Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2000, Az. 1 StR 383/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 940

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[X.]/00vom10. Oktober 2000in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 10. Oktober 2000 beschlos-sen:Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. April 2000 wird als unbegründet verworfen.Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels sowiedie den [X.] im Revisionsverfahren entstandenennotwendigen Auslagen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zweiFällen zu Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mitseiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision. [X.] hat keinen Erfolg.I.Ohne Erfolg rügt die Revision, die [X.] habe bei der Verneh-mung der Zeugin [X.]gegen § 247 Satz 2 und 4 in Verbindung mit § 338Nr. 5 [X.] verstoßen und damit auch Art. 6 Abs. 3d [X.] -Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:Der Vorsitzende ordnete am ersten Verhandlungstag die Vernehmungder Geschädigten [X.] an. Die Nebenklägervertreterin stellte daraufhinden Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen und anzuordnen, daß sich [X.] aus dem Sitzungszimmer entfernt. Zur Begründung übergab sie einfachärztliches Attest über den gegenwärtigen psychischen Zustand der Zeugin,das im allseitigen Einverständnis verlesen wurde.Der Vorsitzende verkündete den [X.]uß der [X.], die Öffent-lichkeit werde nach § 171b Abs. 1 und 2 [X.] für die Dauer der Vernehmungder Zeugin [X.] sowie von drei Vernehmungsbeamtinnen ausgeschlos-sen. Bei der Zeugenvernehmung würden Umstände aus dem persönlichen Le-bensbereich der Zeugin [X.] zur Sprache kommen, deren öffentlicheErörterung deren schutzwürdige Interessen verletzen würden.Sodann erging der [X.]uß nach § 247 Satz 2 [X.], nach dem sichder Angeklagte während der Vernehmung der Zeugin [X.] aus dem Sit-zungszimmer zu entfernen habe. Die Zeugin, das mutmaßliche Opfer einer derdem Angeklagten zur Last liegenden Vergewaltigung, leide an einer psychi-schen Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis. Aus dem verlesenenärztlichen Attest ergebe sich, daß erhebliche Nachteile für das [X.] der Zeugin zu befürchten seien, wenn die Vernehmung in Gegenwart [X.] durchgeführt werde. Der Facharzt habe die Zeugin in dem Attestals psychisch sehr labil beschrieben. Sie leide auf Grund der ihm gegenübergeschilderten Vergewaltigung an einem schweren Psychotrauma, das [X.] Psychotherapie nicht überwunden sei.- 4 -Der Verteidiger des Angeklagten beantragte an Stelle der [X.] Angeklagten die Durchführung einer audiovisuellen Vernehmung der Zeu-gin. Die [X.] lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine audiovi-suelle Vernehmung nach § 247a [X.] komme nur dann in Betracht, wenn diedringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für die Zeugin aufgrundder Anwesenheit des Angeklagten nicht durch andere Weise, namentlich durchdessen Entfernung sowie durch den Ausschluß der Öffentlichkeit [X.] könne. Die audiovisuelle Zeugenvernehmung sei gegenüber anderenzeugenschonenden Maßnahmen subsidiär und trage dem Grundsatz der [X.] Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung Rechnung.Nach der Vernehmung der Zeugin [X.] wurde diese mit dem Hin-weis entlassen, sie habe am nächsten Verhandlungstag wieder als Zeugin zuerscheinen. Die Sitzung wurde danach in Anwesenheit des Angeklagten innichtöffentlicher Sitzung fortgesetzt. Die Vernehmungsbeamtin S. wur-de als Zeugin vernommen. Erst nach deren Entlassung wurde dem Angeklag-ten der wesentliche Inhalt der Aussage der Zeugin [X.] bekanntgege-ben. Die gegen diese Verfahrensweise vorgebrachten Einwände sind im Er-gebnis nicht zu [X.] Die Revision rügt erfolglos, der [X.]uß über den Ausschluß [X.] von der Vernehmung der Zeugin [X.] verletze § 247 Satz 2[X.]. Die hohe Wahrscheinlichkeit für einen schwerwiegenden Nachteil für diekörperliche, geistige oder seelische Gesundheit der Zeugin sei von der [X.] nicht ausreichend dargetan. Dies trifft nicht zu. Die [X.] konnten sowohl aus dem verlesenen Attest als aus dem verkündeten [X.] 5 -schluß, der auf die ärztliche Diagnose sowie die Feststellung über das weitereBestehen eines Psychotraumas Bezug nimmt, entnehmen, daß bei einer [X.] der Zeugin in Gegenwart des Angeklagten weiterhin eine dringendeGefahr für ihre Gesundheit bestanden hätte. Der [X.]uß ist auch [X.] nicht zu [X.] Soweit die Revision meint, die [X.] habe mit der [X.] des Angeklagten nach § 247 Satz 2 [X.] zu Unrecht eine audiovisuelleVernehmung der Zeugin nach § 247a [X.] abgelehnt und damit nicht nur [X.] der Verhältnismäßigkeit verletzt, sondern auch gegen das in Art. 6Abs. 3d [X.] garantierte Recht des Angeklagten auf Befragung des Bela-stungszeugen verstoßen, dringt ihre Rüge ebenfalls nicht durch. Eine [X.] § 247a [X.] an das [X.] gemäß Art. 100 GG istnicht erforderlich.Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 247a [X.] kann eine audiovisu-elle Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung dann angeordnet werden,wenn aufgrund der Anwesenheit des Angeklagten eine dringende Gefahr fürdas Wohl des Zeugen besteht und diese Gefahr nicht anders abwendbar ist.Als andere [X.] und damit vorrangige [X.] Maßnahmen werden der Ausschluß derÖffentlichkeit und die Entfernung des Angeklagten nach § 247 Satz 2 [X.]beispielhaft herausgehoben. Dieser Vorrang entspricht der Zielrichtung desGesetzes zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren undzur Verbesserung des Opferschutzes; Zeugenschutzgesetz [X.] ZSchG - vom30. April 1998 ([X.] I S. 820). Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber einverbessertes Instrumentarium für den Schutz und die Schonung von [X.] ihren Vernehmungen bereitstellen (vgl. zur Entstehungsgeschichte [X.], 1 ff.). Damit hat der Gesetzgeber für diese [X.] nicht nur den Schutz des Zeugen erweitert, sondern diesem Schutz aus-drücklich den Vorrang vor den Verteidigungsinteressen des Angeklagten ein-geräumt. Er hat damit gleichzeitig dem in § 250 Abs. 1 [X.] verankertenGrundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im Sinne der Forderungnach persönlicher Vernehmung eines Zeugen Geltung verschafft. Somit beruht§ 247a [X.] auf nachvollziehbaren Erwägungen und liegt im Rahmen desweiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Ein Verstoß gegen Art. 6Abs. 3d [X.] scheidet aus, weil der Verteidiger für den Angeklagten in [X.] Fragen an die Zeugin richten konnte.3. Schließlich bleibt auch die Rüge eines Verstoßes gegen § 247 Satz 4[X.] im Ergebnis ohne Erfolg. Die [X.] hat die Zeugin S. alszusätzliche Verhörsperson zu einer der Vernehmungen der Geschädigten beider Polizei ergänzend vernommen. Auf der Aussage dieser Zeugin beruht er-sichtlich nichts, denn die Zeugin findet im Urteil keine Erwähnung. Es ist [X.] Sachlage nicht ersichtlich, daß der Angeklagte dieser Zeugin verfah-rensfördernde Fragen hätte stellen können, wäre er vor der Vernehmung überdie Aussage der Geschädigten unterrichtet worden.4. Die Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 [X.], die [X.] habesich gedrängt sehen müssen, die Zeugin [X.]zu vernehmen, ist in unzulässigerWeise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Die Revision trägt nicht vor, [X.] Aussagen von der Zeugin zu erwarten gewesen wären und inwieweit [X.] auf die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin[X.] zu dem Tatgeschehen hätte haben [X.] 7 -II.Die Rüge, die [X.] habe auch bei der Vernehmung der [X.] gegen § 247 Satz 2 [X.] verstoßen, bleibt aus den oben unter I.1. bis 3. angeführten Gründen ebenfalls ohne Erfolg. Die Rüge der Verletzungvon § 247 Satz 4 [X.] ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]), weil [X.] vorgetragen sind.[X.] Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keinen [X.] Nachteil des Angeklagten ergeben.IV.Soweit die [X.] beantragt haben, ihnen Frau [X.]. aus [X.] auch für das Revisionsverfahren als Beistandbeizuordnen (§§ 397a Abs. 1, 395 Abs.1 Nr. 1 lit. a [X.]) ist der Antrag ge-genstandlos, weil die durch das [X.] erfolgte Bestellung für das Revisi-onsverfahren fortwirkt ([X.], [X.]. vom 31. August 1999 [X.] 1 StR 367/99 - ).SchäferBoetticher Kolz- 8 -SchluckebierHebenstreit

Meta

1 StR 383/00

10.10.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.10.2000, Az. 1 StR 383/00 (REWIS RS 2000, 940)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 940

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