Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.02.2011, Az. II S 39/10 (PKH)

2. Senat | REWIS RS 2011, 9544

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Widerruf einer Einverständniserklärung i.S. des § 79a Abs. 3 und 4 FGO - Feststellung der Grundbesitzwerte nach § 138 BewG)


Leitsatz

Ein Widerruf einer Einverständniserklärung mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO ist ausgeschlossen, soweit sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich nicht wesentlich geändert hat .

Tatbestand

1

I. Das für die Grunderwerbsteuerfestsetzung zuständige Finanzamt [X.] forderte den Beklagten und Antragsgegner (Finanzamt --[X.]--) als [X.] auf, den [X.] eines Grundstücks nach § 138 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes ([X.]) festzustellen. Dieser werde für die Besteuerung wegen der Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes) benötigt.

2

Das [X.] stellte den Grundbesitzwert durch Bescheid vom 12. Juni 2009 fest. Einspruch und Klage dagegen blieben erfolglos. Die Entscheidung des Finanzgerichts ([X.]) erging im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung anstelle des Senats durch die Berichterstatterin. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) hatte allerdings seine ursprüngliche Einverständniserklärung nach einem rechtlichen Hinweis der Einzelrichterin schriftlich widerrufen.

3

Gegen die Nichtzulassung der Beschwerde im angefochtenen Urteil des [X.] will sich der Kläger mit einer Beschwerde wenden und beantragt, ihm hierfür Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren.

Entscheidungsgründe

4

II. Der Antrag auf Gewährung von [X.] hat keinen Erfolg.

5

1. Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag [X.], wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Beschluss des [X.] --BFH-- vom 17. März 2008 II S 24/07 ([X.]), [X.], 1176).

6

2. Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Weder aus seinem Vorbringen noch aus der Vorentscheidung oder dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass einer der in § 115 Abs. 2 [X.]O genannten Gründe für die Zulassung der Revision vorliegen könnte.

7

a) Soweit der Kläger sich darauf beruft, das [X.] habe im angefochtenen Feststellungsbescheid "die gesetzliche Grundlage des § 179 AO" nicht angegeben, weshalb das [X.] ihn habe aufheben müssen, macht er lediglich die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des angefochtenen [X.]-Urteils geltend. Durch die Darlegung von Fehlern bei der Auslegung oder Anwendung des materiellen Rechts wird aber regelmäßig kein [X.] des § 115 Abs. 2 [X.]O in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O gebotenen Weise dargelegt (vgl. [X.] vom 24. September 2008 [X.]/08, [X.], 39). Die Nichtzulassungsbeschwerde dient insoweit nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (vgl. [X.] vom 7. Dezember 2007 [X.]/07, [X.], 590; vom 20. Februar 2008 [X.], [X.], 980) und hat der Kläger auch nicht vorgetragen, dass ein zur Revision führender besonders schwerer materiell-rechtlicher Fehler vorliege. Nichts anderes gilt, soweit der Kläger angibt, er habe "keine Rechtsbeziehung zum bewerteten Grundstück". Auch insoweit macht der Kläger lediglich die materiell-rechtliche Unrichtigkeit des [X.]-Urteils geltend.

8

Das [X.] hat zu Recht darauf hingewiesen, dass § 138 Abs. 5 [X.], wonach die Feststellung von [X.] vorzunehmen ist, wenn diese für die Erbschaftsteuer oder Grunderwerbsteuer "erforderlich" sind, nicht so zu verstehen ist, dass das [X.] vor der Wertermittlung materiell-rechtlich zu prüfen hätte, ob ein grunderwerbsteuersteuerbarer Vorgang vorliegt (vgl. [X.] vom 26. Januar 2006 [X.]/05, [X.], 921). Vielmehr hat das [X.] regelmäßig davon auszugehen, dass die Wertfeststellung i.S. von § 138 Abs. 5 [X.] "erforderlich" ist, wenn ein Finanzamt um die Feststellung eines solchen Werts für Zwecke einer beabsichtigten Steuerfestsetzung nachsucht. Denn über das Bestehen eines solchen "Bedarfs" und damit die "Erforderlichkeit" der Wertfeststellung entscheidet allein das für die Festsetzung der Steuer zuständige Finanzamt durch einen verwaltungsinternen Vorgang in Form der Anforderung des [X.] beim [X.]. Dies schließt es im Regelfall aus, im Rechtsmittelverfahren gegen den Feststellungsbescheid die Steuerbarkeit betreffende materiell-rechtliche Einwände zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Mai 2005 II R 57/03, [X.] 2005, 1982). Dass ausnahmsweise deshalb etwas anderes gelten könnte, weil die Feststellung des [X.] "unvertretbar" oder objektiv willkürlich wäre (vgl. [X.] in [X.], 921), hat der Kläger nicht dargelegt.

9

b) Soweit der Kläger anführt, das [X.] habe gegen seinen Willen "eine Einzelrichterentscheidung" getroffen, hat er keinen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O dargelegt, auf dem das Urteil des [X.] beruhen könnte. Der Kläger hat zwar sein durch Schriftsatz vom 11. August 2009 ausdrücklich erklärtes Einverständnis mit einer "Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung" durch weiteren Schriftsatz vom 2. November 2010 widerrufen. Dies tat er allerdings nicht, weil sich die Prozesslage nachträglich wesentlich geändert hatte, sondern weil die Berichterstatterin eine ihm missliebige Rechtsmeinung geäußert hatte. Ob der Widerruf einer Einverständniserklärung mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und Abs. 4 [X.]O überhaupt zulässig sein kann (dagegen etwa Stöcker in [X.], § 79a [X.]O [X.] 44; Bartone in [X.]/v. [X.], 19. Aufl., § 79a [X.]O [X.] 4; offen gelassen in [X.]n vom 9. Juli 2003 IX B 34/03, [X.], 408, [X.] 2003, 858; vom 26. April 2005 [X.]/04, [X.] 2005, 1592; vom 13. November 2008 [X.], nicht amtlich veröffentlicht), braucht der Senat dabei nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist ein Widerruf dann ausgeschlossen, wenn sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich nicht wesentlich geändert hat (ebenso Gräber/[X.], Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 79a [X.] 26; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 79a [X.]O [X.] 119; Fu in [X.], § 79a [X.]O [X.] 23; a.A. wohl [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 79a [X.]O [X.] 20). Dies folgt aus der Funktion des § 79a Abs. 3 und 4 [X.]O, es den Beteiligten zu ermöglichen, im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung eine Entscheidung durch ein einzelnes Mitglied des an und für sich zuständigen Senats herbeizuführen (vgl. [X.], a.a.[X.], § 79a [X.]O [X.] 100). In Übereinstimmung mit diesem Zweck und wegen der Notwendigkeit klarer prozessualer Verhältnisse kommt ein jederzeitiger Widerruf ohne wesentliche Veränderung der Prozesslage nicht in Betracht (vgl. zu § 90 Abs. 2 [X.]O bereits BFH-Urteile vom 5. November 1991 [X.], [X.], 415, [X.] 1992, 425; vom 9. Oktober 2000 [X.]/00, [X.] 2001, 462; [X.] vom 21. November 2001 [X.]/01, [X.] 2002, 517).

Meta

II S 39/10 (PKH)

10.02.2011

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 9. Dezember 2010, Az: 2 K 144/09, Urteil

§ 79a Abs 3 FGO, § 79a Abs 4 FGO, § 115 Abs 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 142 FGO, § 114 S 1 ZPO, § 117 Abs 2 ZPO, § 179 AO, § 138 Abs 5 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.02.2011, Az. II S 39/10 (PKH) (REWIS RS 2011, 9544)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9544

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III B 25/16 (Bundesfinanzhof)

Widerruf der Einverständniserklärung zur Entscheidung durch den Einzelrichter


X B 79/15 (Bundesfinanzhof)

Widerruf der Einverständniserklärung zur Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter


II R 59/11 (Bundesfinanzhof)

Anlaufhemmung der Feststellungsfrist für Bedarfsbewertung bei Anforderung einer Feststellungserklärung


II R 9/20 (Bundesfinanzhof)

Wertfeststellung einer Stiftung & Co. KG


II R 34/18 (Bundesfinanzhof)

Gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts gegenüber einem Vermächtnisnehmer


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.