Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.01.2017, Az. B 3 P 26/16 B

3. Senat | REWIS RS 2017, 17859

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Gegenstand

Pflegeversicherung - Feststellung der Pflegebedürftigkeit - Zuordnung zur Pflegestufe - Hilfebedarf - Pflegebedarf - keine Berücksichtigung eines allgemeinen Aufsichtsbedarfs


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 26. Oktober 2016 Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 26. Oktober 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Streitig sind Leistungen der [X.] Pflegeversicherung wegen erheblicher Einschränkung der Alltagskompetenz (§§ 45a, 45b, 123 [X.]).

2

Der 1966 geborene Kläger bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung sowie ergänzende Leistungen des Sozialhilfeträgers als persönliches Budget. Er leidet an paranoider Schizophrenie (stabil), einer Alkoholkrankheit (stabil), einem Diabetes mellitus, einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, an Bluthochdruck und Übergewicht. Seit 2011 wird er von einem ambulanten Pflegedienst des [X.] durch einmal wöchentlich erfolgende Hausbesuche betreut.

3

Den Antrag des [X.] vom 29.7.2015 auf Gewährung von Leistungen nach der sogenannten Pflegestufe 0 lehnte die beklagte Pflegekasse nach Einholung von Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ([X.]) vom 19.8.2015 und 19.10.2015 ab, weil zwar ein Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (täglich 30 Minuten), nicht aber bei der Grundpflege 14 Abs 4 [X.] bis 3 [X.]) bestehe, sodass jegliche Leistungspflicht der [X.] Pflegeversicherung von vornherein ausscheide (Bescheid vom 31.8.2015, Widerspruchsbescheid vom 24.2.2016). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]), das L[X.] die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Beschluss nach § 153 Abs 4 S 1 [X.]G vom 26.10.2016): Zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b Abs 1 [X.] könne der Kläger nicht beanspruchen, weil er keinerlei [X.] habe und deshalb nicht einmal die Pflegestufe 0 erreicht werde (§ 45a [X.] [X.] 2 [X.]). Zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 45b Abs 1a [X.] seien ausgeschlossen, weil zwar keine demenzbedingten Fähigkeitsstörungen, geistige Behinderungen oder psychische Erkrankungen vorliegen müssten (§ 45a [X.] [X.]), wohl aber ein [X.] mindestens nach der [X.] (§ 15 Abs 1 S 1 [X.], [X.] [X.] [X.]), weil nur dann "Pflegebedürftigkeit" iS des § 45b Abs 1a [X.] vorliege. Verbesserte Pflegeleistungen für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz nach § 123 [X.] könne der Kläger nicht beanspruchen, weil er mangels [X.] nicht die Voraussetzungen des § 45a [X.] erfülle.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihm am 28.10.2016 zugestellten Beschluss des L[X.] vom 26.10.2016 hat der Kläger mit von ihm unterzeichneten Schreiben vom 17.11.2016 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ([X.]) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger am 28.11.2016 vorgelegt.

5

II. 1. Nach § 73a Abs 1 S 1 [X.]G iVm §§ 114, 121 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag [X.], wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

6

a) Es kann offenbleiben, ob der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage wäre, die Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts ganz oder zumindest teilweise selbst aufzubringen. [X.] kann ihm jedenfalls nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass einer der in § 160 Abs 2 [X.] bis 3 [X.]G abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision von einem Bevollmächtigten mit Erfolg gerügt werden und auch tatsächlich vorliegen könnte.

7

Gemäß § 160 Abs 2 [X.]G ist die Revision nur zuzulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

-       

die Berufungsentscheidung von einer Entscheidung des B[X.], des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

Bestimmte Verfahrensrügen sind allerdings nur eingeschränkt oder gar nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu begründen (§ 160 Abs 2 [X.] 3 Halbs 2 [X.]G).

8

b) Nach der im [X.]-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels liegt keiner der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 [X.]G vor.

9

c) [X.] bietet keine Hinweise auf eine über den Einzelfall des [X.] hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Die Revision kann wegen grundsätzlicher Bedeutung nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft. Fragen, die bereits höchstrichterlich entschieden sind, sind regelmäßig nicht mehr klärungsbedürftig (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 160 Rd[X.] 6 ff mwN). Auch bei Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung ist die Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung praktisch außer Zweifel steht oder so gut wie unbestritten ist (B[X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.]7 mwN). Es ist nicht erkennbar, dass im Rechtsstreit des [X.] eine solche grundsätzliche Rechtsfrage von Bedeutung sein könnte.

Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass es für die Ermittlung von Pflegebedürftigkeit und die Zuordnung zu den Pflegestufen allein auf den Hilfebedarf bei den in § 14 Abs 4 [X.] genannten Verrichtungen ankommt (B[X.]E 82, 27 = [X.]-3300 § 14 [X.] 2; B[X.]E 85, 278 = [X.]-3300 § 43 [X.]), dass der Katalog des § 14 Abs 4 [X.] abschließend ist (stRspr, vgl B[X.]E 82, 27 = [X.]-3300 § 14 [X.] 2; B[X.]E 82, 276 = [X.]-3300 § 14 [X.] 7; B[X.] [X.]-3300 § 14 [X.] 3, 6 und 11; B[X.] [X.]-3300 § 14 [X.]4: Erweiterung nur um das Liegen und Sitzen), dass die Beaufsichtigung zur Vermeidung einer Selbst- oder Fremdgefährdung ebensowenig in Ansatz gebracht werden kann (B[X.] [X.]-3300 § 14 [X.] 5 und 8 sowie B[X.] [X.]-3300 § 43a [X.] 5) wie eine allgemeine Ruf- oder Einsatzbereitschaft einer Pflegeperson (B[X.] [X.]-3300 § 15 [X.]) und dass der Bezug der Pflegebedürftigkeit auf bestimmte Verrichtungen sowie die Nichtberücksichtigung eines allgemeinen Betreuungsaufwandes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind (ebenso [X.] [X.] 4-3300 § 14 [X.]). Dabei hat der Senat stets betont, dass die Betreuung, die Aufsicht und die Kontrolle durch die Pflegeperson nur dann bei der Bemessung des Pflegebedarfs zu berücksichtigen sind, wenn sie sich konkret auf eine der in § 14 Abs 4 [X.] genannten Verrichtungen beziehen und ein so hohes Maß an Aufmerksamkeit der Pflegeperson erfordern, dass die gleichzeitige Ausführung anderer Tätigkeiten praktisch ausgeschlossen ist (B[X.] [X.]-3300 § 14 [X.] 6). Ein daneben bestehender allgemeiner, also nicht konkret verrichtungsbezogener [X.] kann deshalb nicht in Ansatz gebracht werden.

An diese Vorgaben hat sich das L[X.] gehalten, als es einen Hilfebedarf des [X.] bei der Grundpflege verneint und dabei alle Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung sowie die [X.] Betreuung (zB Begleitung bei Spaziergängen) und die psycho[X.] Gespräche als von § 14 Abs 4 [X.] bis 3 [X.] nicht umfasst ausgeklammert hat. Ungeklärte Rechtsfragen sind nicht ersichtlich.

Die vom Kläger angesprochenen Leistungsausweitungen durch das [X.] der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz - P[X.] II) vom 21.12.2015 ([X.] 2424) spielen im vorliegenden Fall keine Rolle, weil der leistungsrechtliche Teil dieses Gesetzes erst zum 1.1.2017 in [X.] getreten ist. Das L[X.] hat also die Vorschriften des P[X.] II bei der Beschlussfassung am 26.10.2016 zu Recht noch nicht berücksichtigt. Es steht dem Kläger aber jederzeit frei, mit Blick auf die Leistungsausweitungen durch das P[X.] II einen neuen Leistungsantrag bei der Beklagten zu stellen.

d) Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] 2 [X.]G) könnte nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, denn das L[X.] weicht in der angefochtenen Entscheidung nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

e) Das Berufungsverfahren weist ferner keine die Zulassung der Revision begründenden Verfahrensmängel iS des § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]G auf. Insbesondere bestehen keine Hinweise darauf, dass das L[X.] seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 [X.]G) oder den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.]G) verletzt haben könnte.

f) Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

2. Die von dem Kläger selbst eingelegte Beschwerde entspricht nicht den zwingenden gesetzlichen Vorschriften, weil sie nicht durch einen vor dem B[X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 [X.]G) eingelegt worden ist. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem nach § 73 Abs 4 [X.]G zugelassenen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Hierauf hat das L[X.] den Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses ausdrücklich hingewiesen.

Die nicht formgerecht eingelegte Beschwerde ist durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 3 P 26/16 B

04.01.2017

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: P

vorgehend SG Mannheim, 29. Juni 2016, Az: S 5 P 156/16, Urteil

§ 14 Abs 4 SGB 11 vom 26.05.1994, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.01.2017, Az. B 3 P 26/16 B (REWIS RS 2017, 17859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17859

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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