Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.01.2010, Az. 5 StR 464/09

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 10507

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5 StR 464/09 [X.]BESC[X.]LUSS vom 13. Januar 2010 in der Strafsache gegen wegen [X.] geplanter Straftaten

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 13. Januar 2010 beschlossen: Der [X.] beabsichtigt zu entscheiden: Auch bei fortbestehendem Verdacht einer Beteiligung an [X.] in § 138 Abs. 1 oder 2 StGB bezeichneten [X.] hindert der [X.] eine Verurteilung wegen [X.] geplanter Straftaten nicht. Der [X.] fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob an ent-gegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. G r ü n d e
1 Das [X.] hat den Angeklagten wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer nicht näher ausgeführten allgemeinen Sachrüge. Der [X.] möchte die Revision des Angeklagten entsprechend dem Beschlussantrag des [X.] verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO), sieht sich daran jedoch durch bindende Rechtsprechung anderer Strafsenate gehindert. 1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getrof-fen: 2 a) Der Angeklagte hatte bereits Mitte 2007 erfahren, dass sein Bruder [X.](rechtskräftig verurteilt wegen schwerer räuberischer Erpres-sung, vgl. [X.]sbeschluss vom 13. Oktober 2009 [X.] 5 StR 409/09) und ihr gemeinsamer Freund [X.]planten, ein Bekleidungsgeschäft in [X.] zu 3 - 3 - überfallen. [X.] und der in dem Bekleidungsgeschäft angestellte [X.]entschlossen sich, die Tat am Abend des 4. Oktober 2008 auszufüh-ren. Der Angeklagte wurde davon unterrichtet und durch seinen Bruder gebe-ten, mit ihm —zusammen den Überfall durchzuführenfi, was er indes ablehnte. Am [X.] gegen 19 Uhr trafen sich der Angeklagte, dessen Bruder sowie [X.], der [X.]D.

dabei über [X.], [X.] sowie die bestehenden technischen Sicherungen informierte. Der Angeklagte [X.] auf erneute Nachfrage seines Bruders eine Teilnahme an dem Überfall ab. Gegen 21 Uhr trafen der Angeklagte und sein Bruder den anderweitig ver-folgten [X.]. Dieser erklärte sich auf Vorschlag des [X.]D. be-reit, gemeinsam mit diesem den Raubüberfall zu begehen. Der Angeklagte hielt sich weiterhin aus sämtlichen Planungen heraus, nahm aber zur Kennt-nis, dass [X.]und [X.]

auch den Einsatz einer geladenen Schreckschusspistole bei der Tatbegehung vereinbarten. Alle drei begaben sich sodann in die Nähe des [X.], wo sich der Angeklagte von seinem Bruder und [X.] trennte. Der Raubüberfall wurde sodann gegen 22 Uhr desselben Abends plangemäß und entsprechend den Informationen des [X.]

durch [X.]D. und [X.] ausgeführt, die dabei etwa 40.000 • erbeuteten. b) Obgleich am Tatort DNA-Spuren des Angeklagten sichergestellt wurden und die anderweitig Verfolgten [X.] und [X.] dessen aktive [X.] jedenfalls bei der Tatplanung [X.] wenngleich nicht übereinstimmend [X.] bekundeten, vermochte sich die [X.] —mangels weiterer Beweisefi nicht von einer Tatbeteiligung des Angeklagten an dem Raubüberfall zu überzeugen. Sie ist daher —zu seinen Gunsten davon ausgegangenfi, dass er entsprechend seiner Einlassung trotz Kenntnis von der bevorstehenden Um-setzung des [X.] keinen Versuch unternahm, seinen Bruder von der Tatbegehung abzuhalten oder die Polizei zu informieren, obgleich ihm dies möglich war. 4 - 4 - c) Die [X.] vermochte mithin unter Anwendung des Zweifels-satzes eine Beteiligung des Angeklagten an der schweren räuberischen [X.] nicht festzustellen. Dies stehe einer Verurteilung wegen [X.] geplanter Straftaten indes nicht entgegen, denn entsprechend BG[X.]R StGB § 138 Anzeigepflicht 6 sei eine doppelte Anwendung des Zweifelssat-zes zugunsten des Angeklagten wegen des zwischen [X.] des § 138 StGB und dem strafbewehrten Verstoß gegen die Anzeigepflicht [X.] normativ-ethischen [X.] nicht geboten. 5 2. Diese Rechtsansicht des [X.]s ist unvereinbar mit bindender Rechtsprechung des [X.]. 6 7 a) Die Pflicht zur Anzeige geplanter Straftaten besteht nach dem Wort-laut des § 138 StGB grundsätzlich für jedermann. Der [X.] hat die Reichweite des Tatbestandes indes eingeschränkt. Als tauglicher Täter scheidet danach bereits tatbestandlich aus, wer an der geplanten [X.] als Täter, Anstifter oder Gehilfe [X.] auch durch Unterlassen [X.] beteiligt ist oder straflose Vorbereitungshandlungen zur Tatplanung beisteuert; die Tat muss eine völlig fremde sein (vgl. BG[X.]St 36, 167, 169; 39, 164, 167; BG[X.]R StGB § 138 Anzeigepflicht 2, 5; [X.], 731, 732; [X.], 244; wistra 1992, 348; vgl. ferner [X.] in [X.]. § 138 [X.]. 42 m.w.[X.]). Von der Strafbarkeit wegen Verletzung der Anzeigepflicht ebenfalls befreit ist danach, wer nach Abschluss der Beweisaufnahme der Beteiligung an der nicht angezeigten Tat verdächtig bleibt (BG[X.]St 36, 167, 169; 39, 164, 167; [X.], 202; [X.][X.] 1979, 635; [X.] aaO [X.]. 48; [X.]/[X.] in [X.]/[X.] StGB 27. Aufl. § 138 [X.]. 20/21; [X.], [X.] geplanter Straftaten durch Anzeige 1999 S. 156 m.w.[X.]). Lediglich die Möglichkeit, sich durch die Gebotserfüllung der Beteiligung an der geplanten Straftat selbst verdächtig 8 - 5 - machen zu können, reicht für den Ausschluss des Tatbestandes indes noch nicht aus (vgl. BG[X.]St 36, 167, 170; aA [X.] 1990, 633, 638). b) [X.]iernach hätte mit Rücksicht auf den [X.] nicht nur eine Verurteilung des Angeklagten wegen der ihm zur Last gelegten [X.] des § 138 Abs. 1 und 2 StGB zu unterbleiben, wenn sich das Tatgericht nach dem Ergebnis der [X.]auptverhandlung nicht von der Beteiligung des Angeklag-ten an der [X.] zu überzeugen vermochte, sondern es müsste auch eine Verurteilung nach § 138 StGB unterbleiben, wenn der Verdacht der [X.] hieran fortbesteht. Zwar ist in der angeklagten Beteiligung an einer [X.] des § 138 StGB zugleich [X.] im Sinne prozessualer Tatidentität (§§ 264, 155 StPO) [X.] der Vorwurf enthalten, die beabsichtigte Begehung dieses Delikts nicht angezeigt zu haben; dies untersteht damit ebenfalls der tatrichterlichen Kognition (vgl. BG[X.]St 32, 215; 36, 167, 169; BG[X.]R StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 37; BG[X.] NStZ 1993, 50; NStZ-RR 1998, 204). [X.] ist hier im Wege neuerlicher (doppelter) Anwendung des Zweifels-satzes die tatbestandsausschließend wirkende Beteiligung an der [X.] zu unterstellen, deren Vorhandensein nicht sicher ausgeschlossen werden konnte. Auch eine Wahlfeststellung zwischen den Vergehen des § 138 StGB und der strafbaren Beteiligung scheidet auf Grund mangelnder [X.] beider Verhaltensweisen aus; der Angeklagte ist in dieser Konstellation demnach freizusprechen (BG[X.]St 36, 167, 174 [3 StR 453/88]; 39, 164, 167, [1 StR 21/93]; BG[X.]R StGB § 138 Anzeigepflicht 1 [1 [X.]], 2 [5 StR 276/86]; BG[X.] bei [X.]oltz [X.] 1979, 635, 636 [1 StR 481/78]; [X.], 244 [3 StR 437/81 [X.] nicht tragend]; [X.], 202 [5 StR 521/87]; [X.] 1993, 785, 786 [1 StR 21/93]). 9 3. Der [X.] ist der Auffassung, dass diese doppelte Anwendung des [X.]es in der vorgenannten Konstellation rechtlich weder zwingend noch gerechtfertigt ist. In diesem Sinne [X.] freilich nicht tragend [X.] hat sich der 4. Strafsenat des [X.] geäußert (BG[X.]R StGB § 138 Anzei-gepflicht 6). 10 - 6 - a) Die zuvor unter 2. dargestellte Rechtsprechung des [X.] ist auf beachtliche Einwände in der Literatur gestoßen. 11 Mehrheitlich wird eine doppelte Anwendung des [X.]es abge-lehnt und auf die Möglichkeit einer eindeutigen Verurteilung des Angeklagten wegen § 138 StGB hingewiesen. Zwischen der [X.] und ihrer [X.] nach § 138 StGB bestehe ein normatives Stufenverhältnis, das eine Verurteilung gemäß § 138 StGB im Wege einfacher Anwendung des [X.] bei nicht erwiesener [X.] eröffne; dessen Unrechtsgehalt gehe vollständig in dem der [X.] auf (vgl. [X.] aaO [X.]. 75; Ru-dolphi/[X.] in [X.] § 138 [X.]. 35; [X.]/[X.] StGB 26. Aufl. § 138 [X.]. 6; [X.]/[X.] aaO § 138 [X.]. 29; [X.]/[X.]/[X.] StGB BT II § 98 [X.]. 17; [X.] in [X.] (2001) S. 827, 837; [X.] aaO S. 167; [X.] in [X.]. § 138 [X.]. 25; [X.]ohmann in [X.] § 138 [X.]. 25). Der Ange-klagte sei aus § 138 StGB als dem milderen Gesetz zu bestrafen, weil ihm der von ihm (mit-)verursachte tatbestandliche Unrechtserfolg [X.] freilich in [X.] im Vergleich zum Täter der [X.] abgestuften Intensität [X.] zugerech-net werden könne (vgl. nur [X.]/[X.] aaO; [X.] aaO). Diese Ent-scheidung auf eindeutiger Tatsachengrundlage gehe einer [X.] hier ohnehin fraglichen [X.] (echten) Wahlfeststellung im weiteren Sinne vor (vgl. [X.] in [X.]. [X.]. § 1 [X.]. 58 ff.; [X.]/[X.] [X.] [X.]. zu § 55 [X.]. 15, 20). 12 Grundsätzlich zu keinem anderen Ergebnis gelangt eine in der Litera-tur vereinzelt vertretene Auffassung, die eine Verurteilung wegen § 138 StGB im Wege der sogenannten (konkurrenzrelevanten) Postpendenzfeststellung befürwortet (vgl. [X.] 1990, 633, 640; ders. [X.] 1988, 847, 853). 13 b) Der [X.] neigt der erstgenannten Literaturmeinung zu. Die An-nahme eines normativ-ethischen [X.] zwischen [X.] und einer Strafbarkeit aus § 138 StGB setzt die Rechtsprechung des [X.] zu dem durch § 138 StGB geschützten Rechtsgut konse-quent fort. Das für normativ-ethische Stufenverhältnisse zwischen [X.] maßgebende Kriterium, nach dem das Unrecht eines Tatbestandes vollständig im Unrecht des anderen enthalten sein muss (vgl. [X.] aaO [X.]. § 1 [X.]. 60, 91), ist hier gegeben. Jedenfalls seit BG[X.]St 42, 86, 88 ist anerkannt, dass durch § 138 StGB die Rechtsgüter der dort genannten [X.]en mittelbar geschützt werden (vgl. das insoweit zustimmende Schrifttum [X.]/[X.] aaO [X.]. 2b; [X.] aaO [X.]. 2; [X.]/[X.] aaO [X.]. 1; [X.]/[X.] aaO [X.]. 1; [X.] aaO [X.]. 3; [X.], StGB 57. Aufl. § 138 [X.]. 3, 20). Der Unrechtskern der Nichtanzeige liegt demnach in der Gefährdung desselben Rechtsguts, gegen das sich die anzuzeigende [X.] richtet, und bleibt lediglich quantitativ hinter ihr zurück ([X.]/[X.] aaO [X.]. 35). 15 Eine entsprechende normative Differenz hat der [X.] beispielsweise bereits für Täterschaft und Teilnahme (vgl. BG[X.]St 31, 136, 137; 43, 41, 53; NStZ-RR 1997, 297), Vorsatz und Fahrlässigkeit (vgl. BG[X.]St 32, 48, 57) sowie insbesondere der Beteiligung an der Begehungstat und unterlassener [X.]ilfeleistung (vgl. BG[X.]St 39, 164, 166) ausreichen lassen (zum Verhältnis § 323a StGB und Rauschtat vgl. [X.] aaO § 323a [X.]. 11a ff.). Die vorliegende Konstellation fügt sich ohne Brüche ein, schließt auf diese Weise bestehende, sachlich nicht erzwungene Strafbar-keitslücken (vgl. [X.] 1965, 426, 429) und schafft die für das [X.] des Angeklagten notwendige Rechtssicherheit (vgl. [X.] 1990, 633, 640 f.). 3. Der [X.] beabsichtigt daher tragend zu entscheiden, dass ein auch nach dem Ergebnis der [X.]auptverhandlung fortbestehender Verdacht der Beteiligung an einer [X.] des § 138 StGB einer Bestrafung wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten auch mit Rücksicht auf den [X.] nicht entgegensteht. Die zuvor unter 1. dargestellten und andere möglicher-weise vergleichbare Entscheidungen anderer Strafsenate widerstreiten dem. 16 - 8 - Der [X.] fragt daher [X.] unter Aufgabe eigener entgegenstehender Recht-sprechung [X.] bei den anderen Strafsenaten an, ob entgegenstehende Recht-sprechung aufgegeben wird. [X.] Raum [X.] König

Meta

5 StR 464/09

13.01.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.01.2010, Az. 5 StR 464/09 (REWIS RS 2010, 10507)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10507

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