Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2012, Az. III ZR 106/11

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2144

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 106/11

Verkündet am:

18. Oktober 2012

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

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Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2012 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.], [X.], [X.] und Dr. Remmert

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.]n gegen
das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 15. April 2011
wird zurückgewiesen.

Der [X.] hat die Kosten des [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den [X.]n aus abgetretenem Recht der B.

S.

AG (vormals: G.

W.

AG) auf Zahlung restlicher Provision für die am 15. Dezember 2005 erfolgte Vermittlung einer fondsgebundenen Lebens-
und Rentenversicherung bei der A.

Lebensversicherung S. A. ([X.]) in Anspruch.

Bei der vermittelten Versicherung handelte es sich um eine so genannte [X.], bei der die Versicherungsprämie keinen Provisionsanteil für die Vermittlung des Vertrags enthält. Stattdessen unterzeichnete der [X.] eine vorformulierte "Vermittlungsgebührenvereinbarung", in der er sich zur Zahlung 1
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entrichtet werden sollte. Dem sich daraus ergebenden Teilzahlungspreis von 6.518,40

effektive Jahreszins wurde mit 3,35
% angegeben.

In der Vermittlungsgebührenvereinbarung, die mit dem [X.] in einem (perforierten) Faltblatt verbunden war, wurde unter Nummer 4
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durch Fettdruck hervorgehoben
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Folgendes bestimmt:

"Der Anspruch des [X.] auf Zahlung der Vermittlungs-gebühr entsteht mit dem Zustandekommen des vom Kunden [X.] auf Zahlung der Vermittlungsgebühr bleibt von der Ände-rung oder vorzeitigen Beendigung des Versicherungsvertrages aus anderen Gründen unberührt."

Das Vertragsformular enthielt ferner folgende Widerrufsbelehrung:

"Widerrufsrecht

Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Beleh-rung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Ab-

Widerrufsfolgen

Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfan-genen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzun-gen (z.B. Zinsen) herauszugeben."

Im Versicherungsantrag ist eine Monatsrate ab Versicherungsbeginn in Höhe von 147,51

agen. [X.] war der 1.
Mai 2006. Nachdem der [X.] über 21 Monate 3
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hinweg die vereinbarten Versicherungsprämien sowie die Monatsraten für die Vermittlungsprovision entrichtet hatte, kündigte er zum Februar 2008 den [X.] und stellte seine Zahlungen ein. Die Höhe der noch offenen Vermittlungsgebühr berechnet die Klägerin nach Abzug der vom [X.]n er-brachten Ratenzahlungen sowie des [X.] der Versicherung mit [X.] vom 16. April 2010 erklärte der [X.] den Widerruf seiner auf Abschluss der Fondspolice und der Vermittlungsgebührenvereinbarung gerich-teten Erklärungen.

Der [X.] hat unter anderem eingewandt, die Provisionsvermittlungs-vereinbarung sei gemäß §§ 305c, 307 [X.], nach § 138 [X.] sowie
§
655b Abs. 2 [X.] nichtig und im Übrigen nach § 355 [X.] wirksam widerrufen [X.]. Außerdem habe die Zedentin
ihren Provisionsanspruch gemäß § 654 [X.] verwirkt. Jedenfalls stehe ihm ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzungen der Zedentin zu.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläge-rin hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der [X.] die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

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Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.]n ist zulässig. Für die nach § 551 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 Buchst. a ZPO erforderliche bestimmte Bezeichnung der [X.], aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt, bedarf es einer auf den [X.] zugeschnittenen Darlegung, in welchen Punkten und aus welchen materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Gründen der Revisionskläger das [X.] für unrichtig hält; auf die Vertretbarkeit der erhobenen [X.] kommt es hierbei nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2003 -
III ZB 71/02, NJW 2003, 2532, 2533; [X.], Urteil vom 20. Mai 2011 -
V [X.], BeckRS 2011, 16297 Rn. 6). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegrün-dung des [X.]n gerecht, indem sie der Ablehnung einer Verwirkung des Provisionsanspruchs der Klägerin gemäß § 654 [X.] entgegentritt.

Die Revision bleibt
in der Sache ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der verlangten restlichen Provision gemäß § 652 [X.] in Verbindung mit § 398 [X.] HGB für begründet angesehen und hierzu ausgeführt: Der Provisionsanspruch sei nicht gemäß § 654 [X.] verwirkt, weil der Kläger keine ausreichenden An-knüpfungstatsachen für eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung der [X.] vorgetragen habe. § 655b [X.] gelte dem Wortlaut nach nur für Darle-hensvermittlungsverträge und sei auf den vorliegenden Fall mangels planwidri-ger Regelungslücke auch nicht analog anwendbar. Die [X.] sei nicht wirksam widerrufen worden, weil die in § 355 Abs. 1 8
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Satz
2 [X.] geregelte Zweiwochenfrist nicht eingehalten sei, und weder nach §§
305c, 307 [X.] noch nach § 138 [X.] unwirksam. Dem [X.] stünden letztlich auch keine Ansprüche des [X.]n wegen der Verletzung vertraglicher Beratungs-
und Aufklärungspflichten nach § 280 Abs. 1 [X.] ent-gegen, da eine solche Pflichtverletzung nicht hinreichend dargelegt worden sei.

II.

Diese Beurteilung hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.

1.
Zu Recht hat
das Berufungsgericht
eine Nichtigkeit der Vermittlungsge-bührenvereinbarung verneint.

a) Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats bestehen gegen die Wirksamkeit der Vereinbarung einer unmittelbar vom Kunden an den Versicherungsmakler (§ 93 HGB) zu zahlenden Provision bei der Vermittlung eines Lebensversicherungsvertrags mit [X.], wie sie auch hier abge-schlossen worden ist, weder im Hinblick auf § 134 [X.] (gesetzliches Verbot) noch im Rahmen einer Kontrolle gemäß §§ 305c, 307 [X.] durchgreifende Be-denken (s. Senatsurteile vom 20. Januar 2005 -
III ZR 251/04, [X.]Z 162, 67, 73 ff; vom 20. Januar 2005

[X.], [X.], 404, 405; vom 19. Mai 2005 -
III ZR 322/04, NJW-RR 2005, 1423, 1424; vom 19. Mai 2005 -
III ZR 309/04, NJW-RR 2005, 1425 und vom 14. Juni 2007 -
III ZR 269/06, NJW-RR 2007, 1503, 1504 Rn. 7). Dem hat sich das Berufungsgericht angeschlossen; die Revision erhebt dagegen auch keine Einwände. Ebenso rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht einen [X.] gemäß § 138 [X.] abgelehnt.
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b) Soweit sich der [X.] in den Vorinstanzen auf den Standpunkt ge-stellt hat, die -
durch eine Perforationsnaht unterbrochene -
Verbindung des Versicherungsantrags mit der "Vermittlungsgebührenvereinbarung" in einem Faltblatt führe analog § 655b Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 [X.] a.F. (jetzt: § 655b Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 [X.] n.F.) zur Nichtigkeit der [X.], wird dieser Einwand von der Revision zu Recht nicht mehr aufrecht erhalten. Das Berufungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass es sich bei § 655b [X.] um eine Spezialregelung für die Vermittlung von Verbraucherdarlehensverträgen handelt, die auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen mangels Vorlie-gens einer planwidrigen Regelungslücke nicht entsprechend anzuwenden ist.

2.
Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Einwand
des Beklag-ten, die Zedentin habe ihren Provisionsanspruch gemäß § 654 [X.] verwirkt, begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.], die das [X.] seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, kann § 654 [X.] zwar auch dann anwendbar sein, wenn der Makler nicht vertragswidrig für den ande-ren Teil tätig geworden ist, er aber sonst unter Verletzung wesentlicher [X.] den Interessen seines Auftraggebers in erheblicher Weise zuwi-dergehandelt hat. Die Verwirkung des [X.]s hat jedoch Straf-charakter. Nicht jede objektiv erhebliche Pflichtverletzung des Maklers und [X.] auch nicht jedes Informations-
und Beratungsverschulden lässt deshalb den Provisionsanspruch nach §
654 [X.] entfallen, vielmehr ist in erster Linie sub-jektiv eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung zu fordern; der Makler muss sich seines Lohnes "unwürdig" erwiesen haben. Das ist erst dann der Fall, wenn er seine Treuepflicht vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig, mindestens 14
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aber in einer dem Vorsatz nahekommenden grob leichtfertigen Weise verletzt hat (s. Senatsurteil vom 19. Mai 2005 -
III ZR 322/04 aaO mwN).

b) Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht eine Verwirkung des Provisionsanspruchs zu Recht abgelehnt. Nach seinen Feststellungen fehlt es bereits an der Darlegung einer Pflichtverletzung der Zedentin. Die weit ge-spannten Betreuungs-
und Beratungspflichten des Versicherungsmaklers be-treffen das von ihm zu vermittelnde Versicherungsverhältnis, nicht hingegen den Abschluss des vorgelagerten [X.], bei dem sich der Versiche-rungsmakler und sein Kunde wie bei anderen Verträgen mit entgegengesetzten Interessen selbständig gegenüberstehen (s. Senatsurteil vom 14. Juni 2007 aaO Rn. 11). Den von der Revision vorgebrachten, auf die körperliche Verbin-dung der Vermittlungsgebührenvereinbarung mit dem Versicherungsantrag ge-stützten Eindruck, der Kunde schließe einen "verbundenen Vertrag" mit einem "gemeinsamen Schicksal", hat das Berufungsgericht unter Hinweis auf den In-halt und die Gestaltung der Vereinbarung ohne Rechtsfehler verneint.

Soweit die Revision meint, bei der Prüfung einer Verwirkung des [X.] nach § 654 [X.] sei der in § 655b [X.] enthaltene Rechtsgedanke zu beachten, verkennt sie, dass spezielle Re-gelungen über die Vermittlung von [X.] nicht -
auch nicht ihrem Rechtsgedanken nach -
auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen übertragbar sind und dass die oben genannten stren-gen Voraussetzungen für eine Verwirkung nach § 654 [X.] unter diesem Ge-sichtspunkt ohnehin nicht erfüllt wären.

3.
Der [X.] hat seine auf Abschluss der Vermittlungsgebührenverein-barung gerichtete Willenserklärung auch nicht wirksam widerrufen.
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a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war allerdings, als der [X.] im vorliegenden Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 16. April 2010 ge-genüber der Klägerin den Widerruf erklärte, die Widerrufsfrist nicht abgelaufen.

aa) Auf das Schuldverhältnis zwischen der Zedentin und dem [X.]n sind gemäß Art.
229 §
22 Abs.
2 EG[X.] das Bürgerliche Gesetzbuch und die [X.] in der bis zum 11. Juni 2010 geltenden Fassung anzuwenden, da der [X.] geschlossen worden ist und es sich nicht um ein unbefristetes Schuldverhältnis im Sinne des Art.
229 §
22 Abs.
3 EG[X.] handelt.

bb) Dem [X.]n stand das ausgeübte Widerrufsrecht gemäß §
355 Abs.
1 [X.] zu. Da die Vermittlungsgebühr in Teilzahlungen zu erbringen war, handelt es sich um ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne des §
499 Abs.
2 [X.] Gemäß §
501 Satz
1 [X.] in Verbindung mit §
495 Abs.
1 und §
355 Abs. 1 Satz 2 [X.] konnte der [X.] seine auf Abschluss der Vermittlungsgebührenvereinbarung gerichtete Willenserklärung innerhalb von zwei Wochen widerrufen. Diese Frist war zum Zeitpunkt seines Widerrufs nicht abgelaufen, da der in der Vertragsurkunde enthaltene Hinweis, die Frist für den Widerruf beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung", nicht den [X.] nach §
355 Abs.
2 Satz
1 [X.] genügte und deshalb die [X.] nicht in Gang
gesetzt worden war
(vgl. ausführlich hierzu die
wortglei-che Widerrufsbelehrungen betreffenden
Senatsurteile vom 1. März 2012 -
III ZR 83/11, [X.] 2012, 427, 428 f Rn. 14 ff und vom 19. Juli 2012 -
III ZR 252/11, [X.], 1668, 1670 f Rn. 12 ff, zur [X.] in [X.]Z vorgesehen, jeweils mwN).

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b) Gleichwohl fehlt es vorliegend an einem wirksamen Widerruf, weil die-ser im Laufe des Prozesses
(nur) gegenüber der Klägerin erklärt wurde, die die Provisionsforderung aus abgetretenem Recht geltend macht. Die Abtretung des [X.]s änderte jedoch nichts
daran, dass die den Maklervertrag als solchen berührenden Gestaltungsrechte wie Anfechtung, Kündigung oder Widerruf grundsätzlich
gegenüber dem Vertragspartner, also hier der Zedentin, hätten ausgeübt werden müssen (siehe
nur Palandt/[X.], [X.], 71. Aufl., § 404 Rn. 4 mwN; vgl. auch [X.], 305, 310). Dies ist nicht geschehen.

[X.]

[X.]
[X.]

[X.]
Remmert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.11.2010 -
12 [X.] 1131/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 15.04.2011 -
1 [X.] -

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Meta

III ZR 106/11

18.10.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2012, Az. III ZR 106/11 (REWIS RS 2012, 2144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2144

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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