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Leistungen, Asylantrag, Bescheid, Abschiebung, Abschiebungsanordnung, Asyl, Einreise, Bedarfsgemeinschaft, Verwaltungsakt, Anordnungsgrund, Unterkunft, Anordnung, Bundesgebiet, Vollziehung, aufschiebende Wirkung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, aufschiebenden Wirkung
I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
I.
Der am xx.xx.1985 geborene Antragsteller ist nach eigenen Angaben somalischer Staatsangehöriger und am 22.07.2021 in das Bundesgebiet eingereist und beantragte am 27.08.2021 Asyl.
Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 06.10.2021 als unzulässig abgelehnt, weil die Schweden aufgrund des dort gestellten Asylantrags für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Die Abschiebung nach Schweden wurde angeordnet.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO des Klägers gegen den Bescheid wurde mit Beschluss des VG Würzburg vom 29.10.2021 unanfechtbar abgelehnt. Die Klage gegen den Bescheid des Klägers vor dem Verwaltungsgericht Würzburg ist unter dem Aktenzeichen W 4 S 21.50261 noch anhängig.
Der Antragsteller ist dem Antragsgegner zugewiesen.
Auf den Leistungsantrag vom 10.08.2021 wurden dem Antragsteller vom Antragsgegner Leistungen nach § 3 AsylbLG Regelbedarfsstufe 2 mit Bescheid vom 12.08.2021 ab 04.08.2021 bis auf weiteres in Höhe von mtl. 121,50 € und Sachleistungen bewilligt.
Am 11.10.2021 wurde dem Antragsgegner von der Zentralen Ausländerbehörde Unterfranken (ZAB) mitgeteilt, dass der Asylantrag des Antragsstellers vom BAMF mit Bescheid vom 06.10.2021 als unzulässig abgelehnt worden war.
Der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Anhörungsschreiben vom 13.10.2021 zu einer beabsichtigten Leistungsabsenkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG an. Es erfolgte keine Äußerung.
Mit streitgegenständlichen Bescheid vom 26.10.2021 stellte der Antragsgegner eine Leistungseinschränkung für den Antragsteller nach § 1a Abs. 7 AsylbLG vom 01.11.2021 bis 30.04.2022 fest und hob den Bescheid vom 12.08.2021 ab 01.11.2021 auf.
Der Leistungsantrag nach § 3 AsylbLG wurde ab 01.11.2021 bis 30.04.2021 abgelehnt.
Hiergegen erhob der Bevollmächtigte Widerspruch am 03.11.2021 und erhob am selben Tag Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Sozialgericht mit Antrag auf Prozesskostenhilfe.
Der Antragsteller begehrt uneingeschränkte Leistungen nach §§ 3, 3a Abs. 1 Nummer 1, Abs. 2 Nummer 1 AsylbLG der Regelbedarfsstufe 1.
Dies wird damit begründet, dass die Leistungseinschränkungen nach § 1a AsylbLG verfassungswidrig seien, da sie das durch Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzten.
Gesichert werden müsse einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die Menschenwürde stehen allen Menschen zu und gehe auch nicht durch vermeintlich unwürdiges Verhalten verloren. Die Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht relativierbar, die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG verfolge kein legitimes Ziel im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der Gesetzgeber wollte nur unerwünschte Sekundärmigration eindämmen.
Außerdem sei die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG nicht verhältnismäßig. Die Antragsteller seien außerordentlich belastet durch die Streichung grundrechtlich gesicherter Positionen. Solche Leistungsminderung seien nur verhältnismäßig, wenn dies im rechtlichen Verhältnis zu den verfolgten Zielen stünde. Dies sei nicht der Fall, da im Bereich des § 1a Abs. 7 keine Reaktionsmöglichkeit der Betroffenen bestünde. Der Ast nimmt insoweit wiederholt Bezug auf die Rechtsprechung des BVerfG vom 05.11.2019, 1 BvL 7/16 und nun auch auf die Entscheidung BVerfG vom 12.05.2021 - 1 BvR 2682/17.
Außerdem sei der Sanktionszeitraum zu lang, die starre Frist des § 14 AsylbLG von 6 Monaten ohne Möglichkeit des Einzelnen die Sanktion durch eigenes Handeln abzuwenden sei nicht mit Art. 1 iVm Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar.
Die Leistungseinschränkung auf den Bedarf für Ernährung, Unterkunft einschließlich Heizung, Körper- und Gesundheitspflege sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Die Leistungshöhe betrage nur noch ca. 50% der sonst zustehenden Leistungen.
§ 1a Abs. 7 AsylbLG sei auch tatbestandlich nicht erfüllt, § 1a Abs. 7 AsylbLG müsse verfassungsgemäß so ausgelegt werden, dass unter zur Hilfenahme einer teleologischen Reduktion nur solche Verhaltensweisen der Betroffenen sanktionierbar seien, die auf pflichtwidrigem Verhalten des Betroffenen beruhten, die Einreise ins Bundesgebiet sei jedoch kein pflichtwidriges Verhalten. Der Ast sei nie belehrt worden, dass er keinen Asylantrag in Deutschland stellen dürfe.
Denn die Regelung des § 3a Abs. 1 Nr. 2 lit b, Abs. 2 lit 2 AsylbLG sei evident verfassungswidrig, da sie das grundrechtlich garantiere Recht auf Gewährleistung des Existenzminimums verletze und gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße. Eine signifikante Abweichung der Bedarfe von Alleinstehenden außerhalb und innerhalb von Gemeinschaftseinrichtungen sei nicht nachgewiesen. Leistungen von nur 90% des Bedarfs eines Alleinstehenden der Regelbedarfsstufe 1 seien evident zu wenig. Es gebe keinen Beleg dafür, dass Alleinstehende in einer Gemeinschaftsunterkunft zusammen wirtschaften würden oder könnten wie die Partner einer Bedarfsgemeinschaft, oder sich hier Einspareffekte ergäben. Hierzu seien sie auch nicht verpflichtet.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26.10.2021 anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragssteller für den Zeitraum ab 03.11.2021 vorläufig Leistungen nach §§ 3, 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG (Regelbedarfsstufe 1) in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Ag geht davon aus, dass der Bescheid rechtmäßig sei. Der Ast erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 AsylbLG. Die Absenkung sei auch verfassungsgemäß. Die Zuständigkeit für das Asylverfahren liege bei Schweden. In diesen Fällen würde eine Leistungsgewährung an den Ast durch die nicht für das Verfahren zuständige Bundesrepublik gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen. Der Ast verlange eine Besserstellung gegenüber anderen Personenkreisen ohne sachlichen Grund, die auch nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bundesrepublik und des AsylbLG fallen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird Bezug genommen auf die Gerichtakte und die übersandten Verwaltungsaktenteile des Antragsgegners.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, aber nicht begründet.
Als kombinierter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des erhobenen Widerspruchs und Regelungsanordnung auf die höhere Regelbedarfsstufe ist der Antrag statthaft, da in der Hauptsache ein kombinierter Antrag auf Anfechtungs- und Leistungswiderspruch bzw. -klage zu erheben ist, denn allein mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung erreicht der Ast das begehrtes Ziel nicht.
Gemäß § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG haben Widerspruch und Klage gegen Absenkungsbescheide nach § 1a keine aufschiebende Wirkung. Um Leistungen nach § 3 AsylbLG ohne Absenkung nach § 1a AsylbLG zu erhalten ist daher die aufschiebende Wirkung des Absenkungsbescheids erforderlich.
Neben der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des erhobenen Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG (hierzu unter a) ist daher eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2, 2 SGG statthaft, soweit höhere Leistungen nach §§ 3,3a AsylbLG der Regelbedarfsstufe 1 statt der zuvor angeordneten Regelbedarfsstufe 2 begehrt werden (hierzu unter b).
a) Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen, wenn ein überwiegendes Interesse des Ast als durch den Verwaltungsakt Belasteten am Nichtvollzug gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss dabei eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 86b, Rn. 12c m.w.N.), da in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1-4 SGG und damit auch im Falle des hier einschlägigen § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG dem Gesetz ein Regel-Ausnahmeverhältnis zuungunsten des Suspensiveffekts zu entnehmen ist, weil der Gesetzgeber zunächst einmal die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet hat.
Den Erfolgsaussichten der Hauptsache kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die aufschiebende Wirkung angeordnet. Ist die Hauptsache aussichtslos, wird aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten offen, ist eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können, vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/Schmidt, a.a.O., Rn. 12 f). In die Abwägung sind insbesondere die Folgen einzubeziehen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, die Klage aber später Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre, vgl. Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O., Rn. 12 f; Krodel, NZS 2001, 449, 456).
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen, denn die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens gegen den angefochtenen Absenkungsbescheid des Ag vom 26.01.2021 sind wenig erfolgversprechend.
Nach summarischer Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Leistungsabsenkung aus dem Bescheid vom 26.10.2021 Der Bescheid ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde der Ast vor Erlass ordnungsgemäß angehört, vgl. § 28 BayVwVfG.
Das Gericht hat keine erheblichen Zweifel daran, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine nur einschränkte Leistungsgewährung nach § 1a Abs. 7 AsylbLG erfüllt sind.
Gemäß § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 5, deren Asylantrag durch eine Entscheidung des BAMF nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 31 Abs. 6 des AsylG als unzulässig abgelehnt wurde und für die eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 S. 1, 2. Alt. AsylG angeordnet wurde, nur Leistungen entsprechend Absatz 1, auch wenn die Entscheidung noch nicht unanfechtbar ist. Satz 1 gilt nicht, sofern ein Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung angeordnet hat (§ 1a Abs. 7 S. 2 AsylbLG).
Der Ast ist leistungsberechtigt nach § 1 Nr. 5 AsylbLG, der Asylantrag ist als unzulässig nach § 29 AsylG abgelehnt, die Abschiebung nach Schweden wurde im Bescheid des BAMF angeordnet. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO des Ast vor dem VG Würzburg ist erfolglos geblieben.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1a Abs. 7 AsylbLG sind damit offensichtlich vollständig erfüllt.
Damit gilt, dass der Ast nur Leistungen entsprechend Abs. 1 des § 1a AsylbLG erhält, vgl. § 1a Abs. 7 S. 1 AsylbLG.
Der vom Antragsgegner gewährte Leistungsumfang entspricht dem im Gesetz geregelten Umfang (§ 1a Abs. 1 S. 2 AsylbLG in entsprechender Anwendung). Der Bedarf an Ernährung, Körper- und Gesundheitspflege sowie Unterkunft und Heizung wird in der Gemeinschaftsunterkunft geleistet, was dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Sachleistungsprinzip des § 1a Abs. 1 S. 4 AsylbLG entspricht.
Die Leistungen umfassen den Bedarf an physischem Existenzminimum. Weitergehende Leistungen sind nicht vorgesehen. Der Antragsteller hat darüber hinaus Sachleistungen in Form eines freien WLAN-Zugangs. Diese sind ein Teilbereich des soziokulturellen Existenzminimums, welches dem Antragssteller noch zur Verfügung steht.
Die Kammer hat auch keine Bedenken, ob der Verfassungsgemäßheit dieser Vorschrift, so auch SG Osnabrück, Beschluss vom 27.01.2020 - S 44 AY 76/19 zitiert nach bayernrecht.beck.de, a.A. SG Landshut, Beschluss vom 28.01.2020 - S 11 AY 3/20 ER, ebenfalls bayernrecht.beck.de.
Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Absenkung des Leistungsniveaus hat das Gericht auch keine. Eine Absenkung im Hinblick auf das sozio-kulturelle Existenzminimum ist möglich, vgl. Hohm in: PK-AsylbLG, § 1a Rn. 189. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, uneingeschränkt Leistungen zu gewähren. Ein voraussetzungsloser Anspruch auf Sozialleistungen existiert nicht (vgl. Cantzler, AsylbLG, § 1a, Rn. 33 mwN auf BVerfG). Es ist dem Gesetzgeber vielmehr erlaubt, die Leistungsgewährung an Voraussetzungen zu knüpfen.
Die Gewährung eingeschränkter Leistungen nach dem AsylbLG ist in den von der Vorschrift erfassten Fällen durch die gesetzgeberische Zielsetzung gedeckt, einem Verhalten entgegenzuwirken, bei dem im Widerspruch zum europäischen Asylsystem trotz bereits anderweitig laufenden Asylverfahrens in Deutschland Sozialleistungen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes in Anspruch genommen werden (so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 08.07.2019, Az.: L 18 AY 21/19 B ER). Der Ast droht im vorliegenden Fall keine Obdachlosigkeit, die Nahrungs- und Gesundheitsversorgung ist in ausreichendem Maße sichergestellt. Auch vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019, Az.: 1 BvL 7/16, welches vorliegend im Übrigen keine Auswirkungen auf die hiesige Fallgestaltung hat, sieht das erkennende Gericht daher im Rahmen der summarischen Prüfung vorliegend keinen grundrechtsrelevanten Verstoß durch die Leistungseinschränkung als gegeben an, vgl. auch Cantzler, § 1a AsylbLG, a.a.O, Rn. 56 mwN.
Die vom Bevollmächtigen zur Begründung herangezogene Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019 erging in einem gänzlich anderen Zusammenhang und hat daher keine Relevanz für den hier vorliegenden Fall. Sie ist, da in anderem, eben nicht vergleichbaren Zusammenhang ergangen, auch nicht übertragbar, vgl. hierzu SG Osnabrück, Urteil vom 09.04.2021 - S 44 AY 77/19 juris, Rn. 35ff.
Vorliegend geht es nicht um sozialrechtliche Mitwirkungspflichten von Personen, deren Existenzminimums ausschließlich durch die Bundesrepublik zu gewährleisten ist, sondern um ausländerrechtliche Pflichten, die Situation ist vorliegend eine gänzlich andere: der Ast hat aufgrund des ablehnenden Bescheids derzeit keine Bleibeperspektive, der Ast hat die Bundesrepublik zu verlassen. Ein anderer europäischer Mitgliedsstaat ist verpflichtet, das Existenzminimum der Ast sicherzustellen und auch dazu bereit. Hier durch die Absenkung des Leistungsniveaus Ausreiseanreize zu setzen, ist somit ein legitimes Ziel.
Auch verbietet sich eine über den Wortlaut der Vorschrift des § 1a AsylbLG hinausgehende Auslegung der Vorschrift auf weitergehende Leistungen, vgl. SG Osnabrück a.a.O. Rn. 34 ff., a.A. SG Landhut, a.a.O.
Auch aus den Entscheidung des BVerfG vom 18.07.2012- 1 BvL 10/10 u.a. lassen sich keine Auswirkungen auf die hiesige Fallkonstellation herleiten. Denn diese Entscheidung ist zur Bemessung des allgemeinen Regelbedarfs von Berechtigten nach Asylbewerberleistungsgesetz ergangen, dieser darf nicht aus migrationspolitischen Gründen abgesenkt werden. Ob und in welcher Form Sanktionstatbestände und eine damit einhergehende Leistungsabsenkung auszugestalten sind, war kein Gegenstand dieser Entscheidung.
Auch die Entscheidung des BVerfG vom 12.05.2021 - 1 BvR 2682/17 trifft keine Aussagen zur aktuellen Vorschrift, da sie zur Vorgängervorschrift ergangen ist. Im Übrigen ist beim Ast auch keine vollständige Streichung des soziokulturellen Existenzminimums erfolgt, da der Ast nach wie vor Zugang zum kostenfreien WLAN gewährt wird und damit ein wesentlicher Teil des soziokulturellen Existenzminimums gewährleistet ist.
Der Ag hat die Kürzung der Leistungen auf die Zeit vom 01.11.2021 bis zum 30.04.2022 und damit auf sechs Monate gemäß §§ 1a Abs. 1, 14 Abs. 1 AsylbLG begrenzt. Auch hier sieht das Gericht keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die sechsmonatige Absenkung, die im Übrigen hier erstmals verhängt wurde. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird gewahrt.
Auch die Interessenabwägung fällt nicht zugunsten des Ast aus.
Das öffentliche Interesse an der Vollziehung des nach summarischer Prüfung rechtmäßigen Verwaltungsaktes überwiegt daher unter Berücksichtigung aller maßgebliche Gesichtspunkte das Interesse der Ast an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.
b) Der Ast hat auch keinen Anspruch auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG im Hinblick auf die begehrten Leistungen nach § 3, 3a Abs. 1 Nr. 1, 2 Nr. 1 AsylbLG, sog. Regelbedarfsstufe 1.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Verhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung).
Da der Antragsteller hier die Gewährung von Leistungen als Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis begehrt, stellt diese Vorschrift die richtige Rechtsgrundlage dar.
Erforderlich für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht nur ein Anordnungsgrund im Sinne der besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG im Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917 918 ZPO), sondern auch das Bestehen eines Anordnungsanspruchs im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Sache bestehenden materiellen Rechts (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Die Angaben hierzu hat der Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 2 und 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (vgl. BVerfG vom 12.05.2005, Az.:1 BvR 569/05) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Ast zu entscheiden (vgl. BVerfG a.a.O. zuletzt BVerfG vom 15.01.2007, 1 BvR 2971/06).
In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (vgl. BVerfG vom 12.05.2007, a.a.O.)
Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen waren dem Antragsteller keine Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuzusprechen.
Denn es sind weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund ausreichend glaubhaft gemacht.
Vor allem aber ist der Antrag bereits unzulässig.
Zu beachten ist nämlich, dass die vor der Absenkung durch Bescheid vom 26.10.2021 getroffene Verbescheidung auf Leistungen nach § 3 AsylbLG der Regelbedarfsstufe 2 vom 12.08.2021 nach Aktenlage nicht angegriffen worden ist, und daher, sollte der Absenkungsbescheid als rechtswidrig aufgehoben werden bzw eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs angeordnet werden, bereits eine bestandskräftige Verbescheidung dieser Regelbedarfsstufe vorliegt, die mit einer Aufhebung des Bescheids vom 26.10.2021 wiederauflebt.
Der ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist daher bereits unzulässig, soweit eine Abänderung der Regelbedarfsstufe 2 trotz bestandskräftiger Verbescheidung derselben hier vom 12.08.2021 als Dauerverwaltungsakt begehrt wird, da nach Aktenlage dieser Bescheid bisher nicht angegriffen ist.
Nach Auffassung der Kammer ist aber darüber hinaus auch ein Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
Die monatliche Differenz zwischen Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 und Regelbedarfsstufe 2 eines Alleinstehenden in 2021 beträgt 36 € und liegt damit bei ca. 10% der Grundleistungen eines Alleinstehenden der Regelbedarfsstufe 1, die monatlich ab 01.01.2020 364 € (Regelbedarfsstufe 1) bzw. 328 € (Regelbedarfsstufe 2) betragen, vgl. §§ 3a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 iVm Bekanntmachung über die Leistungssätze des BMAS ab 01.01.2021.
Warum hier ein Zuwarten auf die Hauptsache nicht zumutbar sein soll, erschließt sich der Kammer nicht.
Um einen unabwendbaren Nachteil im verfassungsprozessrechtlichen Sinn annehmen zu können, muss vielmehr vorgetragen werden oder erkennbar sein, dass durch eine spätere Entscheidung nicht mehr korrigierbare, irreparable Schäden drohen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19.09.2017, Az.: 1 BvR 1719/17). Mangels Vortrag bzw. ausreichender Anhaltspunkte sind solche nicht ersichtlich.
Sollte der Ast in der Hauptsache obsiegen, wird eine Nachzahlung der Summe veranlasst, warum hier ein Abwarten unzumutbar sein sollte, ist nicht nachvollziehbar, noch wurde hierzu vorgetragen.
Das öffentliche Interesse an der Vollziehung des rechtmäßigen Verwaltungsaktes überwiegt daher unter Berücksichtigung aller Einzelheiten des Einzelfalls das Interesse des Ast an der Anordnung weitergehender Leistungen als der bewilligten.
Nach alledem konnte der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz keinen Erfolg haben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG in entsprechender Anwendung und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
3. Das Gericht geht von einem Streitwert über 750 € aus.
Letztlich begehrt der Ast sowohl den bisherigen Betrag von monatlich 121,50 € an Geldleistungen sowie die Differenz von Regelbedarfsstufe 1 zu 2. Damit werden 6x 121,50 = 729 € zuzüglich der Differenz von 36 €x 6= 216 € (36 € =Unterschied von Regelbedarfsstufe 1 und 2 in § 3 für 2021) insgesamt also ca. 945 € begehrt. Diese Summe übersteigt die maßgebliche Beschwerdesumme (vgl. §§ 172, 173 Abs. 2 iVm § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG).
III.
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die Angelegenheit aufgrund der obigen Ausführungen auch unter Zugrundelegung einer weiten Auslegung des § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO). Da die Entscheidungsreife von Eilantrag und Prozesskostenhilfeantrag zum selben Zeitpunkt vorlagen, ist die Entscheidung gleichzeitig ergangen, vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG,12. Aufl. § 86b Rn. 16.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
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18.11.2021
Entscheidung
Sachgebiet: AY
Zitiervorschlag: SG Würzburg, Entscheidung vom 18.11.2021, Az. S 18 AY 150/21 ER (REWIS RS 2021, 9822)
Papierfundstellen: REWIS RS 2021, 9822
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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