Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.09.2018, Az. VII ZB 54/16

7. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 3391

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Gegenstand

Rechtsanwaltsgebühren: Anwaltliche Vertretung in einem Verfahren über wechselseitige Nichtzulassungsbeschwerden


Leitsatz

Die anwaltliche Vertretung in einem Verfahren, das wechselseitige Nichtzulassungsbeschwerden zum Gegenstand hat, stellt in der Regel dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG dar.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des [X.] vom 22. September 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 143.875,80 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Klägerin wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen einen nach ihrer Auffassung zu ihren Lasten nachteiligen Kostenfestsetzungsbeschluss.

2

Im Ausgangsrechtsstreit, einer [X.]ausache, entschied das [X.] auf Antrag der Klägerin in einem Zwischenfeststellungsurteil, dass die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung eine berechtigte Kündigung aus wichtigem Grund gewesen sei. Mit Urteil vom 18. Oktober 2011 hob das [X.]erufungsgericht diese Entscheidung auf und wies den Antrag der Klägerin auf Erlass eines Zwischenfeststellungsurteils ab; zugleich wies es den von der [X.] in der [X.]erufungsinstanz gestellten Antrag ab, festzustellen, dass ihr aufgrund der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung dem Grunde nach ein Anspruch auf Vergütung gemäß § 649 [X.]G[X.] a.F. i.V.m. § 8 Nr. 1 VO[X.]/[X.] zustehe. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.]erufungsgerichts legten beide Parteien [X.]eschwerde ein; diese [X.]eschwerden wurden bei dem [X.]undesgerichtshof unter dem gemeinsamen Aktenzeichen [X.] geführt. Mit [X.]eschluss vom 6. Dezember 2012 wies der [X.]undesgerichtshof die [X.]eschwerde der [X.] zurück, ließ jedoch auf die [X.]eschwerde der Klägerin hin die Revision zu. Auf die Revision der Klägerin hob der [X.]undesgerichtshof sodann mit Urteil vom 7. März 2013 ([X.], 987 = NZ[X.]au 2013, 300) das [X.]erufungsurteil im Kostenpunkt und insoweit auf, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden war und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.]erufungsgericht zurück. Nach neuer Verhandlung wies das [X.]erufungsgericht mit Urteil vom 11. Februar 2014 die [X.]erufung der [X.] gegen das vom [X.] erlassene Zwischenfeststellungsurteil zurück und erlegte die Verfahrenskosten - auch hinsichtlich des Revisionsverfahrens und der Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] - der [X.] auf.

3

Nachdem die [X.]erufungsentscheidung vom 11. Februar 2014 rechtskräftig geworden war, hat das [X.] mit [X.]eschluss vom 15. Oktober 2015 die von der [X.] der Klägerin zu erstattenden Kosten auf 800.468,80 € nebst Zinsen festgesetzt; dabei hat es die Anwaltskosten der Klägerin im Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren bei dem [X.]undesgerichtshof unter dem Aktenzeichen [X.] in Höhe von 237.714,80 € berücksichtigt und die Festsetzung eines höheren [X.]etrags abgelehnt. Das [X.]eschwerdegericht hat die sofortige [X.]eschwerde der Klägerin zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Klägerin, die Entscheidung des [X.]eschwerdegerichts aufzuheben, soweit es ihre sofortige [X.]eschwerde wegen eines [X.]etrages von 143.875,80 € zurückgewiesen hat, und auf die sofortige [X.]eschwerde den Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.]s vom 15. Oktober 2015 abzuändern und die von der [X.] an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 944.344,60 € (= 800.468,80 € + 143.875,80 €) nebst Zinsen festzusetzen.

II.

4

Die aufgrund der Zulassung durch das [X.]eschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

5

1. Das [X.]eschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. Oktober 2015 sei nicht zu beanstanden, weil es sich bei den von der Klägerin und der [X.] gegen das [X.]erufungsurteil vom 18. Oktober 2011 erhobenen [X.] aus gebührenrechtlicher Sicht um eine Angelegenheit gehandelt habe. Werde ein Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit tätig, könne er die Gebühren gemäß § 15 Abs. 2 [X.] nur einmal fordern.

6

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

7

Zutreffend hat das [X.]eschwerdegericht angenommen, dass die anwaltliche Vertretung der Klägerin bezüglich der beiden [X.] dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 [X.] darstellt.

8

a) Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter [X.]erücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. [X.] erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielrichtung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit gesprochen werden kann ([X.]GH, [X.]eschluss vom 24. März 2016 - III Z[X.] 116/15 Rn. 6 m.w.N., NJW-RR 2016, 883).

9

Im gerichtlichen Verfahren wird der für die [X.]ejahung einer Angelegenheit notwendige Zusammenhang grundsätzlich schon dadurch hergestellt, dass das Gericht von einer Trennung der Verfahren wegen ihres Sachzusammenhangs absieht oder bei zwei ursprünglich getrennten Verfahren wegen ihres Sachzusammenhangs eine Verbindung herbeiführt. Regelmäßig ist das gerichtliche Verfahren in einem Rechtszug eine Angelegenheit (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 24. März 2016 - III Z[X.] 116/15 Rn. 7 m.w.N., NJW-RR 2016, 883).

b) Nach diesen Maßstäben betreffen die beiden [X.] dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 [X.]. Die [X.] waren Gegenstand desselben Gerichtsverfahrens vor dem [X.]undesgerichtshof.

c) Entgegen der Argumentation der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus § 17 Nr. 9 [X.] nichts anderes. Diese Vorschrift regelt für die Anwaltsgebühren das Verhältnis der Nichtzulassungsbeschwerde zum nachfolgenden Revisionsverfahren, betrifft aber nicht das Verhältnis mehrerer [X.].

d) Unerheblich ist der Einwand der Rechtsbeschwerde, mit den [X.] seien unterschiedliche Sachgegenstände und Zulassungsgründe geltend gemacht worden. Die Annahme einer Angelegenheit setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen kann vielmehr auch dann gesprochen werden, wenn der Anwalt mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 24. März 2016 - III Z[X.] 116/15 Rn. 6, NJW-RR 2016, 883).

e) Ebenfalls unerheblich ist der Einwand der Rechtsbeschwerde, im Hinblick auf die von der [X.] mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgten [X.]erufungsanträge hätte ein höherer Gegenstandswert festgesetzt werden müssen. Die Festsetzung des [X.] gehört nicht zum Prüfungsumfang des Kostenfestsetzungsverfahrens nach den §§ 104 ff. ZPO, sondern ist der verbindlichen Entscheidung im Verfahren nach § 63 GKG, § 33 [X.] vorbehalten (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 27. März 2014 - IX Z[X.] 52/13 Rn. 5, NJW-RR 2014, 892). Überdies ist nicht ersichtlich, weshalb ein höherer Gegenstandswert im Hinblick auf die von der [X.] mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde weiterverfolgten [X.]erufungsanträge zur Folge haben sollte, dass hinsichtlich der beiden [X.] von selbständigen Angelegenheiten auszugehen wäre.

f) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, lässt sich auch aus Nr. 3506 Abs. 2 VV-[X.] nicht herleiten, die [X.] müssten gebührenrechtlich selbständige Angelegenheiten sein. Nach der genannten Regelung wird die Verfahrensgebühr für das Verfahren über die [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision auf die Verfahrensgebühr für ein nachfolgendes Revisionsverfahren angerechnet. Dahinter steht die Erwägung, dass bereits im [X.] die Revision weitestgehend vorbereitet werden muss (vgl. [X.]T-Drucks. 14/4722, [X.] zu § 61a Abs. 3 [X.]RAGO a.F., der im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu Abs. 4 wurde; § 61a Abs. 4 [X.]RAGO a.F. entspricht Nr. 3506 Abs. 2 VV-[X.]). Dieses Ziel der Anrechnung erfordert es nicht, die dem Revisionsverfahren vorausgehende Nichtzulassungsbeschwerde im Verhältnis zu anderen in dem gleichen Verfahren [X.] als selbständige Angelegenheit zu behandeln.

g) Dem von der Rechtsbeschwerde zitierten [X.]eschluss des [X.]undesarbeitsgerichts ([X.]AG, [X.], 1625) ist kein den dargestellten Maßstäben widersprechender Obersatz zu entnehmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kartzke     

        

Halfmeier     

        

Jurgeleit

        

Graßnack      

        

[X.]orris      

        

Meta

VII ZB 54/16

26.09.2018

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 22. September 2016, Az: 11 W 1503/16, Beschluss

§ 15 Abs 2 RVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.09.2018, Az. VII ZB 54/16 (REWIS RS 2018, 3391)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1406 REWIS RS 2018, 3391


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII ZB 54/16

Bundesgerichtshof, VII ZB 54/16, 26.09.2018.


Az. 11 W 1503/16

OLG München, 11 W 1503/16, 22.09.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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