Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2016, Az. VII ZR 102/12

7. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4383

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Gegenstand

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters für die Werbung neuer Kunden: Auslegung des Begriffs „neuer Kunde“; Gehörsverletzung bei fehlender Auseinandersetzung des Gerichts mit entscheidungserheblichem Parteivortrag


Tenor

Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des [X.] wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 29. Februar 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zu einem Handelsvertreterausgleich in Höhe von 63.076,12 € nebst Zinsen verurteilt und die Berufung des [X.], soweit mit dieser ein weiterer Handelsvertreterausgleich in Höhe von 32.839,64 € zuzüglich anteiliger Zinsen geltend gemacht worden ist, zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger war als Bezirksvertreter für die Beklagte tätig, die einen Großhandel mit [X.] unterhält. Die Beklagte weist den für sie tätigen Handelsvertretern nicht die gesamte von ihr vertriebene Produktpalette zu, sondern lediglich Brillenkollektionen bestimmter Marken. Die Beklagte übertrug dem Kläger nach und nach den Vertrieb der Brillenkollektionen der Marken F., [X.], [X.] und [X.] Der Kläger stand in Wettbewerb mit anderen Handelsvertretern der [X.], deren Aufgabe der Vertrieb von Brillenkollektionen anderer Marken war. Die Beklagte stellte dem Kläger eine Liste mit Bestandskunden zur Verfügung, die bereits Kollektionen anderer Marken von der [X.] erworben hatten. Die vom Kläger für die ihm zugewiesenen Kollektionen der genannten Marken geworbenen Optiker hatten zuvor bereits von der [X.] vertriebene Kollektionen anderer Marken erworben.

2

Der Handelsvertretervertrag wurde von der [X.] nach Abmahnung am 27. Oktober 2009 fristlos aus wichtigem Grund gekündigt. Am 28. Oktober 2009 erklärte der Kläger ebenfalls die außerordentliche Kündigung des Vertrags. Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - einen [X.]sanspruch in Höhe von 95.915,76 € geltend gemacht.

3

Das [X.] hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des [X.] einen [X.] in Höhe von 63.076,12 € brutto zuerkannt. Diesen Betrag hat es unter Berücksichtigung eines Billigkeitsabschlags von 50 % errechnet.

4

Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren in Bezug auf den zuerkannten [X.] weiter. Der Kläger will mit der [X.] die Verurteilung der [X.] zur Zahlung eines weiteren [X.]s in Höhe von 32.839,64 € nebst anteiliger Zinsen erreichen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision der [X.] und die [X.] des [X.] führen im tenorierten Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

A.

6

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die Beklagte habe dem Kläger am 27. Oktober 2009 in nicht berechtigter Weise außerordentlich gekündigt. Die fristlose außerordentliche Kündigung der [X.] sei unwirksam, weil kein wichtiger Kündigungsgrund vorgelegen habe. Die fehlende Zustimmung des [X.] zu einer Vertragsänderung und der Umstand, dass der Kläger in einer E-Mail an seine Kollegen vom 26. Oktober 2009 als PR-Manager der [X.] firmiert habe, stellten keine wichtigen Gründe für eine außerordentliche fristlose Kündigung dar. Hinsichtlich des Vorwurfs der unberechtigten Vereinbarung von [X.] mit Kunden sei eine Abmahnung des [X.] erforderlich gewesen, die mit Schreiben der [X.] vom 16. Oktober 2009 erfolgt sei. Dass der Kläger nach dieser erfolgten Abmahnung vertragswidrig Retouren genehmigt hätte, habe die Beklagte nicht nachvollziehbar dargetan. Die E-Mail des [X.] vom 26. Oktober 2009 rechtfertige keine außerordentliche Kündigung. Sie sei in sachlichem Ton gehalten und stelle lediglich die klägerische Sichtweise dar. Es werde auch im Gesamtzusammenhang nicht deutlich, dass der Kläger seine als Handelsvertreter tätigen Kollegen habe aufwiegeln wollen. Der Kläger sei daher seinerseits zur außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen, nachdem die Beklagte ihm unberechtigt fristlos gekündigt hatte.

8

Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Vertragsverhältnisses seien die vom Kläger geworbenen Kunden als Neukunden anzusehen. Die Beklagte gestalte ihre [X.] nämlich dergestalt aus, dass sie den Handelsvertretern bestimmte Bezirke und dort lediglich bestimmte Marken und nicht die von ihr vertriebene gesamte Produktpalette zuweise. Die dem Kläger zur Verfügung gestellten Kundendaten bezögen sich zwar auf Kunden der [X.], jedoch nicht auf Kunden der ihm zugewiesenen Marken und Produkte. Damit habe der Kläger letztlich die Optiker für die von ihm vertriebenen neuen Brillenlinien als Neukunden werben müssen. Der Kläger habe im Wettbewerb mit anderen Handelsvertretern der [X.] gestanden, die andere Hersteller vertreten hätten.

9

Aufgrund der besonderen vertraglichen Ausgestaltung des [X.] sei es gerechtfertigt, bei der Abgrenzung zwischen Neu- und Altkunden keine branchenbezogene Betrachtung anzustellen, sondern eine Abgrenzung anhand der vertraglich zugewiesenen Marken vorzunehmen. Für diese Handhabung des Neukundenbegriffs spreche auch das von der [X.] erstellte, von den Kunden auszufüllende Formular zur "[X.]" mit den verschiedenen markenspezifischen Neukundenvereinbarungen.

Der Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger eine Kundenliste über Optiker, die bereits andere Marken der [X.] in ihrem Sortiment gehabt hätten, zur Verfügung gestellt und ihm damit die Werbung als Kunden der von ihm vertriebenen Marken erleichtert habe, werde dadurch Rechnung getragen, dass aus Gründen der Billigkeit ein Abschlag von 50 % gerechtfertigt sei.

B.

I. Revision der [X.]

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es dem Kläger einen [X.]sanspruch gemäß § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] in Höhe von 63.076,12 € brutto zuerkannt hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Der Anspruch des [X.] auf Zahlung eines [X.]s ist nicht bereits nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 [X.] ausgeschlossen. Danach besteht der Anspruch auf [X.] nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger sei berechtigt gewesen, das Vertragsverhältnis mit der [X.] aus wichtigem Grund zu kündigen, die fristlose außerordentliche Kündigung der [X.] vom 27. Oktober 2009 sei unwirksam, weil ein wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung nicht vorgelegen habe. Dies greift die Beklagte mit der Revision nicht an. Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.

2. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Neukundeneigenschaft der vom Kläger für die ihm zugewiesenen Brillenkollektionen geworbenen Kunden nicht bejaht werden.

a) Nach § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen Ausgleich verlangen, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat. Gemäß § 89b Abs. 1 Satz 2 [X.] steht es der Werbung eines neuen Kunden gleich, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit einem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden entspricht. Danach ist nicht jede Erweiterung des Kundenstamms ausgleichspflichtig. Es sind aber sowohl Erweiterungen quantitativer Art als auch qualitativer Art zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 3. Juni 1971 - VII ZR 23/70, [X.]Z 56, 242, 245, juris Rn. 23; MünchKomm[X.]/von [X.], 4. Aufl., § 89b Rn. 63; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Handbuch des Vertriebsrechts, 3. Aufl., § 20 Rn. 18).

Nach der Rechtsprechung des [X.] sind neue Kunden im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] im Ausgangspunkt solche Kunden, die mit dem Unternehmer vor dem vertragsgemäßen Tätigwerden des Handelsvertreters noch kein Umsatzgeschäft getätigt haben, sondern erstmals unter Einschaltung des Handelsvertreters ein Geschäft mit dem Unternehmer abgeschlossen haben (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2011 - [X.], NJW 2012, 304 Rn. 21; so auch [X.] in [X.]/[X.], Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 2, 9. Aufl., [X.] Rn. 7; [X.], Vertriebsrecht, 3. Aufl., § 89b [X.] Rn. 89 ff.; MünchKomm[X.]/von [X.], 4. Aufl., § 89b Rn. 57; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 89b Rn. 82; Wauschkuhn in [X.]/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, § 89b Rn. 66; [X.]/Busche, [X.], 4. Aufl., § 89b Rn. 12 m.w.N.). Dementsprechend ist in der Literatur anerkannt, dass es sich um keinen neuen Kunden handelt, wenn der Unternehmer lediglich das Sortiment erweitert und der mit dem Vertrieb des gesamten Sortiments beauftragte Handelsvertreter Kunden auch für Artikel des erweiterten Sortiments wirbt (vgl. MünchKomm[X.]/von [X.], 4. Aufl., § 89b Rn. 59; [X.] in [X.]/[X.], aaO, [X.] Rn. 53; Wauschkuhn in [X.]/Wauschkuhn, aaO; [X.], aaO, § 89b [X.] Rn. 91).

Mit § 89b [X.] ist Art. 17 der Richtlinie 86/653/[X.] des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. [X.] Nr. L 382 S. 17) in das [X.] Recht umgesetzt worden. § 89b Abs. 1 [X.] ist daher im Lichte dieser Bestimmung der Richtlinie auszulegen. Nach Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a) hat der Handelsvertreter Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht (erster Gedankenstrich) und die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht (zweiter Gedankenstrich). Nach der auf den Vorlagebeschluss des [X.]s vom 14. Mai 2014 im Verfahren - [X.] ([X.], 846) ergangenen Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 7. April 2016 ([X.] 2016, 172) ist Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a) erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653/[X.] dahin auszulegen, dass die von einem Handelsvertreter für Waren geworbenen Kunden, mit deren Vertrieb ihn der Unternehmer beauftragt hat, auch dann als neue Kunden im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, wenn sie bereits wegen anderer Waren Geschäftsverbindungen mit dem Unternehmer unterhielten, sofern der Verkauf der erstgenannten Waren durch diesen Handelsvertreter die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erfordert hat.

Nach Auffassung des Gerichtshofs darf der Begriff "neuer Kunde" im Sinne dieser Bestimmung im Hinblick auf das mit der Richtlinie 86/653/[X.] verfolgte Ziel, die Interessen des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer zu schützen, nicht eng ausgelegt werden. Die Beurteilung, ob es sich um einen neuen oder um einen vorhandenen Kunden im Sinne von Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 86/653/[X.] handelt, hat anhand der Waren zu erfolgen, mit deren Vermittlung der Handelsvertreter vom Unternehmer beauftragt wurde und deren An- oder Verkauf er gegebenenfalls tätigen soll. In einer Situation, in der der Handelsvertreter nach dem Wortlaut seines Handelsvertretervertrags mit der Vermittlung des Verkaufs eines Teils der [X.] des Unternehmers, nicht aber der gesamten [X.] betraut wurde, schließt der Umstand, dass eine Person mit diesem Unternehmer bereits wegen anderer Waren Geschäftsverbindungen unterhielt, nicht aus, dass diese Person als von diesem Handelsvertreter [X.] neuer Kunde angesehen werden kann, wenn es dem Handelsvertreter durch seine Bemühungen gelungen ist, eine Geschäftsverbindung zwischen dieser Person und dem Unternehmer in Bezug auf die Waren zu begründen, mit deren Vertrieb er beauftragt wurde. Es ist dabei zu prüfen, ob der Vertrieb der in Rede stehenden Waren von Seiten des betreffenden Handelsvertreters Vermittlungsbemühungen und eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung, insbesondere soweit diese Waren zu einem anderen Teil der Produktpalette des Unternehmers gehören, erfordert hat. Der Umstand, dass der Unternehmer einem Handelsvertreter den Vertrieb neuer Waren an Kunden anvertraut, mit denen er bereits bestimmte Geschäftsverbindungen unterhält, kann ein Indiz dafür sein, dass diese Waren zu einem anderen Teil der Produktpalette gehören als die Waren, die diese Kunden bisher gekauft haben, und dass der Vertrieb dieser neuen Waren an diese Kunden die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung durch den Handelsvertreter erfordert. Der Vertrieb von Waren im Allgemeinen findet je nach den Marken, mit denen sie gekennzeichnet sind, in einem anderen Rahmen statt. Eine Marke stellt häufig neben einem Hinweis auf die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen ein Instrument der Geschäftsstrategie dar, das unter anderem zu Werbezwecken oder zum Erwerb eines Rufs eingesetzt wird, um den Verbraucher zu binden (vgl. [X.], [X.] 2016, 172 Rn. 33 ff.).

b) Ob nach diesen Maßstäben davon auszugehen ist, dass der Kläger neue Kunden im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] für die Beklagte geworben hat, hat das Berufungsgericht bislang nicht festgestellt. Der Kläger hat die streitgegenständliche Ausgleichsforderung auf der Basis der entgangenen Provisionen für Vertragsabschlüsse mit den Optikern berechnet, die er für die ihm zugewiesenen Brillenmarken geworben hat. Er hat die Klage danach darauf gestützt, dass es sich bei den geworbenen Optikern um neue Kunden im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] gehandelt hat. Hierfür kommt es nach den vorstehenden Grundsätzen darauf an, ob der Vertrieb der ihm zugewiesenen Brillenmarken Vermittlungsbemühungen und eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung zu diesen Kunden erfordert hat.

II. [X.] des [X.]

Die Begründung des Berufungsgerichts, mit der es einen vom Kläger geforderten [X.] in Höhe von weiteren 32.839,64 € nebst anteiliger Zinsen abgelehnt hat, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls nicht stand.

Soweit das Berufungsgericht einen Billigkeitsabschlag in Höhe von 50 % von dem von ihm errechneten [X.]sanspruch des [X.] mit der Begründung vorgenommen hat, die Beklagte habe dem Kläger eine Kundenliste von Optikern zur Verfügung gestellt, die bereits andere Marken der [X.] in ihr Sortiment aufgenommen hätten, hat das Berufungsgericht das Recht des [X.] auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG, verletzt.

1. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt vor, wenn sich aus den Umständen klar ergibt, dass das Gericht seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, entscheidungserhebliche Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das ist der Fall, wenn das Gericht zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, trotz entsprechenden Parteivortrags in den Entscheidungsgründen nicht Stellung nimmt ([X.], Beschluss vom 6. April 2016 - [X.] Rn. 11; Beschluss vom 27. Januar 2010 - VII ZR 97/08, [X.], 931 Rn. 8; [X.], NJW 2009, 1584 Rn. 14; [X.] 1995, 1033, 1034, juris Rn. 21).

2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat vorgetragen, dass er seit dem 21. Dezember 1999 für die Beklagte als Bezirksvertreter mit Gebietsschutz für Norddeutschland tätig gewesen sei und es sich bei den Kunden, die in der ihm von der [X.] übergebenen Kundenliste aufgeführt sind, um von ihm selbst geworbene Kunden gehandelt hat. Das Berufungsgericht hat sich mit diesem vom Kläger vorgebrachten und für die Entscheidung erheblichen Gesichtspunkt verfahrensfehlerhaft nicht auseinandergesetzt. Denn seine Auffassung, der [X.] des [X.] sei aus Billigkeitsgründen um 50 % zu kürzen, weil dem Kläger der Vertrieb der ihm zugewiesenen Brillenkollektionen durch die ihm übergebene Kundenliste erleichtert worden sei, ist nicht haltbar, wenn anzunehmen ist, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit für die Beklagte selbst hinreichende Kenntnisse darüber hatte, welche Kunden bereits andere Brillenkollektionen der [X.] erworben hatten. Es ist daher nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Vorbringens des [X.] zu einem für diesen günstigeren Ergebnis gelangt wäre.

III.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann keinen Bestand haben, soweit die Beklagte zu einem [X.] in Höhe von 63.076,12 € nebst Zinsen verurteilt und die Berufung des [X.], soweit mit dieser ein weiterer [X.] in Höhe von 32.839,64 € zuzüglich anteiliger Zinsen geltend gemacht worden ist, zurückgewiesen worden ist. Das Urteil ist deshalb in diesem Umfang aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO.

Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls auf der Grundlage weiteren Parteivorbringens Feststellungen dazu zu treffen haben, ob der Vertrieb der dem Kläger anvertrauten Brillenmarken Vermittlungsbemühungen und eine besondere Verkaufsstrategie im Hinblick auf die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erforderte. Ferner wird das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des Vorbringens des [X.], er habe sämtliche Kunden, die auf der von der [X.] übergebenen Kundenliste verzeichnet waren, selbst geworben, über die Höhe eines etwa vorzunehmenden [X.] neu zu befinden haben.

[X.]                               Halfmeier                          [X.]

              [X.]

Meta

VII ZR 102/12

06.10.2016

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 14. Mai 2014, Az: VII ZR 102/12, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, Art 17 Abs 2 Buchst a Ss 1 EWGRL 653/86, § 89b Abs 1 S 1 Nr 1 HGB vom 23.10.1989

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.10.2016, Az. VII ZR 102/12 (REWIS RS 2016, 4383)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4383


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII ZR 102/12

Bundesgerichtshof, VII ZR 102/12, 06.10.2016.

Bundesgerichtshof, VII ZR 102/12, 14.05.2014.


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