Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.2011, Az. III ZR 53/11

3. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1297

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Gegenstand

Geschäftsführung ohne Auftrag: Aufwendungsersatzanspruch eines Bestattungsunternehmens gegen die bestattungspflichtige mittellose Ehefrau des Verstorbenen


Leitsatz

1. Nimmt ein Bestattungsunternehmer die Beerdigung eines Verstorbenen ohne Auftrag vor, weil sich niemand der nächsten Angehörigen des Hinterbliebenen bereitgefunden hat, für die Bestattung zu sorgen, so kommt ein Aufwendungsersatzanspruch des Unternehmers nach §§ 670, 677, 679, 683 BGB gegen die Person in Betracht, die nach Maßgabe des jeweils anwendbaren (Landes-)Bestattungsgesetzes (vorrangig) bestattungspflichtig ist (hier: die Ehefrau des Verstorbenen gemäß § 2 Nr. 12, § 13 Abs. 2 Satz 1 BestattG Schl.-H.).

2. Der entgegenstehende Wille des bestattungspflichtigen Ehegatten steht seiner Inanspruchnahme im Hinblick auf die Möglichkeit, vom zuständigen Sozialhilfeträger gemäß § 74 SGB XII Übernahme der Beerdigungskosten zu erlangen, grundsätzlich auch dann nicht entgegen, wenn der Ehegatte nicht leistungsfähig ist und die familiären Beziehungen zerrüttet sind.

3. Der Aufwendungsersatzanspruch ist in einem solchen Fall der Höhe nach begrenzt auf den nach § 74 SGB XII übernahmefähigen Betrag (Kosten einer einfachen Beerdigung).

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 8. Februar 2011 aufgehoben und das Urteil des [X.] vom 22. Februar 2010 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.470,63 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich seit dem 21. März 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt ein Bestattungsunternehmen und verlangt von der Beklagten die Kosten für die Beisetzung ihres am 31. Oktober 2006 verstorbenen Ehemanns, von dem sie getrennt lebte. Dieser hatte aus einer früheren Ehe zwei Töchter. Nach Überführung der Leiche in die [X.] des [X.] kam es zu einem Treffen mit der Beklagten und einer der Töchter des Verstorbenen. Ob die Beklagte sich an dem dabei geführten Gespräch über eine mögliche Beisetzung aktiv beteiligte, ist streitig. Jedenfalls erklärten sie und die Tochter, die anfallenden Bestattungskosten nicht übernehmen zu können. Ein Mitarbeiter des [X.] wies in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit einer Kostenerstattung durch das Sozialamt hin. Das Gespräch blieb ohne Ergebnis. Der Kläger führte die Bestattung im November 2006 durch. Nachdem der Kläger die Beerdigungskosten der Beklagten unter dem 29. November 2006 in Rechnung gestellt hatte, beantragte sie die Kostenübernahme durch das Sozialamt. Der Antrag blieb ebenso erfolglos wie der anschließend eingelegte Widerspruch. Das daraufhin vor dem Sozialgericht angestrengte Verfahren ist bis zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ausgesetzt worden.

2

Der Kläger ist der Ansicht, die ihm entstandenen Kosten für die durchgeführte ("Sozial"-)Bestattung jedenfalls als Geschäftsführer ohne Auftrag geltend machen zu können. Da weder Nachlassmittel noch eigene Mittel der Angehörigen - der beklagten Ehefrau und der beiden Töchter aus der ersten Ehe des Verstorbenen - vorhanden seien, hafte die Beklagte jedenfalls als die primär bestattungspflichtige Person. Die Beklagte beruft sich vor allem auf ihren wegen fehlender Leistungsfähigkeit entgegenstehenden Willen und behauptet zudem, zum Zeitpunkt des Todes ihres Ehemannes sei bereits ein von ihm beantragtes Scheidungsverfahren anhängig gewesen.

3

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision ist begründet; dem Kläger steht der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch zu.

I.

5

Das Berufungsgericht hat im [X.] an die Würdigung des Amtsgerichts vertragliche Ansprüche für nicht gegeben erachtet, weil der Kläger selbst vorgetragen habe, die Beklagte habe wegen des deutlichen Hinweises auf ihre fehlende Zahlungsfähigkeit keinen Vertrag mit ihm geschlossen. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag sei wegen des unmissverständlich entgegenstehenden Willens und Interesses der [X.] zu verneinen. Ein solcher Anspruch sei auch über § 679 [X.] nicht gegeben. Eine zivilrechtliche Haftung der [X.] nach §§ 1922, 1968 [X.] scheide aus, da sie keine Alleinerbin geworden sei; darauf, ob ein Erbrecht der [X.] wegen des eingeleiteten Scheidungsverfahrens gänzlich ausgeschlossen gewesen sei, komme es nicht an. Auch eine Haftung der [X.] als Unterhaltsverpflichtete gemäß § 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 3 i.V.m. § 1615 Abs. 2 [X.] komme wegen ihres geringen Einkommens nicht in Betracht. Die sich aus dem in [X.] geltenden Bestattungsgesetz ergebende öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht beruhe auf einem vom Zivilrecht völlig unabhängigen eigenständigen Rechtsgrund (Gefahrenabwehr). Nach den Bestimmungen dieses Gesetzes sei es allein Aufgabe der für den Sterbe- und Auffindungsort zuständigen [X.], für eine Bestattung zu sorgen und gegebenenfalls im Wege der öffentlich-rechtlichen Ersatzvornahme vorzugehen. Anschließend könne nur durch Verwaltungsakt die Haftung bestattungspflichtiger [X.] geltend gemacht werden. Ein Bestattungsunternehmen könne dagegen nicht durch eine selbst initiierte Beisetzung die gemeindliche Entschließung ersetzen und vermutete [X.] unbeschränkt auf Kostenerstattung in Anspruch nehmen, zumal, wenn diese nicht leistungsfähig seien. Schließlich scheide auch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus; der Kläger gehe selbst davon aus, dass es der [X.] nach § 74 [X.] nicht zumutbar sei, die Beerdigungskosten zu tragen; insoweit sei sie durch sein eigenmächtiges Handeln nicht von einer Verbindlichkeit befreit worden.

II.

6

Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

7

1. Ohne Erfolg bleibt allerdings die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe bei seiner Annahme, zwischen den Parteien sei kein - als Werkvertrag zu qualifizierender - [X.] zustande gekommen, § 632 Abs. 1 [X.] übersehen, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Vorliegend war die Frage der Vergütung Gegenstand des zwischen den Parteien geführten Gesprächs. Dabei hatten die Beklagte und die Tochter des Verstorbenen die Zahlung einer Vergütung unter Hinweis auf ihre fehlende Leistungsfähigkeit ausdrücklich abgelehnt. Bei dieser Sachlage wird die tatrichterliche Würdigung der Vorinstanzen, die Beklagte habe den Abschluss eines Werkvertrags abgelehnt, auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese sich - entsprechend dem bereits bei dem Gespräch zwischen den Parteien gegebenen Hinweis - später dazu [X.], beim Sozialamt einen Antrag auf Übernahme der ihr in Rechnung gestellten Bestattungskosten gemäß § 74 [X.] zu stellen.

8

2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der für die Bestattung angefallenen Kosten nach §§ 677, 683, 679, 670 [X.] zu.

9

a) Der Kläger hat dadurch, dass er die Beisetzung des Verstorbenen vornahm, ein objektiv fremdes Geschäft geführt. Dabei ist, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, als [X.] nicht derjenige anzusehen, der letztlich die Beerdigungskosten zu tragen hat - also im Regelfall der Erbe (§ 1968 [X.]) oder auch eine unterhaltspflichtige Person (§ 1615 Abs. 2 [X.]) -, sondern derjenige, dem es obliegt, für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen. Dies war hier nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes [X.] ([X.] Schl.-H.) vom 4. Februar 2005 (GVBl. Schl.-H. S. 70) die Beklagte als Ehefrau des Verstorbenen.

aa) Die vom Berufungsgericht für die Bestimmung des [X.]n für maßgeblich erachteten Vorschriften, insbesondere § 1968 [X.], befassen sich nur mit der Frage, wer die Kosten der Beerdigung zu tragen hat. Dazu, wer das Recht und gegebenenfalls die Pflicht hat, die Beerdigung vorzunehmen (Totenfürsorge), verhalten sie sich nicht.

In der Rechtsprechung des [X.] und des [X.] ist durchgängig anerkannt, dass über den Ort der letzten Ruhestätte und die Art der Bestattung in erster Linie der Verstorbene selbst zu bestimmen hat. Ist insoweit, wie hier, ein Wille des Verstorbenen nicht erkennbar, so ging zunächst - im Einklang mit den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers (vgl. [X.], Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], [X.], [X.]) in Rechtsprechung und Literatur die Tendenz dahin, das Recht zur Verfügung über den Leichnam dem zur Kostentragung verpflichteten Erben zuzusprechen (vgl. [X.], 217, 220; [X.]/[X.], [X.], 1. Aufl. 1902, § 1922 [X.] IV 2 d und fortlaufend bis zur 9. Aufl. 1928). Später, durch Urteil vom 5. April 1937 ([X.], 269, 270 f), hat das [X.] ausgesprochen, dass dieses Recht, wenn der Verstorbene einen Willen nicht geäußert hat, den nächsten Angehörigen "als Nachwirkung des familienrechtlichen Verhältnisses" zuzubilligen sei. Auch der [X.] geht in ständiger Rechtsprechung im [X.] an diese Entscheidung des [X.] davon aus, dass "nach gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen" den nächsten Angehörigen das Recht der Totenfürsorge zustehe (vgl. nur [X.], Urteil vom 26. Februar 1992 - [X.], NJW-RR 1992, 834 mwN).

Inwieweit diesem Recht eine ([X.]) Rechtspflicht zur Ausübung des Totenfürsorgerechts entspricht und wie diese Pflicht im Näheren ausgestaltet ist (Kreis der zu den nächsten Angehörigen zählenden Personen; Rangfolge ihrer Verpflichtung), oder ob es sich bei der Bestattungspflicht von vornherein nur um eine - in den Bestattungsgesetzen der Länder geregelte - öffentlich-rechtliche Verpflichtung handelt (dahin ging wohl die Auffassung des historischen Gesetzgebers, vgl. [X.], Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], [X.], [X.]; siehe auch [X.]/[X.], [X.], Neubearb. 2008, § 1922 Rn. 118; [X.]/[X.], Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 10. Aufl., [X.]. 2 Rn. 2) kann vorliegend dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn sich - wie hier - keine Person, die als Totenfürsorgeberechtigte in Betracht kommt, dazu bereitfindet, die Bestattung vorzunehmen und deshalb ein Einschreiten der zuständigen Ordnungsbehörde zu gewärtigen ist, liegt es nahe, die Person des [X.] nach Maßgabe der öffentlich-rechtlichen ([X.] zu bestimmen, die ihrerseits - wie vorliegend § 13 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Nr. 12 [X.] Schl.-H. (vgl. dazu auch die Begründung zum Entwurf eines [X.] in [X.], [X.]. 15/3561, [X.]) - die Bestattungspflicht und die Reihenfolge der in Betracht kommenden Verpflichteten unter besonderer Berücksichtigung verwandtschaftlicher oder familiärer Beziehungen regeln.

bb) Nach § 13 Abs. 2 Satz 1 [X.] Schl-H. haben die Hinterbliebenen oder eine von der verstorbenen Person zu Lebzeiten beauftragte Person oder Einrichtung ([X.]) für die Bestattung zu sorgen. Gemäß § 2 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 [X.] Schl.-H. ist der Ehegatte des Verstorbenen derjenige Hinterbliebene, der vor allen anderen aufgeführten Personen - zu denen auch (Buchst. c) die leiblichen und adoptierten Kinder gehören - der Bestattungspflicht zu genügen hat.

Die (öffentlich-rechtliche) Bestattungspflicht des Ehegatten besteht nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch dann, wenn die Familienverhältnisse zerrüttet sind. Selbst wenn die Ehegatten getrennt leben und - wie von der [X.] behauptet - ein Scheidungsverfahren anhängig ist, kommt die Bestattungspflicht nicht in Wegfall; sie erlischt erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 2009 - 19 A 448/07, juris, Rn. 37 zu § 8 [X.] NW).

cc) Die vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken dagegen, Aufwendungsersatzansprüche des [X.] nach Maßgabe der §§ 677 ff [X.] auf die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des [X.] zu stützen, greifen nicht durch. Es ist in der Rechtsprechung des [X.] anerkannt, dass auch öffentlich-rechtliche Pflichten eine Haftung als [X.] auslösen können (so schon Urteil vom 15. Dezember 1954 - [X.], [X.]Z 16, 12, 15 f). Allerdings sind die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag dann nicht anwendbar, wenn Vorschriften des öffentlichen Rechts eine erschöpfende Regelung vorsehen oder die Aufgabenerfüllung ausschließlich in die Zuständigkeit und das Ermessen einer Behörde legen (vgl. [X.]surteile vom 26. November 1998 - [X.], [X.]Z 140, 102, 109 f und vom 2. April 1998 - [X.], [X.]Z 138, 281, 288 f; jeweils mwN). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trifft es jedoch nicht zu, dass es dann, wenn die von Gesetzes wegen [X.] die Beerdigung eines Verstorbenen nicht vornehmen, allein Sache der für den Sterbe- und Auffindungsort zuständigen [X.] ist, im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung zu veranlassen. Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 [X.] Schl.-H. hat die [X.], wenn [X.] nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sind oder ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen, erst und nur dann für die Beerdigung zu sorgen, wenn auch kein anderer die Bestattung veranlasst. Angesichts der Subsidiarität der gemeindlichen Verpflichtung (vgl. [X.]. 15/3561 S. 47), wonach das Tätigwerden eines jeden [X.] - gleichgültig aus welchen Beweggründen und mit welchem (vermeintlichen oder tatsächlich vorliegenden) Rechtsgrund - die [X.] entlastet, hat sich der Kläger durch sein "eigenmächtiges" Handeln keineswegs behördliche Kompetenzen angemaßt, sondern lediglich bewirkt, dass sich ein behördliches Einschreiten erübrigt hat.

b) Ein Anspruch aus § 683 [X.] setzt weiter voraus, dass der Geschäftsführer das Geschäft auch subjektiv nicht (nur) als eigenes, sondern (auch) als fremdes führt, also in dem Bewusstsein und mit dem Willen, zumindest auch im Interesse eines anderen zu handeln. Der Kläger hat mit der Erfüllung der öffentlich-rechtlich begründeten Bestattungspflicht der [X.] ein objektiv fremdes Geschäft ausgeführt. Bei derartigen Geschäften, die schon ihrem Inhalt nach in einen fremden Rechts- und [X.] eingreifen, wird regelmäßig ein ausreichender Fremdgeschäftsführungswille vermutet (vgl. [X.], Urteil vom 27. Mai 2009 - [X.], [X.]Z 181, 188 Rn. 18; [X.]surteil vom 2. November 2006 - [X.], [X.], 63 Rn. 15, jeweils mwN). Umstände, die diese Vermutung erschüttern könnten, sind nicht ersichtlich.

c) Dem [X.] steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte nicht bereit war, die Bestattung ihres verstorbenen Ehegatten selbst durchzuführen oder für entstandene Beerdigungskosten aufzukommen.

aa) Der der Geschäftsführung des [X.] entgegenstehende Wille der [X.] ist gemäß § 679 [X.] unbeachtlich, da an der alsbaldigen, innerhalb der gesetzlichen Bestattungsfrist von neun Tagen nach Todeseintritt (§ 16 [X.] Schl.-H.) erfolgenden Beerdigung des Verstorbenen ein dringendes öffentliches Interesse bestand. Dabei stellt die vorliegende Fallgestaltung nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers geradezu den Schulfall für die Anwendung des § 679 [X.] dar (siehe [X.], Die gesammelten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], [X.], [X.]). Schon im [X.] Recht wurde demjenigen, der eine Leiche beigesetzt hatte, selbst dann eine Klage - die sogenannte actio funeraria - gegen den zur Leichenbestattung verpflichteten Erben gewährt, wenn er gegen dessen ausdrückliches Verbot gehandelt hatte. Im gemeinen Recht wurde dieser Grundsatz auf die Fälle erweitert, in denen die Geschäftsführer in Erfüllung einer fremden gesetzlichen Verpflichtung tätig wurden, sofern die Verpflichtung zugleich auf einer sittlichen Vorschrift beruhte. § 679 [X.] hat diesen Gedanken verallgemeinernd aufgegriffen (vgl. [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2006, § 679 Rn. 1 mwN).

Das besondere öffentliche Interesse an der Erfüllung der Bestattungspflicht durch den Kläger wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass angesichts der gemeindlichen Bestattungspflicht auch ohne das Handeln des [X.] nicht ernsthaft zu befürchten stand, dass der Verstorbene unbeerdigt geblieben wäre. Einer solchen Sichtweise steht schon entgegen, dass, wie ausgeführt, die Amtspflicht der [X.], nach § 13 Abs. 2 Satz 2 [X.] Schl.-H. notfalls selbst für die Beerdigung zu sorgen, in weitest gehendem Umfang subsidiär ist und auch hinter dem Tätigwerden eines Geschäftsführers ohne Auftrag zurücktritt.

bb) Dem Berufungsgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, einer Anwendung des § 679 [X.] stehe die fehlende Leistungsfähigkeit der [X.] entgegen.

Die Inanspruchnahme der [X.] nach §§ 683, 679 [X.] ist trotz fehlender beziehungsweise eingeschränkter Leistungsfähigkeit nicht rechtsmissbräuchlich.

Wäre der Kläger nicht als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig geworden, so hätte die [X.] im Wege der Ersatzvornahme die Bestattung vornehmen lassen und anschließend wegen der Bestattungskosten gegen die Beklagte als "erstrangig" [X.] einen Leistungsbescheid erlassen (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1995, 283). Ein derartiges Vorgehen der [X.] hätte die Beklagte nur dadurch vermeiden können, dass sie - durch Abschluss eines [X.]s - die Beerdigung selbst hätte durchführen lassen. In beiden Fällen wäre sie "Kostenschuldnerin" geworden. Freilich wären die daraus drohenden wirtschaftlichen Nachteile dadurch abgemildert worden, dass die Beklagte bei Unzumutbarkeit der (endgültigen) Kostentragung nach § 74 [X.] vom zuständigen Sozialhilfeträger die Übernahme der Bestattungskosten hätte erlangen können (vgl. BVerwGE 114, 57, 58 f zu § 15 [X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 74 Rn. 15). Gerade wegen der Möglichkeit einer Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger besteht im Übrigen auch kein Anlass, einen Angehörigen von seinen Bestattungspflichten freizustellen, wenn - wie hier - die Familienverhältnisse gestört sind (vgl. [X.] in LPK-[X.], 8. Aufl., § 74 Rn. 7). Für den Fall, dass sich der nach Maßgabe der öffentlich-rechtlichen Vorschriften [X.] dem Aufwendungsersatzanspruch eines Geschäftsführers ohne Auftrag ausgesetzt sieht, gilt nichts anderes. Auch dann hat der mittellose [X.] gegen den Sozialhilfeträger Anspruch auf Kostenübernahme nach § 74 [X.].

Die Anspruchsvoraussetzungen des § 74 [X.] sind vorliegend auf der Grundlage des Parteivortrags (fehlende Nachlassmittel und fehlende eigene Mittel) gegeben. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der [X.] eine Kostentragung wegen des Vorhandenseins zweier Töchter des Verstorbenen aus erster Ehe zugemutet werden könnte. Ungeachtet des Umstands, dass diese Töchter nach dem unbestrittenen Vorbringen des [X.] ebenfalls nicht leistungsfähig(er) waren beziehungsweise sind, ist schon zweifelhaft, ob sich die Töchter als "nachrangig" [X.] an den Beerdigungskosten überhaupt beteiligen müssten. Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands im vorliegenden Zivilprozess steht mithin nicht zu befürchten, dass der zuständige Sozialhilfeträger die Beklagte erfolgreich auf die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen gegen Töchter des Hinterbliebenen verweisen könnte (vgl. zu diesem Problemkreis [X.], 219, Rn. 20 ff).

Der Umstand, dass dem von der [X.] gestellten [X.] bisher noch nicht entsprochen worden ist - unter Hinweis darauf, dass die Beklagte noch keine ausreichenden Nachweise über die Einkommensverhältnisse ihrer Töchter beigebracht habe (s. S. 5 des Widerspruchsbescheids des [X.] vom 19. Mai 2008) -, kann nicht zu Lasten des [X.] gehen. Würde man dies, wie von der [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden [X.] vertreten, anders sehen, so wäre eine unbillige Benachteiligung des [X.] die Folge. Dieser müsste, obwohl er eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe erfüllt hat, auf seinen Kosten "sitzen bleiben": Da die Beklagte keiner Kostentragungspflicht (mehr) unterläge, würde ihr folgerichtig auch kein Kostenübernahmeanspruch gegen den Sozialhilfeträger (mehr) zustehen. Dem Kläger wiederum stünde, da er als Bestattungsunternehmer unter keinen Umständen als kostentragungspflichtige Person im Sinne des § 74 [X.] angesehen werden könnte, kein Übernahmeanspruch aus eigenem Recht zu.

d) Der Kläger kann als berechtigter Geschäftsführer ohne Auftrag Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er zur Beisetzung des Verstorbenen für erforderlich halten durfte. Da er dieses fremde Geschäft im Rahmen seines Gewerbes als Bestattungsunternehmer durchgeführt hat, umfasst der Aufwendungsersatzanspruch auch die übliche Vergütung (vgl. [X.]surteil vom 21. Oktober 1999 - [X.], [X.]Z 143, 9, 16; [X.], Urteil vom 26. Januar 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 639, 641; jeweils mwN). Wenn - wie hier - dem Geschäftsführer bekannt ist oder er damit rechnen muss, dass der bestattungspflichtige [X.] nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig ist, so beschränken sich die erforderlichen Kosten auf die Ausgaben, die nach § 74 [X.] erstattungsfähig sind. Dies ist der Betrag, der üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende, einfache Beerdigung anfällt ("Sozialbestattung"). Nicht erstattungsfähig sind etwaige weitergehende Aufwendungen für eine standesgemäße Beerdigung (§ 1968 [X.]); andererseits beschränkt sich der Kostenerstattungsanspruch nicht auf die Kosten einer von der Ordnungsbehörde im Wege der Ersatzvornahme veranlassten "Einfachstbestattung" (vgl. zu dem Ganzen [X.] aaO § 74 Rn. 30 ff; [X.] aaO § 74 Rn. 12 ff).

Durch die Begrenzung des [X.] auf die Kosten einer einfachen Beerdigung erweist sich im Übrigen auch die Befürchtung des Berufungsgerichts als unbegründet, bei Zuerkennung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach Maßgabe der §§ 677, 683, 679 [X.] könne ein Bestattungsunternehmer den [X.] zivilrechtlich "unbeschränkt" auf Kostenerstattung in Anspruch nehmen.

3. Ob sich der Aufwendungsersatzanspruch des [X.] gegen die Beklagte nicht nur daraus ergibt, dass diese bestattungspflichtig im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 1 [X.] Schl.-H. ist, sondern auch darauf gestützt werden könnte, dass die Beklagte Erbin oder jedenfalls [X.] geworden ist (§§ 1968, 1922 [X.]), kann dahinstehen (siehe zu dieser Fallkonstellation [X.], [X.], 228).

4. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), da es bezüglich der Höhe des Zahlungsanspruchs keiner weiteren tatrichterlichen Feststellungen mehr bedarf. Der Behauptung des [X.], die geltend gemachten - dem Betrag nach unbestrittenen - Kosten hielten sich im Rahmen des für eine "Sozialbestattung" Üblichen, ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Auch der von der [X.] vorgelegte Widerspruchsbescheid enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten unter dem Aspekt des § 74 [X.] Bedenken bestehen könnten.

Schlick                                             Herrmann                                             Wöstmann

                           Hucke                                                   Seiters

Meta

III ZR 53/11

17.11.2011

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Flensburg, 8. Februar 2011, Az: 1 S 26/10, Urteil

§ 242 BGB, § 670 BGB, § 677 BGB, § 679 BGB, § 683 BGB, § 74 SGB 12, § 2 Nr 12 BestattG SH 2005, § 13 Abs 2 S 1 BestattG SH 2005

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.2011, Az. III ZR 53/11 (REWIS RS 2011, 1297)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1297

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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