Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2014, Az. 1 StR 605/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2014, 7173

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
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StR 605/13

vom
12. März
2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Steuerhinterziehung u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 12. März
2014
beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2013 wird mit der Maßgabe verwor-fen, dass die [X.] für die verhängten
Einzelgeldstra-fen
auf
jeweils

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Der Angeklagte wurde unter Freispruch im Übrigen wegen zahlreicher Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt sowie der Steu-erhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.

Seine auf Verfahrensrügen
und die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt im Ergebnis erfolglos.

I.

1. Zu den Verfahrensrügen:

1. Die Hauptverhandlung war am 31. Januar 2013 nach 59 [X.] beendet. Ohne dass sie nochmals eröffnet worden wäre, wurde das Urteil am 14. Februar 2013 verkündet.

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a) Hierauf gestützt, macht die Revision zutreffend geltend, dass die Frist des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO überschritten worden sei.

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist es vielfach nicht auszuschließen, dass
ein Urteil auf einem solchen Mangel beruht (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 30. Mai 2007

2 StR 22/07 mwN), maßgeblich sind aber

wie bei allen sog. relativen [X.]

unter Berücksichtigung von Sinn und Bedeutung der verletzten Bestimmung stets die Umstände des Einzel-falls. Die nur begrenzte zeitliche Frist zwischen dem Abschluss der [X.] und das letzte Wort bei der Beratung allen [X.]n noch lebendig in Erinne-,
aaO). Dementsprechend ist maßgeblich darauf abzustellen, ob über das Urteil innerhalb der Frist des § 268 Abs. 3 Satz 2 StPO befunden wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2006

5 [X.]) oder nicht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 20. Juni 2007

1 [X.] und vom 30. No-vember 2008

4 StR 452/06; Urteil vom 30.
Mai 2007

2 StR 22/07). Ob dies der Fall war, kann allein anhand der schriftlichen Urteilsgründe regelmäßig nicht
zuverlässig überprüft werden ([X.], Urteil vom 30. Mai 2007

2 StR 22/07).

Dementsprechend zieht der [X.] in diesem [X.] regelmäßig dienstliche Äußerungen bei (vgl. sämtliche genannte Ent-scheidungen).

c)
Hier hat der Vorsitzende folgende dienstliche Erklärung

an der zu zweifeln der Senat keinen Anlass sieht

abgegeben:

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Es war zunächst vorgesehen, das Urteil bereits am 31.01.2013 zu [X.]. Hiervon wurde abgesehen, da Rechtsanwalt L.

für diesen Fall die Stellung eines Befangenheitsantrags in Aussicht stellte. Rechtsanwalt L.

erklärte, er halte es nicht für angezeigt

unmittelbar im [X.] an die Schlussvorträge der Verteidigung und nach einer relativ kurzen Beratungs-zeit

das Urteil zu verkünden.

Daraufhin wurde von [X.] der 07.02.2013 als nächster Verhandlungster-min benannt.

Verschiedene Verteidiger erklärten, an diesem Tag verhindert zu sein. Allerdings vermag ich aus der Erinnerung nicht mehr mitzuteilen, welche [X.] dies waren.

Es wurde dann von Seiten der Verteidiger (möglicherweise die Herren Rechtsanwälte C.

und D.

) vorgeschlagen, den 07.02.2013 als [X.] entfallen zu lassen und den 14.02.2013 als nächsten Verhand-lungstag zu bestimmen.

Hierauf habe ich [X.] leider eingelassen und [X.] ist dann der Fehler un-terlaufen am 14.02.2013 nicht nochmals in die Beweisaufnahme einzutreten.

Das am 14.02.2013 verkündete Urteil wurde nach dem Ende der Sitzung vom 31.01.2013 beraten. Im Rahmen dieser Beratung wurde der Umfang der Verurteilungen bzw. Freisprüche beraten. Des weiteren wurden die Strafen [X.]. Insoweit wurde ein vorläufiges Ergebnis gefunden. Hierbei ist anzumer-ken, dass während der gesamten Hauptverhandlung
immer wieder der Stand des Verfahrens sowie die möglichen Rechtsfolgen erörtert und beraten wurden. Dies war u.a. aufgrund der zahlreichen Beweisanträge erforderlich. Im Rahmen der Beratung am 31.01.2013 konnte immer wieder auf die bereits gefundenen Zwischenergebnisse Bezug genommen werden.

Die abschließende Beratung erfolgte dann am 14.02.2013 in der [X.] ab ca. 11.15 Uhr bis ca. 13.00 Uhr. Im Rahmen dieser Beratung wurden die zuvor gefundenen Ergebnisse nochmals evaluiert. Bereits der Umfang des Verfah-rens sowie der Umfang der getroffenen Feststellungen zeigen, dass in dieser kurzen [X.] eine umfassende Beratung nicht stattgefunden haben kann.

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d) Dem entnimmt der Senat:

Auf der Grundlage zahlreicher vorangegangener [X.] hat die [X.] das Urteil unmittelbar im [X.] an die Hauptverhand-lung noch am 31. Januar 2013 beraten und zu allen für ein Urteil maßgeblichen Ergebnisse gefunden. Der Umstand,
dass unmittelbar vor der [X.] Frage, dass hier die Entscheidung rechtzeitig und unter dem noch frischen Eindruck der soeben beendeten Hauptverhandlung getroffen wurde. Ist dies aber der Fall, so gefährdet allein die verspätete Verkündung des rechtzeitig beratenen Urteils den Bestand dieses Urteils nicht. Umstände des Einzelfalls, die eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich.

2. Ebenso wenig greift die Besetzungsrüge durch.

Folgendes liegt zu Grunde:

Der Vorsitzende wurde mit Wirkung vom 1. April 2012 zum Direktor ei-nes Amtsgerichts ernannt und mit dem für die Weiterführung der vorliegenden Hauptverhandlung erforderlichen Anteil seiner Arbeitskraft an das [X.]. Ein zu Beginn der Hauptverhandlung noch nicht zum [X.] auf Lebenszeit ernannter [X.] auf Probe, der nach den ursprünglichen Pla-nungen der Justizverwaltung zum 2. Mai 2012 zum [X.] am Amtsgericht er-nannt und an ein Amtsgericht versetzt werden sollte, wurde statt dessen zum 18. April 2012 zum [X.] am [X.] ernannt und mit Teilen seiner Ar-beitskraft zu einem Amtsgericht abgeordnet.
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Die Revision meint, die entgegen der ursprünglichen Planung vorge-nommene Ernennung zum [X.] am [X.] sei nur im Blick auf § 29 DRiG (wonach an einer gerichtlichen Entscheidung nur ein [X.] auf Probe oder < hier nicht einschlägig> ein [X.] kraft Auftrags oder ein von einem an-deren Gericht abgeos-e-sehen werden könnte.

Dies trifft nicht zu. Das Vorgehen hinsichtlich des Vorsitzenden hat der [X.] in einem
insoweit nahezu identischen Fall nicht als [X.] einer erfolgreichen Besetzungsrüge angesehen ([X.], Beschluss vom 10.
Dezember 2008

1 [X.]). Hieran hält der Senat fest. Für die hier darüber hinaus naheliegend im Blick auf § 29 DRiG vorgenommene Ernennung des Beisitzers, dessen Ernennung zum [X.] auf Lebenszeit offenbar [X.], zum [X.] am [X.] kann nichts anderes gelten. Andernfalls hätte der Eindruck entstehen können, die Justizverwaltung habe durch die Be-stimmung von Ernennungs-
bzw. [X.] auf den Abbruch einer Hauptverhandlung hingewirkt und damit darauf, dass der Angeklagte seinem (bisherigen) gesetzlichen [X.] entzogen und der Abschluss eines umfangrei-chen Verfahrens schon wegen der für neu damit befasste [X.] notwendigen Einarbeitungszeit erheblich hinausgeschoben worden wäre.

Die dem [X.] im [X.] zu Grunde liegende Auffassung, ein Angeklagter habe letztlich einen Rechtsanspruch auf solches Vorgehen der Justizverwaltung, geht erkennbar
fehl.

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3. Zwischen der Rückabordnung des Vorsitzenden und der Ernennung des Beisitzers zum [X.] am [X.] hatten [X.] stattgefunden. Soweit es an diesen Terminen zu wesentlichen [X.] gekommen war, wurden diese
im weiteren Verlauf wiederholt.

Die Revision meint, selbst wenn entgegen ihrer Auffassung die [X.] nach der Ernennung des Beisitzers doch als ordnungsgemäß besetzt anzusehen wäre, hätten die zwischenzeitlichen Termine nicht i.S.d. § 229 StPO fristwahrend gewirkt.

a) Schon die Zulässigkeit dieser Rüge ist zweifelhaft, weil [X.] nicht nur hilfsweise, also für den Fall, der Erfolglosigkeit anderweitigen Vorbringens (hier: die [X.] war bis zuletzt nicht ordnungsgemäß be-setzt)
angebracht werden können ([X.], Beschluss vom 22. Februar 2012

1 [X.] mwN).

b) Unabhängig davon ist die Rüge aber auch unbegründet. Der [X.] hat bereits entschieden, dass ein Hauptverhandlungstag, an dem kein Dolmetscher anwesend
war, obwohl dies erforderlich gewesen wäre (der an diesem Tag durchgeführte Teil der Beweisaufnahme war später in [X.] des Dolmetschers wiederholt worden), bei der Entscheidung über die Frage, ob die Frist des § 229 StPO gewahrt sei, zu berücksichtigen ist ([X.], Beschluss vom 5. Mai 2004

1 [X.]). Für die damit strukturell ver-gleichbare vorliegende Fallgestaltung kann nichts anderes gelten.
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4. Die [X.] geht davon aus, dass die den abgeurteilten Taten zu Grunde liegende Vorgehensweder Nichtabführung von Sozialbeiträgen und der Verschleierung der hierfür

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zurückgeht, der die Angeklagten dann mit dr-

Die Revision meint, Grundlagen, auf der diese Feststellung beruhen könne, seien nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen, weshalb § 261 StPO verletzt sei (sog. Inbegriffsrüge). Eine solche Rüge könnte aber nur Erfolg haben, wenn dies ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme festgestellt wer-den könnte (vgl. zusammenfassend [X.], StPO,
56. Aufl., § 261 Rn.
38a mwN). Dies ist jedoch nicht der Fall, insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso sich dies, so die Revision, schon allein aus dem Inhalt der genannten Feststellung ergeben sollte. Der Umstand, dass die [X.] ausweislich .

der en war, diesen Gesche-hensablauf zwar nicht sicher feststellen, ihn aber auch nicht ausschließen konnte, ändert an alledem nichts.

II.

Die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat kei-nen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch hat der [X.] die von der [X.] unterlassene Bemessung der [X.] in den Fällen nachgeholt, in denen auf Geldstrafe erkannt wurde (jeweils Verge-hen gemäß
§ [X.] für die [X.]räume Dezember 2006 < "bez. Fa. F.

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März", April, Mai, Juni 2007 und Januar 2008
>, März 2008
> sowie Vergehen gemäß § 266a StGB im Mai 2007
>und im Juli 2009 N.

),
und den Tagessatz in [X.] mit dem Antrag des [X.] auf den Mindestbetrag .
[X.], Urteil vom 20. August 2003

2 [X.]; vgl. auch [X.], Beschluss vom 23. August 2012

4 StR 207/12).

Ri[X.] Prof. Dr. Jäger ist

urlaubsabwesend und

daher an der Unterschrift

gehindert.

Wahl Rothfuß Wahl

Radtke [X.]

Meta

1 StR 605/13

12.03.2014

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.03.2014, Az. 1 StR 605/13 (REWIS RS 2014, 7173)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7173

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