgerecht (§ 63 Abs. 3 Satz 4 [X.]) eingelegt worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg, denn das Patentamt hat die Kostenfestsetzung im mit der Beschwerde angegriffenen Umfang zutreffend vorgenommen.

1. Der angegriffene Beschluss der Markenabteilung hat der Kostenfestsetzung vielmehr zutreffend einen Gegenstandswert von 50.000 [X.] zugrunde gelegt. Mangels spezieller Wertvorschriften für die Anwaltsgebühren im markenregisterrechtlichen Verfahren ist der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit in entsprechender Anwendung von §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] regelmäßig nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei hat sich die Bemessung des [X.] im markenrechtlichen Löschungsverfahren allerdings nicht am wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Löschung der angegriffenen Marke oder dem Interesse der Markeninhaberin an deren Erhalt zu orientieren. Ausgangspunkt für die Bewertung aller Löschungsgründe im Verfahren gemäß § 50 Abs. 1 [X.] bildet vielmehr wegen des Popularcharakters des Löschungsantrags das Interesse der Allgemeinheit an der Löschung der angegriffenen Marke, wobei bei unbenutzten Marken dieses Interesse von der Mehrheit der Marken-Beschwerdesenate des [X.] regelmäßig auf 25.000 Euro festgesetzt wird (vgl. B[X.]E 41, 100 - [X.]; [X.]/[X.] [X.] 9. Auflage, § 71, 26 m. w. N.). Dieser Regelwert kann jedoch nicht ohne Weiteres für solche Fallgestaltungen übernommen werden, in denen die Bösgläubigkeit gerade darin besteht, dass die angegriffene Marke nicht benutzt werden, sondern von vornherein dazu eingesetzt werden soll, einen Mitbewerber wettbewerbswidrig zu behindern. [X.] wirkt sich in diesem Zusammenhang das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der von der Rechtsordnung missbilligten Beeinträchtigung und Störung des [X.] durch die angegriffene Marke aus. Nach den Feststellungen der Markenabteilung im Löschungsbeschluss war wesentliches Motiv für die Markenanmeldung die Absicht der Antragsgegnerin, den zu diesem Zeitpunkt bestehenden wertvollen Besitzstand der Antragstellerin, der sich zumindest in hohen Marketingaufwendungen niederschlug, zu behindern. Somit erscheint die Festsetzung des [X.] in Höhe von 50.000 [X.] als angemessen (vgl. 28 W (pat) 113/08; 33 W (pat) 68/10; 27 W (pat) 68/02; 26 W (pat) 128/03, jeweils veröffentlicht in [X.] PROMA sowie B[X.]E 41, 100). Bei dieser [X.] ist die Verwarnung durch die Antragsgegnerin ebenso berücksichtigt wie der von der Antragstellerin mit der Löschung angestrebte Handlungsspielraum (vgl. [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 71 Rdn. 30). Die Überlegung der Antragstellerin, im markenrechtlichen Löschungsverfahren sollten die Grundsätze des patentrechtlichen Nichtigkeits- und Einspruchsverfahren analog angewendet werden, sind demgegenüber nicht einleuchtend. Maßstab für die [X.] ist gerade nicht das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der Löschung. So kommt es - auch im markenrechtlichen Widerspruchsverfahren - nicht auf die gewerbliche Bedeutung der Widerspruchsmarke oder das Interesse des Widersprechenden an der Löschung des prioritätsjüngeren Zeichens an (vgl. [X.] v. 16. 3. 2006). Nicht zum Ansatz einer [X.] können daher die geltend gemachten [X.] für die Marke der Löschungsantragstellerin dienen.

2. Die Beschwerde ist ebenfalls unbegründet, soweit die Kosten für die Mitwirkung eines Patentanwalts neben der eines Rechtsanwalts vom Kostenbeamten des [X.] als nicht notwendig angesehen wurden. Die Erstattung von Kosten einer Doppelvertretung ist zwar in § 140 Abs. 3 [X.] vorgesehen, doch findet diese Vorschrift auch nicht analog auf Löschungsverfahren vor dem Patentamt wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 54 [X.] Anwendung. Nach der Legaldefinition in § 140 Abs. 1 [X.] umfasst der in Übereinstimmung mit der Antragstellerin weit auszulegenden Begriff „[X.]“ lediglich Klageverfahren vor den ordentlichen Gerichten, die Ansprüche aus einem im [X.] geregelten Rechtsverhältnis betreffen. Die Unterschiede zu Verwaltungsverfahren, die nach dem [X.] vor dem [X.] stattfinden, und speziell zu den Löschungsverfahren nach § 54 [X.] liegen somit auf der Hand. Es bleibt insoweit bei der allgemeinen Regelung in §§ 63 Abs. 3, 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. § 91 ZPO, wonach zu prüfen ist, ob die Kosten einer Doppelvertretung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Dies ist im Einzelfall festzustellen und selbst dann vorliegend zu verneinen, wenn man trotz der von der Antragsgegnerin zu Recht vorgebrachten Zweifel zugunsten der Antragstellerin eine Mandatierung zusätzlich eines Patentanwalts aus der Kanzlei des verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalts unterstellen würde. Jedenfalls erfordert weder ein besonderer Schwierigkeitsgrad noch der Umfang des vorliegenden Markenlöschungsverfahrens wegen Bösgläubigkeit bei der Anmeldung die Unterstützung eines gerade in Fragen des [X.] üblicherweise besonders bewanderten Rechtsanwalts durch einen Patentanwalt. Insoweit hat die Antragstellerin auch nicht vorgetragen, aufgrund welcher besonderen Umstände hier möglicherweise ein Abweichen gegenüber dem Regelfall, dass im Verfahren vor der Markenabteilung erstattungsfähig nur entweder die Kosten eines Patentanwalts oder eines Rechtsanwalts sind, angezeigt wäre.

3. Im Falle einer Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss entspricht es in der Regel der Billigkeit, dass der Unterliegende die Kosten trägt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 71 Rdn. 17). Folglich sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens vorliegend der Antragstellerin aufzuerlegen.

Meta

28 W (pat) 95/10

28.04.2011

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 91 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.04.2011, Az. 28 W (pat) 95/10 (REWIS RS 2011, 7194)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7194

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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