Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.07.2020, Az. 1 WB 28/19

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2020, 4138

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Gegenstand

Arbeitszeitgestaltung für die Übung TRIDENT JUNCTURE 2018


Leitsatz

1. § 1 Abs. 4 WBO steht gesonderten, aber wortgleichen Anträgen auf gerichtliche Entscheidung gegen eine Allgemeinverfügung nicht entgegen.

2. Anordnung des Dienstes i.S.v. § 21 Abs. 1 SAZV ist die für den nachgeordneten Bereich verbindliche Feststellung des Vorliegens und der Dauer eines Ausnahmetatbestandes nach § 30c Abs. 4 SG.

3. Einsatzgleiche Verpflichtung i.S.v. § 30c Abs. 4 Nr. 1 SG ist nicht schon eine Übung oder Ausbildung, die der Vorbereitung auf die Wahrnehmung einer einsatzgleichen Verpflichtung dient.

Tenor

Die Festlegung des [X.] vom 8. Oktober 2018 wird aufgehoben, soweit es die Antragstellerin betrifft.

Die der Antragstellerin im Verfahren vor dem [X.] erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem [X.] auferlegt.

Tatbestand

1

[X.]er Antrag betrifft die Arbeitszeitgestaltung für die Übung [X.] in [X.].

2

[X.]ie 1990 geborene Antragstellerin ist [X.]. Ihre [X.]ienstzeit wird voraussichtlich mit dem September 2045 enden. Mit Wirkung vom 4. Juli 2017 wurde sie zum Hauptfeldwebel befördert. Zum 1. Januar 2016 wurde sie zur ... versetzt und wurde dort seitdem als ... verwendet. Von dort aus wurde sie für die [X.] vom 27. September bis zum 28. November 2018 zur Teilnahme an der Übung [X.] in [X.]/[X.] kommandiert.

3

Zu [X.]ienst und Arbeitszeit für diese Übung ergingen folgende Entscheidungen:

4

Am 9. Januar 2018 erließ das Multinationale Kommando Operative Führung die "Weisung Nr. 1 für die [X.] Teilnahme an der Übung [X.]". [X.]ie Weisung enthält unter Nr. 7 Buchst. b die Hinweise, dass das Kommando [X.]basis der durch das [X.] bestimmte Organisationsbereich für Feststellungen nach § 30c Abs. 4 [X.] bis 5 [X.] und die durch das Kommando [X.]basis festgelegte Regelung zur Arbeitszeit Bestandteil der Anlage E seien.

5

Unter dem 17. Juli 2018 erließ der Kommandeur des ... den "Befehl [X.] zur Beteiligung ... an der [X.] Übung [X.]". [X.]arin wird in Anlage [X.] unter der Überschrift "1. Arbeitszeit" u.a. ausgeführt, dass die Teilnehmenden an der Übung [X.]ienst im [X.] leisteten. Eine Ausnahme davon sei in der nachfolgenden [X.] "Ausnahmetatbestand (§ 30c Absatz 4 Soldatengesetz)" bestimmt. [X.]ort heißt es im Satz 1, der Befehlshaber [X.] Kommando Operative Führung ... schlage zur Vereinheitlichung des Vorgehens vor, dass die Teilnahme an den Phasen [X.], [X.] und [X.] dieser Übung einen Ausnahmetatbestand nach § 30c Abs. 4 Nr. 5 [X.] darstelle. Im Rahmen der übrigen Phasen sei über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 41 Stunden hinausgehender [X.]ienst anrechenbare Arbeitszeit und gemäß Kapitel 3 der Z[X.]v [X.] "Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten ([X.])" auszugleichen.

6

Mit E-Mail vom 8. Oktober 2018 bat das Kommando [X.]basis das [X.] um nachträgliche Anordnung des [X.] nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] für die Übung [X.] ab Verlegung nach [X.] bis zur Rückkehr aus [X.].

7

Mit E-Mail vom 8. Oktober 2018 legte daraufhin das [X.] rückwirkend fest, dass - erstens - die Tätigkeiten der Soldatinnen und Soldaten im Rahmen der Übung [X.] solche im Sinne des § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] darstellten. [X.]ie Regelungen der Soldatenarbeitszeitverordnung für den [X.] nach § 30c Abs. 1 bis 3 [X.] fänden - zweitens - ab Beginn der Verlegung in das Einsatzgebiet bis zum Abschluss der Rückverlegung aus dem Einsatzgebiet nach Ziffer 306 der Z[X.]v [X.] keine Anwendung. Auf die Regelungen nach Ziffer 413-415 Z[X.]v [X.] werde besonders hingewiesen.

8

Mit der 1. Änderung des Befehls [X.] vom 6. November 2018 übernahm der Kommandeur des ... die vom [X.] am 8. Oktober 2018 getroffene Regelung unter Streichung des bisherigen Inhalts in die Anlage [X.] dieses Befehls.

9

Mit einem - parallelen Anträgen mehrerer Soldaten gleichlautenden - Schreiben vom 29. Oktober 2018 legte die Antragstellerin "Beschwerde" gegen die Arbeitszeitregelung für die Übung [X.] ein. Sie führte aus, am 9. Oktober 2018 über die Festlegung des [X.] in Kenntnis gesetzt worden zu sein. § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] greife für eine Übung zum Vorbereiten und Herstellen der Einsatzfähigkeit nicht ein. [X.]iese Regelung zähle Ausnahmetatbestände abschließend auf. [X.]urch die Festlegung entstünden ihr Nachteile, weil die Ausgleichsansprüche bzw. die Höhe der finanziellen Vergütung geringer seien als im [X.]. Bis zum Tage der Festlegung hätten bereits zwei dienstfreie Tage gewährt werden müssen, was unterblieben sei. [X.]urch die nachträgliche Festlegung würden die Ansprüche verfallen.

[X.]as [X.] hat die Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und mit einer Stellungnahme vom 19. Juni 2019 dem Senat vorgelegt.

[X.]ie Antragstellerin hat im gerichtlichen Verfahren ausgeführt, dass es für die rückwirkende Anordnung des [X.] an einer rechtlichen Grundlage fehle.

[X.]as [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Es bestreitet die Antragsbefugnis der Antragstellerin. [X.]er Zulässigkeit des Antrages stehe zudem § 1 Abs. 4 Satz 1 WBO entgegen. [X.]ie angegriffene Festlegung sei im Übrigen eine öffentlich bekannt gegebene, für alle Übungsteilnehmer gleichermaßen und unmittelbar gültige Allgemeinverfügung und als solche formell und materiell rechtmäßig. Eine Anhörung der betroffenen Soldaten und eine Begründung sei hiernach verzicht- und im gerichtlichen Verfahren auch nachholbar. Eine Beteiligungspflicht nach dem [X.] habe nicht bestanden. [X.]ie Festlegung sei nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] materiell rechtmäßig. [X.]ie in § 30c Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a bis e [X.] aufgeführten Beispiele seien nicht abschließend. [X.]ie in Rede stehende Übung sei eine andere einsatzgleiche Verpflichtung. Sie stelle den Übungshöhepunkt in der Vorbereitung der [X.] ([X.]) 2019 dar, die die "Speerspitze" der [X.] sei. [X.]iese sei Teil des Readiness Action Plans für eine erhöhte Einsatzbereitschaft. [X.]ie Truppe müsse innerhalb von 48 bis 72 Stunden überall einsatzbereit sein können. [X.]ie Übung sei als Zertifizierungsübung der 2019 assignierten Kräfte durch den zeitlich gestaffelten Ablauf einer Volltruppenübung und einer Gefechtsstandsübung der eingeplanten [X.]-Hauptquartiere geplant. Sinn der Übung sei gewesen, die beteiligten Soldaten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu bringen, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Soldaten seien ohne vorheriges intensives Training nicht in der Lage den besonders hohen Anforderungen gerecht zu werden, denen sie bei der Erfüllung solcher Aufgaben der [X.] genügen müssten, bei denen es nicht möglich sei, die Vorgaben des [X.] Arbeitszeitrechts zu beachten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. [X.]ie Beschwerdeakte des [X.] und die Personalgrundakte der Antragstellerin haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

[X.]er Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat Erfolg.

1. [X.]ie Antragstellerin hat lediglich den prozessualen Antrag auf Entscheidung des [X.] gestellt, ohne einen konkreten Sachantrag zu formulieren. Ihr [X.] ist daher im Lichte ihres Sachvortrages dahin auszulegen (§ 23a Abs. 2 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 86 Abs. 3 VwGO), dass sie die Aufhebung der Festlegung des [X.] vom 8. Oktober 2018 begehrt, soweit diese sie selbst betrifft. Zwar ist für die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren auch das Begehren, einen Ausgleich für Mehrarbeit zu erhalten, vorgetragen worden. [X.]a insoweit aber der Rechtsweg zu den [X.] nicht für alle Ausgleichsansprüche eröffnet, und - soweit der Senat zuständig wäre - ein erforderliches Antrags- und Beschwerdeverfahren noch nicht durchgeführt wurde, geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin damit die Motivation für das Antragsverfahren erläutert, aber noch nicht etwaige Folgeansprüche zum Gegenstand bereits dieses gerichtlichen Verfahrens machen wollte. Im Zweifel ist nämlich nicht davon auszugehen, dass ein Antragsteller einen unzulässigen Antrag stellen will.

2. [X.]er Antrag ist zulässig.

a) [X.]ie Antragstellerin hat form- und fristgerecht mit der Inanspruchnahme wehrdienstgerichtlichen Rechtsschutzes gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 30c [X.] den richtigen Rechtsweg beschritten (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2020 - 1 [X.] 50.19 - juris Rn. 15).

[X.]er Sachantrag betrifft eine dienstliche Maßnahme und ist damit nach § 17 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 [X.]O statthaft. Bei der angegriffenen Anordnung handelt es sich um eine Allgemeinverfügung, die allen betroffenen Soldaten im Rahmen eines Antretens öffentlich bekannt gegeben wurde. [X.]ie Anordnung des Vorliegens eines [X.] nach § 30c Abs. 4 [X.] für eine Übung schließt für alle an der Übung teilnehmenden Soldaten die Anwendung von § 30c Abs. 1 Satz 1 [X.] im erfassten Zeitraum aus und greift damit in ihre Rechte ein. Ob die Anordnung auch an die einzelnen Soldaten oder nur an vorgesetzte [X.]ienststellen adressiert war, ist hierfür unerheblich. [X.]enn auch dienstinterne Anordnungen oder Weisungen, die sich an eine nachgeordnete militärische Stelle oder an einen nachgeordneten Vorgesetzten richten und gegenüber dem einzelnen Soldaten erst in Gestalt der Entscheidung dieses - intern durch die Weisung gebundenen - Vorgesetzten wirksam werden, stellen eine truppendienstliche Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.]O dar, wenn die Anordnung oder Weisung der nachgeordneten Stelle keinen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum mehr belässt (BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2018 - 1 [X.] 12.17 - [X.] 449 § 30c [X.] Nr. 2 Rn. 32 m.w.N.). So liegt der Fall auch hier, da die Grundentscheidung des [X.] abschließend war und den sie in konkreten [X.]ienstanweisungen umsetzenden militärischen Vorgesetzten der einzelnen Soldaten keine Ermessensspielräume eröffnete.

[X.]ie Antragstellerin ist auch [X.]. Sie kann rügen, dass eine rechtswidrige Anordnung eines der Ausnahmetatbestände nach § 30c Abs. 4 [X.], sie in ihrem Recht aus Art. 2 Abs. 1 GG, § 6 Satz 2 [X.] verletzt, nicht über den gesetzlichen Rahmen des § 30c Abs. 1 bis 3 [X.] hinaus Mehrarbeit leisten zu müssen (BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 2020 - 1 [X.] 50.19 - juris Rn. 16).

b) [X.]er Zulässigkeit ihres Antrages steht das Verbot der gemeinschaftlichen Beschwerde aus § 1 Abs. 4 [X.]O nicht entgegen.

Zum einen ist diese Norm, die unmittelbar für das Beschwerdeverfahren gilt, nicht auch in einem gerichtlichen Antragsverfahren anwendbar. Zum anderen sind hier die Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Beschwerde nicht erfüllt.

[X.]ie Beschwerde ist wie der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ein Instrument des Individualrechtsschutzes und schließt es nicht aus, dass "mehrere Soldaten sich einzeln über denselben Sachverhalt beschweren, von dem jeder von ihnen betroffen wird" ([X.]. 2/2359 S. 8). § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.]O verbietet die Bündelung mehrerer individueller Beschwerden zu einer gemeinschaftlichen Beschwerde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. [X.]ezember 2018 - 1 [X.] 34.18 - [X.] 450.1 § 1 [X.]O Nr. 2 Rn. 12). § 1 Abs. 4 [X.]O soll verhindern, dass eine Gruppenbeschwerde den Charakter einer offenen Auflehnung annimmt und damit die [X.]isziplin in der Truppe erheblich gefährdet. Sie beugt daher dem Versuch vor, durch gemeinsames Handeln [X.]ruck auf den Vorgesetzten auszuüben (vgl. [X.]/Scheuren, [X.]O, 7. Aufl. 2020, § 1 Rn. 229).

Zwar ist unstreitig, dass etwa zwanzig Soldatinnen und Soldaten, mehrheitlich Angehörige des ..., mit gesonderten, aber gleichlautenden Schreiben in engem zeitlichen Zusammenhang den Rechtsbehelf eingelegt haben. Jedoch handelt es sich bei der angegriffenen Maßnahme um eine Allgemeinverfügung, die im Hinblick auf die Folgen für die regelmäßige Arbeitszeit nach § 30c Abs. 1 Satz 1 [X.] für alle betroffenen Soldaten in gleicher Weise und vom gleichen Zeitpunkt an Wirksamkeit beanspruchte. [X.]ieser Umstand bringt es mit sich, dass sowohl der Zeitraum für die Einlegung der Rechtsbehelfe als auch die in Betracht kommenden Einwände gleich waren. [X.]iese sachlichen Umstände sprechen gegen die Absicht der Auflehnung gegen Vorgesetzte und eine Gefährdung der [X.]isziplin.

Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Identität des Wortlautes der Rechtsbehelfe. § 1 Abs. 4 [X.]O ist als Einschränkung des Petitionsrechts nach Art. 17a Abs. 1 GG eng auszulegen. [X.]amit verbietet es sich, allein aus der Wortgleichheit die Vermutung abzuleiten, die gesonderten Rechtsbehelfsschriften seien von dem gemeinsamen Willen getragen, den [X.]isziplinarvorgesetzten unter [X.]ruck zu setzen (so aber [X.]/Scheuren, [X.]O, 7. Aufl. 2020, § 1 Rn. 234). Sind durchgreifende Argumente gegen eine Allgemeinverfügung für eine Vielzahl Betroffener - wie hier - notwendigerweise inhaltlich gleich, rechtfertigt der Zweck der Norm die Forderung nach Variationen in der Formulierung der Argumente nicht. Eine solche Forderung wäre eine bloße Förmelei.

3. [X.]er Antrag ist auch begründet. [X.]ie angegriffene Festlegung ist rechtswidrig, verletzt die Antragstellerin daher in ihren Rechten und ist mithin im angefochtenen Umfange aufzuheben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 [X.]O).

a) Rechtsgrundlage der angegriffenen Festlegung ist § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] in der bis zum 31. [X.]ezember 2019 geltenden Fassung vom 16. November 2015 ([X.] S. 1995 - im Folgenden: a.F.). Hiernach wird der [X.]ienst bei Tätigkeiten nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] vom [X.] angeordnet. [X.]ie Anordnung des [X.]ienstes im Sinne dieser Norm stellt die verbindliche Festlegung des Vorliegens ("ob") und der [X.]er ("wann") des genannten [X.] dar. [X.]ie Bestimmung weist dem [X.] die Zuständigkeit für einen Verwaltungsakt zu, mit dem die Anwendbarkeit des [X.] nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] auf einen konkreten Sachverhalt festgestellt wird. Ein entsprechender feststellender Verwaltungsakt wirkt zwar nur deklaratorisch, hat aber für die betroffenen [X.]ienststellen und Soldaten bindende Wirkung. [X.]a dem [X.] bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] kein Beurteilungsspielraum zukommt, ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung in vollem Umfange gerichtlich überprüfbar.

b) [X.]ie [X.]urchführung der Übung [X.] fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.].

Unstreitig fällt die Übung [X.] unter keines der Regelbeispiele nach § 30c Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a bis e [X.]. Nach dem Wortlaut des § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] ("insbesondere") definieren die Regelbeispiele die Begriffe Einsatz und einsatzgleiche Verpflichtung nicht abschließend. Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] liegt allerdings kein sonstiger Fall einer einsatzgleichen Verpflichtung vor.

[X.]er unbestimmte Rechtsbegriff der einsatzgleichen Verpflichtung wird zwar in den [X.] zu § 30c Abs. 4 [X.] nicht näher erläutert ([X.]. 18/3697 [X.]). Jedoch ist derselbe Begriff durch das [X.] vom 13. Mai 2015 ([X.] I S. 706) nicht nur in § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.], sondern auch in § 31 Abs. 8 Satz 1 [X.] eingefügt worden. Hierzu erläutern die [X.] ([X.]. 18/3697 S. 55):

"Einsatzgleiche Verpflichtungen sind für bestimmte Zeiträume gegenüber der [X.] und [X.] eingegangene und nach Art und Umfang jeweils individuell festgelegte Verpflichtungen mit Einsatzcharakter (z.B. Beitrag zu [X.] Response Force und [X.] Battle Groups). In den [X.] ergibt sich ihre tatsächliche Inanspruchnahme aus den nationalen und multinationalen Übungs- und Zertifizierungsverpflichtungen, in den [X.] die [X.] aus den zugesagten Notice to Move-Fristen."

Hiernach sind "einsatzgleiche Verpflichtungen" im Sinne von § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] Aktivitäten der [X.], die zwar häufig keiner Parlamentsbeteiligung nach § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Beteiligung bei der Entscheidung über den Einsatz bewaffneter [X.] im Ausland (Parlamentsbeteiligungsgesetz) vom 18. März 2005 ([X.] I S. 775) bedürfen, die aber unter Rahmenbedingungen durchgeführt werden, die einem von dieser Norm erfassten Einsatz militärisch vergleichbar sind und mit denen die [X.] eine gegenüber der [X.], der [X.] oder einer anderen zwischenstaatlichen Einrichtung eingegangene Verpflichtung erfüllt. [X.]er Begriff erfasst damit neben der Beteiligung an humanitären Hilfsmaßnahmen insbesondere Krisenreaktionskräfte, die als Vorbereitung auf mögliche Einsätze vorgehalten werden. [X.]arunter fällt auch die [X.] ([X.]) als Bestandteil der [X.] Response Force ([X.]) (vgl. den Abschlussbericht der [X.] zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der [X.] - [X.]. 18/5000 S. 15 f.). Wie das [X.] schriftsätzlich und ergänzend in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, dient die in Rede stehende Übung der Vorbereitung auf die Wahrnehmung von Aufgaben für die [X.] durch die [X.] des Bundes. [X.]urch die Vorbereitung hierauf und die dem Nachweis der Fähigkeiten dienende Zertifizierung erfüllt die [X.] ebenso wie durch die unmittelbare Beteiligung an den Aufgaben der [X.] eine Verpflichtung gegenüber der [X.]. Unstreitig bedarf es dafür keines Parlamentsmandats.

[X.]amit fällt zwar die Beteiligung der [X.] an der Erfüllung der Aufgaben der [X.] bzw. der [X.] ohne Weiteres in den Anwendungsbereich der einsatzgleichen Verpflichtungen. [X.]ies gilt aber nicht für Übungen und Ausbildungen, die lediglich der Vorbereitung auf die Wahrnehmung solcher militärischen Aufgaben dienen. [X.]enn bei Übungen und Ausbildungen wird keine reale Aufgabe erfüllt. Vielmehr wird der [X.]ienst im Einsatz oder bei einer einsatzgleichen Verpflichtung nur simuliert. Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass im Rahmen der Übung eine Zertifizierung für die spätere Tätigkeit im Rahmen der [X.]-Verpflichtung erfolgt. [X.]enn für die Vorbereitungsphase sieht § 30c Abs. 4 Nr. 5 [X.] gerade dann, wenn - wie hier - reale Einsatzbedingungen insbesondere als Voraussetzungen für eine Zertifizierung simuliert werden, eine gesonderte Regelung vor, die als lex specialis den Rückgriff auf den unmittelbar die eigentliche militärische Aufgabe erfassenden § 30c Abs. 4 Nr. 1 [X.] ausschließt. [X.]a das [X.] nach § 21 Abs. 1 Satz 2 [X.] für die Feststellung dieses [X.] aber keine Zuständigkeit hat, hätte es die zuständige Stelle zu einer entsprechenden Anordnung anweisen müssen. [X.]ies ist aber nicht geschehen.

c) [X.]a das [X.] gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 [X.] a.F. (ebenso gemäß § 21 Abs. 1 i.V.m. § 3 Satz 1 [X.] n.F.) für die Anordnung von [X.]ienst bei den [X.] nach § 30c Abs. 4 Nr. 4 und 5 [X.] nicht zuständig ist, kommt es nicht darauf an, ob diese hier vorliegen und ob ihre Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt ganz oder zumindest zeitabschnittsweise in Übereinstimmung mit europarechtlichen Vorgaben liegt. Mangels Zuständigkeit des [X.] kommt eine Umdeutung nach § 47 VwVfG nicht in Betracht. [X.]ie angegriffene Festlegung wäre aus demselben Grunde auch nicht mit einer anderen Begründung rechtmäßig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. November 2013 - 2 B 60.13 - [X.] 232 § 44 [X.] Nr. 27 Rn. 7).

d) [X.]ie Festlegung des [X.] vom 8. Oktober 2018 war deshalb aufzuheben, soweit sie die Antragstellerin betrifft. Im gleichen Umfang sind diejenigen Anordnungen wirkungslos, mit denen die Festlegung des [X.] durch nachgeordnete Stellen ohne eigenen Entscheidungs- oder Ermessensspielraum "eins zu eins" weitergegeben wurde (siehe oben 2. a). [X.] gegenüber der Antragstellerin ist deshalb auch die 1. Änderung (vom 6. November 2018) des Befehls Nr. 2. [X.] der Antragstellerin während der Übung [X.] bemisst sich damit nach Anlage [X.] des "Befehls Nr. 2 zur Beteiligung ... an der [X.] Übung [X.]" in seiner ursprünglichen und von der Antragstellerin nicht angefochtenen Fassung vom 17. Juli 2018.

4. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 [X.]O.

Meta

1 WB 28/19

30.07.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 30c Abs 4 Nr 1 SG, § 30c Abs 4 Nr 4 SG, § 21 Abs 1 S 1 SAZV vom 16.11.2015, § 21 Abs 1 SAZV, § 3 S 1 SAZV, § 1 Abs 4 WBO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.07.2020, Az. 1 WB 28/19 (REWIS RS 2020, 4138)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4138

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