Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.09.2022, Az. V ZR 148/21

5. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5860

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) AUTO AUTOKAUF EIGENTUM BETRUG ITALIEN BEWEISLAST GUTGLÄUBIGER ERWERB

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Gutgläubigkeit beim gutgläubigen Erwerb eines Gebrauchtwagens


Leitsatz

Beruft sich der Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb, trägt derjenige, der den guten Glauben in Abrede stellt, die Beweislast dafür, dass der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II zur Prüfung der Berechtigung des Veräußerers nicht hat vorlegen lassen. Den Erwerber trifft allerdings regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der Zulassungsbescheinigung Teil II.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.] - 9. Zivilsenat - vom 21. Juli 2021 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine [X.], die Fahrzeuge in [X.] vertreibt, kaufte im März 2019 unter Einschaltung eines Vermittlers ein Fahrzeug von einem Autohaus, bei dem das Fahrzeug stand. In dem Kaufvertrag heißt es, dass die [X.] nach Erhalt der Gelangensbestätigung an die Klägerin übersandt werde. Eigentümerin des Fahrzeugs war die Beklagte, die es an das Autohaus verleast hatte und die auch im Besitz der [X.] ist. Nach Zahlung des Kaufpreises von 30.800 € holte der Vermittler Anfang April 2019 das Auto bei dem Autohaus ab und verbrachte es zu der Klägerin nach [X.]. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem Vermittler eine hochwertige Fälschung der [X.] vorgelegt wurde, in der das Autohaus als Halter eingetragen war. Als die Klägerin ein weiteres Fahrzeug von dem Autohaus kaufen wollte, war es geschlossen. Gegen den Geschäftsführer wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts in über 100 Fällen eingeleitet.

2

Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Herausgabe der [X.]. Die Beklagte erstrebt mit der Widerklage die Herausgabe des Fahrzeugs. Das [X.] hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Beklagte zur Herausgabe der [X.] verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung der landgerichtlichen Entscheidung erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

A.

3

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1263 veröffentlicht ist, meint, die Klägerin könne von der [X.] gemäß § 985 [X.] die Herausgabe der [X.] verlangen, weil sie Eigentümerin des Fahrzeugs geworden sei und das Eigentum an den Fahrzeugpapieren dem Eigentum an dem Fahrzeug folge (§ 952 [X.] entsprechend). Die Klägerin, zu deren Gunsten bereits die Vermutung des § 1006 Abs. 1 [X.] streite, habe das Eigentum an dem Fahrzeug gemäß § 929 Satz 1, § 932 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.], § 366 HGB gutgläubig erworben. Sie wäre allerdings dann nicht in gutem Glauben gewesen, wenn dem Vermittler bei Übergabe des Fahrzeugs die [X.] nicht vorgelegt worden wäre. Die Beweislast dafür liege jedoch bei der [X.], und diese habe keinen Beweis angeboten. Die Klägerin treffe nur eine sekundäre Darlegungslast. Dieser habe sie genügt, indem sie dargelegt habe, dass dem Vermittler eine hochwertige Fälschung der [X.] vorgelegt und von diesem geprüft worden sei. Aus dem von der Klägerin geschilderten Sachverhalt ergäben sich auch in der Gesamtschau keine besonderen Umstände, die den Verdacht hätten erregen müssen, das Autohaus sei [X.]. An dem guten Glauben der Klägerin fehle es insbesondere nicht deshalb, weil die [X.] dem Vermittler nicht ausgehändigt worden sei. Im internationalen Kfz-Handel sei es üblich, die Papiere bis zum Erhalt der Gelangensbestätigung (§ 17a UStDV) zurückzubehalten. So sehe es auch der Kaufvertrag ausdrücklich vor. Der Annahme eines solchen Brauchs sei die Beklagte nicht entgegengetreten.

4

Die auf Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Widerklage sei nicht begründet. Ein Anspruch der [X.] aus § 985 [X.] bestehe nicht, weil sie nicht Eigentümerin des Fahrzeugs sei.

B.

5

Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

6

I. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2008 - [X.], [X.], 3502 Rn. 6 mwN) internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte ist gegeben. Für die Klage sind die [X.] Gerichte nach Art. 4 Abs. 1, Art. 63 Abs. 1 a) der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: [X.]) zuständig, weil sich der satzungsmäßige Sitz der [X.] in [X.] befindet. Für die Widerklage ergibt sich die Zuständigkeit aus Art. 8 Nr. 3 [X.].

7

II. Klage

8

Das Berufungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

9

1. Zutreffend und von der Revision nicht beanstandet beurteilt das Berufungsgericht die Frage, ob die Klägerin das Eigentum an dem Fahrzeug erworben hat, gemäß Art. 43 Abs. 1 EG[X.] nach [X.] Recht als der maßgeblichen lex rei sitae (§ 929 Satz 1, § 932 Abs. 1 und 2 [X.]). In dem für die Vollendung des Eigentumserwerbs der Klägerin durch Einigung und Übergabe maßgeblichen [X.]punkt befand sich das Fahrzeug in [X.] (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juli 2012 - [X.], [X.], 858 Rn. 14 mwN).

2. Die Klägerin kann von der [X.] gemäß § 985 [X.] die Herausgabe der [X.] verlangen, weil sie gemäß § 929 Satz 1, § 932 [X.] Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist. In (entsprechender) Anwendung des § 952 [X.] folgt das Eigentum an dem Fahrzeugpapier dem Eigentum an dem Fahrzeug (vgl. Senat, Urteil vom 18. September 2020 - [X.], NJW 2020, 3711 Rn. 32 mwN).

a) Ursprüngliche Eigentümerin des Fahrzeugs war zwar die Beklagte. Zwischen der Klägerin und dem Autohaus hat aber eine Einigung und Übergabe im Sinne von § 929 Satz 1 [X.] stattgefunden. Weil das Fahrzeug dem Autohaus als Veräußerer nicht gehörte, konnte die Klägerin das Eigentum durch diesen Vorgang allerdings nur gutgläubig erwerben; dafür kommt es auf den guten Glauben an das Eigentum des Autohauses an, das nach der Darstellung der Klägerin als Eigentümerin aufgetreten ist (§ 932 Abs. 1 [X.]). § 366 Abs. 1 HGB ist nicht einschlägig (vgl. [X.], Urteil vom 23. Mai 1966 - [X.], BeckRS 1966, 31180082). Auch hat die von dem Berufungsgericht herangezogene Eigentumsvermutung des § 1006 [X.] keine rechtliche Bedeutung, wenn - wie hier - allein zu klären ist, ob die Voraussetzungen des § 932 [X.] bezogen auf einen konkreten Erwerbsvorgang vorliegen. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast richtet sich nach der maßgeblichen Regelung in § 932 Abs. 1 Satz 1 [X.].

b) Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass die Beweislast für den fehlenden guten Glauben der Klägerin bei der [X.] liegt.

aa) Nach § 932 Abs. 1 Satz 1 [X.] wird der Erwerber durch eine nach § 929 [X.] erfolgte Veräußerung auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der [X.], zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. Wird der Erwerber - wie hier - bei der Einigung über den Eigentumsübergang vertreten, schadet die Bösgläubigkeit des Vertreters (§ 166 Abs. 1 [X.]; vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 707 Rn. 12 mwN; Beschluss vom 16. September 2015 - [X.], [X.], 414 Rn. 20 f.).

[X.]) Angesichts der Formulierung „es sei denn“ in § 932 Abs. 1 Satz 1 [X.] trägt nach allgemeinen Regeln derjenige die Darlegungs- und Beweislast für den fehlenden guten Glauben des Erwerbers, der den Eigentumserwerb bestreitet (vgl. [X.], Urteil vom 23. April 1951 - [X.], [X.]Z 2, 37, 53 zu § 366 HGB; Urteil vom 5. Oktober 1981 - [X.], NJW 1982, 38 zu § 1207 [X.]; vgl. auch Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - [X.], NJW 2019, 3147 Rn. 39 zu § 937 [X.]; [X.]/[X.], Handbuch der Beweislast, 4. Aufl., § 932 Rn. 2; [X.]/[X.], [X.], 81. Aufl., § 932 Rn. 15; jurisPK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 932 Rn. 55; [X.]/[X.], [X.] [2020], § 932 Rn. 104). Der Gesetzgeber hat die fehlende Gutgläubigkeit im Verkehrsinteresse bewusst als Ausschließungsgrund ausgestaltet (vgl. Protokolle der [X.] des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Band [X.], 1899, S. 207 f.; [X.]/[X.], aaO Rn. 101). Derjenige, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, muss die Erwerbsvoraussetzungen des § 929 [X.] beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit.

[X.]) Diese Beweislastverteilung gilt auch dann, wenn die Bösgläubigkeit des Erwerbers darauf gestützt wird, bei dem Erwerb des Fahrzeugs habe die [X.] nicht vorgelegen.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] begründet der Besitz des Fahrzeugs allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 [X.] erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeugs, dass sich der Erwerber die [X.] (§ 12 Abs. 6 [X.]; früher: [X.], § 25 Abs. 4 Satz 2 [X.] aF) vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 707 Rn. 13 mwN; Urteil vom 18. September 2020 - [X.], NJW 2020, 3711 Rn. 29). Kommt der Erwerber dieser Obliegenheit nach und wird ihm eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt, treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 707 Rn. 14). Diese Grundsätze gelten auch für den Erwerb unter Kraftfahrzeughändlern (vgl. [X.], Urteil vom 13. Mai 1996 - [X.], NJW 1996, 2226, 2227 mwN; Urteil vom 9. Februar 2005 - V[X.] ZR 82/03, NJW 2005, 1365, 1366).

(2) Diese Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht der Revision nicht so zu verstehen, dass die Vorlage der [X.] von demjenigen zu beweisen wäre, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft.

(a) Allerdings wird vereinzelt angenommen, die Beweislast dafür, dass die [X.] dem Erwerber vorgelegt wurde, trage der Erwerber. Diesem sei die Beweisführung leicht möglich, während der den Eigentumserwerb bestreitende ursprüngliche Eigentümer an dem Erwerbsvorgang nicht beteiligt gewesen sei und keine Kenntnis von dem Geschehensablauf habe (vgl. MüKo[X.]/Oechsler, 8. Aufl., § 932 Rn. 55; KG, BeckRS 2014, 22393 Rn. 14 ohne nähere Begründung).

(b) Dieser Ansicht ist das Berufungsgericht zu Recht nicht gefolgt. Beruft sich der Erwerber eines gebrauchten Fahrzeugs auf den gutgläubigen Erwerb, trägt derjenige, der den guten Glauben in Abrede stellt, die Beweislast dafür, dass der Erwerber sich die [X.] (früher: [X.]) zur Prüfung der Berechtigung des Veräußerers nicht hat vorlegen lassen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., Rn. [X.]; [X.], Beschluss vom 2. Januar 2019 - 9 U 32/18, juris Rn. 42 ohne nähere Begründung).

(aa) Für den Erwerb vom Eigentümer durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 Satz 1 [X.] kommt es auf die [X.] nicht an. Die Bescheinigung verbrieft nicht das Eigentum (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 707 Rn. 14). Sie ist auch kein Traditionspapier; die Übergabe der [X.] ersetzt also nicht die Übergabe des Kraftfahrzeugs (zum [X.] vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 1978 - V[X.] ZR 46/77, NJW 1978, 1854; Urteil vom 13. September 2006 - V[X.] ZR 184/05, [X.], 3488 Rn. 13).

([X.]) Aus dem Umstand, dass die [X.] für den Tatbestand des § 929 Satz 1 [X.] keine Bedeutung hat, folgt für den Erwerb vom [X.]n gemäß § 932 Abs. 1 Satz 1 [X.], dass sich die [X.] nur auf den guten Glauben des Erwerbers auswirken kann. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 1975 - V[X.] ZR 151/73, NJW 1975, 735, 736). Diese Prüfung hat der Erwerber vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen (vgl. oben Rn. 16). Aus dem Fehlen der [X.], das heißt aus deren Nichtvorlage bzw. Nichtprüfung, ergeben sich somit Verdachtsmomente, die den guten Glauben des Erwerbers ausschließen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., Rn. 4675).

([X.]) Die Beweislast für den fehlenden guten Glauben trägt - wie ausgeführt (vgl. oben Rn. 14) - nach allgemeinen Regeln derjenige, der den Eigentumserwerb bestreitet.

c) Allerdings trifft den Erwerber, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, regelmäßig - und auch hier - eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage und Prüfung der [X.] (vgl. BeckOK [X.]/Kindl [1.8.2022], § 932 Rn. 20; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., Rn. [X.]; [X.]/Helmes, JA 2019, 856, 858).

aa) Den Prozessgegner trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete [X.] keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. Senat, Urteil vom 19. Juli 2019 - [X.], NJW 2019, 3147 Rn. 49; [X.], Urteil vom 8. Januar 2014 - I ZR 169/12, [X.]Z 200, 76 Rn. 17 mwN; für negative Tatsachen: Senat, Urteil vom 12. November 2010 - [X.], [X.]Z 188, 43 Rn. 12; Urteil vom 6. März 2020 - [X.], [X.], 1760 Rn. 10).

[X.]) Diese Voraussetzung ist im Verhältnis zwischen dem primär Darlegungsbelasteten, der den guten Glauben des Erwerbers bestreitet, und demjenigen, der sich auf den gutgläubigen Erwerb von einem [X.]n beruft, regelmäßig erfüllt. Bei der behaupteten unterbliebenen Vorlage der [X.] handelt es sich um eine negative Tatsache. Der den Eigentumserwerb Bestreitende hat regelmäßig keine Kenntnisse von dem Geschehensablauf, weil er an dem Erwerbsvorgang zwischen dem Erwerber und dem [X.]n nicht beteiligt gewesen ist, während dem Erwerber nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Dieser muss in zeitlicher, räumlicher und inhaltlicher Weise (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 2010 - [X.], [X.]Z 188, 43 Rn. 12) substantiiert zu der Vorlage der [X.] vortragen.

d) Hiernach ist es Sache der [X.] zu beweisen, dass dem Vermittler die [X.] nicht vorgelegt worden ist. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die sie treffende sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Vorlage der [X.] erfüllt und die Beklagte habe den Beweis für den bösen Glauben der Klägerin nicht geführt, ist nicht zu beanstanden.

aa) Nach der Darstellung der Klägerin war das Autohaus in Besitz einer hochwertigen Fälschung der [X.], die der Vermittler eingesehen und anhand derer er die Berechtigung des Autohauses geprüft hat. Damit hat die Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast genügt.

[X.]) Den ihr obliegenden Gegenbeweis hat die Beklagte nicht geführt. Einen Beweis für die Nichtvorlage der [X.] hat sie nicht angeboten. Sie hat im Gegenteil in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausdrücklich erklärt, den Vermittler nicht als Zeugen zu benennen.

[X.]) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht nicht dadurch gegen § 286 ZPO und § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verstoßen, dass es die Beklagte als beweisfällig angesehen hat, ohne die Zeugenaussage des Vermittlers zu verwerten, die dieser bei seiner polizeilichen Vernehmung in dem Ermittlungsverfahren gegen das Autohaus getätigt hat. Die Verwertung der Niederschrift einer Zeugenaussage aus einem anderen Verfahren im Wege des [X.] ist zwar zulässig (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2005 - [X.], juris Rn. 9 mwN; [X.], Urteil vom 17. November 2020 - [X.], [X.], 374 Rn. 64). Das Vernehmungsprotokoll war für die Beweisführung durch die [X.] aber nicht ausreichend. Das [X.] hat den Vermittler als Zeugen vernommen und dessen Aussage, die [X.] sei ihm vorgelegt worden, als nachvollziehbar und glaubhaft angesehen. Es sah sich wegen der widersprüchlichen Angaben des Zeugen im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung jedoch letztlich an einer dahingehenden Überzeugungsbildung gehindert und hat - rechtsfehlerhaft - eine Beweislast-entscheidung zum Nachteil der Klägerin getroffen. In dieser Situation kann die Beklagte den Gegenbeweis, die [X.] sei nicht vorgelegt worden, nicht allein durch das Protokoll der polizeilichen Vernehmung des Vermittlers führen.

e) Die Annahme des Berufungsgerichts, der gute Glaube der Klägerin sei insbesondere nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Autohaus dem Vermittler die [X.] nicht ausgehändigt habe, ist rechtsfehlerfrei.

aa) Nach § 932 Abs. 2 [X.] ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter der hier in Betracht kommenden Alternative der groben Fahrlässigkeit wird im Allgemeinen ein Handeln verstanden, bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Senat, Urteil vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 707 Rn. 11 mwN).

[X.]) Ist der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und der [X.], kann der Erwerber zwar [X.] sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 707 Rn. 13 mwN; Urteil vom 18. September 2020 - [X.], NJW 2020, 3711 Rn. 29). Es ist aber nicht per se ungewöhnlich, dass dem Erwerber die [X.] nicht sofort ausgehändigt wird (für die Zusage der Zusendung des [X.]s nach Kaufpreiszahlung vgl. [X.], NJW-RR 2002, 417; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., Rn. 4685). Der Einbehalt der [X.] durch den Veräußerer kann die Gutgläubigkeit des Erwerbers allerdings dann ausschließen, wenn es dafür an einem plausiblen Grund fehlt.

[X.]) Das Berufungsgericht hält es für plausibel, dass - wie in dem Kaufvertrag vereinbart - das Autohaus die [X.] einbehalten hat, um sicherzustellen, dass die Klägerin die Gelangensbestätigung (§ 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV) übersendet, mit der bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die [X.] nachgewiesen werden kann (vgl. § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG; vgl. [X.], 410, 414 f.). Diese tatrichterliche Würdigung kann durch das Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob der maßgebliche Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt worden ist oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen (vgl. Senat, Urteil vom 1. März 2013 - [X.], [X.], 707 Rn. 15 mwN). Einen solchen Rechtsfehler vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Soweit sie geltend macht, üblich sei die Zahlung einer Kaution in Höhe der Umsatzsteuer durch den Erwerber, die nach Erhalt der Gelangensbestätigung zurückgewährt werde, ergibt sich daraus nicht, dass der hier vereinbarte Einbehalt der [X.] bis zur Übersendung der Bestätigung ungewöhnlich und deshalb verdächtig gewesen wäre. Ob es im innergemeinschaftlichen Kraftfahrzeughandel, wie das Berufungsgericht annimmt, sogar einen auf die zuletzt genannte Vorgehensweise bezogenen Handelsbrauch (§ 346 HGB) gibt, ist unerheblich.

[X.]. Widerklage

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Widerklage abgewiesen. Weil die Klägerin Eigentümerin des Fahrzeugs geworden ist, steht der [X.] kein Anspruch auf Herausgabe gemäß § 985 [X.] zu.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Brückner     

      

Göbel     

      

Haberkamp

      

Malik     

      

Laube     

      

Meta

V ZR 148/21

23.09.2022

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 21. Juli 2021, Az: 9 U 90/21, Urteil

§ 929 S 1 BGB, § 932 Abs 1 BGB, § 932 Abs 2 BGB, § 952 BGB, § 985 BGB, § 17a Abs 2 Nr 2 UStDV, § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.09.2022, Az. V ZR 148/21 (REWIS RS 2022, 5860)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5860 MDR 2022, 1541-1543 REWIS RS 2022, 5860 NJW 2023, 781 REWIS RS 2022, 5860


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. V ZR 148/21

Bundesgerichtshof, V ZR 148/21, 23.09.2022.


Az. 9 U 90/21

Oberlandesgericht Stuttgart, 9 U 90/21, 21.07.2021.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

9 U 90/21 (Oberlandesgericht Stuttgart)

Zur Beweislast bezüglich der Gutgläubigkeit beim gutgläubigen Erwerb eines KFZ; Vorlage einer gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil …


V ZR 8/19 (Bundesgerichtshof)

Gutgläubiger Erwerb eines bei einer unbegleiteten Probefahrt entwendeten Kraftfahrzeugs: Vorliegen einer Besitzdienerschaft eines Kaufinteressenten; freiwilliger …


12 U 28/15 (Oberlandesgericht Köln)


16 U 86/17 (Oberlandesgericht Köln)


V ZR 8/19 (Bundesgerichtshof)


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.