Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.01.2004, Az. 2 StR 371/03

2. Strafsenat | REWIS RS 2004, 5176

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[X.]in der Strafsachegegenwegensexuellen Mißbrauchs von Kindern- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 7. Januar 2004 gemäß § 349Abs. 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Juni 2003 mit den Feststellungen aufge-hoben.2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugend-schutzkammer des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs vonKindern in vier Fällen, jeweils tateinheitlich mit sexuellem Mißbrauch vonSchutzbefohlenen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechsMonaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hatErfolg.1. Nach den Urteilsfeststellungen hielt sich die damals 9-jährige Ge-schädigte von März 1997 bis 28. Februar 1998 in der Familie des Angeklagtenauf. An einem nicht näher feststellbaren Tag im [X.] 1997 vollzog der An-geklagte in dem Gartenhaus auf dem Gartengrundstück der Familie den unge-schützten Beischlaf mit dem Kind. An weiteren drei nicht näher feststellbarenTagen zwischen März 1997 und Februar 1998 kam es jeweils im Kinderzimmerder Familienwohnung zum ungeschützten Beischlaf. Die Geschädigte offen-barte die Taten im Januar 2001 ihrer Mutter und ihrer [X.] -2. [X.], auf welche das [X.] die Annahme vonvier Taten gestützt hat, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die [X.], die das [X.] zur Glaubwürdigkeit der Geschädigten angestellt hat,lassen im Ergebnis nicht hinreichend erkennen, aufgrund welcher [X.] der Tatrichter zur Feststellung der [X.] gelangt [X.]) Bei ihrer polizeilichen Vernehmung im März 2001 berichtete die Ge-schädigte, der Angeklagte habe in dem genannten Zeitraum "praktisch jedenTag" mit ihr im Kinderzimmer der Wohnung den Geschlechtsverkehr vollzogen.Einmal sei es in der Badewanne zum (vollendeten) Geschlechtsverkehr ge-kommen, einmal im [X.]. Der erste Geschlechtsverkehr ha-be "Ende April 1997" im Kinderzimmer stattgefunden; sie habe hierbei nichtgeblutet. Außerdem berichtete die Zeugin von einem (versuchten) Oralverkehrim Wohnzimmer der Wohnung.Bei ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung im Mai 2002 gab die Zeu-gin an, der erste Geschlechtsverkehr habe "im Winter 1997" stattgefunden; siehabe dabei geblutet. Der Angeklagte habe "fast jeden Tag" im Kinderzimmerden Geschlechtsverkehr mit ihr vollzogen; außerdem einmal in der [X.], einmal im Gartenhaus.Die Anklage legte dem Angeklagten sechs Taten vollendeten [X.]s zur Last, nämlich drei Taten im Kinderzimmer (Taten 1 bis3), eine im Wohnzimmer (Tat 4), eine im Badezimmer der Wohnung (Tat 5),eine im Gartenhaus (Tat 6).In der Hauptverhandlung hat die Geschädigte ausgesagt, der erste [X.] habe "im August 1997" im Gartenhaus stattgefunden. Einzweiter Geschlechtsverkehr habe im Schlafzimmer der Wohnung im Ehebett- 4 -neben der schlafenden Ehefrau des Angeklagten stattgefunden. Außerdem [X.] "zwei- bis dreimal" im Kinderzimmer zum Geschlechtsverkehr gekommen. [X.] Badewanne (wie in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung berichtet) [X.] (wie bei der polizeilichen Vernehmung berichtet) sei es [X.] Geschlechtsverkehr gekommen.b) Das [X.] hat die Aussage in der Hauptverhandlung als [X.] angesehen. Die Fälle 4 (Wohnzimmer) und 5 (Badezimmer) der [X.] es gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Im Rahmen der [X.] es ausgeführt, es könne "das Schlafzimmer und das Wohnzimmer ... [X.] nicht ausgeschlossen werden" ([X.]); es sei "nicht mehr genau [X.] festzustellen, ob der Geschlechtsverkehr ausschließlich im Kinder-zimmer oder auch im Schlafzimmer oder Badezimmer stattfand" ([X.] sei aber unerheblich, denn die Geschädigte habe "die Wohnung als Tat-ort exakt angegeben". Die Widersprüche in den Zeitangaben und den Angabenzur Reihenfolge der Taten seien unschädlich, da sie den Kernbereich der [X.] unberührt ließen und es psychologischen Erkenntnissen entspreche, [X.] sich Kalenderdaten schlecht merken können, wenn sie nicht mitwichtigen Ereignissen verknüpft sind ([X.] f.).c) Auf dieser Grundlage begegnet die Feststellung der [X.]durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das [X.] teilt nicht mit, auf-grund welcher Erwägungen es zur Feststellung von drei Taten im [X.] gelangt ist. Nach den vom [X.] als glaubhaft angesehenen Anga-ben der Geschädigten in der Hauptverhandlung wären jedenfalls nur zwei Ta-ten belegt. [X.] bleibt, von dieser nicht begründeten Abweichung abge-sehen, der eklatante Widerspruch zwischen den früheren Angaben der Zeugin("praktisch täglich") und ihrer Aussage in der [X.] -Auch im übrigen sind die Erwägungen des [X.] zu den nichtfestgestellten, teilweise angeklagten, von der Geschädigten teilweise in frühe-ren Vernehmungen, teilweise erst in der Hauptverhandlung berichteten [X.]. So ergibt sich aus den Urteilsgründen, daß in allen Vernehmungen dergenaue Ort einzelner Taten in verschiedenen Räumen der Wohnung (Bade-zimmer, Wohnzimmer, Eheschlafzimmer, Kinderzimmer) Gegenstand der Be-fragung war und daß die Zeugin insoweit Einzelheiten von ihr [X.] berichtete, die in charakteristischer Weise mit diesen Örtlichkeiten [X.] waren. Daher konnten die aufgetretenen Widersprüche nicht mit [X.] ausgeräumt werden, "die Wohnung (sei) als Tatort exakt angege-ben" worden ([X.] gilt entsprechend auch für die zeitliche Reihenfolge der Taten. [X.] erste Geschlechtsverkehr im Gartenhaus oder im Kinderzimmer (in [X.] des schlafenden [X.] des Angeklagten) stattgefunden hat, war [X.] mehrfacher Befragungen der Zeugin. Ihre widersprüchlichen [X.] hierzu, die jeweils auch Einzelheiten darstellten (z. B. Bluten beim erstenGeschlechtsverkehr), betrafen entgegen der Ansicht des [X.] denKernbereich der Tatvorwürfe und bewegten sich nicht ausschließlich im [X.].Die Erwägung des [X.] zu den abweichenden Zeitangaben [X.] Problem überdies nur unzureichend. Die Datierung des ersten [X.]s einmal auf "Winter", einmal auf "August" ist mit dem [X.], daß man sich ein Datum nur schlecht merken könne, nicht zutreffend [X.]; selbst nach dem vom [X.] angenommenen Erfahrungssatz, wo-nach dies nur bei Verknüpfung mit wichtigen Ereignissen gelinge, hätte erörtertwerden müssen, warum diese Voraussetzung hier nicht [X.] bedenkenfrei erscheint schließlich auch die Würdigung der vonder Zeugin erstmals in der Hauptverhandlung berichteten, von der [X.] umfaßten Tat im Schlafzimmer der Wohnung, die in Anwesenheit der(schlafenden) Ehefrau des Angeklagten stattgefunden haben soll. Das [X.] hat seine Überzeugung von der Glaubwürdigkeit der Zeugin unter ande-rem mit der Darlegung des Sachverständigen begründet, diese Schilderungenthalte ein "nachprüfbares [X.]" und biete eine Überprü-fungsmöglichkeit; die [X.] spreche daher für die [X.] Aussage ([X.]). Da das [X.] aber an anderer Stelle darlegt, essei nicht mehr festzustellen, ob eine Tat im Schlafzimmer stattgefunden habe([X.]), bleibt diese Würdigung zumindest unklar.d) Zwar ist es nicht schon grundsätzlich rechtsfehlerhaft, daß die Ur-teilsgründe das Gutachten des Sachverständigen zur Glaubwürdigkeit [X.], das sich nicht auf eine Exploration, sondern nur auf die Teilnahme ander ermittlungsrichterlichen Vernehmung und an der Hauptverhandlung stützte,nicht zusammenhängend darstellen, sondern, vermischt mit der Wiedergabevon sonstigen Zeugenaussagen und Beweiswürdigung des Tatrichters, [X.] punktuell wiedergeben. Da, wie sich aus der Anklageschrift ergibt, [X.] in einer "kurzen Stellungnahme" nach Teilnahme an der er-mittlungsrichterlichen Vernehmung zu der Ansicht gelangte, die dort von [X.] gemachten Angaben seien "mit an Sicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit zutreffend", wäre aber zu erörtern gewesen, wie er im [X.] die abweichenden Angaben der Geschädigten in der Hauptverhandlungzum selben Ergebnis gelangte. Soweit die Urteilsgründe mitteilen, der [X.] habe überzeugend dargelegt, daß die Widersprüche in den [X.]n der Zeugin ein Hinweis für ihre Glaubhaftigkeit seien, "da ein Lügner esgrundsätzlich vermeide, zu vage oder widersprüchliche Angaben zu machen"- 7 -(UA S. 26), wird ein solcher Erfahrungssatz weder von aussagepsychologi-schen noch von forensischen Erfahrungen [X.] Eine hinreichende Beweisgrundlage ergäbe sich aus den [X.] daher, isoliert betrachtet, wohl nur für die Tat im Gartenhaus und für [X.] eine Tat im Kinderzimmer. Da die Beweiswürdigung des [X.]jedoch die möglichen Wechselwirkungen zwischen den Aussagen zu [X.] nicht hinreichend erörtert und bestehende Widersprüche mit im Ergebnisnicht tragfähigen Begründungen beiseite läßt, stellt sich die Annahme von vier[X.] letztlich als Vermutung dar, die von den [X.] auchdann nicht getragen wird, wenn gegen die allgemeine Glaubwürdigkeit [X.] keine Bedenken bestehen. Das betrifft namentlich die Feststellung vondrei Taten im Kinderzimmer im Zeitraum März 1997 bis Februar 1998; dies [X.] den als glaubhaft angesehenen Angaben der Zeugin nicht vereinbar, dieerste Tat habe im August 1997 im Gartenhaus stattgefunden, danach sei es zu"zwei bis drei" Taten im [X.] 8 -Das Urteil war daher insgesamt aufzuheben, um dem neuen [X.] zu umfassender eigener Beweiserhebung und Würdigung zu ge-ben. Er wird auch zu prüfen haben, ob die Hinzuziehung eines anderen [X.]n und eine wissenschaftlichen Anforderungen genügende Begut-achtung der Zeugin geboten ist.[X.] Fischer Roggenbuck

Meta

2 StR 371/03

07.01.2004

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.01.2004, Az. 2 StR 371/03 (REWIS RS 2004, 5176)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 5176

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