Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.02.2022, Az. B 9 SB 74/21 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 1065

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensfehler - gesetzlicher Richter - Ablehnung eines Befangenheitsantrags - Formulierung einer schriftlichen gerichtlichen Verfügung - Entbehrlichkeit der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters - rechtliches Gehör - Übersendung von dienstlichen Äußerungen zur Kenntnis und zur Stellungnahme - Entscheidungserheblichkeit - Missbräuchlichkeit von wiederholten Befangenheitsanträgen - Amtsermittlung - Rückgriff auf ein veraltetes Sachverständigengutachten - erforderliche Darlegung einer Gesundheitsveränderung - Übergehen eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags - GdB-Feststellung - konkretes Beweisthema - Vorliegen bestimmter Gesundheitsstörungen - Darlegungsanforderungen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 22. Oktober 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 anstelle des zuerkannten GdB von 40. Diesen Anspruch hat das [X.] mit Gerichtsbescheid vom 25.9.2020 auf der Grundlage eines von [X.] (Nervenarzt und Internist) am 13.12.2019 erstatteten Gutachtens verneint.

2

Im anschließenden Berufungsverfahren hat der Berichterstatter mit Verfügung vom [X.] ausgeführt, dass nach vorläufiger Prüfung die Bewertung mit einem [X.] von 40 nicht zu beanstanden sei. Weitere Ermittlungen von Amts wegen seien nicht beabsichtigt. Für die Stellung eines Antrags nach § 109 [X.]G werde eine Frist bis zum [X.] gesetzt. Mit Schriftsatz vom [X.] hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten den Antrag gestellt, den Nervenarzt [X.] als Sachverständigen nach § 109 [X.]G mit der Erstattung eines Gutachtens zu beauftragen. Mit Verfügung vom [X.] hat der Berichterstatter dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, bislang sei weder eine von der Klägerin unterschriebene [X.] eingegangen noch liege eine Zahlungsanzeige der Landesoberkasse über den angeforderten Kostenvorschuss vor. Deshalb sei beabsichtigt, den Antrag auf Begutachtung nach § 109 [X.]G abzulehnen. Hierauf hat der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom [X.] erwidert, dass der Antrag fristgerecht gestellt worden sei. Eine [X.] sei dem Gerichtsschreiben vom [X.] nicht beigefügt gewesen. Mit einer weiteren Verfügung vom [X.] hat der Berichterstatter ausgeführt, dass maßgeblich nur die nicht fristgerechte Einzahlung des Kostenvorschusses bleibe. Die angeblich nicht beigefügte [X.] spiele für die Beurteilung der Frage einer Verzögerung keine Rolle. Mit Schriftsätzen vom 28.9. und 19.10.2021 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin [X.] gegen den Berichterstatter wegen Befangenheit mit der Begründung erhoben, dass der Berichterstatter durch die Aussage in der Verfügung vom [X.], dass die [X.] "angeblich" nicht übersandt worden sei, ihren Prozessbevollmächtigten der "Lüge" bezichtigt habe. Das L[X.] hat ohne Mitwirkung des abgelehnten [X.]s mit Beschlüssen vom 12.10.2021 ([X.] 3253/21 RG) und vom [X.] ([X.] 3252/21 AB) die [X.] zurückgewiesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] am 22.10.2021 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Berichterstatter erneut abgelehnt.

3

Das L[X.] hat mit Urteil vom selben Tag unter Mitwirkung des abgelehnten Berichterstatters die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es das erneute Ablehnungsgesuch gegen den Berichterstatter als offensichtlich unzulässig verworfen. Die Klägerin habe ihr in der mündlichen Verhandlung gestelltes Ablehnungsgesuch erneut damit begründet, der Berichterstatter habe ihren Prozessbevollmächtigten als "Lügner" dargestellt. Es habe aber bereits mit Beschlüssen vom 12.10.2021 und [X.] unanfechtbar entschieden, dass der vorgebrachte Ablehnungsgrund keine Besorgnis der Befangenheit rechtfertige. Deshalb handele es sich hier um eine bloße Formalentscheidung, bei der der abgelehnte [X.] mitentscheiden dürfe. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bei der Klägerin keinen höheren GdB als 40 festgestellt habe. Aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Sachverständigen [X.] stünden das Ausmaß der Beeinträchtigungen auf nervenärztlichem Gebiet und die hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen fest. Gründe dafür, dass sich der Senat hätte gedrängt sehen müssen, ein weiteres Gutachten von Amts wegen bei einem, vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht benannten Sachverständigen auf nervenärztlichem Fachgebiet einzuholen, lägen nicht vor. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte für eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin seit der Begutachtung durch den Sachverständigen [X.].

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.] hat die Klägerin Beschwerde beim B[X.] eingelegt, die sie mit dem Vorliegen von Verfahrensmängeln begründet.

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des [X.] iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

6

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), müssen bei der Bezeichnung des [X.] zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des L[X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

a) Die Klägerin rügt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G) durch das L[X.]. Sie habe in der mündlichen Verhandlung zum Beweis der Tatsache, dass ihre Teilhabe so eingeschränkt sei, dass ein GdB von 50 bestehe, die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet beantragt. Diesem Antrag sei das L[X.] zu Unrecht nicht nachgekommen. Bereits in der Berufungsbegründung habe sie ausgeführt, dass der Sachverständige [X.] die bei ihr vorliegenden Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet nicht zutreffend gewürdigt habe. So habe er das bei ihr bestehende Fibromyalgie-Syndrom trotz eindeutiger Diagnose nicht berücksichtigt. Zudem hätten die behandelnden Ärzte ihr Panikattacken, Antriebslosigkeit und eine [X.] Phobie mit schwerer depressiver Episode attestiert. Demgegenüber habe der Gutachter [X.] nur eine mittelgradige Depression angenommen. Die Einholung eines weiteren Gutachtens hätte zur Feststellung eines GdB von wenigstens 50 geführt.

8

Soweit Verstöße gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 [X.]G) gerügt werden, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1.) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen [X.], dem das L[X.] nicht gefolgt ist, (2.) Wiedergabe der Rechtsauffassung des L[X.], aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) Darlegung, der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu einer weiteren Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4.) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5.) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des L[X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das L[X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] SB 71/19 B - juris Rd[X.] 8; B[X.] Beschluss vom 13.2.2017 - [X.] S[X.]1/16 B - juris Rd[X.] 6, jeweils mwN). Diese Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge erfüllt die Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.

9

Die Klägerin hat bereits nicht aufgezeigt, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 [X.], § 118 Abs 1 Satz 1 [X.]G, § 403 ZPO gestellt zu haben. Für die Rüge der Verletzung des [X.] nach § 103 [X.]G muss der Beschwerdeführer einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, der ein hinreichend konkretes Beweisthema, ein zulässiges Beweismittel und die Angabe des voraussichtlichen Beweisergebnisses voraussetzt (B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] S[X.]/20 B - juris Rd[X.] 10 mwN). Merkmal eines substantiierten [X.] ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] SB 31/20 B - juris Rd[X.] 6 mwN). Dafür ist die unter Beweis gestellte Tatsache möglichst präzise und bestimmt zu behaupten und zu umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben hätte. Nur dies versetzt die Vorinstanz in die Lage, die Entscheidungserheblichkeit eines Antrags zu prüfen und ggf seine Ablehnung iS des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G ausreichend zu begründen. Unbestimmte bzw unsubstantiierte Beweisanträge brauchen dem Gericht dagegen keine Beweisaufnahme nahezulegen (vgl B[X.] Beschluss vom [X.], aaO mwN).

Gemessen hieran fehlt es dem von der Klägerin in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Antrag an der konkreten Angabe eines Beweisthemas. Insbesondere lässt der Antrag nicht erkennen, welche im Einzelnen bezeichneten Tatsachen konkret bewiesen werden sollen. Im Kontext der geltend gemachten Feststellung eines höheren GdB wäre der Antrag auf den Beweis des Vorliegens bestimmter Gesundheitsstörungen zu richten gewesen. Denn der GdB ist das Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und [X.]n Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund einer Gesundheitsstörung (Teil A [X.] 2 Buchst a der in Anlage zu § 2 [X.] geregelten Versorgungsmedizinischen Grundsätze). Das Vorliegen bestimmter, bei der Klägerin tatsächlich oder vermeintlich vorliegender Gesundheitsstörungen wird mit dem in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Antrag aber nicht unter Beweis gestellt. Solchen "Beweisanträgen", die so unbestimmt bzw unsubstantiiert sind, dass im Grunde erst die Beweisaufnahme selbst die entscheidungs- und damit beweiserheblichen Tatsachen aufdecken soll, braucht ein Gericht jedoch nicht nachzugehen (vgl B[X.] Urteil vom 19.10.2011 - [X.] R 33/11 R - juris Rd[X.] 26 mwN).

Zudem hat die Klägerin nicht substantiiert aufgezeigt, weshalb nach den dem L[X.] vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus der allein maßgeblichen rechtlichen Sicht des L[X.] erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden haben soll. Die bloße Darstellung, weshalb aus ihrer Sicht weitere Ermittlungen auf psychiatrischem Fachgebiet erforderlich gewesen wären, entspricht diesem Erfordernis nicht (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] S[X.]8/16 B - juris Rd[X.] 8). Soweit die Klägerin meint, das L[X.] habe sich bei seiner Entscheidungsfindung auf ein annähernd zwei Jahre altes und damit veraltetes Sachverständigengutachten gestützt, hat sie es versäumt, eine potentiell entscheidungserhebliche Verschlechterung ihres Gesundheitszustands substantiiert darzulegen (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] [X.] R 485/12 B - juris Rd[X.] 15; B[X.] Beschluss vom 25.3.2004 - [X.] S[X.]3/03 B - juris Rd[X.] 6). Wenn die Klägerin im Übrigen moniert, dass das L[X.] - wie zuvor bereits das [X.] - dem Gutachten des Sachverständigen [X.] gefolgt ist, wendet sie sich gegen die Beweiswürdigung des L[X.] (vgl § 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G), womit sie nach § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G von vornherein eine Revisionszulassung nicht erreichen kann. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin eine unzureichende Rechtsanwendung des L[X.] rügen wollte.

b) Den formellen Anforderungen an die Bezeichnung eines [X.] genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht, soweit die Klägerin eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen [X.] (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) und einen Verstoß gegen § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 547 [X.] 1 ZPO rügt, weil das L[X.] ihr in der mündlichen Verhandlung vom 22.10.2021 gestelltes drittes Ablehnungsgesuch gegen den Berichterstatter wegen der Besorgnis der Befangenheit im angefochtenen Urteil unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s als offensichtlich unzulässig verworfen und unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s in der Sache entschieden habe.

Nach der ständigen Rechtsprechung des B[X.] (zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] S[X.]2/21 B - juris Rd[X.] 24; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] [X.] 1/18 BH - juris Rd[X.] 8) kann die wiederholte Praxis eines Klägers, einen beteiligten [X.] wegen seiner Ansicht nach jeweils unzutreffender rechtlicher Bewertungen und verfahrensrechtlicher Vorgehensweisen abzulehnen, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Zugleich wird es auch als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn [X.] erneut auf einen Sachverhalt gestützt werden, über den bereits - rechtskräftig - entschieden worden war, dass er die Befangenheit des abgelehnten [X.]s nicht begründete (vgl B[X.] Beschluss vom [X.], aaO; [X.] Beschluss vom 17.3.2008 - II ZR 313/06 - juris; BVerwG Beschluss vom 18.2.1998 - 11 B 30/97 - juris Rd[X.] 10). Es ist anerkannt, dass solche rechtsmissbräuchlichen [X.] vom Gericht auch ohne eine vorherige dienstliche Äußerung des abgelehnten [X.]s (§ 60 Abs 1 [X.]G iVm § 44 Abs 3 ZPO) in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten [X.]s behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist (vgl B[X.] Beschluss vom [X.], aaO, Rd[X.] 22; B[X.] Beschluss vom 7.9.2016 - [X.] SF 2/16 C - juris Rd[X.]; BVerwG Beschluss vom 29.11.2017 - 10 [X.]/17 - juris Rd[X.] 1).

Weshalb hier der Fall bezogen auf das dritte Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen den Berichterstatter anders liegen sollte, zeigt sie nicht schlüssig auf. Vielmehr trägt die Klägerin selbst vor, dass sie bereits zwei [X.] gegen den Berichterstatter wegen des ([X.], dass dieser ihren Prozessbevollmächtigten durch die Verfügung vom [X.] der "Lüge" bezichtigt habe, gestellt habe und beide [X.] vom L[X.] rechtskräftig zurückgewiesen worden seien. Genau auf diesen Umstand hat die Klägerin aber nach ihrem eigenen Vorbringen auch ihr in der mündlichen Verhandlung gestelltes drittes Ablehnungsgesuch gegen den Berichterstatter gestützt, sodass das L[X.] erneut über einen Sachverhalt zu entscheiden hatte, über den es bereits - rechtskräftig - entschieden hatte, dass er die Befangenheit des abgelehnten Berichterstatters nicht begründete.

c) Soweit die Klägerin rügt, die Zurückweisungsbeschlüsse des L[X.] vom 12.10. und [X.] hätten sich mit den gegen den abgelehnten [X.] gerichteten Vorwurf, ihren Prozessbevollmächtigen mit der Verfügung vom [X.] der "Lüge" bezichtigt zu haben, nur unzureichend auseinandergesetzt, hat sie einen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts ebenfalls nicht hinreichend dargetan.

aa) Im Hinblick auf § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 557 Abs 2 ZPO unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen der Beurteilung des [X.] grundsätzlich dann nicht, wenn sie ihrerseits unanfechtbar sind. Diese Einschränkung der Prüfungsbefugnis des [X.] ist bei Beschlüssen, durch die ein Ablehnungsgesuch zurückgewiesen wird, gegeben, wenn sie - wie hier - von einem L[X.] erlassen werden und deshalb gemäß § 177 [X.]G der Anfechtung mit der Beschwerde entzogen sind. Dies hat zur Folge, dass die Zurückweisung eines [X.] grundsätzlich auch nicht als Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geltend gemacht werden kann (vgl Senatsbeschluss vom 7.6.2018 - [X.] V 69/17 B - juris Rd[X.] 6; B[X.] Beschluss vom 24.5.2013 - [X.] KR 50/12 B - juris Rd[X.] 5). Die Bindung des [X.] fehlt lediglich, wenn die Zurückweisung des [X.] auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder wenn die Zurückweisung des [X.] darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] V 14/19 B - juris Rd[X.] 10; B[X.] Beschluss vom 18.5.2017 - [X.] ÜG 2/17 BH - juris Rd[X.] 9 ; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 51/09 B - [X.] 4-1500 § 60 [X.] 6 Rd[X.] 6; vgl auch [X.] Beschluss vom 21.11.2018 - 1 BvR 436/17 - juris Rd[X.] 12). Entsprechende substantiierte Darlegungen der Klägerin enthält die Beschwerdebegründung nicht. Dass das L[X.] sich ihrer Ansicht nach in den [X.] vom 12.10. und [X.] mit dem Vorwurf, dass der Berichterstatter ihren Prozessbevollmächtigten mit seiner Verfügung vom [X.] der "Lüge" bezichtigt habe, nur unzureichend auseinandergesetzt habe, in dem es im Beschluss vom [X.] lediglich ausgeführt habe, es sei nicht zu erkennen, wie sich aus der Verwendung des Wortes "angeblich" ergebe, dass der abgelehnte [X.] befangen sein könnte, zumal es, wie bereits im Beschluss vom 12.10.2021 dargelegt, auf die [X.] nicht ankomme, reicht hierfür nicht.

bb) Auch soweit die Klägerin rügt, dass das L[X.] versäumt habe, zu den [X.]n eine dienstliche Äußerung des abgelehnten [X.]s einzuholen und diese ihr vor der Entscheidung über die [X.] zur Kenntnis- und Stellungnahme zuzuleiten, genügt ihr Vortrag nicht zur Bezeichnung eines [X.].

Zwar sieht § 60 Abs 1 [X.]G iVm § 44 Abs 3 ZPO ausdrücklich vor, dass der abgelehnte [X.] eine dienstliche Äußerung zum Inhalt des [X.] abzugeben hat. Ihr Fehlen ist aber dann unschädlich, wenn das Ablehnungsgesuch offensichtlich unzulässig ist (B[X.] Beschluss vom 11.10.2016 - [X.]2 KR 39/16 B - juris Rd[X.] 4) oder der zu beurteilende Sachverhalt eindeutig feststeht (B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 1/19 B - juris Rd[X.] 10; B[X.] Beschluss vom 23.10.2017 - [X.] AS 49/17 BH - juris Rd[X.]; B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.]a S[X.]8/06 B - [X.] 4-1500 § 60 [X.] 4 Rd[X.] 12; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 60 Rd[X.] 11c). Weshalb es hier dennoch notwendig einer dienstlichen Äußerung des abgelehnten [X.]s zu den [X.]n bedurft hätte, trägt die Klägerin nicht vor. Anlass hierzu hätte aber schon deshalb bestanden, weil der Inhalt der Verfügung des abgelehnten [X.]s vom [X.], aus der die Klägerin den ihren [X.]n zugrunde liegenden Vorwurf ableitet, dass dieser ihren Prozessbevollmächtigten der "Lüge" bezichtigt habe, nach ihrem eigenen Vortrag anhand der Gerichtsakten eindeutig feststellbar ist.

Soweit die Klägerin in diesem Kontext weiter moniert, dass ihr vor der Entscheidung des L[X.] über ihre [X.] dienstliche Äußerungen des abgelehnten [X.]s hierzu nicht zur Kenntnis- und Stellungnahme übersandt worden seien, hat sie eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör ebenfalls nicht hinreichend dargetan.

§ 62 [X.]G konkretisiert den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG). Die Vorschrift soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (§ 128 Abs 2 [X.]G; vgl B[X.] Beschluss vom [X.] S[X.]8/16 B - juris Rd[X.] 9 mwN) und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen miteinbezogen wird. Insoweit verletzt ein Gericht Art 103 Abs 1 GG, wenn es sich bei seiner Entscheidung über die Ablehnung eines [X.]s allein auf eine dienstliche Äußerung des abgelehnten [X.]s stützt, die die Verfahrensbeteiligten nicht kennen, weil es einer Entscheidung dann Feststellungen zugrunde legt, zu denen rechtliches Gehör nicht gewährt wurde (vgl B[X.] Beschluss vom 26.5.2014 - [X.]2 KR 67/13 B - juris Rd[X.] 14 mwN). Solche Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung der Klägerin jedoch nicht.

Weitere Voraussetzung für eine zulässige Gehörsrüge ist zudem die Darlegung, dass der Beteiligte seinerseits alles getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 16.10.2019 - [X.] [X.] 19/18 BH - juris Rd[X.] 8). Dies hat die Klägerin indes nicht aufgezeigt. So hätte ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung zu dem dort gestellten Ablehnungsgesuch vor der Entscheidung des L[X.] eine dienstlichen Äußerung des abgelehnten [X.]s zur Stellungnahme einfordern können. Dass er dies getan oder das L[X.] ihrem Prozessbevollmächtigen diese Möglichkeit verwehrt habe, behauptet die Klägerin nicht.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen [X.].

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.]G.

                Kaltenstein                [X.]

Meta

B 9 SB 74/21 B

23.02.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Mannheim, 25. September 2020, Az: S 8 SB 3371/18, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 60 Abs 1 SGG, § 62 SGG, § 103 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 177 SGG, § 202 S 1 SGG, § 44 Abs 3 ZPO, § 403 ZPO, § 547 Nr 1 ZPO, § 557 Abs 2 ZPO, § 242 BGB, § 152 Abs 1 S 1 SGB 9 2018, § 2 VersMedV, Anlage Teil A Nr 2 Buchst a VersMedV, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 23.02.2022, Az. B 9 SB 74/21 B (REWIS RS 2022, 1065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1065

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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