Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2022, Az. 6 StR 332/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5634

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Gegenstand

Versuchter Totschlag: Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 13. Mai 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Bedrohung unter Einbeziehung von Geldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2

1. Nach den Feststellungen stach der von mehreren Freunden begleitete Angeklagte mit einem Messer in Richtung des Halses des Geschädigten, um diesen zu verletzen und so seinen zuvor in eine körperliche Auseinandersetzung mit dem Bruder des Geschädigten geratenen jüngeren Bruder „zu rächen“. Dem Angeklagten war bewusst, dass ein Stich in den Halsbereich tödliche Folgen haben kann, was ihm aber gleichgültig war. Unmittelbar nachdem der Angeklagte den Geschädigten, der ausweichen konnte, am Arm und seitlich am Brustkorb getroffen hatte, wurde er von seinen Freunden weggezogen. Bevor die Männer sich kurze [X.] später trennten, bedrohte der Angeklagte den Geschädigten mit den Worten: „[X.] gibt es Tod“.

3

Einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Totschlags hat das [X.] verneint, weil der Angeklagte nicht freiwillig vom Geschädigten abgelassen habe.

4

2. Dies hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand.

5

Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch erweist sich schon deshalb als durchgreifend rechtsfehlerhaft, weil das [X.] keine Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung getroffen hat (vgl. zum „Rücktrittshorizont“ [X.], Beschluss vom 19. Mai 1993 – [X.], [X.]St 39, 221, 227 f.).

6

Diese waren nicht entbehrlich. Denn nach den Feststellungen ist jedenfalls nicht sicher von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen, von dem der Angeklagte nicht mehr strafbefreiend hätte zurücktreten können. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass er nach seinem Vorstellungsbild im unmittelbaren [X.] noch weitere Ausführungshandlungen hätte vornehmen können, auch nachdem seine Freunde ihn weggezogen hatten.

7

Der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 StGB steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines [X.] erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, ob der Täter nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Ausführungshandlungen hätte vornehmen können und damit „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. April 2014 – 2 [X.], NStZ-RR 2014, 241; vom 22. August 2017 – 3 [X.], [X.], 335; vom 7. März 2018 – 1 [X.], NStZ-RR 2018, 169, 170).

8

3. Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO). Diese erfasst die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 2014 – 4 StR 158/14; Beschluss vom 7. März 2018 – 1 [X.], aaO). Um dem neuen Tatgericht eine einheitliche Bewertung zu ermöglichen, hebt der Senat auch die ebenfalls als solche nicht zu beanstandende Verurteilung wegen Bedrohung auf.

9

4. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, genauere Feststellungen zum objektiven Geschehen zu treffen, namentlich zum Verbleib der Tatwaffe, dem Verhalten der Freunde des Angeklagten, nachdem sie ihn von dem Geschädigten weggezogen hatten, und den sich hieraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten.

b) Im Falle einer erneuten Verurteilung wegen versuchten Totschlags wird das neue Tatgericht bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, die gebotene Prüfungsreihenfolge zu beachten haben (vgl. Urteil vom 9. Februar 2016 – 1 StR 415/16, [X.], 168, 169; Beschluss vom 12. März 2019 – 2 StR 17/19, [X.], 409, 410; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1122 f.).

[X.]     

      

Feilcke     

      

Ri[X.] Wenske ist
urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

      

        

      

        

[X.]

        

Fritsche     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 332/22

21.09.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Halle (Saale), 13. Mai 2022, Az: 1 Ks 5/21

§ 24 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2022, Az. 6 StR 332/22 (REWIS RS 2022, 5634)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5634

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