Bundessozialgericht, Urteil vom 13.03.2018, Az. B 11 AL 23/16 R

11. Senat | REWIS RS 2018, 12442

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Gegenstand

Teilarbeitslosengeldanspruch - Erfüllung der Anwartschaftszeit - Berücksichtigung zweier Teilzeitbeschäftigungen - keine Einbeziehung von vorangegangener Vollzeitbeschäftigung


Leitsatz

Zeiten einer Vollzeitbeschäftigung führen nicht zur Erfüllung der spezifischen Anwartschaftszeit für das Teilarbeitslosengeld, wenn zeitgleich keine weitere beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist ein Anspruch auf [X.] (Teil-[X.]) für die [X.] vom 15.9.2012 bis 31.12.2012.

2

Die 1966 geborene Klägerin ist von Beruf Diplom-Sozialarbeiterin. Sie war vom [X.] bis 31.7.2010 als pädagogische Fachkraft versicherungspflichtig beschäftigt, bezog vom [X.] bis [X.] und übte sodann vom [X.] bis 27.7.2011 eine versicherungspflichtige Beschäftigung als wissenschaftliche Lehrkraft in Vollzeit aus. Anschließend bezog sie vom 28.7.2011 bis 31.12.2011 aus dem zum [X.] entstandenen Anspruch wiederum [X.]. Am 1.1.2012 begann die Klägerin zwei jeweils versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigungen als Sozialarbeiterin. Aus gesundheitlichen Gründen gab sie am 10.9.2012 eine dieser Tätigkeiten auf.

3

Am 15.9.2012 meldete sich die Klägerin wegen des Verlustes einer Teilzeittätigkeit teilarbeitslos und beantragte die Zahlung von Teil-[X.]. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Klägerin in den letzten beiden Jahren vor Antragstellung weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig teilzeitbeschäftigt gewesen sei und daher die Anwartschaftszeit für Teil-[X.] nicht erfülle (Bescheid vom 2.10.2012; Widerspruchsbescheid vom 8.11.2012). Zum 31.12.2012 endetet auch die zweite Teilzeittätigkeit der Klägerin. Diese bezog vom 1.1.2013 bis 19.3.2013 (Voll-) [X.] und nahm danach wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Vollzeit auf. Klage und Berufung der Klägerin wegen der Versagung von Teil-[X.] blieben erfolglos (Urteil des [X.] vom 5.12.2013; Urteil des L[X.] vom 26.2.2016). Ein Anspruch auf Teil-[X.] bestehe nicht, weil die Klägerin nicht für mindestens zwölf Monate neben der aufgegebenen versicherungspflichtigen Beschäftigung eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt habe. Die Regelung zur Anwartschaftszeit bei Teil-[X.] verstoße auch nicht gegen Grundrechte.

4

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 162 Abs 1 und Abs 2 Nr 2 [X.]B III. Nach Sinn und Zweck der Anwartschaftszeit für das Teil-[X.] werde diese auch erfüllt, wenn eine versicherungspflichtige Beschäftigung zwar weniger als zwölf Monate durch nebeneinander ausgeübte [X.], insgesamt aber länger als zwölf Monate ausgeübt worden sei. Nach den Gesetzesmaterialien sei allein eine "längere" parallele Ausübung bzw die Ausübung über "einige [X.]" erforderlich.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 26. Februar 2016 und des [X.] vom 5. Dezember 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Oktober 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 15. September bis 31. Dezember 2012 [X.] in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

7

Sie hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat zu Recht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des [X.] zurückgewiesen, denn es besteht kein Anspruch auf Teil-[X.].

9

Streitgegenstand ist neben den Entscheidungen der Vorinstanzen der die Zahlung von Teil-[X.] ablehnende Bescheid vom 2.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.11.2012, den die Klägerin zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage 54 Abs 1, 4 [X.]G) angreift. Sie begehrt zulässigerweise dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G) die Zahlung der Geldleistung Teil-[X.] für die [X.] vom 15.9.2012 bis 31.12.2012.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Teil-[X.] liegen nicht vor, denn die Klägerin erfüllt nicht die spezifische Anwartschaftszeit für diese Leistung. Nach § 162 Abs 1 [X.]B III (in der ab 1.4.2012 geltenden Fassung des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 - [X.] -, die § 150 [X.]B III in der bis zum [X.] geltenden Fassung entspricht) hat Anspruch auf Teil-[X.], wer als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer [X.] ist, sich [X.] gemeldet und die Anwartschaftszeit für Teil-[X.] erfüllt hat. Nach § 162 Abs 2 [X.]B III gelten für das Teil-[X.] die Vorschriften über das [X.] bei Arbeitslosigkeit sowie für Empfängerinnen und Empfänger dieser Leistung entsprechend, soweit sich aus den Besonderheiten des Teil-[X.] nichts anderes ergibt. Für die Anwartschaftszeit für das Teil-[X.] gilt die Maßgabe, dass diese erfüllt hat, wer in der Teil-[X.]-Rahmenfrist von zwei Jahren neben der weiterhin ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung mindestens zwölf Monate eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat; die Regelungen zum [X.] über die Rahmenfrist gelten entsprechend (§ 162 Abs 2 [X.] 2 [X.]B III).

Bei Eintritt von [X.] am 15.9.2012 hat die Klägerin in der Teil-[X.]-Rahmenfrist von zwei Jahren, die am 14.9.2012 beginnt und bis 15.9.2010 zurückreicht (§ 162 Abs 2 [X.] 2 [X.]B III iVm § 143 Abs 1 [X.]B III; vgl [X.] in jurisPK-[X.]B III, 2014, § 162 Rd[X.] 26), neben der beendeten versicherungspflichtigen Beschäftigung keine zwölf Monate eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Denn die zum 15.9.2012 beendete Teilzeitbeschäftigung hatte sie gleichzeitig mit der weiteren von ihr ausgeübten Teilzeitbeschäftigung erst am 1.1.2012 aufgenommen. Nur für diesen [X.]raum von weniger als zehn Monaten hat sie zwei versicherungspflichtige Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt.

Zuvor war sie zwar in der [X.] vom 10.9.2010 bis zum 27.7.2011 in Vollzeit beschäftigt. Doch schon nach dem Wortlaut des § 162 Abs 2 [X.] 2 [X.]B III kann eine Beschäftigungszeit nur dann zur Erfüllung der spezifischen Anwartschaftszeit für das Teil-[X.] führen, wenn im selben [X.]raum eine weitere beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt wird (vgl [X.] in [X.], [X.]B III nF, § 162 Rd[X.] 77a, Stand September 2017; [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 162 [X.]B III Rd[X.] 21b, Stand Juni 2017). Denn "neben" bedeutet in dem Sinne, in dem es in § 162 Abs 2 [X.] 2 [X.]B III verwendet wird, dass mehrere versicherungspflichtige Beschäftigungen zeitgleich, also parallel verrichtet werden. Daran fehlt es, wenn - wie hier in der [X.] vom 10.9.2010 bis zum 27.7.2011 - nur ein Beschäftigungsverhältnis besteht.

Dieses Ergebnis wird, anders als es die Revision meint, gestützt durch Sinn und Zweck der Regelungen zum Teil-[X.], welche nur einen begrenzten Schutz gewährleisten. [X.] soll allein dann zu Ansprüchen führen, wenn und solange mehrere versicherungspflichtige Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt worden sind, von denen eine entfällt, während die andere fortgeführt wird (vgl BT-Drucks 13/4941 [X.]). Die weitere Ausübung nur noch einer versicherungspflichtigen Beschäftigung soll für einen begrenzten [X.]raum jedenfalls für einen Anspruch auf Teil-[X.] nicht anspruchsvernichtend sein ([X.] in [X.], [X.]B III nF, § 162 Rd[X.] 55, Stand April 2014). Weitere Fallgruppen hat der Gesetzgeber in das Regelungskonzept nicht einbezogen, selbst wenn dies sozialpolitisch wünschenswert sein könnte (dazu [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 162 [X.]B III Rd[X.] 51, Stand Juni 2017; zur derzeit geringen praktischen Bedeutung des Teil-[X.] [X.] in jurisPK-[X.]B III, 2014, § 162 Rd[X.] 9, 44).

Aus diesem Grund kann - wie das B[X.] bereits entschieden hat - ein Anspruch auf Teil-[X.] aus der Ausübung einer einzelnen versicherungspflichtigen Beschäftigung auch dann nicht entstehen, wenn in dieser Beschäftigung die Arbeitszeit reduziert wird (B[X.] vom 6.2.2003 - [X.] [X.] 12/01 R - B[X.]E 90, 270 = [X.] 4-4300 § 150 [X.], juris Rd[X.]3 ff). Wenn neben einer die Vollarbeitslosigkeit ausschließenden selbstständigen Tätigkeit eine versicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung ausgeübt worden ist und diese Beschäftigung entfällt, kann die Anwartschaftszeit ebenfalls nicht erfüllt werden (B[X.] vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 28/08 R - [X.] 4-4300 § 150 [X.] 3). Auch dann fehlt es an zwei nebeneinander ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigungen.

Systematisch hat der Gesetzgeber das Teil-[X.] zudem als eine eigenständige Leistung ausgestaltet, wie sich schon aus der Aufzählung in § 3 Abs 4 [X.]B III ergibt (vgl [X.] in [X.], [X.]B III nF, § 162 Rd[X.] 4, 36, Stand April 2014). Es ist durch ein eigenes Stammrecht gekennzeichnet, die Zahlung von Teil-[X.] vermindert die Dauer des Anspruchs auf [X.] nur nach Maßgabe der Sonderregelung des § 148 Abs 1 [X.] 2 [X.]B III und die Ansprüche schließen sich gegenseitig aus. Auch das spricht dafür, Anspruchsvoraussetzungen für die jeweiligen Leistungen strikt getrennt zu betrachten.

Übertragen auf die spezifischen Anforderungen an die Anwartschaftszeit für das Teil-[X.] bedeutet dies, dass allein die jeweiligen Teilarbeitsverhältnisse für die Bestimmung der Anwartschaftszeit bei Teil-[X.] maßgeblich sind. Aus diesem Grund wird die Berechnung der spezifischen Rahmenfrist für das Teil-[X.] auch nicht durch eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs 2 [X.]B III begrenzt, wenn nach einer früheren Vollzeittätigkeit [X.] bezogen wurde (B[X.] vom 17.11.2005 - B 11a [X.] 1/05 R - [X.] 4-4300 § 150 [X.] 2, juris Rd[X.]7 f; zustimmend mit weiteren Beispielen [X.]/Maties, [X.]b 2006, 680 f). Nach dieser Vorschrift reicht die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hinein, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte. Wäre die frühere Vollzeittätigkeit aber - wie die Revision meint - geeignet, einen Anspruch auf Teil-[X.] auszulösen, müsste, nachdem die Klägerin aufgrund des Verlusts dieser Vollzeitbeschäftigung [X.] bezogen hat, die Rahmenfrist entsprechend § 143 Abs 2 [X.]B III enden, weil die davorliegenden [X.]en schon einen Leistungsanspruch auf [X.] begründet haben.

Die Berücksichtigung nur einer einzigen Tätigkeit, die nicht neben einer weiteren ausgeübt wurde, bei Ermittlung der Anwartschaftszeit für Teil-[X.] würde zudem zu kaum lösbaren Problemen bei der Bemessung des Teil-[X.] führen. Es wäre offen, welches Arbeitsentgelt der Bemessung zugrunde gelegt werden müsste. Nicht sachgerecht dürfte es [X.] sein, den Verdienst einer Vollzeittätigkeit vollständig bei der Bemessung des Teil-[X.] zu berücksichtigen. Daher sind jeweils zwei verschiedene Stränge von Anwartschaftszeiten aus parallelen Beschäftigungen zu fordern, die jeweils zu Teil-[X.] führen können (vgl [X.]/Maties, [X.]b 2006, 680 f).

Eine Verletzung von Art 14 Abs 1 GG liegt nicht vor. Der Klägerin ist die unter bestimmten Voraussetzungen eigentumsrechtlich geschützte Aussicht, einen Anspruch auf Teil-[X.] erwerben zu können, von vornherein nur mit der Beschränkung eingeräumt worden, dass sie die spezifische Anwartschaftszeit erfüllen muss (vgl B[X.] vom [X.] - [X.]/7a [X.] 56/06 R - [X.] 4-4300 § 37b [X.] 5, juris Rd[X.]9).

Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) durch die Regelungen zum Teil-[X.] ist nicht ersichtlich (so bereits B[X.] vom 3.12.2009 - B 11 [X.] 28/08 R - [X.] 4-4300 § 118 [X.] 5 Rd[X.]7). Es ist nicht zu erkennen, dass es Personengruppen gibt, die in Bezug auf den Anspruch auf Teil-[X.] unterschiedlich behandelt werden. Die Anforderung vor Eintritt des Versicherungsfalls eine spezifische Anwartschaftszeit (Wartezeit) erfüllen zu müssen, trifft alle in der Arbeitslosenversicherung pflichtversicherten Personen in gleicher Weise.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 11 AL 23/16 R

13.03.2018

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Speyer, 5. Dezember 2013, Az: S 10 AL 410/12, Urteil

§ 162 Abs 1 Nr 3 SGB 3 vom 20.12.2011, § 162 Abs 2 Nr 2 SGB 3 vom 20.12.2011, § 3 Abs 4 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.03.2018, Az. B 11 AL 23/16 R (REWIS RS 2018, 12442)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12442

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