Bundessozialgericht, Urteil vom 27.05.2014, Az. B 8 SO 1/13 R

8. Senat | REWIS RS 2014, 5275

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Gegenstand

(Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Überprüfungsantrag nach § 44 Abs 2 S 2 SGB 10 - Ermessensreduzierung auf Null - Zusicherung der Überprüfung - Sozialhilfe - Vermögenseinsatz - Leistungserbringung als Darlehen durch Verwaltungsakt - Erhebung von Zinsen - fehlende Rechtsgrundlage - Folgenbeseitigungsanspruch)


Leitsatz

Ist wegen vorhandenem, aber nicht verwertbarem Vermögen Sozialhilfe im Rahmen einer gebundenen Entscheidung nur darlehensweise zu bewilligen und ist dies durch Verwaltungsakt geschehen, darf die Zahlung von Darlehenszinsen nicht verlangt werden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 18. Oktober 2012 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. April 2010 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist (noch) die Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes über die darlehensweise Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe nach dem [X.] ([X.]), soweit mit diesem Bescheid Darlehenszinsen verlangt worden sind, sowie die Rückzahlung dieser von der Klägerin bereits gezahlten Zinsen iHv 2019,08 Euro.

2

Der Klägerin wurden ab 1.10.2002 bis Ende Oktober 2004 Leistungen der Sozialhilfe (nur) darlehensweise bewilligt, weil sie Miteigentum an einem Grundstück nicht sofort verwerten konnte (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 10.12.2004). Im Darlehensbescheid ist ua Folgendes ausgeführt:

        

"Das Darlehen ist von dem Zeitpunkt an, zu dem Ihnen jeweils Sozialhilfe ausgezahlt wird, mit [X.] zu verzinsen. Die Zinsen werden bis zur Fälligkeit der Darlehensschuld gestundet. …

Sobald das Darlehen fällig wird, ist die Schuld mit [X.] über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank - höchstens aber mit [X.] - zu verzinsen."

3

Nachdem die Klägerin im [X.] 2004 rund 89 000 Euro aus dem Grundstücksverkauf erhalten hatte, forderte der [X.] gezahlte Sozialhilfe (21 975,45 Euro) einschließlich Zinsen und einer Mahngebühr zurück (Bescheide vom [X.] und [X.]). Im August 2005 beglich die Klägerin die gesamte Forderung einschließlich der Zinsen und der Mahngebühr.

4

Gegen den Bescheid vom [X.] hatte die Klägerin bereits zuvor Klage beim Sozialgericht ([X.]) [X.] erhoben ([X.] SO 215/05). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] im Dezember 2006 nahm sie die Klage jedoch zurück, nachdem der [X.] erklärt hatte, die Zinsforderung erneut zu prüfen.

5

In Ausführung dazu stellte der [X.] fest, "dass die Hauptforderung in Höhe von 21 975,45 Euro und die Nebenforderungen in Höhe von 2070,18 Euro (Zinsen 2019,08 Euro, Mahngebühren 51,10 Euro) von der Klägerin gezahlt seien und die Forderung erfüllt" sei (Bescheid vom [X.]). Den Widerspruch der Klägerin, in der Sache beschränkt auf die Zinsen und die Mahngebühr, wies der [X.] zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]).

6

Während das [X.] den [X.]n unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] verpflichtet hat, "den Darlehensbescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.2004 insoweit zurückzunehmen, als eine Verzinsung der Darlehensschuld angeordnet" worden ist, darüber hinaus den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] insoweit aufgehoben hat, als Mahngebühren in Höhe von 51,10 Euro erhoben worden sind, und den [X.]n zugleich verurteilt hat, der Klägerin 2070,18 Euro zurückzuzahlen (Urteil vom [X.]), hat das [X.] (L[X.]) [X.]-Brandenburg, nachdem der [X.] im Termin zur mündlichen Verhandlung den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Mahngebühren aufgehoben und die Klägerin die Klage insoweit zurückgenommen hat, die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.10.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, zu Recht sei das [X.] zwar davon ausgegangen, dass Zinsen durch Verwaltungsakt nur aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung verlangt werden könnten, die das [X.] nicht enthalte. Doch sei die Berechtigung zur Verzinsung der Regelung des § 89 [X.] (seit 1.1.2005: § 91 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - <[X.]B XII>) immanent; denn durch die Verwendung des Begriffs "Darlehen" habe der Gesetzgeber auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) Bezug genommen, die eine Verzinsung ermöglichten. Seit der Schuldrechtsreform zum 1.1.2002 sei nach § 488 BGB im Zweifel davon auszugehen, dass eine Darlehensschuld verzinst werde. Die Möglichkeit der Verzinsung sei folglich unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls und der sozialhilferechtlichen Grundentscheidungen des [X.] zu prüfen. Vor diesem Hintergrund sei die Argumentation des [X.]n nicht zu beanstanden, die Klägerin sei während des [X.] eigentlich vermögend gewesen und habe sich durch das Darlehen des Sozialhilfeträgers die Aufnahme eines Kredits mit hinausgeschobenem [X.] zu weitaus ungünstigeren Konditionen erspart. Es sei folglich nicht einzusehen, warum sie auf Kosten der Allgemeinheit von den typischen Pflichten einer Darlehensnehmerin befreit werden sollte.

7

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision und rügt einen Verstoß gegen § 89 [X.] und § 91 [X.]B XII. Zinsen hätten allenfalls dann verlangt werden können, wenn dies vertraglich vereinbart worden wäre.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des L[X.] aufzuheben und die Berufung des [X.]n gegen das Urteil des [X.] zurückzuweisen.

9

Der [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]lägerin ist begründet (§ 170 [X.] 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Wi[X.]pruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]G). In der Sache ist der Streit auf die Verpflichtung des Beklagten zur teilweisen Aufhebung des [X.] hinsichtlich der [X.] sowie die daraus resultierende Erstattung der bereits geleisteten Zinsen (2019,08 [X.]) beschränkt. Bei der [X.] handelt es sich um eine eigenständige, von der darlehensweisen Bewilligung der Sozialhilfe abtrennbare Verfügung. Für die nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben zu beurteilende Frage des Streitgegenstands ist es unerheblich, ob die - tatsächliche oder vermeintliche - Pflicht zur Zinszahlung im zivilrechtlichen Vertragsverhältnis eine im [X.] stehende Hauptpflicht des Darlehensnehmers ist (dazu [X.] in [X.], [X.], 73. Aufl 2014, § 488 [X.] Rd[X.] 8 mwN).

Gegen die streitgegenständliche Verfügung wendet sich die [X.]lägerin mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 [X.] 1 und 4 iVm § 56 [X.]G), letztere zulässigerweise gerichtet auf eine künftige Leistung. Denn der Beklagte hat aufgrund seiner Erklärung vor dem [X.] im Verfahren [X.] [X.], den nach [X.]lagerücknahme bestandskräftigen ursprünglichen Darlehensbescheid vom [X.] im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ([X.]B X) dahin überprüft, ob auf die darlehensweise gewährten Leistungen Zinsen zu zahlen sind; danach ist die [X.] zurückzunehmen. Richtiger Beklagter ist das [X.]; das Gesetz zur Ausführung des [X.]B XII (vom [X.] - Gesetz- und Verordnungsblatt 467) sieht eine Beteiligtenfähigkeit von Behörden (§ 70 [X.] 3 [X.]G) nicht vor.

Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung des bestandskräftigen Bescheids bildet § 44 [X.] 2 [X.]B X. § 44 [X.] 1 [X.]B X findet keine Anwendung; denn davon erfasst sind nur hier nicht im Streit stehende Verwaltungsakte, die Sozialleistungen iS des § 11 Satz 1 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]B I), also Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, oder zu Unrecht erhobene Beiträge zum Gegenstand haben. Nach § 44 [X.] 2 Satz 1 [X.]B X ist außer in den Fällen des [X.]atzes 1 ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise nur mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann jedoch nach [X.] 2 Satz 2 auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das dem Beklagten dabei nach § 44 [X.] 2 Satz 2 [X.]B X grundsätzlich eingeräumte Ermessen war hier auf Null reduziert, weil er im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.] ([X.] [X.]) eine Überprüfung des bestandskräftigen Bescheids vom [X.] zugesichert hatte.

Dieser Bescheid in der Gestalt des Wi[X.]pruchsbescheids vom 10.12.2004 ist für die Vergangenheit zurückzunehmen, sodass im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruchs (§ 131 [X.] 1 Satz 1 [X.]G) die gezahlten Zinsen danach zu erstatten sind. Weder existiert eine Rechtsgrundlage für die [X.], noch liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die im Wege der Analogie geschlossen werden könnte.

Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung für die Erhebung von Zinsen folgt bereits aus dem einfachgesetzlichen Gesetzesvorbehalt des § 31 [X.]B I, wonach Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs - das [X.] zählte nach § 68 [X.] 11 [X.]B I in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung zu den besonderen Teilen des [X.]B -, nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz dies vorschreibt oder zulässt (zu § 24 [X.] 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - <[X.]B II> vgl nur: [X.] in Eicher, [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 42a Rd[X.] 12 mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 42a Rd[X.] 78, Stand Februar 2012; eine Verzinsung auch ohne gesetzliche Grundlage befürwortet bzw hält zu Unrecht für möglich [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], 18. Aufl 2010, § 91 Rd[X.] 17, und [X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, [X.] § 91 Rd[X.] 17, 19, Stand August 2011). Doch fand sich im [X.], insbesondere in § 89 [X.], keine Ermächtigungsgrundlage für die Verzinsung von Ansprüchen auf Rückzahlung eines Darlehens. Auch § 44 [X.] 1 [X.]B I, wonach Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines [X.]alendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des [X.]alendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen sind, kommt als Eingriffsnorm nicht in Betracht. Bei der Darlehensforderung des Beklagten handelt es sich nicht um eine Geldleistung iS der Regelung. Davon erfasst sind nur hier nicht streitbefangene Ansprüche des Bürgers gegen den Staat, die diesem zur Verwirklichung seiner [X.] Rechte gewährt, aber im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit noch nicht gezahlt wurden. § 27 [X.] - ([X.]B IV) regelt nur die Verzinsung zu Unrecht entrichteter Beiträge, die hier ebenso wenig im Streit steht. Auch die Anwendung des § 50 [X.] 2a [X.]B X, der die Verzinsung bestimmter Erstattungsforderungen des Staates gegen den Bürger vorsieht, scheidet aus.

Würde man die [X.] als Nebenstimmung zur Verfügung über die Bewilligung des Darlehens erachten (so: [X.] in juris Praxis[X.]ommentar [X.]B XII, 2. Aufl 2014, § 91 Rd[X.] 25; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl 2013, [X.]ap 15 Rd[X.] 46; unklar [X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, 5. Aufl 2014, § 91 Rd[X.] 16; [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.]B XII, 9. Aufl 2012, § 91 Rd[X.] 6), ergäbe sich nichts anderes. Ob es sich um eine Nebenbestimmung handelt, kann deshalb offen bleiben. Die Voraussetzungen des § 32 [X.] 1 [X.]B X, wonach ein Verwaltungsakt über die Erbringung einer Leistung (Darlehen), die keine Ermessensleistung darstellt, nur mit einer entsprechenden Nebenbestimmung (Zinsen) versehen werden darf, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen der Leistungsbewilligung erfüllt werden, liegen jedenfalls nicht vor.

Auch § 32 [X.] 2 [X.]B X kommt nicht zur Anwendung. Beim Darlehen nach dem hier maßgeblichen § 89 [X.] (Hauptleistung) handelt es sich nämlich im vorliegenden Fall nicht um eine Ermessensleistung. Zwar soll nach dem hier noch anwendbaren § 89 Satz 1 [X.] - die Verfügung ist vor dem 1.1.2005 ergangen - Sozialhilfe als Darlehen erbracht werden, soweit für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, jedoch die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist. [X.] räumen der Behörde jedoch im Regelfall kein Ermessen ein, sondern ermöglichen über den [X.] hinausgehende Rechtsfolgen und Abweichungen nur ausnahmsweise in atypischen, beson[X.] gelagerten Fällen, wobei dann Ermessen auszuüben ist (vgl nur B[X.] [X.] 4-3100 § 18c [X.] 2 Rd[X.] 43 mwN). Solche sind hier nicht festgestellt; die Situation der [X.]lägerin, der die Verwertung des Miteigentumsanteils nicht sofort möglich war, stellt vielmehr einen typischen Anwendungsfall der Leistungsgewährung nach § 89 [X.] dar. Da der Beklagte die [X.] gewählt hat, bedarf es keiner Ausführungen, wieso es ihm in Abweichung von § 53 [X.] 2 [X.]B X überhaupt freigestanden hätte, zwischen der Leistungsgewährung durch Verwaltungsakt oder der durch Vertrag zu wählen (zur sog allgemeinen Formwahlfreiheit vgl [X.], [X.] 1989, 121 ff; kritisch hierzu [X.], [X.]/[X.]B 1998, 154 ff). Auf § 55 [X.] 2 [X.]B X, wonach eine Gegenleistung bei einer gebundenen Entscheidung im Vertrag nur vereinbart werden kann, wenn diese auch Inhalt einer Nebenbestimmung nach § 32 [X.]B X sein könnte, soll deshalb nur ergänzend hingewiesen werden.

Die Berechtigung zur Verzinsung des Darlehens ergibt sich auch nicht aus der Rechtsnatur des Darlehens selbst. Bereits zivilrechtlich ist ein Darlehen nur dann verzinslich, wenn dies vereinbart worden ist (§ 488 [X.]), also allenfalls dann, wenn zwischen den Beteiligten ein Darlehensvertrag entsprechenden Inhalts - ggf konkludent - geschlossen wurde. Auch der Umstand, dass seit der Schuldrechtsreform durch das [X.] zum 1.1.2002 die Verzinslichkeit des Darlehens möglicherweise den Regelfall bildet, zwingt nicht zu den vom L[X.] hieraus gezogenen Schlüssen. Denn § 89 [X.] konnte zum einen ursprünglich allenfalls an die Regelungen der §§ 607 ff [X.] in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung anknüpfen, wonach ein Darlehen nur aufgrund besonderer Vereinbarung zu verzinsen war (§ 608 [X.]). [X.] ist jedoch, dass auch § 488 [X.] 1 Satz 2 [X.] in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung nicht von einer solchen Vereinbarung ("geschuldeter Zins") enthebt, dh, nach wie vor kann ein Darlehen auch zivilrechtlich als Unentgeltliches vereinbart werden. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Schuldrechtsreform zugleich eine inhaltliche Änderung des [X.] verbunden sein sollte, bestehen ohnedies nicht. Die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung des [X.] in das [X.]B (BT-Drucks 15/1514, [X.] zu § 86) enthält dafür keinen Hinweis. Darin ist lediglich ausgeführt: "Die Vorschrift überträgt inhaltsgleich den bisherigen § 89 des Bundessozialhilfegesetzes".

Ein "übergeordnetes" sozialhilferechtliches Prinzip, das die [X.] rechtfertigen könnte, kann ebenso wenig als Grundlage für den Zinsanspruch herangezogen werden. Der [X.] hat bereits mehrfach entschieden, dass es keine über dem geschriebenen Recht stehende "Supranormen" gibt, die gesetzliche Regelung konterkarieren dürften (B[X.] [X.] 4-3520 § 9 [X.] 1 Rd[X.] 14; [X.] 4-1300 § 44 [X.] 15 Rd[X.] 19) oder bei ihrem Fehlen gar eine solche ersetzen könnten. Prinzipien können vielmehr allenfalls aus den jeweiligen maßgeblichen Normen entwickelt werden, mithin weder dazu genutzt werden, explizite gesetzliche Regelungen in ihr Gegenteil zu kehren, noch dazu, fehlende gesetzliche Regelungen, wie hier zum Zinsanspruch, zu ersetzen.

Auch eine analoge Anwendung der genannten Zinsvorschriften, insbesondere des § 44 [X.]B I, kommt nicht in Betracht. Eine Analogie, die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist nur geboten, wenn dieser Sachverhalt mit dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und damit dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert (vgl B[X.] [X.] 3-2500 § 38 [X.] 2 S 10). Daneben muss eine (unbewusste) planwidrige Regelungslücke vorliegen ([X.] 82, 6, 11 ff mwN; B[X.]E 77, 102, 104 = [X.] 3-2500 § 38 [X.] 1 S 3; B[X.]E 89, 199, 202 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 21 S 95 f mwN). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Eine analoge Anwendung des § 44 [X.]B I scheidet für andere Personen als Empfänger einer Geldleistung aus (B[X.]E 71, 72, 74 = [X.] 3-7610 § 291 [X.] 1 S 4; B[X.] [X.] 3-1300 § 61 [X.] 1 S 3); insoweit fehlt es an der Vergleichbarkeit der Interessenlage. Entsprechendes gilt hinsichtlich des § 27 [X.]B IV oder des § 50 [X.] 2a [X.]B X. Es fehlt zudem an einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat in § 89 Satz 2 [X.] ausdrücklich Voraussetzungen normiert, von denen die Leistungserbringung abhängig gemacht werden kann, nämlich die Sicherung des Rückzahlungsanspruchs auf dingliche oder andere Weise. Gesichert werden soll also nach dem Willen des Gesetzgebers nur die Rückzahlung des Darlehens selbst, nicht aber soll die Gewährung eines Darlehens von einem finanziellen Ausgleich (Vergütung) für die zeitweise Überlassung von Geld abhängig gemacht werden können. Schon angesichts dieser die Darlehensgewährung bereits einschränkenden Regelung, die sich bei anderen Darlehenstatbeständen im [X.] (etwa §§ 15a, 15b, 27 [X.] 2, 30 [X.] 3) gerade nicht fand, ist von einer abschließenden gesetzlichen Regelung auszugehen. Im Übrigen war dem Gesetzgeber bekannt, dass im Sozialrecht neben den gesetzlich geregelten Fällen weitere Ansprüche auf Geldleistungen verschiedenster Art existieren. Dennoch hat er für entsprechende Ansprüche von der Schaffung von Zinsregelungen abgesehen und es darüber hinaus abgelehnt, den Anwendungsbereich bereits bestehender Zinsregelungen auf alle Ansprüche des Bürgers gegen den Staat auszudehnen (vgl BT-Drucks 7/868, [X.] und [X.] zu § 44 [X.]B I, sowie 7/4122, [X.] zu §§ 22 bis 29 [X.]B IV; B[X.]E 71, 72, 76 = [X.] 3-7610 § 291 [X.] 1 S 4; B[X.]E 76, 233, 240 = [X.] 3-1750 § 945 [X.] 1 S 9 f); erst recht schließt dies die Annahme einer unbewussten Regelungslücke aus.

Ist der Darlehensbescheid folglich nach § 44 [X.] 2 [X.]B X aufzuheben, sind der [X.]lägerin danach die gezahlten 2019,08 [X.] zu erstatten. Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch der [X.]lägerin ist der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch (§ 131 [X.] 1 Satz 1 [X.]G). Dieser zielt, an[X.] als der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der auf die Rückgängigmachung [X.] erlangter Leistungen gerichtet ist (vgl dazu nur: [X.], Jura 1994, 82 ff; [X.], [X.], 29 ff), auf die Rückgängigmachung der unmittelbaren Folgen einer rechtswidrigen Amtshandlung, insbesondere bei vollzogenen, rechtswidrigen Verwaltungsakten (B[X.]E 76, 233, 239 = [X.] 3-1750 § 945 [X.] 1 S 8; [X.]/[X.], VwGO, 18. Aufl 2012, § 113 Rd[X.] 80 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 131 Rd[X.] 4 mwN). Die [X.]lägerin hat nach Rücknahme des Zinsbescheids Anspruch auf Erstattung des darauf Geleisteten; denn auf deren Zahlung war die Forderung des Beklagten unmittelbar gerichtet. Für die Frage der Unmittelbarkeit ist ohne Bedeutung, dass der Beklagte nach Erlass der ursprünglichen Bescheide und der Zahlung durch die [X.]lägerin erst gemäß § 44 [X.]B X nochmals in die Prüfung der Rechtmäßigkeit seiner Forderung eingetreten ist. Denn das Erfordernis der Unmittelbarkeit soll nur die Rückgängigmachung solcher hier nicht im Streit stehender Handlungen ausschließen, die lediglich mittelbare Folge einer rechtswidrigen Amtshandlung sind, also zB die Aufnahme eines [X.]redits durch den [X.], um die geltend gemachte Forderung zu bezahlen, nicht aber solcher, auf deren Eintritt die Amtshandlung unmittelbar gerichtet war.

Von einer klarstellenden [X.]orrektur des erstinstanzlichen Tenors im Hinblick auf die Teilerledigung des Rechtsstreits (§ 102 [X.] 1 Satz 2 [X.]G) durch die von der [X.]lägerin im Berufungsverfahren erklärte [X.] hat der [X.] abgesehen.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 8 SO 1/13 R

27.05.2014

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Berlin, 26. April 2010, Az: S 78 SO 730/08, Urteil

§ 44 Abs 2 S 1 SGB 10, § 44 Abs 2 S 2 SGB 10, § 131 Abs 1 S 1 SGG, § 31 SGB 1, § 89 S 1 BSHG, § 91 S 1 SGB 12, § 32 Abs 1 SGB 10, § 32 Abs 2 SGB 10, § 53 Abs 2 SGB 10, § 55 Abs 2 SGB 10, § 488 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.05.2014, Az. B 8 SO 1/13 R (REWIS RS 2014, 5275)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5275

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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