Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2018, Az. RiZ 2/16

Dienstgericht des Bundes | REWIS RS 2018, 3888

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Gegenstand

Prüfungsverfahren vor dem Dienstgericht des Bundes in Angelegenheiten der Berufsrichter: Ergänzung der Vertreter der nichtständigen Beisitzer; Ablehnung eines dem Präsidium des Bundesfinanzhofs angehörenden Richters wegen Besorgnis der Befangenheit


Tenor

Das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin gegen [X.] am [X.]             wird für unbegründet erklärt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin, [X.]in am [X.] und gegenwärtig Mitglied des  . Senats, hat in einem bei dem Senat anhängigen Prüfungsverfahren den als ersten Vertreter der begründet wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnten nichtständigen Beisitzerin des [X.]s mit Ablehnungsgesuch vom 4. Juli 2018 seinerseits wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der abgelehnte [X.] hat zum Ablehnungsgesuch Stellung genommen. Die Antragstellerin hat sich dazu mit Schriftsatz vom 5. August 2018 weiter geäußert. Sie macht insbesondere geltend, der abgelehnte [X.], der Ende des Jahres 2016 in das Präsidium des [X.]s gewählt worden ist, habe sich in zentralen Fragen des Prüfungsverfahrens gegen die Antragstellerin vorfestgelegt.

II.

2

Der Senat entscheidet über das Ablehnungsgesuch unter Beteiligung des zweiten Vertreters der nichtständigen Beisitzerin (vgl. Senatsbeschluss vom 22. November 2017 - [X.], juris Rn. 3), der gemäß § 61 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 DRiG in Verbindung mit dem Beschluss des Präsidiums des [X.] vom 9. November 2017 dem Senat gesetzmäßig angehört.

3

Nach § 61 Abs. 3 Satz 1 DRiG bestimmt das Präsidium des [X.] unter anderem die nichtständigen Beisitzer des [X.]; dazu gehören auch deren Vertreter. Dies ist für fünf Geschäftsjahre mit der Beschlussfassung über den Geschäftsverteilungsplan des [X.] für das [X.] geschehen, wobei aufgrund der das Präsidium des [X.] bindenden Vorgabe der Vorschlagsliste des Präsidiums des [X.]s, § 61 Abs. 3 Satz 2 DRiG, der abgelehnte [X.] zum (ersten und einzigen) Vertreter der nichtständigen Beisitzerin des [X.]s bestellt worden ist. Aufgrund einer Verhinderung sowohl der nichtständigen Beisitzerin als auch des abgelehnten [X.]s nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 Abs. 1 VwGO, § 47 Abs. 1 ZPO war die - bei der Beschlussfassung nach § 61 Abs. 3 Satz 1 DRiG mit der [X.] 2017 ex ante ausreichende - Vertreterkette im [X.] 2017 ausgeschöpft. In solchen Fällen kann grundsätzlich nach § 21e Abs. 3 [X.] verfahren werden ([X.], Beschluss vom 4. Oktober 2016 - 2 [X.], [X.], 17). Für die Ergänzung der Vertreter der nichtständigen Beisitzer des [X.] gilt nichts anderes. Eine solche Ergänzung hat das Präsidium des [X.] durch Beschluss vom 9. November 2017 nicht nur für ein bestimmtes, bereits anhängiges Verfahren, sondern abstrakt-generell für die verbleibende Amtszeit der nichtständigen Beisitzer des [X.]s vorgenommen. Dieser Beschluss steht entgegen der Rechtsmeinung der Antragstellerin mithin in Einklang mit dem Beschluss des Plenums des [X.] vom 8. April 1997 ([X.] 95, 322 ff.).

4

Die Gesetzmäßigkeit der Besetzung des Senats für die hier zu treffende Entscheidung über das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin ist nicht deshalb zu verneinen, weil das Präsidium des [X.] einer Vorschlagsliste des Präsidiums des [X.]s "in eigener Sache" nicht hätte folgen dürfen. Im Gegenteil war das Präsidium des [X.] ohne Rücksicht darauf nach § 61 Abs. 3 Satz 2 DRiG an die Vorschlagsliste des Präsidiums des [X.]s gebunden, dass die Antragstellerin Maßnahmen des Präsidiums des [X.]s zum Gegenstand des Prüfungsverfahrens macht. Eine Abweichung von dem in § 61 Abs. 3 Satz 2 DRiG vorgesehenen Verfahren bedürfte der gesetzlichen Grundlage, an der es für den Fall der sachlichen Betroffenheit des Präsidiums eines obersten [X.]gerichts durch ein Prüfungsverfahren fehlt.

III.

5

Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet.

6

1. Der abgelehnte [X.] ist wegen seiner Mitgliedschaft im Präsidium des [X.]s nicht von Gesetzes wegen von der Ausübung des Amtes als [X.] ausgeschlossen. Nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 Abs. 2 VwGO wäre dies nur dann der Fall, wenn er "bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt" hätte. Wenn ein Vorgang als Maßnahme der Dienstaufsicht angegriffen wird, entspricht der Mitwirkung an dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren nach § 54 Abs. 2 VwGO die Mitwirkung an dem mit dem [X.] nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. [X.] angegriffenen Vorgang ([X.], Beschluss vom 24. April 2013 - [X.], juris Rn. 2). Da die Antragstellerin zum Gegenstand ihres Prüfungsverfahrens Beschlüsse des Präsidiums des [X.]s macht, die vor der Wahl des abgelehnten [X.]s am 6. Dezember 2016 zum Mitglied des Präsidiums des [X.]s gefasst wurden, ist eine Vorbefassung im Sinne des § 54 Abs. 2 VwGO nicht gegeben.

7

2. Die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten [X.]s ist nicht gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 Abs. 3 VwGO begründet, weil der abgelehnte [X.] Mitglied des Präsidiums des [X.]s ist. § 54 Abs. 3 VwGO setzt voraus, dass der [X.] der Vertretung einer Körperschaft angehört, deren Interessen durch das Verfahren berührt werden. Diese Bestimmung ist hier nicht einschlägig. Der [X.] ist nicht körperschaftlich strukturiert und verfügt deshalb über kein dem einer (Gebiets-, Real- oder Personal-)Körperschaft vergleichbares Vertretungsorgan. Auf Mitglieder des Präsidiums eines obersten [X.]gerichts ist § 54 Abs. 3 VwGO nicht analog anwendbar (BVerwG, NJW 2014, 953 Rn. 23).

8

3. Die von der Antragstellerin angeführten Gesichtspunkte rechtfertigen nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 VwGO, § 42 Abs. 2 ZPO auch im Übrigen nicht die Besorgnis der Befangenheit. Befangenheit ist zu besorgen, wenn aus der Sicht eines Verfahrensbeteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des [X.]s zu zweifeln (Senatsbeschluss vom 22. November 2017 - [X.], juris Rn. 4). Ein solcher Anlass besteht nicht.

9

a) Aus der Mitwirkung des abgelehnten [X.]s an Beschlüssen des Präsidiums, die die weitere Verwendung der Antragstellerin betrafen, ergibt sich kein Grund, der eine verständige Partei besorgen ließe, der abgelehnte [X.] stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Die Mitwirkung als Mitglied des Präsidiums an dem Versuch, der Antragstellerin die von ihr gewünschte Rückkehr in den  . Senat des [X.]s zu ermöglichen, lässt nicht auf eine Voreingenommenheit gegenüber der Antragstellerin schließen. Aus der dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten [X.]s ergibt sich eine Vorfestlegung bei den Beratungen der - im Übrigen nach § 21e Abs. 7 Satz 1 [X.] nicht notwendig einstimmig zu fassenden - Beschlüsse des Präsidiums des [X.]s zu den Gegenständen des Prüfungsverfahrens nicht. Nicht nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 Abs. 1 VwGO, § 44 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht ist weiter eine Parteinahme, die mit der Pflicht des erkennenden [X.]s zur Neutralität und Distanz unvereinbar wäre (BayObLG, [X.], 69 [juris Rn. 7]; [X.], [X.], 113 [juris Rn. 11 ff.]).

b) Die Stellung des abgelehnten [X.]s als Vorsitzenden des . Senats des [X.]s gibt bei vernünftiger Würdigung aller Umstände ebenfalls keinen Anlass, Befangenheit zu besorgen.

Zwar kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn der abgelehnte [X.] und ein Verfahrensbeteiligter nicht nur - was in [X.] betreffenden Verfahren aufgrund der gesetzlichen Vorgabe des § 61 Abs. 2 Satz 2 DRiG vor dem Dienstgericht des [X.] regelmäßig der Fall ist - demselben Gericht angehören, sondern zugleich Mitglieder eines Spruchkörpers sind (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 1957 - [X.] 5/57, LM Nr. 2 zu § 42 ZPO; [X.], Beschluss vom 14. November 1988 - [X.], juris; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 42 Rn. 17). Mitglieder des  . Senats des [X.]s sind indessen am Prüfungsverfahren nicht im Sinne der § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 63 VwGO beteiligt (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Juni 2006 - 9 BV 05.1863, juris Rn. 10).

Dass die Antragstellerin im Prüfungsverfahren Mitglieder des  . Senats des [X.]s als Zeugen benannt hat, genügt für sich nicht, um die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten [X.]s zu begründen. Schon seine eigene Benennung als Zeuge schlösse ihn nicht nach § 62 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG, § 54 Abs. 1 VwGO, § 41 Nr. 5 ZPO von der Ausübung des [X.]amtes aus; über einen entsprechenden Beweisantrag könnte er selbst mitentscheiden, ohne dass Befangenheit zu besorgen wäre (vgl. BVerwGE 63, 273 f.; [X.], Beschluss vom 22. September 2008 - [X.]/08, juris Rn. 3). Erst recht gilt dies für die bloße Benennung von [X.]n als Zeugen, mit denen er in einem Spruchkörper verbunden ist.

Konkrete Umstände des Einzelfalls, aus denen sich ausnahmsweise etwas anderes ergeben könnte, sind weder erkennbar noch von der Antragstellerin glaubhaft gemacht. Dass dem Vorsitzenden eines Kollegialspruchkörpers allgemein daran gelegen sein wird, mit dessen Mitgliedern einschließlich der Geschäftsstelle konstruktiv und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, lässt im konkreten Fall nicht darauf schließen, dass er nicht in der Lage ist, zu Vorgängen vor seinem Eintritt in diesen Spruchkörper unvoreingenommen Stellung zu beziehen. Schon eine lockere Freundschaft begründet für sich, wie der Senat wiederholt und unter anderem auch in dieser Sache ausgeführt hat ([X.], Beschlüsse vom 2. Dezember 2015 - [X.](R) 1/15, - [X.](R) 2/15 und - [X.](R) 3/15, jeweils juris Rn. 3, sowie vom 22. November 2017 - [X.], juris Rn. 4), die Besorgnis der Befangenheit nicht. Erst recht gilt dies für eine rein dienstliche Beziehung.

4. Der Senat kann über das Ablehnungsgesuch abschließend entscheiden, ohne dass der abgelehnte [X.] vorher aufgefordert werden müsste, zu den Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 5. August 2018 ergänzend Stellung zu nehmen. Dabei kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob die von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 5. August 2018 angeführten Umstände nach dem Rechtsgedanken des § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO schon deshalb nicht zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs herangezogen werden können, weil sie die Antragstellerin nicht sämtlich schon am 4. Juli 2018 vorgetragen hat ([X.]/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., § 43 Rn. 7). Auch dann, wenn der Rechtsgedanke des § 25 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht entsprechend heranzuziehen wäre, bedarf es keiner weiteren dienstlichen Stellungnahme. Der abgelehnte [X.] hat sich von Äußerungen eines beisitzenden [X.]s im . Senat des [X.]s zu einer einhelligen Auffassung aller Mitglieder des Präsidiums des [X.]s distanziert. Dass er Vorsitzender des . Senats des [X.]s ist, ist dem Senat bekannt. Welche Folgerungen daraus aus Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten zu ziehen sind, ist eine Rechtsfrage und vom Senat zu entscheiden.

[X.]     

        

Karczewski     

        

Menges

        

Schneider      

        

[X.]      

        

Meta

RiZ 2/16

12.09.2018

Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 17. Januar 2018, Az: RiZ 2/16, Beschluss

§ 21e Abs 3 GVG, § 61 Abs 2 S 2 DRiG, § 61 Abs 3 S 1 DRiG, § 62 Abs 1 Nr 4 Buchst e DRiG, § 66 Abs 1 S 1 DRiG, § 54 Abs 3 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.09.2018, Az. RiZ 2/16 (REWIS RS 2018, 3888)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3888

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