Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.06.2010, Az. IV R 32/08

4. Senat | REWIS RS 2010, 5974

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Gegenstand

Zur erfolgswirksamen Abspaltung eines früher veräußerten Milchlieferrechts vom Buchwert des Grund und Bodens - Anwendung der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung für Milchlieferrechte - Vornahme einer erfolgswirksamen Bilanzberichtigung


Leitsatz

1. Von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten Pauschalwert des Grund und Bodens darf nicht nachträglich im Wege der Bilanzberichtigung ein Buchwert für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte erfolgswirksam abgespalten werden .

2. Sind die Milcherzeugungsflächen mit den Anschaffungskosten bilanziert, ist dagegen eine erfolgswirksame Bilanzberichtigung vorzunehmen, soweit dabei nicht berücksichtigt wurde, dass für in der Vergangenheit veräußerte Milchlieferrechte ein anteiliger Buchwert abzuspalten war .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Landwirt. In den Wirtschaftsjahren 1995/96 und 1997/98 hatte er einen Teil seiner [X.] (Milchquote bzw. Milchreferenzmenge) veräußert. Den daraus erzielten Gewinn hatte er nicht um den anteiligen Buchwert der veräußerten [X.] vermindert, der sich aufgrund der Abspaltung vom Buchwert des Grund und Bodens ergibt.

2

Zusammen mit der Steuererklärung für das Streitjahr (2001) reichte der Kläger am 19. September 2003 eine berichtigte Bilanz für das Wirtschaftsjahr 2000/01 ein, in der er einen um 48.455,67 DM geminderten Gewinn auswies. Die Bilanzberichtigung erläuterte er mit den Milchquotenverkäufen, für die noch keine Buchwerte gemäß der Abspaltungsberechnung gewinnmindernd berücksichtigt worden seien.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) folgte dem nicht.

4

Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, es seien lediglich die noch vorhandenen [X.] vom Grund und Boden abzuspalten und mit dem verbleibenden Buchwert in der ersten offenen Schlussbilanz anzusetzen, wenn zuvor bereits [X.] ohne Berücksichtigung eines entsprechenden Buchwerts veräußert und die entsprechenden Einkommensteuerbescheide bestandskräftig geworden seien. Eine gewinnmindernde Änderung des [X.] "Grund und Boden" komme nicht in Betracht. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1689 veröffentlicht.

5

Mit der dagegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

6

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. August 2005 zu ändern, die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft um eine hälftig zu berücksichtigende Bilanzberichtigung in Höhe von 24.228 DM zu mindern und die Einkommensteuer 2001 entsprechend niedriger festzusetzen.

7

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des [X.] ist teilweise begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger von dem pauschal nach § 55 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) angesetzten Buchwert des Grund und Bodens einen anteiligen Buchwert für in der Vergangenheit veräußerte [X.] nicht mehr abspalten darf. Das gilt jedoch nicht für den nach dem 30. Juni 1970 erworbenen Grund und Boden.

9

1. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des [X.]s von dem zum 1. Juli 1970 ermittelten pauschalen Buchwert des Grund und Bodens (§ 55 Abs. 1 EStG) nach Verfestigung der [X.] zu einem selbstständigen Wirtschaftsgut grundsätzlich ein anteiliger Buchwert abzuspalten (vgl. u.a. Urteil vom 24. August 2000 IV R 11/00, [X.], 547, [X.] 2003, 64, unter 1.b und 4. der Gründe, m.w.N.). Die Finanzverwaltung ist dem nach anfänglichen Bedenken gefolgt (Schreiben des [X.] --BMF-- vom 14. Januar 2003 IV A 6 -S 2134- 52/02, [X.], 78).

a) Der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung liegt die Ansicht zu Grunde, dass die Möglichkeit, Milch zu erzeugen und zu vermarkten, als Teil der natürlichen Ertragsbedingungen des Bodens durch die Bezugnahme auf die Ertragsmesszahlen in dem mit dem [X.] angesetzten Wirtschaftsgut Grund und Boden (§ 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) [X.] worden sei ([X.]surteile vom 5. März 1998 IV R 23/96, [X.], 435, [X.] 2003, 56, unter 3. der Gründe; vom 24. Juni 1999 [X.], [X.], 132, [X.] 2003, 58, unter 4.a der Gründe unter Hinweis auf § 2 des Bodenschätzungsgesetzes --BodSchätzG-- vom 16. Oktober 1934, [X.] 1934, 1050, § 4 der Durchführungsbestimmungen zum Bodenschätzungsgesetz vom 12. Februar 1935, [X.] 1935, 198). Diese Möglichkeit habe sich dann aber durch die [X.] ([X.]) vom 25. Mai 1984 ([X.], 720) als [X.] ([X.]) zu einem immateriellen Wirtschaftsgut verselbstständigt ([X.]surteil vom 25. November 1999 [X.], [X.], 214, [X.] 2003, 61, unter 1.b der Gründe).

Dadurch habe der Grund und Boden an Wert verloren ([X.]surteile vom 5. März 1998 IV R 8/95, [X.], 434, [X.] 2003, 54, unter 1. der Gründe; in [X.], 547, [X.] 2003, 64, unter 1.b der Gründe). Das entnommene oder veräußerte Wirtschaftsgut "Grund und Boden" sei nicht identisch mit dem Wirtschaftsgut, das mit dem [X.] (§ 55 Abs. 1 Satz 1 EStG, entsprechend dem Achtfachen der Ertragsmesszahl, vgl. § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG) angesetzt worden sei; denn dieser Wert sei nur teilweise auf den "nackten" Grund und Boden entfallen ([X.]surteil in [X.], 214, [X.] 2003, 61, unter 2. der Gründe).

b) Der [X.] ist deshalb zu der Auffassung gelangt, dass nur die Einbeziehung des auf die [X.]n entfallenden Teils des [X.] in die Ermittlung des nicht abziehbaren Verlusts gemäß § 55 Abs. 6 Satz 1 EStG dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift entspreche. Soweit dies nicht gewährleistet sei, enthalte § 55 Abs. 6 EStG eine verdeckte Regelungslücke ([X.]surteil in [X.], 434, [X.] 2003, 54, unter 3. der Gründe). Denn § 55 Abs. 6 EStG sei lediglich eine konsequente Ergänzung zur pauschalen Wertermittlung des Grund und Bodens nach § 55 Abs. 1 EStG und solle verhindern, dass es zur Berücksichtigung von Verlusten komme, die sich allein deshalb ergäben, weil der Teilwert des Grund und Bodens nicht konkret, sondern pauschal ermittelt und deshalb zu hoch angesetzt worden sei ([X.]surteil in [X.], 214, [X.] 2003, 61, unter 1.c der Gründe).

Wertminderungen des Grund und Bodens, die eindeutig auf die rechtliche Verselbstständigung bodengebundener Befugnisse wie der [X.]n zurückzuführen seien, seien daher bei Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen ([X.]surteil in [X.], 547, [X.] 2003, 64, unter 2.b der Gründe). Dazu sei der zum 1. Juli 1970 festgestellte Wert des Grund und Bodens im selben Verhältnis aufzuteilen, in dem sich die Marktpreise für die [X.]n einerseits und den "nackten" Grund und Boden andererseits nach Entstehung des Wirtschaftsguts [X.] gegenüberstünden ([X.]surteil in [X.], 547, [X.] 2003, 64, unter 4. der Gründe; BMF-Schreiben in [X.], 78, Rz 8).

2. Diese Rechtsprechung ist auf erhebliche Kritik gestoßen (vgl. u.a. [X.], Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 1477 ff.).

Gleichwohl sieht der [X.] von einer Änderung der Rechtsprechung ab.

a) Ausschlaggebend dafür ist, dass diese Rechtsprechung über einen längeren Zeitraum bestanden hat und sich die beteiligten Kreise --einschließlich der Finanzverwaltung (vgl. das BMF-Schreiben in [X.], [X.] darauf eingestellt haben. Sie bezieht sich auf Grundstücksflächen, die am 1. April 1984 der Milcherzeugung dienten. Die Bindung an den Betrieb und damit die Flächenbindung besteht bereits seit dem 30. September 1993 nicht mehr (29. Verordnung zur Änderung der [X.] vom 24. September 1993, [X.], 1659). Die Rechtsprechung betrifft daher --von Folgefragen [X.] weit zurückliegende, in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte. Zwischenzeitlich hat die Finanzverwaltung mit den [X.] in einer aufwändigen Verwaltungsaktion die Buchwertabspaltung durchgeführt (Märkle/[X.], [X.], 10. Aufl., Rz 88b). Hinzu kommt, dass die [X.] nach derzeitigem Stand zum 31. März 2015 auslaufen wird (vgl. Verordnung [EG] Nr. 1788/2003 des Rates vom 29. September 2003 über die Erhebung einer Abgabe im Milchsektor, [X.] 2003, Nr. L 270, 123, 125).

b) Allerdings hält es der [X.] nicht für vertretbar, nachträglich für in der Vergangenheit veräußerte [X.] im Wege der Bilanzberichtigung einen Buchwert von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten [X.] des Grund und Bodens abzuspalten und damit den Anwendungsbereich der Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung über die bisher entschiedenen Fallgruppen hinaus weiter auszudehnen. Denn in diesen Fällen bietet das Verlustabzugsverbot des § 55 Abs. 6 EStG keinen Anlass, wegen der in der Vergangenheit realisierten Gewinne aus der Veräußerung von [X.]n nachträglich einen abgespaltenen Buchwert auszubuchen. Insoweit fehlt es an dem für die Begründung der Rechtsprechung maßgeblichen Zusammenhang der Veräußerung der [X.] mit der Anwendung des Verlustabzugsverbots des § 55 Abs. 6 EStG auf den [X.] des Grund und Bodens. Hinzu kommt, dass, wenn --wie zu erwarten-- die Kontingentierung der [X.] aus rechtlichen oder aus tatsächlichen Gründen (durch weitere Erhöhung der [X.]) endet, der ursprüngliche Zustand wieder eintritt. Zu einer Benachteiligung der Grundstückseigentümer bei der Anwendung des § 55 Abs. 6 EStG infolge der Verfestigung der [X.] zu selbstständigen Wirtschaftsgütern kann es dann nicht mehr kommen. Damit entfällt zugleich die Rechtfertigung für die der Buchwertabspaltung zu Grunde liegenden Auslegung des § 55 Abs. 6 EStG durch die [X.]srechtsprechung.

3. Die Gesichtspunkte, die der nachträglichen Buchwertabspaltung von dem nach § 55 Abs. 1 EStG ermittelten [X.] des Grund und Bodens entgegenstehen, gelten nicht für Grundstücke, die nach dem 30. Juni 1970 angeschafft und mit den Anschaffungskosten bilanziert wurden. In diesen Fällen ist daher im Wege der Bilanzberichtigung ein anteiliger Buchwert für in der Vergangenheit veräußerte [X.] abzuspalten und auszubuchen.

a) Es bestehen --anders als bei den auf § 2 BodSchätzG beruhenden [X.]en nach § 55 Abs. 1 EStG-- keine Bedenken, dass sich die wirtschaftlichen Ertragsbedingungen --einschließlich der Möglichkeit, Milch zu erzeugen und zu vermarkten-- auf die Anschaffungskosten und damit auf den [X.] für nach dem 30. Juni 1970 angeschaffte [X.] ausgewirkt haben können. Hinzu kommt, dass das Verlustabzugsverbot nach § 55 Abs. 6 EStG in diesen Fällen nicht anwendbar ist. Diese Vorschrift steht daher einer Buchwertabspaltung für die zu selbstständigen Wirtschaftsgütern verfestigten [X.] von dem nicht mit dem [X.] angesetzten Grund und Boden nicht entgegen.

b) Ausgehend von der weiterhin zu beachtenden Rechtsprechung zur Buchwertabspaltung für [X.] (s. oben unter [X.]) war danach der [X.] der mit den Anschaffungskosten bilanzierten [X.] objektiv unzutreffend, soweit dabei nicht berücksichtigt wurde, dass für in der Vergangenheit veräußerte [X.] ein anteiliger Buchwert abzuspalten war. Nach Bekanntwerden dieser Rechtsprechung konnte der Kläger die Bilanz für das Wirtschaftsjahr 2000/01 daher nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG berichtigen (vgl. Urteil des [X.] vom 13. Februar 2008 [X.], [X.], 429, [X.] 2008, 673, unter [X.] der Gründe; [X.]surteil vom 12. November 1992 IV R 59/91, [X.], 217, [X.] 1993, 392, unter 3.a der Gründe).

c) [X.] war erfolgswirksam vorzunehmen. Denn maßgeblich für die Entscheidung dieser Frage ist stets die Fehlerursache ([X.]surteil vom 6. August 1998 IV R 67/97, [X.], 402, [X.] 1999, 14, unter 3. der Gründe). Die Fehlerursache bestand vorliegend darin, dass der Kläger zwar unstreitig den Verkauf der [X.] erfolgswirksam erfasst, das bilanzierte Betriebsvermögen jedoch nicht um den anteiligen Buchwert vermindert und dementsprechend einen zu hohen Gewinn ermittelt hatte. Soweit der [X.] in dem Urteil vom 16. Dezember 2009 IV R 18/07 ([X.], 1419) eine andere Auffassung vertreten hat, hält er daran nicht fest.

4. Das [X.] ist von einer anderen zeitlichen Beurteilung ausgegangen. Es hat zwar im Ergebnis zu Recht eine gewinnwirksame Bilanzberichtigung versagt, soweit der Kläger eine Buchwertabspaltung für die veräußerten [X.] von den mit dem [X.] nach § 55 Abs. 1 EStG angesetzten Grundstücken vorgenommen hatte. Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit das [X.] eine erfolgswirksame Bilanzberichtigung auch hinsichtlich der nach dem 30. Juni 1970 angeschafften, mit den Anschaffungskosten bilanzierten Grundstücke abgelehnt hat. Der erkennende [X.] kann jedoch nicht abschließend entscheiden, weil das [X.] --von seinem Standpunkt aus zu [X.] die dafür maßgeblichen Werte nicht festgestellt hat. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.

Meta

IV R 32/08

10.06.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 7. Mai 2008, Az: 5 K 172/05, Urteil

§ 4 Abs 1 EStG 1997, § 4 Abs 2 S 1 EStG 1997, § 13 EStG 1997, § 55 Abs 1 EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.06.2010, Az. IV R 32/08 (REWIS RS 2010, 5974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5974

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