Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2013, Az. 4 StR 547/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 7454

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR
547/12

vom
13. März 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am
13.
März 2013
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Siegen vom 27.
August 2012 mit den Feststellungen aufgehoben
a)
in den Fällen [X.] und [X.] 3
der Urteilsgründe,
b)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verwor-fen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Re-vision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersicht-1
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3
-
lichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
1.
In den Fällen [X.]
1 und [X.]
3 der Urteilsgründe ist die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG) aufzuheben, weil der Schuldspruch durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten aufweist.
a)
Nach den Feststellungen brachte der Angeklagte Ende September oder Anfang Oktober 2011 ein Päckchen mit mehr als 1,5
Kilogramm Amphe-taminzubereitung zu dem Zeugen M.

T.

, der das Rauschgift für den
Angeklagten verwahren sollte. Als Entlohnung durfte T.

nach Rück-
sprache Amphetamin für den Eigenbedarf entnehmen. Der Angeklagte beab-sichtigte, das Amphetamin zum Teil selbst zu konsumieren und im Übrigen [X.]. In der Folgezeit entnahm er in mindes
.

einen Teil des
Rauschgifts nach Anweisung des Angeklagten an einen Abnehmer weiter. Am 8.
November 2011 wurde bei T.

noch eine Menge von 1,2
Kilogramm
Amphetaminzu

% bis 1
%
aufwies (Fall
[X.]
1 der Urteilsgründe).
Ende Oktober 2011 beabsichtigten der Angeklagte und der Zeuge M.

L.

den Erwerb einer
größeren Menge Amphetamin, die der Angeklagte
bei einem Drogenhändler in R.

telefonisch bestellte. In den frühen Mor-
genstunden des 28.
Oktober 2011 fuhr L.

nach H.

, um dort von
dem

Lieferanten verabredungsgemäß Amphetamin für sich
und den Angeklagten in Empfang zu nehmen. Die Fahrt wurde von der [X.] überwacht. Da der

Geschäftspartner an dem abgesprochenen
2
3
4
-
4
-
Treffpunkt nicht erschien, nahm L.

Kontakt zu ihm auf und vereinbarte ein
Treffen in R.

. Dort übernahm er
noch
am selben Tag gegen 09.00
Uhr
sieben Plastiktüten mit insgesamt 7.231
Gramm Amphetaminzubereitung und einem [X.]-Anteil von 419,28
Gramm (bei Wirkstoffkon-zentrationen von 4,01
% bis 7,91
%). Das Rauschgift verbaute er anschließend in seinem Fahrzeug und überquerte damit die

Grenze.
Nach seiner Einreise wurde er festgenommen (Fall
[X.]
3 der Urteilsgründe).
Das [X.] ist im Fall
[X.]
1 der Urteilsgründe bei der Bestimmung

e von §
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG von einer Wirkstoffkonzentration von 0,92
% ausgegangen und hat

bezogen auf das sichergestellte Rauschgift

eine nicht näher bezeichnete Wirkstoffmenge

von 11,04
Gramm seiner Wertung zu
Grunde gelegt.
Im Fall
[X.]
3
der Urteilsgründe hat das [X.] dem Angeklagten
ohne nähere Begründung vier Päckchen Amphetaminzubereitung mit einem [X.]-Gewichtsanteil von 204,03
Gramm zugerechnet. Den Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hat es nur bezüglich des Zeugen L.

bejaht, da der Angeklagte
davon ausgegangen sei, dass das Amphetamin in H.

übergeben werde
(UA S.
15/16).
b)
Die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungs-mitteln in nicht geringer Menge hat im Fall
[X.]
1 der Urteilsgründe schon deshalb keinen Bestand, weil die getroffenen Feststellungen nicht erkennen lassen, welche Menge zum Handeltreiben und welche zum Eigenkonsum bestimmt war. Es ist auch unklar, ob überhaupt eine nicht geringe Menge Gegenstand des Handeltreibens war.
5
6
7
-
5
-
Da nach den Feststellungen des [X.] von vornherein ein Teil des Amphetamins zum Handeltreiben und ein Teil zum Eigenverbrauch be-stimmt war, durfte wegen der unterschiedlichen Auswirkungen bei
der recht-lichen Einordnung und bei der Strafzumessung nicht offen bleiben, welcher An-teil für den späteren Verkauf vorgesehen war. Der Tatrichter hätte dies feststel-len und notfalls unter Beachtung des Zweifelssatzes schätzen müssen ([X.], Beschluss vom 9.
Januar 2008

2
StR
531/07,
NStZ-RR 2008, 153; vgl.
Weber, BtMG, 3.
Aufl.,
§
29a Rn.
161

168). Bei [X.] mit unter-schiedlicher Zweckbestimmung richtet sich die rechtliche Einordnung nach den jeweiligen Einzelmengen. Liegt bereits die erworbene Gesamtmenge unter dem Grenzwert zur nicht geringen Menge, ist unerlaubtes Handeltreiben in Tatein-heit mit unerlaubtem Erwerb nach §
29 Abs.
1 Nr.
1 BtMG gegeben. Übersteigt jedoch

was im vorliegenden Fall nahe liegt

die Gesamtmenge den Grenz-wert, so kommt es auf die jeweiligen Teilmengen an: Bei einer nicht geringen Handelsmenge liegt unerlaubtes Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge nach §
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG vor. Ist auch die restliche [X.] nicht gering, ist Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer nicht geringen Menge
nach §
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG gegeben, bei einer darunter liegenden Eigenverbrauchsmenge dagegen Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb nach
§
29 Abs.
1 Nr.
1 BtMG (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
September 2001

3
StR
268/01, [X.]R BtMG §
29 Abs.
1 Nr.
1 Konkurrenzen
5, auch zu der Fallkonstellation, dass bei einer nicht geringen Gesamtmenge Handels-
und Eigenverbrauchsmenge jeweils unter dem Grenzwert bleiben).
Im vorliegenden Fall kann auf der Basis der getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden, ob die sichergestellte Menge, auf die das [X.] abhebt, oder wenigstens die Gesamtmenge den Grenzwert zur nicht geringen Menge erreicht. Bei [X.] beginnt die nicht geringe Men-8
9
-
6
-
ge im Sinne von §
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG bei einem Wirkstoffgehalt von 10
Gramm Amphetaminbase
([X.], Urteil vom 11.
April 1985

1
StR
507/84, [X.]St 33, 169;
Beschlüsse vom 19. Juli 2007

3
StR
257/07; vom 22.
Juni 2011

2
StR
157/11, Rn.
3). Das [X.] hat es versäumt, den maßgeb-lichen Wirkstoffgehalt an Amphetaminbase zu bestimmen oder zumindest zu schätzen. Da die Kammer im Fall
[X.]
3 der Urteilsgründe ihren Ausführungen ausdrücklich den Gewichtsanteil an [X.] zu
Grunde ge-legt hat, ist zu besorgen, dass sie sich auch im Fall
[X.]
1 der Urteilsgründe bei der Bestimmung der nicht geringen Menge an dem insofern nicht maßgeblichen Hydrochlorid-Gehalt des Amphetamins orientiert hat, zumal das Gericht ohne

% bis 1
% ausgeht (UA S.
3).
c)
Im Fall
[X.]
3 der Urteilsgründe hält der Schuldspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil die getroffenen Feststellungen ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
gemäß §
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG nicht belegen und die Beweiswürdigung lückenhaft
ist.
Das [X.] hat festgestellt,
dass die von dem Zeugen L.

in
R.

übernommene und in das [X.] verbrachte Amphetaminzu-
bereitung teilweise für ihn selbst und teilweise für den Angeklagten bestimmt war. Die der Verurteilung zu Grunde liegende Feststellung, von der Gesamt-menge seien vier Päckchen für den Angeklagten bestimmt gewesen, wurde nicht näher begründet. Dies war jedoch erforderlich. Denn der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, lediglich den Kontakt zu dem Drogenlieferanten in R.

vermittelt zu haben. Der Zeuge L.

hat in dem gegen ihn ge-
richteten Strafverfahren ausgesagt, bloße Kurierdienste für den Angeklagten geleistet zu haben. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten hat er sich 10
11
-
7
-
auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach §
55 StPO berufen. Aus den [X.] ist auch sonst nicht erkennbar, dass die Beweiswürdigung des Land-gerichts auf einer hinreichend fundierten
und konkretisierten [X.] beruht (vgl. [X.], 5.
Aufl., §
261 Rn.
22).
Eine Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kommt nur dann in Betracht, wenn in der auf ihn entfallenden und zur Weiterveräußerung bestimmten Teil-menge ein den Grenzwert zur nicht geringen Menge im Sinne von §
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG (10
Gramm Amphetaminbase) überschreitender Wirkstoffanteil
enthalten war oder aber eine Zurechnung der Gesamtmenge nach den [X.] der Mittäterschaft (§
25 Abs.
2 StGB) erfolgen kann. Wie bereits darge-legt, hat das [X.] bei der Bestimmung der nicht geringen Menge über-sehen, dass es dabei entscheidend auf den Amphetaminbase-Anteil ankommt und der [X.]-Gewichtsanteil nicht maßgebend ist. Die Annahme von Mittäterschaft setzt eine wertende Betrachtung aller von der [X.] der Beteiligten umfassten Umstände voraus, wobei dem jeweiligen [X.], dem Umfang der Tatbeteiligung und dem Vorhandensein von Tatherrschaft eine indizielle Bedeutung zukommen (Senatsbeschluss vom 24.
Oktober 2012

4
StR
392/12, Rn.
10). Dient der gemeinsame Ankauf einer größeren Rauschgiftmenge der Reduzierung der Transportkosten und der Er-zielung eines günstigen Einkaufspreises, kann ein mittäterschaftliches Handeln mit der Folge vorliegen, dass eine Zurechnung der Gesamtmenge und nicht nur eine anteilsmäßige Zuordnung erfolgt ([X.], Beschluss vom 17.
April 2012

3
StR
131/12, Rn.
5).
Da das Urteil weder tragfähige Feststellungen zu dem Anteil des Ange-klagten an der Gesamtmenge noch eine wertende Betrachtung der jeweiligen 12
13
-
8
-
Tatbeiträge enthält, bedarf die Sache schon aus diesem Grund der neuen [X.] und Entscheidung.
Der neue Tatrichter wird dabei gegebenenfalls zu beachten haben, dass in einem Fall, in dem ein Angeklagter zwar nicht allein, aber doch überwiegend durch die Angaben eines selbst tatbeteiligten Zeugen (hier: M.

L.

)
überführt werden soll, die Urteilsgründe neben den Umständen der Entstehung auch den näheren Inhalt der den Angeklagten belastenden Aussage mitteilen müssen. Ist der Zeuge bereits wegen Beteiligung an derselben Tat verurteilt worden, muss die Beweiswürdigung erkennen lassen,
ob sich der Betreffende eine
Strafmilderung als Aufklärungsgehilfe verdient hat oder nicht (vgl. [X.] vom 17.
März 2009

4
StR
662/08, [X.], 212).

handelt, deren Gefährlichkeit unabhängig von der im Einzelfall gegebenen Wirk-stoffkonzentration straferschwerend berücksichtigt werden darf (vgl. [X.], NJW 1998, 669, 671; Senatsbeschluss vom 24.
Oktober 2012

4
StR
392/12, Rn.
12).
2.
Im Fall
[X.]
2 der Urteilsgründe hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit das [X.] ihn wegen unerlaub-ten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Auf die Antragsschrift des [X.] vom 23.
Januar 2013 wird Bezug genommen.
14
15
16
-
9
-
Ergänzend bemerkt der Senat:
Mit der
im Rahmen der Prüfung des minder schweren Falles nach §
29a Abs.
2 BtMG mitgeteilten Erwägung

Abhängigkeit heraus Handel ge

19), hat das [X.]
ledig-lich die [X.] (negativ) umschrieben, ohne
diesem Umstand eine
be-stimmende Bedeutung zuzuweisen. Dies begegnet

jedenfalls vorliegend

keinen durchgreifenden Bedenken
(vgl. Senatsbeschluss vom 24.
Oktober 2012

4
StR
392/12, Rn.
7, zur Frage der straferschwerenden Berücksichtigung der Gewinnorientierung).
Mutzbauer
Roggenbuck
Franke

Quentin
Reiter
17
18

Meta

4 StR 547/12

13.03.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2013, Az. 4 StR 547/12 (REWIS RS 2013, 7454)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7454

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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