Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2021, Az. VI ZR 353/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 4781

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Gegenstand

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten: Erstattunganspruch in einem Diesel-Fall


Leitsatz

Zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (hier: Klage wegen Inverkehrbringens eines Kraftfahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 13. März 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die [X.], soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb im Juli 2013 einen von der [X.]n hergestellten und mit einem Dieselmotor des [X.] ausgestatteten Pkw. Mit [X.] vom 13. November 2018 forderte er die [X.] zur Erstattung des Kaufpreises [X.] gegen Übereignung des Fahrzeugs auf. Nach fruchtlosem Fristablauf erhob er in der Folge Klage, mit der er u.a. die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 € begehrte. Das [X.] hat der Klage im [X.] überwiegend stattgegeben und die [X.] im Übrigen u.a. antragsgemäß zur Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Auf die Berufung der [X.]n hat das [X.] das landgerichtliche Urteil zum [X.] im Wesentlichen bestätigt, im Freistellungsausspruch jedoch abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Freistellungsanspruch nunmehr in Höhe von 1.029,35 € weiter.

Entscheidungsgründe

I.

3

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil unter BeckRS 2020, 24946 veröffentlicht ist, hat der Kläger nicht schlüssig dargetan, seinen Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten [X.] erteilt zu haben. Das Aufforderungsschreiben vom 13. November 2018, in dem darauf hingewiesen werde, dass Klage erhoben werde, falls innerhalb gesetzter Frist keine Zahlung oder kein angemessenes Vergleichsangebot eingehe, spreche dagegen, dass zunächst nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter [X.] erteilt worden sei.

II.

4

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

5

1. Die Bemessung der - hier in Gestalt der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten allein noch in Rede stehenden - Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der [X.] verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 2019 - [X.], juris 9 mwN).

6

Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (st. Rspr., vgl. zuletzt etwa Senatsurteil vom 22. Januar 2019 - [X.], juris 11 mwN).

7

Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV [X.] auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV [X.] abgegolten ist, ist eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV [X.]), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV [X.] ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der [X.] jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter [X.] steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV [X.] nicht entgegen (vgl. [X.], Urteile vom 15. August 2019 - [X.]/17, NJW-RR 2019, 1332 Rn. 43; vom 19. Mai 2020 - [X.], [X.] 2020, 535 Rn. 44; jeweils mwN; vgl. weiter [X.], [X.], 703 ff.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 19 Rn. 14).

8

2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender freier tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalles beachtet, § 287 ZPO. Es hat ausgeführt, dass der Kläger nicht schlüssig dargetan habe, seinen Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten [X.] erteilt zu haben. Dass das Berufungsgericht entsprechenden Instanzvortrag des [X.] übergangen hätte, macht die Revision nicht geltend. Das von dem Kläger vorgelegte außergerichtliche Aufforderungsschreiben vom 13. November 2018 hat das Berufungsgericht gewürdigt und den darin enthaltenen Hinweis, dass Klage erhoben werde, falls innerhalb gesetzter Frist keine Zahlung oder kein angemessenes Vergleichsangebot eingehe, als Indiz gegen die Behauptung angesehen, es sei zunächst nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter [X.] erteilt worden. Diese Würdigung lässt jedenfalls einen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1968 - [X.], NJW 1968, 2334, 2335, juris Rn. 14 zur Indizwirkung einer Klageandrohung im Rahmen von § 118 [X.]). Zwar kann aus der nach außen hin erkennbaren Tätigkeit eines Rechtsanwalts, auch wenn sie mit einer Klageandrohung verbunden ist, nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, ob der Rechtsanwalt diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits erteilten - zumal unbedingten - [X.] ausgeübt hat oder ob dem Anwalt im maßgeblichen Innenverhältnis bislang tatsächlich (lediglich) ein Vertretungsauftrag erteilt worden ist. Doch geht die verbleibende Unsicherheit zu Lasten des [X.], der darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat, dass er seinem Anwalt einen Auftrag zur vorgerichtlichen Vertretung erteilt hat (vgl. [X.], [X.], 703).

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

Klein     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZR 353/20

22.06.2021

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 13. März 2020, Az: 13 U 677/19

§ 287 ZPO, § 19 Abs 1 S 2 Nr 1 RVG, Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100 RVG-VV, § 31 BGB, § 249 BGB, §§ 249ff BGB, § 826 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 1 EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2021, Az. VI ZR 353/20 (REWIS RS 2021, 4781)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 1031 WM2021,1387 MDR 2021, 1378-1380 REWIS RS 2021, 4781

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