Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2011, Az. 2 StR 90/11

2. Strafsenat | REWIS RS 2011, 6114

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 90/11
vom
1.
Juni 2011
in der Strafsache
gegen

wegen
gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 1.
Juni 2011 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 [X.]
beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3.
November 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverlet-zung und der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist.
2.
Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendi-gen Auslagen des Angeklagten.
3.
Das vorbezeichnete Urteil wird im Strafausspruch mit den zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben.
4.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die verbliebenen Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere, allgemeine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.
5.
Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

-
3
-

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung zu einer Freiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den
aus dem Tenor ersichtlichen [X.]; im Übrigen ist sie unbegründet

349 Abs.
2 [X.]).
1.
Die Feststellungen des [X.] tragen nicht die Bewertung des mehraktigen Tatgeschehens als einheitliche Tat.
Im Übrigen hält der Schuld-spruch rechtlicher Überprüfung stand.
a)
Das [X.] hat das Tatgeschehen vom Eindringen des Ange-klagten in die Wohnung der Geschädigten bis zu deren Verlassen rund 10
Stunden später als einheitliche Tat gewürdigt und den Angeklagten, der nach den Feststellungen die Geschädigte unmittelbar nach seinem Eindringen bis zur Bewusstlosigkeit würgte, wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§
223, 224 Abs.
1 Nr.
5 StGB verurteilt. Einen kurz vor Verlassen der [X.] erfolgten zweiten Würgevorgang und "weitere Körperverletzungsdelikte"
hat das Gericht als nicht gesondert verfolgbare Teilakte angesehen (UA S.
25).
b)
Für die Annahme von Tateinheit fehlt es bereits an einer zumindest teilweisen Identität der Ausführungshandlungen in einem für die verwirklichten Körperverletzungsdelikte notwendigen Teil. Die beiden Würgevorgänge liegen zeitlich weit auseinander, dazwischen gab es wiederholt friedliche Phasen, in denen die Beteiligten auch Zärtlichkeiten austauschten; weitere Körperverlet-zungen, deren Ausführungshandlungen diesen [X.]raum überdauert haben könnten, hat die Kammer nur seitens der Geschädigten festgestellt. Auch die 1
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4
-
Annahme einer natürlichen Handlungseinheit liegt fern (vgl. [X.], Beschluss vom 8.
Dezember 2010 -
2
StR
453/10).
c)
Der Angeklagte ist wegen des anfänglichen lebensbedrohlichen [X.] der gefährlichen Körperverletzung (§§
223, 224 Abs.
1 Nr.
5 StGB) und wegen des späteren [X.] der vorsätzlichen Körperverletzung (§
223 Abs.
1 StGB) schuldig. Die insoweit mangels Strafantrags
der Geschädigten gemäß §
230 StGB erforderliche Annahme des besonderen öffentlichen Inte-resses an der Strafverfolgung wurde seitens der Strafverfolgungsbehörde im Rahmen des Revisionsverfahrens erklärt.
Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des §
354 Abs.
1 [X.] selbst geändert, da ergänzende Feststellungen -
auch im Hinblick auf weitere Körperverletzungsdelikte
-
nicht zu erwarten sind. §
358 Abs.
2 [X.]
steht der Ergänzung des Schuldspruchs nicht entgegen, da er das Risiko einer Verschlechterung des Schuldspruchs nicht ausschließt (vgl. [X.] NStZ 2011, 212, 213; Beschluss vom 27.
Juli 2010 -
4
StR
165/10). Auch §
265 Abs.
1 [X.] steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich insoweit nicht anders verteidigen können.
2.
Wegen der veränderten Bewertung der [X.] war der Angeklagte im Übrigen freizusprechen
um klarzustellen, dass die [X.] nicht nachgewiesen werden konnte.
Im Eröffnungsbeschluss war für alle Gesetzesverletzungen Tateinheit angenommen worden, weil dort, in Übereinstimmung mit der Anklage, ein die ganze [X.] über andauerndes Verbrechen der Geiselnahme gemäß §
239b StGB angenommen wurde. Da aber die [X.] nicht erwiesen werden konnte, ist die durch sie bewirkte [X.] zwischen den untereinander in Tatmehrheit stehenden Körperverletzungen und 5
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5
-
der mit diesen in keinem Zusammenhang stehenden, angeklagten [X.] entfallen. Erweist sich aber nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung die Annahme von Tateinheit
als offensichtlich fehlerhaft und ist eine der Taten nicht erwiesen, so ist jedenfalls aus Billigkeitsgründen ein Teilfreispruch geboten
([X.] NStZ 1992, 398; [X.] [X.] 53.
Aufl. §
260 Rn.
12 mwN). Dies gilt auch für den Fall des Wegfalls einer Dauerstraftat, wenn dadurch der [X.] Zusammenhang mit mehreren rechtlich selbständigen Taten, von de-nen eine nicht erwiesen werde konnte, verloren geht (vgl. [X.] VRS 21, 341, 343). Der Senat hat aus diesem Grunde den Teilfreispruch mit der Kostenfolge aus §
467 Abs.
1 [X.] nachgeholt.
3.
Die auf Grundlage der Annahme des Vorliegens einer einheitlichen Tat für die gefährliche Körperverletzung verhängte Freiheitsstrafe war wegen des zu Lasten des Angeklagten zugrunde gelegten, erhöhten Schuldumfangs auf-zuheben. Zwar muss allein eine fehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzen bei insgesamt gleich bleibenden Schuld-
und Unrechtsgehalt nicht zwingend auch
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den Strafausspruch im Ergebnis gefährden ([X.] NJW 1996, 936, 938; [X.] Beschluss vom 17.
März 2011
-
1
StR
407/[X.] 58.
Aufl. §
46 Rn.
58). Hier muss der Strafausspruch aber schon deshalb aufgehoben wer-den, weil für die vorsätzliche Körperverletzung noch eine Einzelstrafe festzuset-zen ist.

Fischer

Appl

Berger

Eschelbach

Ott

Meta

2 StR 90/11

01.06.2011

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2011, Az. 2 StR 90/11 (REWIS RS 2011, 6114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6114

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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