Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.09.2012, Az. 7 B 5/12

7. Senat | REWIS RS 2012, 2995

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Gegenstand

Anspruch auf Informationszugang; Rechtsweg


Leitsatz

Für einen Anspruch gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Informationszugang nach § 1 Abs. 1 IFG ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sonderzuweisung nach § 48 Abs. 1 und 4 WpÜG erfasst diesen Anspruch nicht.

Gründe

I.

1

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 beantragte der Kläger bei der [X.] unter [X.]erufung auf das [X.] des [X.] ([X.]) Einsicht in die Unterlagen, die der [X.] über ein von der [X.] an die Aktionäre der [X.] gerichtetes Übernahmeangebot vorlagen. Mit [X.]escheid vom 3. Dezember 2010 gab die [X.] diesem [X.]egehren teilweise statt unter Ablehnung des Antrags im Übrigen. [X.]ereits zuvor hatte der Kläger als außenstehender Aktionär der [X.] gegen die Gestattung der Veröffentlichung der freiwilligen Angebotsunterlagen für das Übernahmeangebot Widerspruch erhoben und nach § 29 i.V.m. § 13 Abs. 1 VwVfG die Einsicht in die bei der [X.] über diesen Vorgang vorhandenen Unterlagen beantragt. Diesen Antrag lehnte die [X.] mit [X.]escheid vom 25. November 2010 ab. Die gegen beide [X.]escheide erhobenen Widersprüche wies die [X.] mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2011 zurück und führte in der Rechtsbehelfsbelehrung aus, dass gegen die [X.]escheide in Gestalt des Widerspruchsbescheids [X.]eschwerde beim [X.] erhoben werden könne. Am 21. Februar 2011 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und dort sein Zugangsbegehren nach dem [X.] weiterverfolgt. Zugleich hat er am selben Tag gegen den gesamten Widerspruchsbescheid [X.]eschwerde zum [X.] erhoben. Auf den Antrag der [X.], den Rechtsstreit an das [X.] zu verweisen, hat das Verwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für zulässig erklärt. Die hiergegen erhobene [X.]eschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen. Er hat die weitere [X.]eschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen.

II.

2

Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 [X.] i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige weitere [X.]eschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof haben zu Recht angenommen, dass für den geltend gemachten Anspruch auf Informationszugang nach § 1 [X.] der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist.

3

[X.]ei dem Rechtsstreit um diesen Anspruch handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn die streitentscheidende Norm des § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] verpflichtet nur [X.]ehörden des [X.] als Träger hoheitlicher Gewalt; sie ist folglich dem öffentlichen Recht zuzuordnen (vgl. nur [X.], [X.], 2009, § 9 Rn. 68, 71). Auch die [X.] stellt das nicht in Frage. Für die Entscheidung über diesen Anspruch sind demnach gemäß der genannten Vorschrift die Verwaltungsgerichte zuständig; denn es fehlt an einer ausdrücklichen Zuweisung an ein anderes Gericht nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO. Entgegen der Ansicht der [X.] wird der streitige Anspruch von der abdrängenden Sonderzuweisung in § 48 Abs. 1 und Abs. 4 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes - [X.] - vom 20. Dezember 2001 ([X.]), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 46 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 ([X.]), nicht erfasst.

4

Nach § 48 Abs. 1 [X.] ist gegen Verfügungen der [X.] die [X.]eschwerde statthaft; nach § 48 Abs. 4 [X.] entscheidet über die [X.]eschwerde ausschließlich das für den Sitz der [X.] in [X.] zuständige [X.]. Entgegen dem weiten Wortlaut des § 48 Abs. 1 und 4 [X.] erstreckt sich die Sonderzuweisung nicht umfassend auf alle Verfügungen der [X.]. Vielmehr bezieht sich § 48 Abs. 1 und 4 [X.] nur auf solche Verfügungen der [X.], die in dem von § 1 [X.] umschriebenen Anwendungsbereich des Gesetzes, d.h. in [X.]ezug auf Angebote zum Erwerb von Wertpapieren, erlassen worden sind. In erster Linie sind das - wie in § 46 Satz 1 [X.] ausdrücklich verdeutlichend formuliert - Verfügungen, die "nach diesem Gesetz" ergangen sind (vgl. [X.]/[X.], in: [X.] Kommentar zum [X.], 3. Aufl. 2011, § 48 [X.] Rn. 4 f.; [X.]/[X.], in: [X.][X.], [X.], 4. Aufl. 2010, § 48 [X.] Rn. 3). Dazu kommen hieran anknüpfende - akzessorische - Verfügungen, etwa in der Verwaltungsvollstreckung, sowie gegebenenfalls sonstige Hilfs- und Nebenansprüche (vgl. etwa zum Rechtsweg für Auskunftsverlangen beim Amtshaftungsanspruch [X.], [X.]eschluss vom 22. März 1976 - [X.] - [X.]Z 67, 81 <91> und Urteil vom 25. September 1980 - [X.]/78 - [X.]Z 78, 274 <276 ff.>). Hiernach werden Ansprüche nach dem [X.] von § 48 Abs. 1 und 4 [X.] nicht erfasst. Denn sie sind insbesondere nicht als bloße Nebenansprüche zu sonstigen Ansprüchen zu verstehen, die sich aus dem [X.] ergeben. Vielmehr gewährt das [X.] einen eigenständigen materiellrechtlichen Anspruch auf Informationszugang, der sich insbesondere vom Akteneinsichtsrecht im Verwaltungsverfahren grundlegend unterscheidet (Urteil vom 3. November 2011 - [X.]VerwG 7 [X.] 3.11 - [X.]VerwGE 141, 122 Rn. 17; vgl. auch [X.]SG, [X.]eschluss vom 4. April 2012 - [X.] SF 1/10 R - juris Rn. 10 ff.). Der Gedanke der prozessualen Zweckmäßigkeit und des Sachzusammenhangs, der der vorgenannten Rechtsprechung des [X.]gerichtshofs zu Grunde liegt, kann deswegen das Fehlen einer ausdrücklichen bundesgesetzlichen Sonderzuweisung nicht ersetzen (siehe auch [X.], [X.]eschluss vom 8. Mai 2002 - 21 E 349/02 - NWV[X.]l 2003, 23 ).

5

Eine Erstreckung der [X.] nach § 48 Abs. 1 und 4 [X.] auf Ansprüche nach § 1 [X.] kommt entgegen der Auffassung der [X.] auch nicht deswegen in [X.]etracht, weil der Kläger zugleich (siehe § 1 Abs. 3 [X.]) ein Akteneinsichtsbegehren nach § 29 VwVfG geltend macht.

6

Es spricht zwar viel dafür, dass über dieses dem Verfahren nach dem [X.] akzessorische [X.]egehren nach § 48 Abs. 1 und 4 [X.] vom [X.] zu entscheiden ist. Hieraus folgt aber nichts für den Rechtsweg hinsichtlich des Informationsanspruchs nach § 1 [X.]. Das gilt auch dann, wenn - wie die [X.] im Gegensatz zum Verwaltungsgerichtshof meint - beide Ansprüche demselben Streitgegenstand zuzuordnen sind. Nach dem sog. zweigliedrigen [X.] wird der Streitgegenstand im Allgemeinen als der prozessuale Anspruch durch die erstrebte, im Klageantrag umschriebene Rechtsfolge und den Klagegrund, d.h. den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet (stRspr, siehe etwa Urteile vom 31. August 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] 15.10 - [X.]VerwGE 140, 290 Rn. 20 = [X.] 428 § 6 VermG Nr. 75 und vom 10. Mai 1994 - [X.]VerwG 9 [X.] 501.93 - [X.]VerwGE 96, 24 <25> = [X.] 310 § 121 VwGO Nr. 68 S. 2 <3>). Hiervon ausgehend dürfte eine Identität des Streitgegenstandes jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn der [X.] nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.] auf die Gewährung von Akteneinsicht gerichtet ist. Allerdings ist zu erwägen, ob bei einem Verpflichtungsbegehren der Streitgegenstand nicht allein durch die begehrte Rechtsfolge und den Klagegrund bestimmt, sondern durch die gesetzliche Anspruchsgrundlage präzisiert und umgrenzt wird (siehe hierzu [X.], in: [X.], VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 Rn. 28 m.N.; vgl. auch Urteil vom 3. März 2011 - [X.]VerwG 7 [X.] 4.10 - [X.]VerwGE 139, 184 Rn. 41 = [X.] 406.27 § 16 [X.][X.]ergG [X.]). Dies bedarf hier jedoch keiner Vertiefung. Denn auch die Identität des Streitgegenstandes verändert nicht die [X.] als solche. Eine einheitliche Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand wird vielmehr dadurch gewährleistet, dass das Gericht, bei dem ein Verfahren zuerst rechtshängig geworden ist (§ 17 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 261 Abs. 3 ZPO) nach § 17 Abs. 2 Satz 1 [X.] rechtswegüberschreitend über sämtliche Anspruchsgrundlagen entscheiden kann (vgl. [X.], in: [X.] a.a.O. § 41/§§ 17 - 17b [X.] Rn. 18 f. m.w.N.).

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist ([X.]eschluss vom 18. Mai 2010 - [X.]VerwG 1 [X.] 1.10 - [X.]VerwGE 137, 52 Rn. 13 = [X.] 310 § 40 VwGO Nr. 302).

Meta

7 B 5/12

20.09.2012

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 15. Dezember 2011, Az: 6 B 1926/11, Beschluss

§ 1 Abs 1 IFG, § 48 Abs 1 WpÜG, § 48 Abs 2 WpÜG, § 17 Abs 2 S 1 GVG, § 17a Abs 4 S 5 GVG, § 29 VwVfG, § 40 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.09.2012, Az. 7 B 5/12 (REWIS RS 2012, 2995)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2995

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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7 B 4/12 (Bundesverwaltungsgericht)


Referenzen
Wird zitiert von

W 9 K 17.703

15 K 1212/19

15 K 194/20

15 K 193/20

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