Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.11.2012, Az. V ZR 182/11

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1581

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Gegenstand

Aufschiebend bedingter Grundstückskaufvertrag: Haftung der vollmachtlos vertretenen Vertragspartei auf Ersatz vergeblicher Vertragskosten


Leitsatz

1a. Bei einem Grundstückskaufvertrag haftet auch die vollmachtlos vertretene Vertragspartei nicht schon dann auf Ersatz der vergeblichen Vertragskosten, wenn sie die als sicher erscheinende Genehmigung ohne triftigen Grund verweigert, sondern nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche Treuepflichtverletzung vorliegt, etwa das Vorspiegeln einer tatsächlich nicht vorhandenen Genehmigungsbereitschaft.

1b. Ist der Vertrag aufschiebend bedingt, haftet die Vertragspartei auch bei einer besonders schwerwiegenden Treuepflichtverletzung auf Ersatz der vergeblichen Vertragskosten nur, wenn anzunehmen ist, dass die Bedingung bei Erteilung der Genehmigung eingetreten wäre.

2. Die gesetzliche Kostenregelung in § 448 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass der Kaufvertrag wirksam wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 22. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverweisen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Eine Investorin beabsichtigte, [X.] errichten zu lassen. Dazu sollte eine Kommanditgesellschaft als Projektgesellschaft mit der [X.] als Komplementärin und der Investorin als Kommanditistin gegründet werden. Die Verhandlungen mit dem Kläger über den Ankauf der benötigten Grundstücke in einer Gesamtgröße von etwa 182.000 m² und die Errichtung der Unterkünfte führte der Geschäftsführer der [X.], ein Rechtsanwalt. Ergebnis dieser Verhandlungen war der Entwurf eines Grundstückskaufvertrags, demzufolge der Kläger der Projektgesellschaft die Grundstücke zu einem Gesamtpreis von 75,5 Mio. € verkaufen, der Vertrag aber unter anderem "unter der aufschiebenden Bedingung [stehen sollte], dass die vom Käufer hinsichtlich des [X.] durchgeführte sog. due-diligence-Prüfung und Bewertung zufrieden stellend verläuft". Bei der Beurkundung des Kaufvertrags war die Projektgesellschaft durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht vertreten. Der Vertrag wurde nicht genehmigt. Der Kläger zahlte die Notarkosten von 60.637,84 € und verlangt von der [X.] vollständige Erstattung dieser Kosten nebst Zinsen.

2

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte hat die Verurteilung in Höhe der Hälfte der Klagesumme hingenommen und im Übrigen - wegen eines Betrags von 30.318,92 € nebst Zinsen - ohne Erfolg Berufung eingelegt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Abweisung dieses Teils der Klage erreichen. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe dem Kläger wegen Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten die gesamten Beurkundungskosten zu ersetzen. Sie habe die Genehmigung des [X.] ohne triftigen Grund verweigert, obwohl sie in zurechenbarer Weise bei dem Kläger Vertrauen auf das wirksame Zustandekommen des Vertrages erwirkt habe. Dieser sei vollständig ausgehandelt gewesen. Die notarielle Beurkundung sei von den Vertretern der Beklagten veranlasst worden. Der Kläger habe deshalb davon ausgehen dürfen, dass der beurkundete Vertrag genehmigt werde.

II.

4

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

5

1. Die Beklagte ist rechtskräftig verurteilt, dem Kläger die Hälfte der vergeblich aufgewandten Beurkundungskosten - 30.318,92 € - zu ersetzen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 426 Abs. 1 Satz 1 [X.], weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte die Beurkundung veranlasst hat und nach § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 [X.] für die Kosten mit dem Kläger, der in der Urkunde Erklärungen abgegeben hat, gesamtschuldnerisch haftete. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist deshalb nur die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mehr als die Hälfte der Beurkundungskosten zu ersetzen.

6

2. Das Berufungsgericht leitet eine solche Verpflichtung der Beklagten aus § 280 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 241 Abs. 2 und § 311 Abs. 2 Nr. 1 [X.] unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten ab. Die Feststellungen tragen dieses Ergebnis jedoch nicht. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihre vorvertraglichen Schutzpflichten gegenüber dem Kläger nicht schon dadurch verletzt, dass sie die Genehmigung des [X.] ohne triftigen Grund verweigert hat.

7

a) Im Rahmen der Privatautonomie hat jede Partei bis zum [X.]abschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertrag Abstand zu nehmen. Aufwendungen, die in Erwartung des [X.]abschlusses gemacht werden, erfolgen daher grundsätzlich auf eigene Gefahr ([X.], Urteil vom 22. Februar 1989 - [X.], [X.], 514, 515; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 311 Rn. 175). Nur wenn der [X.]schluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen ist und in dem hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten zu erstatten sein, wenn er den [X.]abschluss später ohne triftigen Grund ablehnt ([X.], Urteile vom 6. Februar 1969 - [X.], [X.], 595, 597, vom 12. Juni 1975 - [X.], [X.], 923, 924 und vom 7. Februar 1980 - [X.], [X.]Z 76, 343, 349). Davon geht das Berufungsgericht noch zutreffend aus.

8

b) Es hat aber übersehen, dass an die Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten bei einem Grundstückskaufvertrag strengere Anforderungen zu stellen sind. Bei einem solchen Vertrag löst die Verweigerung der Mitwirkung an der Beurkundung durch einen Verhandlungspartner nicht schon dann Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund dafür fehlt, sondern nur, wenn eine besonders schwerwiegende, in der Regel vorsätzliche [X.] vorliegt, wie sie beispielsweise beim [X.] einer tatsächlich nicht vorhandenen [X.] gegeben ist. Begründete schon das Fehlen triftiger Gründe für die Verweigerung der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags die Haftung des Verhandlungspartners, bedeutete das nämlich einen indirekten Zwang zum Abschluss des [X.]. Ein solcher Zwang liefe dem Zweck der Formvorschrift des § 311b [X.] zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des [X.]gegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll (Senat, Urteile vom 18. Oktober 1974 - [X.], NJW 1975, 43, 44, vom 8. Oktober 1982 - [X.], [X.], 1436, 1437 und vom 29. März 1996 - [X.], NJW 1996, 1884, 1885). Entschieden ist das bisher für Fälle, in denen der Verhandlungspartner die Mitwirkung an der Beurkundung verweigert hat. Für die hier vorliegende Konstellation, dass der Verhandlungspartner bei der Beurkundung durch einen [X.]en Vertreter vertreten wird und die Genehmigung des [X.] verweigert, gilt nichts anderes. Denn nach der Vorschrift des § 311b [X.] soll eine Bindung erst und nur eintreten, wenn der aus dem Vertrag Verpflichtete die zu seiner Bindung erforderlichen Erklärungen formgerecht abgegeben, bei einem Abschluss durch [X.]en Vertreter also den [X.] hat. Das Berufungsgericht durfte deshalb nicht bei der Feststellung stehen bleiben, triftige Gründe für die Verweigerung der Genehmigung des [X.] lägen nicht vor. Es musste vielmehr feststellen, ob die Beklagte über die Verweigerung der Genehmigung ohne triftigen Grund hinaus ihre [X.] besonders schwerwiegend verletzt hat. Daran fehlt es.

III.

9

Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Im Hinblick auf eine Haftung wegen Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten wird zunächst festzustellen sein, ob die Beklagte ihre Treuepflicht besonders schwerwiegend verletzt hat.

a) Eine solche [X.] kann nicht schon darin gesehen werden, dass die Beklagte mit dem [X.]schluss durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht im Ergebnis eine einseitige Bindung des [X.] bis zur Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung erreicht hat, die dieser vermeiden wollte. Denn darauf hat sich der Kläger sehenden Auges eingelassen. Eine besonders schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht wird vielmehr nur angenommen werden können, wenn die Käuferin dem Kläger eine tatsächlich nicht vorhandene Bereitschaft, das Handeln des [X.]en Vertreters zu genehmigen, vorgespiegelt oder das Auftreten des [X.]en Vertreters mit dem Kläger abgesprochen und die Erteilung der Genehmigung sicher in Aussicht gestellt hätte oder wenn sich ein ähnlich schwerwiegender [X.] feststellen ließe. Dabei kommt es nicht auf die Vorstellungen des [X.], sondern darauf an, wie ein Verkäufer in der Lage des [X.] Äußerungen oder aussagekräftiges Verhalten der Käuferin bei objektiver Betrachtung verstehen musste. Zu berücksichtigen ist auch, ob der beurkundete Vertrag dem verhandelten Entwurf entsprach oder ob er bei dem Notartermin gegenüber dem Entwurf noch nennenswerte inhaltliche Änderungen erfahren hat. Im zweiten Fall könnte die Verweigerung der vor dem Termin in Aussicht gestellten Genehmigung nur bei Vorliegen zusätzlicher Umstände als besonders schwerwiegende [X.] angesehen werden.

b) Selbst wenn eine solche Verletzung der Treuepflicht in der neuen Verhandlung dargelegt und nachgewiesen werden sollte, führte das nicht ohne Weiteres zu einer Haftung der Beklagten. Vielmehr müsste der Kläger substantiiert darlegen und beweisen, dass der Vertrag wirksam geworden wäre.

Den dargestellten Grundsätzen der Haftung auf Schadensersatz wegen Verweigerung des [X.]schlusses ohne triftigen Grund liegt der Gedanke zugrunde, dass der Vertrag nur an der verweigerten Mitwirkung am [X.]schluss durch die andere [X.]partei scheitert. Hier liegt indessen der Sonderfall vor, dass das Zustandekommen des [X.] nicht allein von der Erteilung der Genehmigung abhing. Der Vertrag sollte nämlich unter anderem unter der aufschiebenden Bedingung stehen, dass die von der Käuferin vorgesehene due-diligence-Prüfung und Bewertung zufriedenstellend verliefen. Er wäre deshalb nicht schon mit der Genehmigung durch die [X.] vertretene Käuferin wirksam geworden, sondern erst mit dem Eintritt dieser und der weiteren Bedingungen. Dann aber kommt eine Haftung auf Ersatz vergeblicher [X.]kosten nur in Betracht, wenn davon auszugehen ist, dass bei Mitwirkung der Beklagten am [X.]schluss die aufschiebenden Bedingungen, unter denen der Vertrag stehen sollte, eingetreten wären.

2. Ferner wird zu prüfen sein, ob der Kläger Ersatz der [X.]kosten aufgrund der im Vertrag enthaltenen Regelung verlangen kann, dass die Kosten des [X.] von dem Käufer getragen werden.

a) Allerdings setzen die gesetzliche Kostenregelung in § 448 Abs. 2 [X.] und dieser entsprechende vertragliche Regelungen voraus, dass der Vertrag (erst einmal) wirksam wird ([X.]/Grunewald, [X.], 13. Aufl., § 448 Rn. 6 [X.]; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 448 Rn. 23; [X.]/[X.], 6. Aufl., § 448 Rn. 11 [X.]; [X.]/[X.], [X.], 72. Aufl., § 448 Rn. 6; Soergel/[X.], [X.], 12. Aufl., § 449 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., § 448 Rn. 3 [X.]; HK-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 448 Rn. 4 [X.]). Bei der Rückabwicklung eines nichtigen [X.] könnte der Käufer die von ihm getragenen [X.]kosten zwar nicht dem Verkäufer anlasten (Senat, Urteil vom 6. Dezember 1991 - [X.], [X.]Z 116, 251, 256). Daraus folgt aber nicht, dass er unabhängig von dem Zustandekommen des [X.] verpflichtet wäre, sie allein zu tragen. Es bleibt vielmehr bei seiner gesamtschuldnerischen Verpflichtung mit dem Verkäufer nach Maßgabe von § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 [X.] und dem im Grundsatz hälftigen Gesamtschuldnerinnenausgleich nach § 426 Abs. 1 [X.].

b) Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass hier etwas anderes vereinbart ist. Die auf konkret festzustellende Umstände zu stützende Auslegung des Kaufvertrags kann ergeben, dass die vertragliche Kostenregelung ausnahmsweise unabhängig von dem Zustandekommen des [X.] gelten sollte. Die Parteien können eine gesonderte Vereinbarung darüber getroffen haben, dass der Käufer die Beurkundungskosten auch dann tragen soll, wenn der [X.] nicht wirksam wird (vgl. [X.], [X.] 1974, 136, 137; [X.]/[X.], [X.] [2004], § 448 Rn. 22), oder dass die Notarkosten in ihrem Innenverhältnis als Gesamtschuldner anders verteilt werden sollen, als das der Regel des § 426 Abs. 1 [X.] entspricht. Der Kläger hat eine [X.] der Beklagten behauptet und unter Beweis gestellt. Dem wird nachzugehen sein.

[X.]                         Schmidt-Räntsch

                      Czub                        Kazele

Meta

V ZR 182/11

09.11.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 22. Juni 2011, Az: 7 U 77/10

§ 241 Abs 1 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 Nr 1 BGB, § 311b BGB, § 448 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.11.2012, Az. V ZR 182/11 (REWIS RS 2012, 1581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1581

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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