Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.01.2022, Az. XI B 89/21

11. Senat | REWIS RS 2022, 2144

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Gegenstand

Gewährung von Akteneinsicht in den Kanzleiräumen des Prozessbevollmächtigten wegen Zugehörigkeit zu einer sog. "Hochrisiko-Gruppe"


Leitsatz

1. NV: Die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten sind keine Diensträume i.S. des § 78 Abs. 3 FGO.

2. NV: Die Gewährung von Akteneinsicht in den Kanzleiräumen des Prozessbevollmächtigten ist auch unter Geltung des § 78 Abs. 3 Satz 1 FGO in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich.

3. NV: Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn in einer Pandemielage der Berufsträger, der bei der Akteneinsicht mitwirken soll, aufgrund von erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen einer sog. "Hochrisiko-Gruppe" angehört, für die im Falle einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus ein deutlich erhöhtes Risiko von schweren Krankheitsverläufen besteht, die Akteneinsicht durch den Berufsträger in den Diensträumen nur in Anwesenheit von Bediensteten des Gerichts genommen werden dürfte und keine öffentlichen oder dienstlichen Interessen bestehen, die das Interesse, die Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren in Zusammenhang mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, überwiegen.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des [X.] vom [X.] - 11 K 151/21 aufgehoben.

Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass ihrem Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht in seinen Kanzleiräumen gewährt wird.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat am 16.08.2021 gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) Klage vor dem [X.] ([X.]) erhoben, über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Gegenstand der Klage sind Umsatzsteuer- und Zinsbescheide für die Jahre 2015 bis 2018 (Streitjahre), die nach Durchführung einer Außenprüfung ergangen sind.

2

Bereits in der Klageschrift beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Akteneinsicht durch Übersendung der Akten in seine Kanzleiräume.

3

Mit Schreiben vom 15.09.2021 legte das [X.] dem [X.] die vom [X.] angeforderten, den Streitfall betreffenden Akten (drei Bände Steuerakten, eine [X.] und eine Rechtsbehelfsakte) vor. Es verwies zur beantragten Gewährung von Akteneinsicht auf den (im dortigen Streitfall: ablehnenden) Beschluss des [X.] ([X.]) vom 18.03.2021 - V B 29/20 ([X.]E 272, 296, [X.] 2021, 710).

4

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte nach einem Anruf der Berichterstatterin mit Schreiben vom [X.] die Akteneinsicht beim [X.] ([X.]). Die Berichterstatterin verfügte am 28.09.2021, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin Akteneinsicht beim [X.] gewährt werde und die Akten nicht ausgehändigt, sondern nur unter Aufsicht eingesehen werden dürfen.

5

Mit Schreiben vom 14.10.2021 teilte der Prozessbevollmächtigte mit, dass die Räume des [X.] nicht behindertengerecht seien. Er verstehe nicht, warum nicht der Beschluss des [X.] Hamburg (vom 01.02.2021 - 4 K 136/20, Entscheidungen der [X.]e 2021, 386) zur Anwendung komme. Seine Ehefrau, ebenfalls Berufsträgerin und mit ihm in gemeinsamer Kanzlei tätig, solle bei der Akteneinsicht mitwirken, sei schwerbehindert, u.a. auf einen Rollstuhl angewiesen und zähle zu einer Hochrisiko-Gruppe. Sie müsse als Person, die aufgrund einer Erkrankung Immunsuppressiva verabreicht bekomme, im Falle einer Infektion mit dem Corona-Virus mit "sehr, sehr schwerwiegenden Folgen" rechnen. Der Prozessbevollmächtigte beantragte daher u.a. erneut die Übersendung der Akten in seine Kanzleiräume. Falls etwas offengeblieben oder nicht eindeutig sein sollte, bitte er um einen richterlichen Hinweis.

6

Das [X.] lehnte durch Beschluss vom 21.10.2021 - 11 K 151/21 den Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht in den Kanzleiräumen ab. Ein Ausnahmefall, der es erlaube, abweichend von § 78 Abs. 3 Satz 1 der [X.]sordnung ([X.]O) Akteneinsicht nicht in Diensträumen zu gewähren, liege nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte sei selbst nicht behindert und die Akten nicht umfangreich. Die Ehefrau des Prozessbevollmächtigten sei von der Klägerin nicht bevollmächtigt worden. Dass die Ehefrau des Prozessbevollmächtigten in dem vom Prozessbevollmächtigten mitgeteilten Umfang auf Unterstützung angewiesen sei, sei nicht nachgewiesen. Außerdem gehe das [X.] davon aus, dass die Ehefrau des Prozessbevollmächtigten als Berufsträgerin ohnehin Kontakt zu fremden Dritten (Mandanten, Finanzbeamten etc.) habe. Der Prozessbevollmächtigte habe außerdem zwischenzeitlich selbst Akteneinsicht beim [X.] beantragt.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin vom 01.11.2021, der das [X.] nicht abgeholfen hat, und mit der der Prozessbevollmächtigte sein Vorbringen zum Gesundheitszustand seiner Ehefrau sowie zu der sich verschärfenden pandemischen Lage weiter vertieft hat. Außerdem weist der Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass die Spekulationen des [X.] zu den persönlichen Kontakten seiner Ehefrau nicht zuträfen. Die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten und seiner Ehefrau beschäftige u.a. keine Mitarbeiter. Falls weitere Nachweise benötigt würden, bitte die Klägerin um einen richterlichen Hinweis.

8

Das [X.] hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.

9

Wegen der mitgeteilten Einzelheiten zu der vorliegenden Erkrankung ergeht Hinweis auf die eingereichten Schriftsätze und den Inhalt der Akten.

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass ihrem Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht in den Räumen der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten und seiner Ehefrau gewährt wird. Im Streitfall liegt jedenfalls nach dem im Beschwerdeverfahren vertieften Vortrag ein Ausnahmefall vor, der dies ermessensgerecht erscheinen lässt.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Entscheidung über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht stellt keine unanfechtbare prozessleitende Verfügung [X.] von § 128 Abs. 2 [X.]O dar und ist daher beschwerdefähig (vgl. [X.] in [X.], 296, [X.] 2021, 710, Rz 13; vom 22.10.2021 - IX B 38/21, [X.], 33, Rz 2). Beschwerdeführerin ist, wie vom [X.] angenommen, die Klägerin (vgl. allgemein [X.] vom 11.09.2013 - I B 179/12, [X.], 48, Rz 9; [X.] in Tipke/[X.], § 78 [X.]O Rz 21).

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der [X.] übt das ihm selbst zustehende Ermessen dahin gehend aus, dass dem Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht in den Kanzleiräumen gewährt wird.

a) Gemäß § 78 Abs. 1 Sätze 1 und 2 [X.]O i.d.F. seit 01.01.2018 können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Die Akteneinsicht wird, wenn die Prozessakten (bzw. die dem Gericht vorgelegten Akten) --wie im [X.] in Papierform geführt werden, durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt (§ 78 Abs. 3 Satz 1 [X.]O).

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] sind die Kanzleiräume eines Prozessbevollmächtigten keine Diensträume [X.] des § 78 Abs. 3 [X.]O (vgl. [X.] vom 04.07.2019 - VIII B 51/19, [X.]/NV 2019, 1235, Rz 10, und vom 13.06.2020 - VIII B 149/19, [X.]/NV 2020, 1268, Rz 14). Eine Möglichkeit zur Akteneinsicht in den Kanzleiräumen ergibt sich daher, wie das [X.] zutreffend angenommen hat, aus dem Gesetzeswortlaut nicht.

c) Gleichwohl ist auch unter Geltung des § 78 [X.]O i.d.F. seit 01.01.2018 nach der Rechtsprechung des [X.] zur Gewährleistung des Anspruchs der Prozessbeteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs und der Waffengleichheit --in eng begrenzten [X.] eine Gewährung von Akteneinsicht in den Kanzleiräumen des Prozessbevollmächtigten möglich ([X.] in [X.]/NV 2019, 1235, Rz 15; vom [X.], [X.]/NV 2020, 377, Rz 15; in [X.]/NV 2020, 1268, Rz 16; in [X.], 296, [X.] 2021, 710, Rz 18; zweifelnd [X.] vom 06.09.2019 - III B 38/19, [X.]/NV 2020, 91, Rz 9; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung in Bezug auf § 78 [X.]O a.F. s. Beschlüsse des [X.] vom 26.08.1981 - 2 BvR 637/81, [X.] 1982, 77; vom 11.07.1984 - 1 BvR 1532/83, 1 BvR 1533/83, [X.] 1984, 478). Soweit es um einen Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer geht, ist zudem der unionsrechtliche Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte (vgl. dazu Urteile des Gerichtshofs der [X.] vom 09.11.2017 - [X.]/16, [X.]:[X.]; [X.] vom 16.10.2019 - [X.]/18, [X.]:[X.]; [X.] vom 04.06.2020 - [X.]/19, [X.]:[X.]) mit in den Blick zu nehmen.

aa) Im Rahmen der Abwägung sind die für und gegen eine [X.] sprechenden Interessen gegeneinander abzuwägen, d.h. das dienstliche Interesse an einem geordneten Geschäftsgang einerseits (beispielsweise Gefahr von [X.] bzw. -beschädigungen oder gar -manipulationen, Schutz von potenziellen Beweismitteln [Steuererklärungen mit [X.]], jederzeitige Verfügbarkeit der Akten sowie Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber [X.]) mit dem Interesse an der Ersparnis von Zeit und Kosten im Falle der Gewährung der Akteneinsicht außerhalb von Diensträumen andererseits. Im Rahmen dieses Abwägungsprozesses ist der vom Gesetzgeber in § 78 Abs. 3 [X.]O gesteckte Ermessensrahmen und hierbei insbesondere das [X.] zwischen einer Akteneinsicht in und außerhalb von Diensträumen zu berücksichtigen.

bb) Als Ausnahmefall anerkannt waren unter Geltung des § 78 [X.]O a.F. z.B. Fälle einer erheblichen Behinderung eines Beteiligten oder seines Prozessbevollmächtigten (vgl. [X.] vom 24.03.1981 - VII B 64/80, [X.]E 133, 8, [X.] 1981, 475; vom 19.06.1991 - VIII B 145/90, [X.]/NV 1992, 184, unter 3.; vom 31.10.2008 - V B 29/08, [X.]/NV 2009, 194, unter [X.]; vom 29.10.2008 - III B 176/07, [X.]/NV 2009, 192, unter II.3.; vom 28.04.2011 - VIII B 185/10, [X.]/NV 2011, 1885, Rz 8; vom 13.12.2012 - X B 221-222/12, [X.]/NV 2013, 571).

cc) Der [X.] als Beschwerdegericht ist nicht auf eine Überprüfung der Ermessensausübung durch das [X.] beschränkt, da § 102 [X.]O nur für die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen von Behörden gilt, nicht aber für die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen. Er ist als Beschwerdegericht Tatsacheninstanz und deshalb gehalten, eigenes Ermessen auszuüben (vgl. [X.] in [X.]/NV 2009, 192, unter II.2.c; in [X.]/NV 2020, 377, Rz 18; in [X.]/NV 2020, 1268, Rz 17; in [X.], 296, [X.] 2021, 710, Rz 20).

3. Im Streitfall übt der [X.] sein Ermessen dahin gehend aus, dass Akteneinsicht in den Räumen der Kanzlei gewährt werden soll, der der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und seine Ehefrau angehören.

a) Für die beantragte Gewährung der Akteneinsicht in den Kanzleiräumen sprechen die von der Klägerin detailliert und substantiiert geschilderten gesundheitlichen Einschränkungen der Ehefrau des Prozessbevollmächtigten, die als Berufsträgerin die Akteneinsicht mit durchführen soll.

aa) Eine Akteneinsicht in Diensträumen ist nach den dem [X.] vorliegenden Erkenntnissen mit erheblichen gesundheitlichen Erschwernissen für die mit dem Klageverfahren ebenfalls befasste Ehefrau des Prozessbevollmächtigten verbunden, auf deren genaue Wiedergabe im Rahmen dieses Beschlusses der [X.] verzichtet. Darüber hinaus ist der Zugang zum [X.] nach den dem [X.] vorliegenden Erkenntnissen nicht behindertengerecht.

bb) Hinzu tritt der unwidersprochen gebliebene, im Einzelnen geschilderte Umstand, dass und weshalb die in der Kanzlei mitarbeitende Ehefrau des Prozessbevollmächtigten zu einer Hochrisiko-Gruppe gehört (Behandlung mit Immunsuppressiva). Im Falle der vom [X.] angeordneten Akteneinsicht in Anwesenheit von Bediensteten des Gerichts, deren Impf- bzw. Teststatus nicht mitgeteilt wird, besteht für solche Personen im Infektionsfall ein deutlich erhöhtes Risiko von schweren Krankheitsverläufen. Dem kommt in der derzeitigen [X.] (Inzidenz von über 400, erneute [X.] für Arbeitnehmer durch erneute Änderung des § 28b des Infektionsschutzgesetzes --[X.]--, sog. "vierte Welle") besondere Bedeutung zu.

cc) Dies ist aus Sicht des [X.]s in Zusammenhang mit dem bei Schaffung des § 78 [X.]O noch nicht akuten, mittlerweile in dem mehrfach geänderten § 28b [X.] zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Ziel zu sehen, die Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren im Zusammenhang mit dem [X.] zu schützen und die Anzahl der Infektionen zu reduzieren, was dem Schutz überragend wichtiger Allgemeininteressen (Lebens- und Gesundheitsschutz der Bevölkerung, Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitswesens) dient (vgl. zu § 28b [X.] a.F. BVerfG-Beschluss "[X.]" vom 19.11.2021 - 1 BvR 781/21, 1 BvR 798/21, 1 BvR 805/21, 1 BvR 820/21, 1 BvR 854/21, 1 BvR 860/21, 1 BvR 889/21, Neue Juristische Wochenschrift 2022, 139, Rz 174 ff., 195 ff., 275).

dd) Dem kann aus Sicht des [X.]s im Streitfall nicht mit Erfolg der vom [X.] betonte Umstand entgegen gehalten werden, dass die Ehefrau des Prozessbevollmächtigten nicht selbst Prozessbevollmächtigte ist; denn der Prozessbevollmächtigte ist nach seiner Vollmacht zur Erteilung von Untervollmachten berechtigt. Dass der Prozessbevollmächtigte und seine Ehefrau nach Auffassung des [X.] gemeinsam eine Steuerberatungsgesellschaft betreiben, tritt ebenso hinzu wie der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte seine Ehefrau in gesundheitlichen Dingen unterstützen muss und ihre unmittelbare Kontaktperson ist.

ee) Der beschließende [X.] hat erwogen, weitere Nachweise zu den geltend gemachten Tatsachen anzufordern, um diese zu verifizieren; er sieht aber im Streitfall davon ab. An den Angaben zu zweifeln sieht der [X.] angesichts des Detailreichtums der Schilderungen keinen Anlass. Der Prozessbevollmächtigte hat außerdem sowohl das [X.] als auch den [X.] um einen Hinweis gebeten, falls weitere Nachweise erforderlich sind, d.h. eine weitere Glaubhaftmachung angeboten. Dieses Angebot anzunehmen, erscheint derzeit nicht notwendig.

b) Gegen die Gewährung der Akteneinsicht in den Kanzleiräumen sprechende konkrete dienstliche oder öffentliche Interessen (z.B. [X.], der Beschädigung oder Manipulation der Akten, Schutz von potenziellen Beweismitteln, jederzeitige Verfügbarkeit der Akten, Wahrung des Steuergeheimnisses, Schutz der Daten von [X.]) haben weder das [X.] in seiner ablehnenden Entscheidung noch das [X.] benannt. Beide haben lediglich auf das [X.] des § 78 [X.]O hingewiesen. Daher sind die vom Prozessbevollmächtigten genannten Umstände gegen das in § 78 Abs. 3 [X.]O zum Ausdruck kommende [X.] zwischen einer Akteneinsicht in und außerhalb von Diensträumen abzuwägen.

c) Diese Abwägung führt unter Berücksichtigung der o.g. Umstände im Streitfall dazu, dass nach der Überzeugung des [X.]s eine Situation vorliegt, in der die Aktenübersendung in die Kanzleiräume ausnahmsweise ermessensgerecht ist. Die unter a) genannten Interessen überwiegen im Streitfall das unter b) genannte Interesse, das [X.] des § 78 Abs. 3 [X.]O auch gegenüber behinderten Menschen, die einer Hochrisiko-Gruppe angehören, durchzusetzen. Konkrete dienstliche Interessen, die in anderen Fällen durchaus eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind weder vom [X.] noch vom [X.] vorgetragen worden oder sonst ersichtlich.

d) Der [X.] hat erwogen, die Sache --was zulässig wäre (vgl. [X.] vom 07.06.2021 - VIII B 123/20, [X.], 345, [X.] 2021, 915, Rz 15)-- zur erneuten Entscheidung über den Antrag an das [X.] zurückzuverweisen, wofür der Umstand spricht, dass dem [X.] von den Akten, um die es geht, nur die Gerichtsakte vorliegt. Die Akten des [X.] wurden dem [X.] nicht übersandt. Der [X.] macht gleichwohl von seinem Recht zur eigenen Sachentscheidung Gebrauch, da ihm die im Tatbestand genannten Erkenntnisse zu Art und Umfang der Akten für eine abschließende Entscheidung ausreichend erscheinen. Soweit das [X.] oder das [X.], obwohl sie solches bisher nicht behauptet haben, im Hinblick auf dem [X.] nicht bekannte dienstliche Interessen Sicherungsmaßnahmen (z.B. durch Anfertigung von Kopien, Übersendung von Beweismitteln nur in Kopie o.ä.) für erforderlich erachten, können sie diese Maßnahmen vor bzw. bei Übersendung der Akten an die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten noch ergreifen.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Bei dem vorliegenden Beschwerdeverfahren handelt es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren, das von der Kostenentscheidung in dem noch abzuschließenden Verfahren vor dem [X.] mit umfasst ist (vgl. allgemein [X.] in [X.]/NV 2009, 192, unter [X.]; in [X.]/NV 2013, 571, Rz 19).

Meta

XI B 89/21

11.01.2022

Bundesfinanzhof 11. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 21. Oktober 2021, Az: 11 K 151/21, Beschluss

§ 78 Abs 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.01.2022, Az. XI B 89/21 (REWIS RS 2022, 2144)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2144

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