Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.05.2019, Az. 2 Ni 23/18 (EP)

2. Senat | REWIS RS 2019, 6935

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – zur Rückerstattung der vorausgezahlten Klagegebühr


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent …

(DE …)

(hier: Streitwertfestsetzung und Gebührenerstattung)

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] am 23. Mai 2019 durch [X.], die Richterin [X.] sowie [X.]. Univ. Dr. rer. nat. Zebisch

beschlossen:

1. Der Streitwert für das vorliegende Verfahren wird nach Anhörung der Parteien auf

1.000.000 €

festgesetzt (§ 2 Abs. 2 S. 4 PatKostG i. V. m. §§ 51, 63 Abs. 2 GKG).

2. Die Klagegebühr wird in Höhe des 3 fachen Gebührensatzes erstattet.

3. Die Klagegebühr wird in Höhe des 1,5 fachen Gebührensatzes einbehalten.

Gründe

I.

1

Die Klägerin hat für die gegen die Beklagte erhobene [X.] vom 1. Juni 2018 gemäß Zahlungsanzeige des [X.] vom 19. Oktober 2018 am 4. Juli 2018 eine Einzahlung in Höhe von 24.012,00 € geleistet.

2

Die Höhe des Streitwerts des [X.] hatte sie bei Klageerhebung auf 1.000.000 € geschätzt und diesen auch bei den Erläuterungen zum Verwendungszweck angegeben und der Berechnung der 4,5fachen Gebühr zugrundegelegt. Die zentrale [X.] hatte der Klägerin am 5. Juni 2018 das Verfahrensaktenzeichen mitgeteilt.

3

Mit Schreiben vom 10. Oktober hat die Klägerin das Ruhen des Verfahrens gemäß § 251 ZPO beantragt, da die [X.]en sich außergerichtlich geeinigt hätten und die Umsetzung der Einigung noch das erste Quartal 2019 in Anspruch nehmen werde.

4

Die Beklagte hat mit Vertretungsanzeige 17. Oktober 2018 erklärt, sie schließe sich dem Antrag an. Mit [X.] vom 23. Oktober 2018 hat die Klägerin erklärt, sie nehme die Klage in Erfüllung der außergerichtlichen Vereinbarung zurück und angekündigt, dass keine Kostenanträge gestellt würden.

5

Mit Schreiben vom 30. Oktober hat die Klägerin die Rückerstattung der vorausgezahlten Klagegebühr in vollem Umfang beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 PatKostG vorausgezahlte Gebühren, die nicht mehr fällig werden können, zu erstatten seien. Die Vorauszahlung auf die Klagegebühr sei auf Basis der in der Nichtigkeitsklage angegebenen Schätzung des Streitwerts erfolgt. Gemäß der Entscheidung des [X.]“ trete die Fälligkeit der Klagegebühr nicht ein, bevor das [X.] den Streitwert vorläufig festgesetzt habe. Dies habe hier nicht stattgefunden, daher sei die Klagegebühr nicht fällig geworden und könne aufgrund der Rücknahme der Nichtigkeitsklage auch nicht mehr fällig werden. Die Klagegebühr sei daher zu erstatten. Die Erstattung wäre auch sachgerecht, weil die am 1. Juni 2018 eingereichte Nichtigkeitsklage der [X.] noch nicht zugestellt worden sei.

6

Mit Schreiben an die Beklagte vom 2. November 2011 erfolgte die Zustellung der Klage an die Beklagte. Diese erklärte mit [X.] vom 14. November 2018 , es bestünden keine Bedenken gegenüber dem von der Klägerin angegebenen Streitwert.

II.

7

1. Der Antrag der Klägerin auf Rückerstattung der gezahlten Klagegebühr in vollem Umfang hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat lediglich einen Anspruch gemäß § 812 BGB analog auf teilweise Rückzahlung der geleisteten Gebühr, soweit diese die wegen der Klagerücknahme ermäßigte 1,5 fache Gebühr übersteigt.

8

Nach erfolgter wirksamer Klagerücknahme aufgrund einer außergerichtlichen Einigung der [X.]en unter Regelung der Kostentragung ist lediglich über die Gerichtskosten - hier die Klagegebühr - zu entscheiden, für die der Streitwert durch den Senat festzusetzen ist. Da die Streitwertfestsetzung sich aber erübrigen würde, falls eine Rückzahlung in vollem Umfang gerechtfertigt wäre, war diese Frage durch den Senat vorab zu entscheiden.

9

1.1 Die mit Erhebung der Nichtigkeitsklage gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 PatKostG zu zahlende Gebühr richtet sich gemäß § 2 Abs. 2 S. 4 PatKostG nach dem Streitwert, den die die [X.] nach § 2 Abs. 2 S. 4 [X.] iVm 61 GKG mit Klageerhebung anzugeben hat und für dessen Festsetzung die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes entsprechend gelten (§ 2 Abs. 2 Sätze 1 und 4 PatKostG).

Bei der Erhebung der Nichtigkeitsklage handelt es sich um eine nichtfristgebundene Verfahrenshandlung, so dass die Klagegebühr gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 PatKostG mit Einreichung der Klage fällig und gemäß § 6 Abs. 1 PatKostG innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Fälligkeit zu zahlen ist. Diese ermäßigt sich nach Klagerücknahme (§ 2 Abs. 1 PatKostG i.V.m. [X.] 402 110).

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin ihrer Vorschusspflicht gemäß § 5 Abs. 1 S. 3 PatKostG für die Zustellung der Nichtigkeitsklage nachgekommen und hat die 4,5 fache Klagegebühr auf der Grundlage ihrer eigenen Streitwertschätzung in angemessener Höhe einen Monat nach Klageerhebung gezahlt.

1.2 Die Zahlung durch die Klägerin ist nicht ohne Rechtsgrund erfolgt.

Ist für die Klage die Gebühr nicht rechtzeitig oder innerhalb der Frist unvollständig entrichtet, gilt sie gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG nicht als zurückgenommen, sondern als nicht vorgenommen. Da eine nicht vorgenommene Verfahrenshandlung nicht gebührenpflichtig ist und damit der [X.] nicht mehr existent ist, können ab diesem Zeitpunkt Gebühren nicht mehr fällig werden ([X.], [X.], 10. Aufl., § 3 PatKostG Rn. 4) und eine bereits entrichtete Gebühr – weil ohne Rechtsgrund gezahlt – ist zu erstatten ([X.] PatKostG, § 6 Rn. 12).

Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 PatKostG lässt ausdrücklich nur für den Fall der nicht oder nicht vollständigen Zahlung der Klagegebühr die Nichtvornahmefiktion hinsichtlich der Verfahrenshandlung eintreten und damit den Rechtsgrund für die Zahlung der Gebühr entfallen. Die Fälle einer Rücknahme der Klage nach erfolgter Zahlung sind hiervon nicht umfasst.

Im vorliegenden Fall wurde ein Vorschuss auf die Gerichtsgebühr in angemessener Höhe – die Beklagte hat sich zwischenzeitlich mit der Höhe des von der Klägerin angeregten Streitwerts einverstanden erklärt - von der Klägerin rechtzeitig gezahlt.

Dies bedeutet, dass die Folgen des § 6 Abs. 2 PatKostG ab dem Zeitpunkt der rechtzeitigen und vollständigen Zahlung nicht mehr eintreten konnten, insbesondere da auch in den folgenden drei Monaten keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Zahlung unvollständig war.

Durch seine Rücknahmeerklärung hatte der Kläger zudem selbst zu erkennen gegeben, dass er nicht davon ausging, dass die Klage nicht erhoben wurde.

Die Rücknahme konnte damit wirksam erklärt werden; die Frage (vgl. insoweit 4 Ni 29/06 ([X.]) vom 2.10.2006), ob eine Klage, die wegen nicht zu erwartender Zahlung der Gebühr als nicht erhoben gilt, „zurückgenommen“ werden kann oder ob die „Rücknahmeerklärung“ insoweit nur als Erklärung zu verstehen ist, dass die Gebühr nicht mehr entrichtet werde, war hier nicht zu entscheiden, da die Zahlung durch die Klägerin erfolgt war.

1.3 Dem steht nicht entgegen, dass die Höhe der Klagegebühr erst nach erfolgter Festsetzung des Streitwerts, wozu die Entscheidung 4 Ni 29/06 ([X.]) vom 2.10.2006 wegen des dort abweichenden Sachverhalts nicht Stellung nimmt, feststeht.

Auf die Frage, ob die Höhe der Gebühr auf der Grundlage des vorläufig festgesetzten Streitwerts bestimmt werden muss (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG) und der Eintritt der Fälligkeit in jedem Fall vom Zeitpunkt der Festsetzung des Streitwerts abhängt, mit der Folge, dass der Kläger mit der Zahlung der Klagegebühr bis zur (vorläufigen) Streitwertfestsetzung durch das Gericht abwarten kann, ohne dass die Rechtsfolge des § 6 Abs. 2 PatKostG eintritt ([X.], 539, Rn. [X.]), kam es hier nicht an.

Nach der Entscheidung des [X.] beginnt die Frist zur Zahlung der mit der Einreichung der Klage fällig werdenden Gebühr erst zu laufen, wenn das Patentgericht dem Kläger den vorläufig festgesetzten Streitwert mitteilt.

Die Entscheidung betrifft dabei die Klärung des Fälligkeitszeitpunkts für den Fall, dass die Frage der Verfristung überhaupt im Raume steht, da der Kläger den Vorschuss nicht mit der Klageeinreichung bezahlt und der Lauf der Frist zu berechnen ist.

Für diesen Fall ist der [X.] der Ansicht, dass der Kläger abwarten kann bis der Streitwert vorläufig festgesetzt ist und die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 2 PatKostG nicht hinzunehmen braucht.

Dieser Fall liegt hier nicht vor. Auch wenn der Kläger, der bei Klageeinreichung die Gebühr ohne vorherige Streitwertfestsetzung als Vorschuss gezahlt hat, nach dieser Entscheidung damit an sich vor Fälligkeit gezahlt hat, führt dies nicht dazu, dass die Folgen des § 6 Abs. 2 PatKostG eintreten. Nach der Vorschrift des § 271 BGB kann eine Leistung vom Schuldner vor Fälligkeit bewirkt werden.

1.4 Der Umstand, dass die Zustellung der Klage vor Rücknahme der Klage noch nicht erfolgt war, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Der Verfahrensgebührentatbestand wird mit der Klageeinreichung verwirklicht, nicht erst mit deren Zustellung. Die spätere Klagerücknahme vor Zustellung der Klage kann den Gebührenanfall nicht mehr verhindern; es kommt lediglich eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr, nicht aber ein vollständiger Gebührenwegfall in Betracht, da das Gesetz keinen Raum für Ermessensentscheidungen lässt. (vgl. [X.], 14. Zivilsenat v. 25.01.1995; [X.] 11. Zivilsenat v. 14.08.1996, jeweils in juris).

Neben der geltenden Rechtsprechung ergibt sich dies auch schon aus der Regelung zur Kostentragung in § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO, die auch gilt, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

Die Klägerin hat nach Rücknahme der Klage keinen Rückzahlungsanspruch in Höhe der vollen Klagegebühr, sondern nur einen Erstattungsanspruch in Höhe der Differenz zur wegen Klagerücknahme ermäßigte 1,5fachen Gebühr.

2. [X.] ist nach §§ 51 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Der von den [X.]en übereinstimmend auf 1.000.000 € geschätzte Streitwert erscheint unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Streitpatents, seines Schutzumfangs und der Restlaufzeit bei Klageerhebung auch dem Senat angemessen.

Meta

2 Ni 23/18 (EP)

23.05.2019

Bundespatentgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: Ni

§ 2 Abs 2 S 1 PatKostG, § 6 Abs 2 PatKostG, § 10 Abs 1 S 1 PatKostG, § 63 Abs 1 S 1 GKG, § 271 BGB

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 23.05.2019, Az. 2 Ni 23/18 (EP) (REWIS RS 2019, 6935)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6935

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 Ni 21/18 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – zur Rückerstattung der vorausgezahlten Klagegebühr


X ZR 131/11 (Bundesgerichtshof)

Patentnichtigkeitsverfahren: Beginn der Frist für die Einzahlung der Klagegebühr - Kontaktplatte


X ZR 131/11 (Bundesgerichtshof)


7 Ni 28/19 (EP), Verb. m. 7 Ni 35/19 (EP) (Bundespatentgericht)


6 Ni 46/20 (EP) (Bundespatentgericht)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – europäisches Patent – zur Frage der Kostenauferlegung nach Klagerücknahme und Verzicht der Beklagten …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.