Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2011, Az. AnwZ (Brfg) 30/11

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2011, 1831

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[X.]UNDESGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
AnwZ ([X.]) 30/11

vom

28. Oktober 2011

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

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Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterinnen
Roggenbuck und [X.] sowie
die Rechtsanwältin
Dr. [X.] und den Rechtsanwalt Prof. Dr. Quaas

am 28. Oktober 2011 beschlossen:

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des 1. Senats des [X.]randenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 18.
April
2011
wird
abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000

festgesetzt.

Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die [X.]eklagte hat mit [X.]escheid vom 15. Juni
2010 die Zu-lassung des [X.] widerrufen, weil er infolge strafgerichtlicher Verurteilung die Fähigkeit zur [X.]ekleidung öffentlicher Ämter
verloren hat (§ 14 Abs. 2 Nr. 2
[X.], § 45 Abs. 1 StG[X.]). Der Kläger wurde durch Urteil des [X.] P.

vom 3. April 2009 wegen schweren [X.] gemäß § 356 Abs. 2 StG[X.] (Einzelstrafe: ein Jahr und neun Monate) und wegen versuchter Nötigung 1
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zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde.
Das [X.] P.

hatte den Kläger durch Urteil vom 15. Sep-tember 2006
zunächst freigesprochen. Es hatte die Rechtsfrage, ob auch meh-rere Tatbeteiligte derselben Strafsache Parteien im Sinne des § 356 StG[X.] sind, verneint, womit es einer Entscheidung des [X.] vom 16. De-zember 1952 -
2 StR 198/51 -
gefolgt war. Auf die Revision der Staatsanwalt-schaft hob der 5. Strafsenat des [X.]
dieses Urteil auf (Urteil vom 25. Juni 2008 -
5 [X.], [X.], 307). Er gab den früher [X.] Rechtsstandpunkt auf und erkannte, dass [X.]eschuldigte in einer Strafsache, gegen die jeweils der Verdacht besteht, gemeinsam mit
dem anderen [X.]eschul-digten als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe Teilnehmer derselben Straftat gewe-sen zu sein, Parteien im Sinne des § 356 StG[X.] sein können. Unter Zugrundele-gung dieser Rechtsauffassung erfolgte die Verurteilung durch das [X.] P.

vom 3.
April 2009. Die Revision des [X.] gegen dieses Urteil ver-warf der 5. Strafsenat des [X.] mit [X.]eschluss vom 8. April 2010 (5 [X.]) als unbegründet.

Die
gegen den Widerruf der Zulassung
erhobene Klage hat der [X.] abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des [X.] auf Zu-lassung der [X.]erufung.
II.
Der nach § 112e Satz 2, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des [X.] auf Zulassung der [X.]erufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zu-lassungsgründe liegen nicht vor.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§
112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulas-sungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird ([X.] 110, 77, 83; [X.], [X.], 1163, 1164; NVwZ-RR 2008,
1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner [X.], NVwZ-RR 2004, 542 f.; [X.]/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht,
§
112e [X.] Rn. 77; [X.] in [X.]Prütting, [X.], 3. Aufl., §
112e Rn.
10). Der Kläger macht insoweit geltend, dass die Anwendung des § 14 Abs.
2 Nr.
2 [X.] im konkreten Fall verfassungsrechtlichen [X.]edenken [X.]. [X.]ereits das Urteil
des [X.] P.

vom 3. April 2009, das die Grundlage für den Widerruf der Zulassung bilde, verstoße möglicherweise ge-gen Art. 103 Abs. 2 GG.
a) Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] begegnet nach ständiger Rechtsprechung des Senats keinen verfassungsrechtlichen [X.]edenken
(Senats-beschlüsse vom 8. Februar 1988 -
AnwZ ([X.]) 46/87, [X.]RAK-Mitt. 1988, 208
[Ver-fassungsbeschwerde nicht angenommen, [X.], [X.]eschluss vom 28. März 1988 -
1 [X.]vR 399/88]; vom 20. April 1999 -
AnwZ ([X.]) 51/98, [X.]RAK-Mitt. 1999, 185; vom
18. Oktober 1999 -
AnwZ ([X.]) 95/98, [X.]RAK-Mitt. 2000, 42). Wenn ein Rechtsanwalt wegen eines Verbrechens zu einer Freiheitsstrafe von [X.] einem Jahr verurteilt worden ist, dann zeigt das, dass er in besonders schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten verstoßen hat und damit eine Gefahr für eine geordnete Rechtspflege darstellt. Dass einem solchen Anwalt ohne weitere Prüfung die Ausübung seines [X.]erufes untersagt wird, stellt keine unverhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der Rechtsuchenden dar, zumal die Untersagung jeglicher anwaltlicher [X.]erufsausübung nach § 45 Abs. 1 StG[X.], § 7 Nr. 2 [X.] auf 5
Jahre
beschränkt ist.
Allgemeine Verhältnismäßigkeits-überlegungen wie der Zeitablauf seit der Tat treten beim Widerruf der Zulas-5
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sung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nach der ausdrücklichen Wertung des [X.] gegenüber der Schwere des Pflichtenverstoßes zurück.
b) Abgesehen davon, dass die Richtigkeit der strafgerichtlichen [X.] im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden darf (vgl. [X.]GH, Senats-beschlüsse
vom 8. Februar 1988 und vom 18. Oktober 1999,
aaO),
bestehen auch keine verfassungsrechtlichen
[X.]edenken gegen die Verurteilung des [X.] wegen [X.] nach § 356 Abs. 2 StG[X.]. Das [X.]undesverfassungsge-richt hat die Verfassungsbeschwerde des [X.] nicht angenommen ([X.]e-schluss vom 16. Mai 2011 -
2 [X.]vR 1230/10). Die Aufgabe einer in der Recht-sprechung bislang vertretenen Auslegung verstößt nicht als solche gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ist die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend [X.] ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält
([X.], aaO juris Rn. 15). Im Ausgangsfall lag ein Vertrauenstatbestand be-reits mangels gefestigter Rechtsprechung nicht vor, die Auslegung hielt sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung ([X.],
aaO juris Rn. 17). Auch die Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG (Verbot einer rückwirkenden Verschär-fung der Strafbarkeit) a

würde jedenfalls vo-raussetzen, dass die frühere Rechtsprechung durch ein Mindestmaß an Konti-nuität einen Vertrauenstatbestand begründen konnte ([X.],
aaO
juris Rn.
20), was hier nicht der Fall war.
c) Der Zulassungsantrag des [X.] zeigt außer den verfassungsrecht-lichen [X.]edenken keine schlüssigen
Argumente auf, die im konkreten Fall einem Widerruf der Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegenstehen könnten (vgl. hierfür beispielsweise den Fall der Verurteilung wegen einer unter der [X.] des StG[X.]-DDR begangenen Rechtsbeugung
nach § 339
StG[X.] als milde-7
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rem Recht [X.]GH, Senatsbeschluss vom 18. Juni 2001 -
AnwZ ([X.]) 46/00, NJW 2001, 2407).
2. Auch der weiter angeführte [X.] der besonderen tatsäch-lichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§
112e Satz
2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
2 VwGO) liegt
nicht vor.
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung weist eine Rechts-sache dann besondere
tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn sie wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden
Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht
und sich damit von den üblichen verwaltungsge-richtlichen
Streitigkeiten deutlich abhebt (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 12. November 2010 -
1
L 134/10, juris Rn. 7; [X.], [X.]eschluss vom 17. Januar 2011 -
14
Z[X.] 10.1569, juris Rn. 10). Diese Grundsätze lassen sich auch auf die verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen übertragen
(Henss-ler/Prütting,
aaO
§ 112e Rn. 11 m.w.N.).
Die Rechtssache
als solche wirft hier keine komplexen
Tatsachen-
oder Rechtsfragen auf, die ihre [X.]eurteilung erschweren. Der zugrunde liegende Sachverhalt steht aufgrund der [X.]indungswirkung des Strafurteils fest
und wird vom Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht in Frage gestellt. Die
Rechtslage ist in § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] eindeutig geregelt. Gegen die Verfassungsmä-ßigkeit der gesetzlichen Regelung bestehen, wie bereits ausgeführt, keine [X.]e-denken.
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-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des [X.] auf §
194 Abs.
2 Satz
1 [X.].
Kessal-Wulf

Roggenbuck [X.]

[X.] Quaas

Vorinstanz:
AGH [X.]randenburg, Entscheidung vom 09.05.2011 -
AGH I 3/10 -
12

Meta

AnwZ (Brfg) 30/11

28.10.2011

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.10.2011, Az. AnwZ (Brfg) 30/11 (REWIS RS 2011, 1831)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1831

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 109/07

5 StR 491/09

2 BvR 1230/10

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