Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2014, Az. 2 StR 113/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 2948

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 113/14
vom
16. September 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Körperverletzung mit Todesfolge

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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 16.
September 2014 gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10.
Oktober 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die
Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Schwurgericht zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit [X.] zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die dagegen gerich-tete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des [X.]s trafen der Angeklagte und der Geschädigte, die beide in ihrer Freizeit der Jagd nachgingen, in den frühen Abendstunden auf einem Feldweg aufeinander. Der Angeklagte, der sich in [X.] depressiven Phase befand und alkoholisiert war, saß,
nachdem er in [X.] Absicht unter Mitführung einer mit sieben Patronen geladenen halbauto-matischen Pistole [X.]. 9 mm in den Wald gegangen war, am Wegesrand und schlief, was den Geschädigten, der gerade von der Jagd zurückkam, an der Weiterfahrt hinderte. Er weckte den Angeklagten mit einem Tritt und forderte ihn mit unfreundlichen Worten auf, sich zu entfernen. Der darüber verärgerte Ange-1
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klagte trat daraufhin dem Geschädigten in das Gesäß und beschimpfte ihn. Der Geschädigte, nun seinerseits erbost, rief "[X.]"
und schickte sich an, seine Flinte aus dem Fahrzeug zu holen. Der Angeklagte, der Angst vor einem Angriff hatte, sprühte dem Geschädigten Pfefferspray ins Gesicht. Dieser zeigte sich jedoch unbeeindruckt, erfasste die Waffe und hielt sie in Richtung des Angeklagten. Aus Angst vor einem Angriff schoss der Angeklagte nun [X.] in Richtung des Geschädigten, wobei er ihn am [X.] traf. Der [X.] hantierte gleichwohl weiter an seiner doppelläufigen Flinte, um sie zu la-den
oder schussbereit zu machen. Der Angeklagte gab nunmehr einen Warn-schuss in die Luft ab, ohne dass der Geschädigte hierauf eine Reaktion zeigte. Da der Angeklagte befürchtete, dass es dem Geschädigten alsbald gelänge, die Waffe zu laden und schussfertig zu machen, gab er nunmehr einen gezielten Schuss auf den Rumpf des
Geschädigten ab. Der Geschädigte zeigte sich [X.] auch hiervon unbeeindruckt, weshalb der Angeklagte im [X.] auch noch in dessen Bein schoss. Nunmehr hielt der Geschädigte inne und ließ das Gewehr sinken. Der Angeklagte nahm es ihm ab und entfernte sich. Der Ge-schädigte verstarb an den Folgen des [X.].
Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der mit Körperverlet-zungsvorsatz erfolgte Schuss auf die Körpermitte nicht durch Notwehr gerecht-fertigt war. Zwar habe eine Notwehrlage vorgelegen. Der Schuss in den Rumpf sei jedoch nicht erforderlich im Sinne des §
32 StGB gewesen. Hierbei sei zu beachten gewesen, dass der Angeklagte mit seiner tätlichen Beleidung selbst die Ursache für die Eskalation gesetzt hatte, weshalb sein [X.] einge-schränkt gewesen sei. Unter Berücksichtigung dessen sei es ihm zuzumuten gewesen, vor dem Schuss weitere mildere Mittel einzusetzen, um den [X.]n von dem Laden der Flinte abzuhalten, wie etwa eine energische mündli-che Aufforderung, die Waffe abzulegen und die Ankündigung, einen weiteren Schuss abzugeben, das gewaltsame Entreißen der Flinte oder ein Schuss in 3
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weniger gefährdete Körperregionen. Für einen [X.] lägen keine [X.] vor.

2. Die Annahme des [X.]s, dass die Verteidigungshandlung des Angeklagten nicht erforderlich im Sinne des § 32 StGB war, begegnet jedenfalls im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken.
3. Die Erwägungen, mit denen das [X.] das Vorliegen eines [X.] (§
33 StGB) abgelehnt hat, sind indes rechtfehlerhaft.
Das [X.] ist davon ausgegangen, der Angeklagte habe nicht aus Angst, Furcht oder Schrecken die Grenzen der Notwehr überschritten. Er habe vielmehr im hohen Maße gesteuert, kontrolliert und zielgerichtet sowie [X.] überlegt gehandelt. Zur Begründung hat das Gericht die Einlassung des Angeklagten
herangezogen, der angegeben hatte, er habe deshalb auf den Geschädigten geschossen, weil dieser zuvor auf ihn geschossen habe. Die [X.] hat daraus den Schluss gezogen, der Angeklagte mache lediglich geltend, aus Notwehr geschossen und nicht etwa aus Angst, Furcht oder Schrecken das [X.] überschritten zu haben.
a) Die zur Begründung herangezogene Einlassung des Angeklagten hat das [X.] jedoch an anderer Stelle als widerlegt erachtet; es
ist in den getroffenen Feststellungen gerade nicht davon ausgegangen, dass der Ge-schädigte zuvor auf den Angeklagten geschossen habe. Die widerlegte [X.] durfte daher auch im Rahmen der Prüfung
des §
33 StGB nicht herangezogen werden, um ein überlegtes Handeln des Angeklagten zu begründen.

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b) Die bisherigen Feststellungen rechtfertigen auch im [X.] nicht die Wertung, der Angeklagte könne die Grenzen der Notwehr nicht aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken im Sinne von §
33 StGB über-schritten haben.
Dagegen spricht, dass der Angeklagte jedenfalls nach eigener Einlassung vor der Schussabgabe in den Rumpf des Geschädigten "kurz vor dem Durchdrehen"
gewesen und "hektisch hin und her
gelaufen"
sei (UA S.
21). Damit hat sich das [X.] nicht auseinandergesetzt.
4. Der Senat hebt die dem Urteil zu Grunde liegenden Feststellungen umfassend auf (§
353 Abs.
2 StPO), um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu geben, widerspruchsfreie
Feststellungen zu treffen.
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5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
Käme die neu berufene [X.] zu dem Schluss, dass der Angeklagte im Hinblick auf die gegen den Geschädigten abgegebenen Schüsse nicht [X.] gehandelt haben sollte, wäre zu prüfen, ob er sich der unterlassenen [X.] nach §
323c StGB schuldig gemacht hat
[X.], StGB,
61.
Aufl.,
§
13 Rn.
53 [X.]).
Fischer Appl

Eschelbach

Ott Zeng

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Meta

2 StR 113/14

16.09.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2014, Az. 2 StR 113/14 (REWIS RS 2014, 2948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2948

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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