Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2016, Az. 5 AZR 229/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 12223

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Gegenstand

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall - Abweichende Bemessungsgrundlage


Leitsatz

Über- oder außertarifliche Vergütung kann durch eine tarifliche Regelung nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG (juris: EntgFG) nicht von der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgenommen werden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Oktober 2014 - 6 Sa 955/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

2

Der Kläger ist bei der [X.] bzw. deren [X.] seit 1977 als Mitarbeiter in der Vorfeldabfertigung beschäftigt. Er wird am [X.] eingesetzt und erhielt bis zum 31. August 2013 Vergütung nach dem von der [X.], einer der [X.] der [X.], und der [X.] ([X.]) geschlossenen [X.] Nr. 10 vom 27. Januar 2004.

3

Am 25. Februar 2013 schlossen der [X.] und [X.] ([X.]) und [X.] den Manteltarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in [X.] und [X.] ([X.]), der mit Wirkung vom 1. September 2013 für den Bereich der Länder [X.] und [X.] für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Dort ist ua. geregelt:

        

„3. Abschnitt: Vergütung

        

§ 13   

        

Allgemeines

        

Der Beschäftigte hat für die von ihm geleistete Arbeit Anspruch auf Vergütung.

        

(1)     

Die Vergütung besteht aus

                 

(a)     

dem Monatsgrundentgelt gemäß § 14,

                 

(b)     

etwaigem Überstundenzuschlag gemäß § 15 Abs. (3),

                 

(c)     

etwaigen Zuschlägen gemäß § 16,

                 

(d)     

etwaigen weiteren in einem [X.] geregelten Entgeltbestandteilen,

                 

(e)     

etwaigen Zulagen.

        

…       

        
        

§ 14   

        

Monatsgrundentgelt (Tabellenentgelt)

        

(1)     

Die Höhe des [X.] bemisst sich nach dem jeweils gültigen Vergütungstarifvertrag.

        

…       

        
        

§ 16   

        

Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- sowie Nachtarbeit

        

(1)     

Für Feiertagsarbeit (§ 10 (1)), Sonntagsarbeit (§ 11) und für Nachtarbeit (§ 12 (1)) werden finanzielle Zuschläge je geleisteter Arbeitsstunde gewährt.

        

(2)     

Der Zuschlag auf das anteilige Tabellenentgelt beträgt für jede geleistete Arbeitsstunde: (…)

        

§ 17   

        

Zahlung der Vergütung

        

(1)     

Das Monatsgrundentgelt und die Zulagen werden monatlich bargeldlos für den laufenden Monat bis zum 27. des Monats gezahlt; fällt der 27. auf einen Tag, der nicht Bankarbeitstag ist, hat er zum letzten vorherigen Bankarbeitstag zu erfolgen.

        

…       

        
        

5. Abschnitt: Arbeitsunfähigkeit, Sterbegeld

        

§ 22   

        

Arbeitsunfähigkeit

        

…       

        
        

(6)     

Wird ein Beschäftigter durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.

        

…       

        
        

(8)     

Soweit nicht in der Anlage für [X.]-[X.] etwas anderes vereinbart wird, ist als Vergütung während der [X.] das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 zuzüglich etwaiger gemittelter zu versteuernder Zuschläge nach § 16 zu zahlen. Bemessungszeitraum für die Durchschnittsberechnung sind jeweils die letzten drei vollen Kalendermonate vor Beginn der Krankheit.

        

…       

        
        

§ 35   

        

Inkrafttreten und Vertragsdauer

        

Dieser Tarifvertrag tritt zum Zeitpunkt der Wirkung der Erteilung der Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages samt Anlage für [X.]-[X.] sowie des Vergütungstarifvertrages für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in [X.] und [X.] vom 25. Februar 2013 für die Länder [X.] und [X.] in [X.].“

4

Die „Anlage zum [X.] für [X.]-[X.]“ lautet auszugsweise:

        

„Sonderregelung zu § 22 Abs. 8 [X.]

        

Als Vergütung während der [X.] ist das anteilige Monatsgrundentgelt nach § 14 [X.] zu zahlen.“

5

Am selben Tag schlossen der [X.] und [X.] den - ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärten - [X.] für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in [X.] und [X.] ([X.] [X.]), der eine Eingruppierung der Beschäftigten nach der überwiegend auszuübenden Tätigkeit in acht Entgeltgruppen vorsieht und Tabellenentgelte für die Jahre 2013 bis 2015 festlegt. Außerdem heißt es dort:

        

„§ 6   

        

Ablösung von Tarifverträgen

        

Namens und in Vollmacht der (…) [X.] B GmbH & Co. KG, der A G S B GmbH & Co. KG, (…) heben die Parteien folgende Tarifverträge mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrages auf:

        

• Vergütungstarifvertrag Nr. 10 vom 27. Januar 2004 zwischen der [X.] (heute [X.] & Co. KG) und [X.] nebst aller seiner Ergänzungen sowie aller etwaig in der Nachwirkung befindlicher Regelungen zur Vergütung,

        

…       

        

Mit Inkrafttreten dieses Tarifvertrages tritt dieser an die Stelle der oben genannten Tarifverträge und wirkt unmittelbar und zwingend. Das gilt auch für künftige Änderungen und/oder Ergänzungen dieses Vergütungstarifvertrages.

        

§ 7     

        

Inkrafttreten und Vertragsdauer

        

Dieser Tarifvertrag tritt zum Zeitpunkt der Wirkung der Erteilung der Allgemeinverbindlicherklärung dieses Tarifvertrages samt Anlagen sowie des Manteltarifvertrages für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in [X.] und [X.] vom 25. Februar 2013 für die Länder [X.] und [X.] in [X.].“

6

Ebenfalls am 25. Februar 2013 vereinbarten die [X.] und [X.] einen Überleitungstarifvertrag ([X.]), der auszugsweise lautet:

        

„Präambel

        

Am 25. Februar 2013 haben [X.] und der Arbeitgeberverband [X.] den Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienstleistungen an Flughäfen in [X.] und [X.] (nachfolgend: „[X.] [X.]“) abgeschlossen, der den momentan geltenden Vergütungstarifvertrag Nr. 10 vom 27. Januar 2004 zwischen der [X.] (heute [X.] & Co. KG) und [X.] („[X.] [X.]“) nebst aller seiner Ergänzungen sowie aller etwaig in der Nachwirkung befindlicher Vergütungsregelungen (…) ablöst. Im Hinblick darauf schließen die Parteien den folgenden Überleitungstarifvertrag, der den Mitarbeitern bestimmte Besitzstände sichern soll.

        

…       

                 
        

B. [X.]

        

Ungeachtet der Regelungen in Punkt A vereinbaren die Parteien für Beschäftigte, die am 31. Dezember 2012 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis mit der A G S B GmbH & Co. KG stehen (nachfolgend Beschäftigte) nachfolgende [X.].

        

…       

        

Teil 2: Vorschriften zur Entgeltsicherung

        

I.    

        

(1)     

Beschäftigte erhalten eine [X.], wenn das Monatsgrundentgelt unmittelbar vor Inkrafttreten des [X.] [X.] höher ist als das Monatsgrundentgelt der jeweils gültigen Anlage 3 zum [X.] [X.] zzgl. der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2 - 4 [X.] [X.] zum Zeitpunkt des Inkrafttretens und zwar in Höhe der Differenz.

        

(2)     

Basis für die Berechnung der zu vergleichenden Entgelte ist bei Vollzeitkräften die jeweilige tarifvertragliche Arbeitszeit gemäß § 5 [X.] [X.] bzw. § 5 [X.] [X.] und bei Teilzeitkräften die individuell unbefristet vereinbarte Arbeitszeit. Für die Berechnung der Vergütung wird die am Tag vor Inkrafttreten unbefristet vertraglich vereinbarte Tätigkeit zugrunde gelegt.

        

(3)     

Die sich aus der Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit in § 5 [X.] [X.] ergebenden zusätzlichen Arbeitsstunden werden auf Basis des jeweils gültigen [X.] [X.] vergütet.

        

II.     

        

Abweichend von § 15 Abs. 3 [X.] [X.] sowie § 16 Abs. 2 [X.] [X.] wird für die [X.] neben dem anteiligen Monatsgrundentgelt die anteilige [X.] zugrunde gelegt.

        

…       

        

V.    

        

Tariflich vereinbarte und individuelle Erhöhungen des [X.] (Anlage 3a/3b des [X.] [X.]) sowie der regelmäßigen Zulagen nach § 5 Abs. 2 - 4 [X.] [X.] gelten auch für Beschäftigte mit [X.], wobei von dieser Erhöhung 35 % auf die [X.] angerechnet werden.“

7

Seit September 2013 erhält der Kläger ein Bruttomonatsgehalt von 2.639,80 Euro, das sich aus einem „Tarifgehalt“ von 1.582,31 Euro brutto und einer „[X.]“ von 1.057,49 Euro brutto zusammensetzt.

8

Im vierten Quartal 2013 war der Kläger mehrfach arbeitsunfähig krank. Jeweils in den Folgemonaten rechnete die [X.] die zunächst voll gezahlte [X.] für die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit zurück und brachte für Oktober bis Dezember 2013 insgesamt 1.440,60 Euro brutto in Abzug.

9

Der Kläger hat geltend gemacht, die [X.] sei nicht berechtigt, die [X.] für Zeiten, in denen er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall habe, zu kürzen.

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die [X.] zu verurteilen, an ihn 1.440,60 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die [X.] verpflichtet ist, in die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch die [X.] gemäß Überleitungstarifvertrag zum Vergütungstarifvertrag [X.] einzubeziehen.

Die [X.] hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie schulde die [X.] für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht. § 22 Abs. 8 [X.] iVm. der Anlage zum [X.] für [X.]-[X.] beschränke die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für alle Arbeitnehmer auf das Monatsgrundentgelt nach § 14 [X.] [X.].

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die [X.] ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]n ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der [X.]n gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist sowohl im Zahlungs- als auch im Feststellungsantrag zulässig und begründet.

[X.] Die Klageanträge sind zulässig.

1. Der [X.] ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. [X.] sind mit ihm - der Höhe nach unstreitige - Abzüge vom Entgelt, die die [X.] im Streitzeitraum wegen Arbeitsunfähigkeit vorgenommen hat.

2. Der Feststellungsantrag ist in der gebotenen Auslegung, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die von der [X.]n nach dem [X.] gewährte [X.] umfasst, als Zwischenfeststellungsklage iSd. § 256 Abs. 2 ZPO (vgl. dazu [X.] 21. Oktober 2015 - 4 [X.] - Rn. 17) zulässig. Die zwischen den Parteien streitige Frage hat über den Leistungsantrag hinaus Bedeutung für künftige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des [X.], der gerichtlich zu klärende Geldfaktor schafft Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten.

I[X.] Der Anspruch des [X.] auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall umfasst die [X.] nach B. Teil 2 [X.] (1) [X.]. Die [X.] war daher nicht berechtigt, diese zu kürzen.

1. Allerdings schuldet die [X.] die [X.] nicht bereits nach § 22 Abs. 8 [X.] [X.]. der Anlage zum [X.] für [X.].

a) Der [X.] BVD ist ein [X.], dessen Rechtsnormen jedenfalls kraft Allgemeinverbindlicherklärung das Arbeitsverhältnis der Parteien mit unmittelbarer und zwingender Wirkung erfassen, § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.]. Aufbauend auf die Bestandteile der tariflichen Vergütung (§ 13 (1) [X.] BVD) übernimmt § 22 Abs. 8 [X.] BVD für das Monatsgrundentgelt das Lohnausfallprinzip, während die in § 16 [X.] BVD vorgesehenen Zuschläge für Feiertags-, Sonntags- sowie Nachtarbeit im Krankheitsfall nach einem Referenzprinzip fortgezahlt werden sollen, aber nach der Anlage zum [X.] für [X.] gänzlich entfallen. Diese Abweichung von § 4 Abs. 1 [X.] ist von der Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 Satz 1 [X.] gedeckt. Denn tariflich gewährte Zuschläge dürfen die Tarifvertragsparteien aus der Entgeltfortzahlung herausnehmen und den Geldfaktor auf die Grundvergütung reduzieren (vgl. [X.] 10. Dezember 2013 - 9 [X.] - Rn. 27; 24. März 2004 - 5 [X.] - zu [X.] aa der Gründe mwN, [X.]E 110, 90). Doch streiten die Parteien über die Fortzahlung von im [X.] BVD oder [X.] vorgesehenen Zuschlägen nicht.

b) Der Wortlaut des § 22 Abs. 8 [X.] BVD und der der Anlage zum [X.] für [X.] („Monatsgrundentgelt nach § 14 [X.]“) verbietet eine Auslegung, die vom [X.] - einem Firmentarifvertrag - vorgesehene [X.] sei Teil des nach dem [X.] im Krankheitsfall fortzuzahlenden Entgelts. Zudem ist die [X.] ein - im Verhältnis zum [X.] BVD - zusätzlicher Entgeltbestandteil, den die [X.] aufgrund des zwischen ihr und [X.] geschlossenen [X.] zu dem Zweck zahlt, „bestimmte Besitzstände“ zu sichern (Präambel [X.]). Die Beschäftigten sollen nach Inkrafttreten der allgemeinverbindlichen [X.] kein geringeres Entgelt erhalten als dasjenige, das sie aufgrund der vorherigen Rechtsgrundlage bezogen haben.

2. Der Anspruch des [X.] auf die ungekürzte [X.] ergibt sich aus § 3 Abs. 1 [X.] iVm. § 4 Abs. 1 [X.].

a) Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 Abs. 1 [X.]), ist dem Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 [X.] das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Das in dieser Norm verankerte modifizierte [X.] erhält dem Arbeitnehmer grundsätzlich die volle Vergütung ([X.]Rspr., zB [X.] 20. Januar 2010 - 5 [X.] - Rn. 11, [X.]E 133, 101; und ganz herrschende Meinung im Schrifttum, vgl. nur [X.]/[X.]. § 4 [X.] Rn. 11; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 4 [X.] Rn. 3; [X.]/[X.] ArbR-HdB 16. Aufl. § 98 Rn. 71; [X.] [X.] 7. Aufl. § 4 Rn. 27 ff., jeweils mwN).

Im Sinne von § 4 Abs. 1 [X.] „zustehendes Arbeitsentgelt“ ist das (Brutto-)Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden Arbeitszeit unter Beachtung des § 4 Abs. 1a [X.] ohne Arbeitsunfähigkeit erhalten hätte. Dazu zählt auch die [X.] nach dem [X.]. Es steht zwischen den Parteien außer Streit, dass die [X.] - unabhängig von einer beiderseitigen Tarifgebundenheit - die [X.] ungekürzt gezahlt hätte, wäre der Kläger nicht arbeitsunfähig krank gewesen.

b) Durch Tarifvertrag kann gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 [X.] eine von den Absätzen 1, 1a und 3 abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. Dazu gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip) als auch die Berechnungsgrundlage. Die Berechnungsgrundlage setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers ([X.]Rspr., zB [X.] 16. Juli 2014 - 10 [X.] - Rn. 17 mwN).

Dabei sind Abweichungen auch zu Lasten des Arbeitnehmers zulässig. Bei der Gestaltung der Bemessungsgrundlage müssen die Tarifvertragsparteien aber darauf achten, dass sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen die anderen, nach § 12 [X.] zwingenden und nicht tarifdispositiven Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes verstoßen. Die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien findet dort ihre Grenze, wo der Anspruch auf Entgeltfortzahlung in seiner Substanz angetastet wird ([X.] 20. August 2014 - 10 [X.] - Rn. 23 mwN; ebenso die [X.] im Schrifttum, vgl. nur [X.]/[X.]. § 4 [X.] Rn. 23; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 4 [X.] Rn. 47; [X.] [X.] 2. Aufl. § 4 Rn. 71; [X.] [X.] 7. Aufl. § 4 Rn. 196, jeweils mwN). Dabei sind die Tarifvertragsparteien insbesondere an den Grundsatz der vollen Entgeltfortzahlung (100 %) im Krankheitsfall gebunden ([X.] 24. März 2004 - 5 [X.] - zu II 3 b der Gründe, [X.]E 110, 90; 16. Juli 2014 - 10 [X.] - Rn. 18).

c) An einer die Fortzahlung der [X.] ausschließenden abweichenden Bemessungsgrundlage fehlt es.

aa) § 22 Abs. 8 [X.] [X.]. der Anlage zum [X.] für [X.] erfasst nicht über die verbandstarifliche Vergütung hinausgehende über- oder außertarifliche Entgeltbestandteile.

(1) Die Tarifnorm enthält zwar eine abweichende Bemessungsgrundlage iSd. § 4 Abs. 4 Satz 1 [X.]. Der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unterliegt nur das Monatsgrundentgelt nach § 14 [X.] BVD. Dessen Höhe ergibt sich aus der Eingruppierung des Beschäftigten in die Entgeltgruppen des [X.] [X.]. den jeweiligen Tabellenentgelten, §§ 2, 3 Abs. 1 [X.].

Die Regelung erfasst aber nur die tarifliche Vergütung. Die Formulierung „als Vergütung während der [X.]“ nimmt Bezug auf § 13 [X.] BVD, der die Vergütungsbestandteile, die der Beschäftigte für die von ihm geleistete Arbeit soll beanspruchen können, aufzählt, wobei in den nachfolgenden Tarifnormen die einzelnen Vergütungsbestandteile näher bestimmt werden. Damit ist klar geregelt, welche Bestandteile der tariflichen Vergütung im Krankheitsfalle der Entgeltfortzahlung unterliegen und welche nicht.

Dagegen ist die streitgegenständliche, durch einen Firmentarifvertrag (nur) für bestimmte Beschäftigte der [X.]n geschaffene [X.] weder im [X.] BVD noch im [X.] erwähnt.

(2) Selbst wenn die Parteien des [X.] BVD - wie die [X.] vorbringt - den Willen (zu den Regeln der Tarifauslegung [X.] 24. Februar 2016 - 5 [X.]/15 - Rn. 15, st. Rspr.) gehabt hätten, bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die Fortzahlung der - nicht im [X.] geregelten - [X.] auszuschließen, könnte ein solcher Wille nicht berücksichtigt werden, weil er in den Normen der von [X.] und [X.] geschlossenen Tarifverträge keinen hinreichend klaren Niederschlag gefunden hat.

(3) Zudem fehlte es den Parteien des [X.]s an der erforderlichen Tarifmacht zur Regelung des Schicksals zusätzlicher (über- oder außertariflicher) Entgeltbestandteile bei Erkrankung des Arbeitnehmers.

Gegenstand kollektiver Regelung durch tarifliche Inhaltsnormen ist die Festsetzung allgemeiner und gleicher Mindestarbeitsbedingungen. Die Möglichkeit, demgegenüber arbeitsvertraglich günstigere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren, kann ein Tarifvertrag nicht einschränken, § 4 Abs. 3 [X.] (vgl. zum Günstigkeitsprinzip: [X.]/[X.] 16. Aufl. § 4 [X.] Rn. 31 ff.; [X.] in [X.]/Krause/[X.]/[X.] Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 7 Rn. 16 ff.; [X.]/[X.] ArbR-HdB 16. Aufl. § 207 Rn. 19 ff., jeweils mwN). Über- oder außertarifliche Vergütung im Krankheitsfall über § 4 Abs. 4 Satz 1 [X.] abzusenken, scheidet damit aus (vgl. [X.] in Kittner/Zwanziger/Deinert Arbeitsrecht 8. Aufl. § 39 Rn. 195).

Ebenso wenig können die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber Vorgaben für den außertariflichen Bereich machen ([X.] 23. März 2011 - 4 [X.] - Rn. 38 ff., [X.]E 137, 231), dieser ist nicht „tarifierbar“ ([X.] 26. August 2009 - 4 [X.] - Rn. 49). Schließt der - tarifgebundene - Arbeitgeber zusätzlich zu einem seinen Betrieb erfassenden [X.] einen Firmentarifvertrag, ist es allein dessen Sache, „zusätzliche“ Leistungen inhaltlich zu regeln. Sieht ein Firmentarifvertrag einen im Verhältnis zum [X.] „außertariflichen“, weil zusätzlichen Entgeltbestandteil vor, bemisst sich dessen Fortzahlung im Krankheitsfall nach § 4 Abs. 1 [X.]. Soll davon abgewichen werden, bedarf dies einer klaren Regelung im Firmentarifvertrag.

bb) Eine solche enthält der [X.] nicht.

Nach B. Teil 2 [X.] (1) [X.] erhalten Beschäftigte, die am 31. Dezember 2012 in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis mit der [X.]n standen, eine [X.] in Höhe der Differenz zwischen ihrem Monatsgrundentgelt unmittelbar vor Inkrafttreten des [X.] und dem jeweiligen tariflichen Monatsgrundgehalt nach dem [X.]. Damit sollte - unstreitig - ein Absinken der bis dahin von der [X.]n gezahlten Entgelte durch die in den erstmals vereinbarten und für allgemeinverbindlich erklärten [X.]n enthaltene neue Vergütungsstruktur vermieden werden.

Eine ausdrückliche Regelung, die [X.] solle nur für tatsächliche Arbeit geleistet werden oder nicht in die Bemessung der Entgeltfortzahlung einfließen, fehlt. Auch B. Teil 2 I[X.] [X.], der bestimmt, dass bei der Berechnung der Zuschläge für Überstunden, Feiertags-, Sonntags- und Nachtarbeit neben dem anteiligen Monatsgehalt die anteilige [X.] zugrunde gelegt wird, lässt keinen sicheren ([X.] zu. Denn ohne eine solche Regelung wären die genannten tariflichen Zuschläge nach § 15 Abs. 3 und § 16 Abs. 2 [X.] BVD nur nach dem Tariflohn berechnet worden, während die [X.] als - im Verhältnis zum [X.] BVD - außertarifliche Leistung ohne abweichende Regelung als Bestandteil des Arbeitsentgelts bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu berücksichtigen ist.

Fehlt es im [X.] für die [X.] an einer klaren Regelung einer iSd. § 4 Abs. 4 Satz 1 [X.] abweichenden Bemessungsgrundlage, so bleibt es insoweit beim Grundsatz des § 4 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.] 20. Januar 2010 - 5 [X.] - Rn. 12, [X.]E 133, 101). Sollten - wie die [X.] vorbringt, der Kläger bestreitet - die Parteien des [X.] tatsächlich den übereinstimmenden Willen gehabt haben, die [X.] aus der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle auszunehmen, hätte dies in den Normen des [X.] klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen.

3. Die Höhe der jeweiligen Kürzung der [X.] wegen Arbeitsunfähigkeit ist unstreitig und vom [X.] ohne Angriffe der Revision festgestellt. In ihrer Summe ergeben sie den von den Vorinstanzen zugesprochenen Betrag.

4. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Vergütung ist nach § 17 Abs. 1 [X.] BVD spätestens am 27. des Monats fällig. Die [X.] befand sich deshalb ab den von den Vorinstanzen zugesprochenen Zeitpunkten mit der zu Unrecht gekürzten laufenden Vergütung im Verzug.

II[X.] Die [X.] hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Busch    

        

    Mandrossa    

                 

Meta

5 AZR 229/15

27.04.2016

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 17. April 2014, Az: 28 Ca 1564/14, Urteil

§ 4 Abs 4 S 1 EntgFG, § 3 Abs 1 EntgFG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.04.2016, Az. 5 AZR 229/15 (REWIS RS 2016, 12223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12223

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

4 Sa 658/22

2 Sa 445/15

8 Sa 845/16

8 Sa 999/16

2 Ca 747/22

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