Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.12.2010, Az. 4 C 8/10

4. Senat | REWIS RS 2010, 285

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Raumplanerische Zulässigkeit von IKEA in Rastatt; landesplanerische Aussagen in Soll-Vorschrift als Ziel der Raumordnung


Leitsatz

Landesplanerische Aussagen in Gestalt einer Soll-Vorschrift erfüllen dann die Merkmale eines Ziels der Raumordnung, wenn die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Soll-Vorschrift auch ohne förmliches Zielabweichungsverfahren eine Ausnahme von der Zielbindung zulässt, im Wege der Auslegung auf der Grundlage des Plans hinreichend bestimmt oder doch wenigstens bestimmbar sind.

Tatbestand

1

Die Beigeladene beabsichtigt, im Gemeindegebiet der Klägerin, der [X.], ein [X.] mit ergänzenden Fachmärkten mit einer [X.] von ca. 40 000 qm zu errichten. Die Klägerin ist nach dem Landesentwicklungsplan [X.] 2002 (im Folgenden: LEP 2002) als Mittelzentrum eingestuft.

2

Den Antrag der Klägerin auf Zielabweichung für das [X.] der Beigeladenen lehnte der Beklagte ab. Das geplante Vorhaben verletze als typisch oberzentrale Einrichtung das raumordnungsrechtliche [X.]. Die beantragte Zielabweichung sei unzulässig, da das Vorhaben raumordnerisch nicht vertretbar sei und Grundzüge der Planung in gravierender Weise verletzt würden. Die von der Klägerin erhobene Klage auf Feststellung, dass dem Vorhaben der Beigeladenen keine verbindlichen Ziele der Raumordnung entgegenstehen, hilfsweise auf Verpflichtung des Beklagten, die vorsorglich beantragte Zielabweichung zuzulassen, wies das Verwaltungsgericht ab.

3

Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Das [X.] widerspreche den in den Plansätzen 3.3.7 Satz 1, [X.]. 1 und 3.3.7.1 Satz 1 LEP 2002 festgelegten Zielen. Es füge sich nicht in das zentralörtliche Versorgungssystem ein; der Einzugsbereich des Vorhabens überschreite den zentralörtlichen [X.] wesentlich. Den Festlegungen komme Zielqualität zu. Dem stehe nicht entgegen, dass die [X.] als Soll-Vorschrift ausgestaltet seien. [X.] keine Umstände vor, die den Fall als atypisch erscheinen ließen, bedeute das "Soll" ein "Muss". Eine Soll-Vorschrift im hier maßgeblichen raumordnerischen Regelungszusammenhang führe zu einer strikten Zielfestlegung, die eine Abweichung ausschließlich in atypischen, vom Normgeber nicht vorhersehbaren Einzelfällen zulasse. Die Festlegung im [X.] 3.3.7.1 Satz 1 LEP 2002 enthalte die Aussage, dass typischerweise der zentralörtliche [X.] nicht überschritten werden dürfe. Mit diesem Inhalt sei die [X.] zwingend. Die atypischen Umstände würden vom [X.] insoweit negativ selbst eingegrenzt, als das im [X.] 3.3.7.1 Satz 2 LEP 2002 strikt festgelegte Kernziel, dass die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich und die Funktionsfähigkeit anderer Zentraler Orte nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürfen, jedenfalls nicht angetastet werden dürfe. Die zwischen den Beteiligten unstreitigen Rechengrößen belegten einen erheblichen Verstoß gegen das [X.]. Das in den Plansätzen 3.3.7 Satz 1 und 3.3.7.1 Satz 1 (in seiner Ergänzung durch Satz 2) LEP 2002 enthaltene Konzentrationsgebot (bzw. [X.]) und [X.] verstießen nicht gegen die kommunale Planungshoheit und seien auch vereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG und Unionsrecht. Ob das [X.] der Beigeladenen darüber hinaus gegen weitere verbindliche Ziele des LEP 2002 ([X.], [X.]) oder gegen verbindliche Ziele des Regionalplans Mittlerer [X.] verstoße, könne offenbleiben. Die Verpflichtungsklage sei ebenfalls unbegründet. Die Klägerin und die Beigeladene hätten keinen Anspruch auf Zulassung der beantragten Zielabweichung, weil das Vorhaben Grundzüge der Planung i.S.d. § 24 [X.] berühre. Eine Zielabweichung, die zur - wenn auch einzelfallbezogenen - Abkehr von dem für Einzelhandelsgroßprojekte maßgeblichen [X.] ([X.]) und dem als Komplementärelement verstandenen [X.] führe, berühre immer die "Grundzüge der Planung". Der höheren Raumordnungsbehörde sei daher bereits kein Ermessen eröffnet gewesen; der Antrag der Klägerin auf Zulassung einer Zielabweichung sei zwingend abzulehnen gewesen.

4

Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und die Beigeladene die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: [X.] seien keine Ziele der Raumordnung. Es stehe im Widerspruch zum Verbindlichkeitsanspruch von [X.], das Vorliegen atypischer Fälle der Einschätzung nachgeordneter Planungsträger zu überlassen. Bei Verstößen gegen das [X.] komme eine Zielabweichung grundsätzlich in Betracht. Nicht jede landesplanerische Aussage, die auf das [X.] zurückgehe, zähle zu den Grundzügen der Planung.

Entscheidungsgründe

5

Die Revisionen der [X.]lägerin und der Beigeladenen sind unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der [X.]lage auf Feststellung, dass dem Vorhaben der Beigeladenen keine Zielfestlegung des [X.] 2002 entgegensteht, wenden. Dagegen sind die Revisionen hinsichtlich der hilfsweise erhobenen Verpflichtungsklage begründet. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

6

1. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass das in [X.] 3.3.7.1 Satz 1 [X.] 2002 enthaltene [X.], wonach die Verkaufsfläche von [X.] so bemessen sein soll, dass deren Einzugsbereich den zentralörtlichen [X.] nicht wesentlich überschreitet, ein Ziel der Raumordnung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.] (§ 3 Nr. 2 [X.]) und damit eine verbindliche Vorgabe für raumbedeutsame Planungen darstellt, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Auch als Soll-Vorschrift gefasste landesplanerische Aussagen können ein verbindliches Ziel der Raumordnung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sein.

7

1.1 Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sind Ziele der Raumordnung verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in [X.] zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Sie sind anders als Grundsätze der Raumordnung nicht bloß Maßstab, sondern als räumliche und sachliche [X.]onkretisierung der Entwicklung des [X.] das Ergebnis landesplanerischer Abwägung (Beschluss vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 <333>). Einer weiteren Abwägung auf einer nachgeordneten Planungsstufe sind sie nicht zugänglich.

8

Ziele i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.] sind nicht nur nach dem Wortlaut strikt formulierte landesplanerische Vorgaben, die durch zwingende Formulierungen als Mussvorschriften ausgestaltet sind. Auch [X.], die eine Regel-Ausnahme-Struktur aufweisen, können die Merkmale einer "verbindlichen Vorgabe" oder einer "landesplanerischen Letztentscheidung" bzw. einer "abschließenden landesplanerischen Abwägung" erfüllen, wenn der [X.] neben der Regel auch die Voraussetzungen der Ausnahme mit hinreichender tatbestandlicher Bestimmtheit oder doch wenigstens Bestimmbarkeit selbst festlegt (Urteile vom 18. September 2003 - BVerwG 4 [X.]N 20.02 - BVerwGE 119, 54 <58> und vom 20. November 2003 - BVerwG 4 [X.]N 6.03 - BVerwGE 119, 217 <222 f.>).

9

[X.] Aussagen in Gestalt einer Soll-Vorschrift können ebenfalls die Merkmale eines Ziels der Raumordnung erfüllen. In ihrer Grundstruktur unterscheiden sich [X.] mit der in der Normstruktur angelegten Abweichungsmöglichkeit in atypischen Fällen nicht von landesplanerischen Aussagen, die dem [X.] folgen; sie stellen keine eigenständige Zielkategorie des Raumordnungsrechts dar (vgl. auch [X.], Urteil vom 6. Juni 2005 - 10 [X.]/04.NE - BauR 2005, 1577). Insoweit erscheint die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, eine - auch raumordnerische - Norm, die eine Soll-Struktur aufweise, sei nicht mit einem Normgefüge in einer Regel-Ausnahme-Struktur vergleichbar ([X.]), verfehlt, zumindest aber missverständlich. Nach der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs führt das als Soll-Vorschrift gefasste [X.] zu einer strikten Zielfestlegung, das eine Abweichung ausschließlich in atypischen, vom Normgeber nicht vorhersehbaren Einzelfällen zulässt. Wenn eine Rechtsnorm - wie im vorliegenden Fall - als Soll-Vorschrift erlassen werde, sei der [X.] - im Sinne von rechtlich zwingend - verpflichtet, grundsätzlich so zu verfahren, wie es in der Norm bestimmt sei. Lägen keine Umstände vor, die den Fall als atypisch erscheinen ließen, so bedeute das "Soll" ein "Muss". Insofern folgen auch die hier einschlägigen [X.] des [X.] 2002 dem [X.]; sie zeichnen sich nur dadurch aus, dass der [X.] die Voraussetzungen der Ausnahme von der grundsätzlich geltenden Regel nicht ausdrücklich in Form einer textlichen Festlegung benennt.

Dass ein [X.] keine normative Aufführung der atypischen Umstände enthält, die eine Ausnahme von der Regel zu rechtfertigen vermag, steht seiner Qualifizierung als verbindliches Ziel i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.] nicht entgegen. [X.] Aussagen in Gestalt einer Soll-Vorschrift erfüllen dann die Merkmale eines Ziels der Raumordnung, wenn die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Vorschrift auch ohne förmliches Zielabweichungsverfahren eine Ausnahme von der Zielbindung zulässt, im Wege der Auslegung auf der Grundlage des Plans hinreichend bestimmt oder doch bestimmbar sind. Dagegen entfalten [X.], die dem nachgeordneten Planungsträger bei der Einschätzung, ob ein atypischer Fall vorliegt, einen eigenen Abwägungsspielraum einräumen, keinen Verbindlichkeitsanspruch. Mit dem Merkmal der [X.] allein sind die Fallgestaltungen, bei denen die [X.] der Vorschrift nicht gelten sollen, nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar beschrieben. Der [X.] muss vielmehr selbst Anhaltspunkte für die Reichweite atypischer Fälle liefern. Auch abstrakte [X.]riterien können zur Identifizierung einer landesplanerisch gebilligten Atypik und damit zur Bestimmbarkeit genügen. Lässt sich aus den Zielvorstellungen des [X.]s und dem Normzusammenhang der Regelung im Wege der Auslegung der atypische Fall bestimmen, kann die für die Ziele der Raumordnung vorausgesetzte [X.] bejaht werden.

1.2 Gemessen an diesem Maßstab ist die Auslegung des in [X.] 3.3.7.1 [X.] 2002 enthaltenen [X.]s als Ziel i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs ist das [X.] als Soll-Vorschrift ohne ausdrücklich benannte Ausnahmen ausgestaltet. Der [X.] habe auf eine weitere [X.]onkretisierung des [X.]s durch eine Regel-Ausnahme-Vorschrift verzichtet. Er habe allerdings die Voraussetzungen für die Annahme einer Atypik nicht gänzlich offengelassen, sondern diesen Rahmen eingegrenzt. Das [X.] stehe mit [X.] 3.3.7 und [X.] 3.3.7.1 Satz 2 [X.] 2002 in einem untrennbar miteinander verzahnten, von raumordnerischen Grundsätzen getragenen [X.]. Das [X.] in [X.] 3.3.7.1 Satz 2 [X.] 2002, wonach die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich und die Funktionsfähigkeit anderer Zentraler Orte nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürfen, begründe keine Ausnahme vom [X.] nach [X.] 3.3.7.1 Satz 1 [X.] 2002. Vielmehr könne ein atypischer Fall nur dann vorliegen, wenn das [X.] eingehalten werde und zusätzlich weitere Umstände hinzuträten. Die Prüfung, ob atypische Umstände eine Abweichung von dem in [X.] 3.3.7.1 Satz 1 [X.] 2002 normierten Planziel zulassen können, habe nach diesem [X.] zwei Voraussetzungen: Zum einen müsse die Verkaufsfläche eines Einzelhandelsgroßprojekts so bemessen sein, dass deren Einzugsbereich den zentralörtlichen [X.] (zwar) wesentlich überschreitet. Zum anderen dürfe (gleichzeitig) die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich und die Funktionsfähigkeit anderer Zentraler Orte (aber) nicht wesentlich beeinträchtigt werden ([X.] f. - [X.]lammerzusätze im Original).

Als Ergebnis landesrechtlicher Auslegung für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindend ist sowohl das Verständnis des [X.]s in [X.] 3.3.7.1 Satz 2 [X.] 2002 als strikt festgelegtes [X.]ernziel als auch die Schlussfolgerung, der [X.] habe die atypischen Umstände, die eine Abweichung vom [X.] durch den nachgeordneten Planungsträger erlaubten, insofern - negativ - selbst eingegrenzt, als das [X.] jedenfalls nicht angetastet werden dürfe. Die - negative - Eingrenzung, dass die Beachtung des [X.]s nicht genügt, um eine Ausnahme vom [X.] zu begründen, engt die Variationsbreite atypischer Umstände zwar ein. Das reicht aber nicht zur Bestimmbarkeit möglicher atypischer Fälle durch den nachgeordneten Planungsträger. Das erkennt auch der Verwaltungsgerichtshof. Ob es zur Bestimmbarkeit genügt, dass - wie der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat - "des Weiteren" die Begründung des [X.] 2002 Leitlinien enthalte, die für die Feststellung einer Atypik, die den nachgeordneten Planungsträger von der Bindungswirkung des Ziels freistellt, herangezogen werden könnten, mag zweifelhaft sein. Denn auf der in Bezug genommenen Seite der Begründung (Seite [X.]) heißt es lediglich: "Einzelhandelsgroßprojekte können bei falscher Standortwahl und Größenordnung das zentralörtliche Versorgungssystem, die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung und die Funktionsfähigkeit der Stadt- und Ortskerne nachteilig beeinflussen". Auf den [X.] wird nur zur Bestimmung des Begriffs "Einzelhandelsgroßprojekte" verwiesen. Das bedarf indes keiner Vertiefung. Denn nach der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs hat sich der [X.] nicht auf eine negative Abgrenzung möglicher atypischer Fallkonstellationen beschränkt, sondern gleichzeitig durch positive und negative Abgrenzungskriterien den Zielrahmen festgelegt, innerhalb dessen atypische Umstände eine Abweichung von den planerischen [X.]ernzielen anzeigen können ([X.]): Der [X.] habe in den [X.]n 3.3.7 Satz 1 und 3.3.7.1 Satz 1 [X.] 2002 die [X.]ernziele seiner raumordnerischen Vorstellung klar formuliert und ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass diese nicht im Rahmen einer Abwägung durch einen nachgeordneten Planungsträger zur planerischen Disposition stehen. Danach wird der atypische Fall zielintern durch Rückgriff auf das im Plan normierte zentralörtliche Gliederungssystem und das Gesamtziel der [X.] bestimmbar. Die vom [X.] mit dem zentralörtlichen Gliederungssystem verfolgten Zwecke sind als Grundsätze der Raumordnung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 [X.] kodifiziert; dieser [X.] bewirkt, dass der atypische Fall durch Auslegung von Sinn und Zweck des Plans zielintern bestimmbar wird. Der Umstand, dass es sich um abstrakte [X.]riterien handelt, die der [X.]onkretisierung mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall bedürfen, steht der Bestimmbarkeit durch Auslegung nicht entgegen. Entgegen dem Einwand der Beigeladenen folgt aus der Notwendigkeit der Auslegung der Regelvorgabe nach Sinn und Zweck im Einzelfall keine "Universalität" der Belange, die dem nachgeordneten Planungsträger in unzulässiger Weise Gestaltungsspielraum eröffnen würden. [X.] ist nicht der atypische Fall, sondern nur, ob der (seltene) Fall einer Ausnahme eintreten wird. Wie auch der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt hat, wird dem nachgeordneten Planungsträger mit der Befugnis zur Feststellung der Atypik gerade nicht die abschließende Abwägung übertragen. Fallkonstellationen, auf die die [X.] - hier: das [X.] - seinem Wesen nach, d.h. nach Sinn und Zweck wegen Besonderheiten des Einzelfalls nicht "passt", werden - wie auch der [X.] in der mündlichen Verhandlung anschaulich ausgeführt hat - zudem selten sein. Die Abwägung des [X.]s führt damit zu einem bestimmten Entscheidungsgehalt, der bei der weiteren Zielkonkretisierung nicht erneut zur Disposition steht. Sind - wie hier - die atypischen Ausnahmen vom [X.] auch ohne abschließenden oder auch nur beispielhaften [X.]atalog anhand der im Plan zum Ausdruck kommenden Regelungsabsichten des [X.]s bestimmbar, entfaltet die als Soll-Vorschrift gefasste [X.] auch als Gesamtregelung den Verbindlichkeitsanspruch eines Ziels i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

1.3 Auch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit des [X.] bestehen keine Bedenken gegen die Zielqualität des [X.]es 3.3.7.1 Satz 1 [X.] 2002. Das [X.] verlangt, dass die einzelnen Einzelhandelsbetriebe der jeweiligen Zentralitätsstufe der Standortgemeinde entsprechen; ein Verstoß liegt bei einer wesentlichen Überschreitung des [X.]s vor. Anknüpfungspunkt ist der landes- oder regionalplanerisch definierte Status eines Ortes nach der gestuften zentralörtlichen Gliederungshierarchie im Sinne des [X.]. Der [X.] ist für Ober- und Mittelzentren durch die Region und den Mittelbereich vorgegeben. Durch die in [X.] 2.5 [X.] 2002 vorgenommene Festlegung der Zentralen Orte und deren [X.]e lässt sich ohne Weiteres die räumliche Bezugsgröße im Verhältnis zur Lage des Vorhabens bestimmen. Der für Mittelzentren als Einzugsbereich bestimmte Mittelbereich wird gemäß [X.] 2.5.9 Abs. 5 im Anhang des [X.] 2002 durch Nennung der maßgeblichen Ortschaften sowie kartographisch konkretisiert. Für Oberzentren verweist [X.] 2.5.8 [X.] 2002 auf die Region als Anknüpfungspunkt. Das genügt entgegen der Auffassung der Revisionen zur räumlichen Bestimmung des [X.]s. Zu dieser Feststellung ist der Senat befugt, weil der Verwaltungsgerichtshof zum Landesrecht - jedenfalls insoweit - keine Aussagen getroffen hat, an die das Revisionsgericht gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden sein könnte.

Ebenfalls bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass der Verwaltungsgerichtshof die Bestimmtheit des unbestimmten Rechtsbegriffs "wesentlich" unter Rückgriff auf Schwellen- bzw. Grenzwerte, die sich als Erfahrungswerte zur Einschätzung der [X.] von großflächigen Einzelhandelsbetrieben gebildet haben, bejaht und sich dabei an dem Anhaltswert in Ziff. 3.2.1.4 der Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums zur Ansiedlung von [X.] vom 21. Februar 2001 (- [X.] - GABl S. 290) orientiert hat. Sowohl der voraussichtliche Umsatz eines geplanten Vorhabens je qm Verkaufsfläche als auch die nach Sortimenten bestimmbare branchenbezogene [X.]aufkraft der Einwohner eines räumlich bestimmten Einzugsbereichs - hier: eines Mittelzentrums - lassen sich prognostisch berechnen. Solche Marktgutachten stellen eine zulässige Methode dar, um die ökonomischen Zusammenhänge der [X.]aufkraftbindung im Einzugsbereich eines Vorhabens abzubilden und damit Anhaltspunkte für die raumordnerischen Auswirkungen des Vorhabens mit Blick auf die raumordnungsrechtlich gewichtigen Belange der effektiven Nutzung und Bündelung der Infrastruktur und des Verkehrs zu bieten (Urteile vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 4 [X.] 2.08 - BVerwGE 136, 10 Rn. 14 und vom 11. Oktober 2007 - BVerwG 4 [X.] 7.07 - BVerwGE 129, 307 Rn. 18, 21). Ob - wie in Ziff. 3.2.1.4 des [X.]es vorgegeben - eine wesentliche Überschreitung in der Regel gegeben ist, wenn mehr als 30 % des Umsatzes aus Räumen außerhalb des [X.]s erzielt werden, bedarf keiner Entscheidung. Denn nach den vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten gutachterlichen Berechnungen würden jedenfalls hinsichtlich des [X.] rund 90 % und bei einer gemeinsamen Betrachtung des Gesamtvorhabens immerhin noch 82 % der zu erwartenden Umsätze durch [X.]unden von außerhalb des Einzugsbereichs der [X.]lägerin erwirtschaftet.

1.4 Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Vereinbarkeit des [X.]es mit höherrangigem Recht bejaht. Ob und mit welchem Inhalt ein [X.] normiert wird, ist zwar allein eine landesrechtliche Frage (Beschluss vom 8. Juni 2006 - BVerwG 4 [X.] 8.06 - [X.] f.). Die Zielfestlegung muss sich aber am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Maßstab sind Schutzzweck und Reichweite des bundesrechtlichen [X.], aus dem das [X.] abgeleitet wird.

1.4.1 Zutreffend ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass, wenn die Landesplanung - wie im vorliegenden Fall - die Planungshoheit einzelner Gemeinden durch Normierung eines "strikten" [X.]s einschränkt, überörtliche Interessen von höherem Gewicht den Eingriff rechtfertigen müssen. Der Eingriff in Art. 28 Abs. 2 GG durch [X.] 3.3.7.1 Satz 1 [X.] 2002 ist formal vom [X.] gedeckt und auch materiell gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig (vgl. auch Beschluss vom 20. August 1992 - BVerwG 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 <335>).

Die mit dem [X.] bewirkte raumordnerische Standortplanung für raumbedeutsame Einzelhandelsgroßbetriebe stellt ein überörtliches Interesse dar, das eine Beschränkung der gemeindlichen Planungshoheit rechtfertigen kann. Das [X.] wird aus dem [X.] abgeleitet (Beschluss vom 8. Juni 2006 a.a.[X.]). Dieser Grundsatz findet sich in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 [X.] (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 [X.]), der anordnet, dass die Siedlungstätigkeit auf ein System leistungsfähiger Zentraler Orte auszurichten ist. Ziel der dieses Prinzip konkretisierenden raumordnerischen Regeln ist die raumverträgliche Entwicklung des Einzelhandels nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Gemeinden insgesamt. Aus diesem Grund ist der Einzelhandel an den Standorten zu sichern, die in das städtebauliche Ordnungssystem funktionsgerecht eingebunden sind. Das [X.] dient - ebenso wie das [X.], das Integrationsgebot und das [X.] - der Sicherstellung einer raumstrukturell und -funktionell verträglichen Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe. Schutzzweck eines von der konkreten Beeinträchtigung der Versorgungssituation abgekoppelten [X.]s ist die raumordnerische Annahme, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe, die nach Lage, Umfang und Art nicht der jeweiligen zentralörtlichen Hierarchiestufe der Standortgemeinde entsprechen, selbst dann raumunverträglich sind, wenn sie nicht zu Beeinträchtigungen führen, weil sie wegen ihrer überörtlichen, über den Einzugsbereich der Standortgemeinde hinausgehenden Wirkung zur Zersiedelung und Erhöhung des Verkehrsaufkommens führen, mithin dem Grundsatz eines schonenden Flächen- und Ressourcenverbrauchs und dem Grundsatz der effektiven Nutzung und Bündelung der Infrastruktur und des Verkehrs widersprechen. Das ist ein raumordnungsrechtlich legitimer Zweck. Mit dieser Zielrichtung bestehen gegen die Geeignetheit eines [X.]s in der Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken. Entgegen der Auffassung der Revisionen steht der Geeignetheit des raumordnerischen Ziels auch nicht die fehlende städtebauliche Umsetzbarkeit entgegen. Das [X.] räumt den Gemeinden Spielraum ein und lässt sich mit dem verfügbaren städtebaulichen Planungsinstrumentarium, insbesondere den vielfältigen horizontalen und vertikalen [X.]ombinations- und Gliederungsmöglichkeiten umsetzen.

Die Einschätzung des [X.]s, dass andere, weniger tief in die gemeindliche Selbstverwaltungshoheit eingreifende Mittel diese Ziele insgesamt nicht gleich effektiv verwirklichen können, mithin das [X.] auch erforderlich ist, ist nicht zu beanstanden. Bei der Einschätzung der Erforderlichkeit einer Regelung, die - wie hier - dem Schutz des öffentlichen Interesses dient, kommt dem [X.] eine [X.] zu. Es genügt nicht, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die Betroffenen weniger belasten, wenn sie nicht die gleiche Wirksamkeit versprechen. Ein bloßes [X.] wie auch ein - nach der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs - mit einem [X.] verbundenes Integrationsgebot ([X.] 3.3.7.2 Satz 1 [X.] 2002) mögen im Einzelfall "milder" sein, weil sie einem Vorhaben nicht strikt entgegenstehen, sondern eine wesentliche Beeinträchtigung der Versorgungssituation in der Standortgemeinde und in betroffenen Nachbargemeinden voraussetzen. Das legitime raumordnerische Ziel einer flächensparenden Raumnutzung und Verkehrsvermeidung können sie jedoch nicht in gleicher Weise erreichen wie ein "striktes" vom [X.] abgekoppeltes [X.].

Zu Recht ist der Verwaltungsgerichtshof auch davon ausgegangen, dass das [X.] nur dann verhältnismäßig ist, wenn es nicht für alle Fallgestaltungen unterschiedslos strikte Beachtung beansprucht. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergibt sich, dass die Möglichkeit bestehen muss, ein Vorhaben ausnahmsweise zuzulassen, das zwar formal gegen das [X.] verstößt, aus atypischen Gründen im konkreten Einzelfall aber raumverträglich erscheint, mithin mit Blick auf das Schutzziel des [X.]s unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist. Dem hat der [X.] im vorliegenden Fall durch Ausgestaltung des [X.]s als Soll-Vorschrift mit Abweichungsmöglichkeiten im atypischen Fall Rechnung getragen. Für Härtefälle, die keinen atypischen Fall begründen, steht zudem das förmliche Zielabweichungsverfahren gemäß § 6 Abs. 2 [X.] (§ 11 [X.]) zur Verfügung.

1.4.2 Der Senat stimmt dem Verwaltungsgerichtshof auch darin zu, dass das [X.] mittelbar die von der Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Standortwahl beschränkt und daher der Rechtfertigung durch überwiegende vernünftige Gründe des Gemeinwohls bedarf. Dieser Maßstab unterscheidet sich nicht von den "überörtlichen Interessen von höherem Gewicht", die zur Rechtfertigung nach Art. 28 Abs. 2 GG heranzuziehen sind. Auf die Ausführungen unter 1.4.1 kann daher Bezug genommen werden.

1.4.3 In Übereinstimmung mit dem revisiblen Unionsrecht und der Rechtsprechung des [X.] ist der Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen, dass die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV jeder nationalen Maßnahme entgegensteht, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar, aber geeignet ist, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsangehörigen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. Das [X.] erfasst nicht nur Maßnahmen mit unmittelbarer Wirkung gegenüber dem Betroffenen, sondern auch mittelbare Einschränkungen ([X.], Urteile vom 25. Juli 1991 - [X.]. [X.]-76/90, Säger - Slg. 1991, [X.] Rn. 12, vom 3. Oktober 2000 - [X.]. [X.]-58/98, [X.]orsten - Slg. 2000, [X.] Rn. 33 und vom 15. Juni 2006 - [X.]. [X.]-255/04, [X.]. 2006, [X.] Rn. 37). Nicht diskriminierende, d.h. unterschiedslos wirkende beeinträchtigende Maßnahmen können jedoch gerechtfertigt sein, wenn die mit der Maßnahme verfolgten Ziele zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen und der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, d.h. die Maßnahmen geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Die Vermeidung von Sozial- und Umweltlasten mit den Mitteln des Raumordnungsrechts stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar. Entgegen der Anregung der Beigeladenen sieht der Senat keinen Anlass für eine Vorlage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV. Die raumordnungsrechtliche Ansiedlungssteuerung für Einzelhandelsgroßbetriebe im Wege des [X.]es dient - wie dargelegt - nicht, auch nicht mittelbar wirtschaftlichen Zwecken, sondern zielt auf effektive Nutzung und Bündelung der öffentlichen Infrastruktur sowie die Vermeidung eines unnötigen Flächen- und Ressourcenverbrauchs durch Zersiedelung und den damit einhergehenden Verkehr. Auch der [X.] erkennt in [X.], die der Vermeidung von Sozial- und Umweltlasten dienen, zwingende Gründe des Allgemeininteresses ([X.], Urteil vom 1. Oktober 2009 - [X.]. [X.]-567/07, [X.]. 2009, [X.] Rn. 29 - zur Beschränkung des freien [X.]apitalverkehrs - unter Bezugnahme auf [X.], Urteil vom 1. Juni 1999 - [X.]. [X.]-302/97, [X.] - Slg. 1999, [X.] Rn. 40). Unter den vom Gerichtshof bereits anerkannten Gründen finden sich auch der Umweltschutz ([X.], Urteile vom 20. September 1988 - [X.]. [X.]-302/86, [X.]/[X.] - Slg. 1988, [X.] Rn. 9 und vom 14. Dezember 2004 - [X.]. [X.]-309/02, [X.] - Slg. 2004, [X.] Rn. 75) und der [X.] ([X.], Urteil vom 11. März 2010 - [X.]. [X.]-384/08, [X.] [X.] - [X.] 2010 Nr. [X.] 113 S. 11 Rn. 50 mit Verweis auf [X.], Urteile vom 4. Dezember 1986 - [X.]. [X.]-220/83, [X.]/[X.] - Slg. 1986, [X.] Rn. 20 und vom 29. November 2007 - [X.]. [X.]-393/05, [X.]/Österreich - Slg. 2007, [X.] Rn. 52). Wie sich aus den Schlussanträgen der Generalanwältin [X.] vom 7. Oktober 2010 ergibt, sind planungsrechtlich bewirkte Beschränkungen der Standorte großer [X.] auf städtische Bevölkerungszentren und Beschränkungen der Größe der Einrichtungen in weniger bevölkerungsreichen Gebieten als geeignete Mittel anzusehen, weil sie dem Ziel dienen, umweltbelastende Autofahrten zu vermeiden, dem innerstädtischen Verfall entgegenzuwirken, ein umweltgerechtes Stadtmodell zu erhalten, den Bau neuer Straßen zu vermeiden und den Zugang mit öffentlichen Verkehrsmitteln sicherzustellen (Schlussanträge der Generalanwältin [X.] vom 7. Oktober 2010 - [X.]. [X.]-400/08, [X.]/ Spanien - Rn. 79, 90, 91). Notwendig sind präventive Maßnahmen; gerade auch der Umweltschutz bedarf der Umsetzung durch raumordnungsrechtliche Maßnahmen. Das gilt ebenso für den Schutz der verbrauchernahen Versorgung, der angesichts der demographischen Entwicklung besonderes Gewicht hat (vgl. auch Urteil vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 4 [X.] 2.08 - BVerwGE 136, 10 Rn. 8).

Die Erforderlichkeit der Maßnahmen beurteilt sich allein danach, ob das (nationale) Raumordnungsrecht mildere Alternativen zur Verfügung stellt. Dass die mit der Standortsteuerung von [X.] verbundenen Ziele des Umweltschutzes und des [X.]es gegebenenfalls auch durch andere Maßnahmen außerhalb des Raumordnungsrechts gefördert werden könnten, führt nicht zur mangelnden Erforderlichkeit. Wie zu Art. 28 Abs. 2 GG ausgeführt, stellt das Raumordnungsrecht weniger einschneidende Alternativen zum [X.] nicht zur Verfügung. Die Verhältnismäßigkeit der Regelung ist - wie ebenfalls bereits dargelegt - zudem dadurch gewahrt, dass die Möglichkeit eines [X.] eröffnet ist.

2. Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist dagegen die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, eine Zielabweichung, die zur - wenn auch einzelfallbezogenen - Abkehr von dem für Einzelhandelsgroßprojekte maßgeblichen [X.] ([X.]) und dem als [X.]omplementärelement verstandenen [X.] führe, berühre immer die "Grundzüge der Planung", so dass der Antrag auf Zulassung einer Zielabweichung zwingend abzulehnen gewesen sei ([X.]). Der Verwaltungsgerichtshof verkennt den Bedeutungsgehalt des bundesrechtlichen Begriffs "Grundzüge der Planung" i.S.d. § 6 Abs. 2 [X.] (§ 11 Satz 1 [X.]).

Der landesrechtlich in § 24 [X.] verwendete Begriff "Grundzüge der Planung" nimmt Bezug auf den bundesrechtlich ursprünglich als Rahmenrecht in § 11 Satz 1 [X.], nun in § 6 Abs. 2 [X.] vorgegebenen Begriff. Der Begriff ist gesetzlich nicht definiert (Beschluss vom 15. Juli 2005 - BVerwG 9 VR 43.04 - [X.] 406.14 § 4 [X.] 1998 Nr. 1 S. 2). § 6 [X.] unterscheidet nunmehr ausdrücklich zwischen Ausnahmen, die im [X.] festgelegt werden können, und "Abweichungen", über die in einem eigens dafür geschaffenen raumordnerischen Zielabweichungsverfahren zu entscheiden ist. Der Gesetzgeber folgt mit der Neufassung des § 6 Abs. 2 [X.] dem Muster der Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB ([X.], in: [X.]/[X.], Raumordnungs- und Landesplanungsrecht des Bundes und der Länder, Stand 2003, Band 2, [X.] § 11 Rn. 30); insofern kann die Rechtsprechung des Senats zu § 31 Abs. 2 BauGB Orientierung bieten. Wann eine Planänderung die Grundzüge der Planung berührt, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern hängt von der jeweiligen Planungssituation ab (Urteil vom 18. November 2010 - BVerwG 4 [X.] 10.09 - Rn. 37). Wie auch im Fall des § 31 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Frage, ob eine Abweichung die Grundzüge der Planung berührt oder von [X.] ist, nach dem im Plan zum Ausdruck gebrachten planerischen Wollen. Bezogen auf dieses Wollen darf der Abweichung vom Planinhalt keine derartige Bedeutung zukommen, dass die dem Plan zugrunde gelegte [X.] ("Grundgerüst") in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird. Die Abweichung muss - soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein - durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss - mit anderen Worten - angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der [X.] gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er den Grund für die Abweichung gekannt hätte (Urteile vom 4. August 2009 - BVerwG 4 [X.]N 4.08 - BVerwGE 134, 264 Rn. 12, vom 29. Januar 2009 - BVerwG 4 [X.] 16.07 - BVerwGE 133, 98 Rn. 23 und vom 9. März 1990 - BVerwG 8 [X.] 76.88 - BVerwGE 85, 66 <72>).

Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass das [X.] ([X.]) und das [X.] zu den Zielen gehören, die "als Grundzüge der Planung" die [X.] des [X.] 2002 tragen und damit den für sie wesentlichen Gehalt bestimmen ([X.]), ist als Ergebnis der Auslegung des [X.], der dem irrevisiblen Landesrecht angehört, zwar bindend. Die Schlussfolgerung, dass ein Abweichen von den [X.], mit denen das [X.] konkretisiert wird, in jedem Fall die planerische Grundentscheidung berühre, verkennt aber, dass es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, ob die Grundzüge der Planung berührt werden. Aus dem Umstand, dass im vorliegenden Fall nach der für die revisionsgerichtliche Beurteilung bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs keine atypischen Umstände vorliegen, die nach dem Willen des [X.]s dem nachgeordneten Planungsträger ausnahmsweise außerhalb des [X.] eine Abweichung erlauben würden, darf nicht gefolgert werden, dass mit einer Abweichung im Wege des [X.] die vom [X.] getroffene planerische Regelung beiseite geschoben würde (vgl. dazu auch Beschluss vom 5. März 1999 - BVerwG 4 B 5.99 - [X.] 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 S. 2). Das Zielabweichungsverfahren ist nicht auf den atypischen Fall, sondern gerade auf den Härtefall ausgerichtet, bei dem die [X.] in Gestalt der Regelvorgabe dem Vorhaben zunächst entgegensteht, gleichwohl eine Zulassung vertretbar erscheint. Wie bereits dargelegt ist, erweist sich das [X.] nur dann als verhältnismäßig, wenn es nicht für alle Fallgestaltungen unterschiedslos strikte Beachtung beansprucht. Dem steht eine Gleichsetzung der Grundzüge der Planung mit dem [X.] entgegen. Ob hier raumordnerische Besonderheiten bereits deswegen vorliegen, weil das Vorhaben - wie die [X.]lägerin und die Beigeladene vortragen - zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung der verbrauchernahen Versorgung im Einzugsbereich und der Funktion anderer Zentraler Orte führt oder weil andere Besonderheiten vorliegen, die den vorliegenden Fall als Härtefall i.S.d. § 6 Abs. 2 [X.] erscheinen lassen, nicht aber die Grundzüge der Planung berühren, mithin eine Abweichung im Wege des [X.] erlauben, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht geprüft. Da er auch darauf verzichtet hat zu prüfen, ob das Ansiedlungsvorhaben der Beigeladenen nicht nur gegen das [X.], sondern auch gegen das [X.] und das Integrationsgebot verstößt, lässt sich auch nicht feststellen, ob die Ablehnung der Zielabweichung aus diesem Grund rechtmäßig ist und die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs sich im Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Meta

4 C 8/10

16.12.2010

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 17. Dezember 2009, Az: 3 S 2110/08, Urteil

§ 3 Abs 1 Nr 2 ROG, § 6 Abs 2 ROG, Art 28 Abs 2 GG, Art 49 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.12.2010, Az. 4 C 8/10 (REWIS RS 2010, 285)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 285

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 CN 10/21 (Bundesverwaltungsgericht)

Beeinträchtigungsverbot als Ziel der Raumordnung


4 CN 9/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Zur Steuerung des Einzelhandels durch regionalplanerische Agglomerationsregelung


3 S 559/19 (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg)


4 CN 4/10 (Bundesverwaltungsgericht)

Zur raumordnerischen Zielfestlegung mit Regel-Ausnahme-Struktur


4 A 666/17 (Verwaltungsgericht Magdeburg)


Referenzen
Wird zitiert von

2 U 2751/19

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.