Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2009, Az. 2 StR 85/09

2. Strafsenat | REWIS RS 2009, 3421

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 85/09 vom 20. Mai 2009 in der Strafsache gegen 1. 2. 3.

wegen schweren Raubes u. a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 20. Mai 2009, an der teilgenommen haben: Richter am [X.] Prof. Dr. Fischer als Vorsitzender, die Richterin am [X.] Roggenbuck, die Richter am [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. [X.], Staatsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwältin für den [X.]als Verteidigerin, [X.]als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 11. September 2008 aufgeho-ben. Die Feststellungen zum äußeren Tatablauf bleiben auf-rechterhalten. Die weitergehenden Rechtsmittel werden verwor-fen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des [X.]. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat die Angeklagten [X.]und [X.]des schweren Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten B. des Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung für schuldig [X.]. 1 Es hat deshalb den Angeklagten [X.] unter Einbeziehung eines frühe-ren Urteils zu einer Einheitsjugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten [X.] zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und den [X.]zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten [X.] in einer Entziehungsanstalt unter [X.] von drei Jahren Freiheitsstrafe angeordnet. Die hinsichtlich aller 2 - 4 - drei Angeklagten auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwalt-schaft sind begründet. 1. Nach den Feststellungen des [X.]s nahmen die Angeklagten [X.] und [X.] am Tattag, den 21. Dezember 2007 eine unbekannte Men-ge Alkohol zu sich. Sie hielten sich mit anderen jungen Erwachsenen und He-ranwachsenden gegen Mitternacht am Bahnhofsvorplatz in [X.]auf. Der Angeklagte [X.]wechselte bei einem Gast einer nahe gelegenen Gaststätte einen 500-Euro-Schein. Dabei bemerkten er und [X.], dass dieser Gast, der später geschädigte Nebenkläger [X.], stark betrunken war und eine große Menge Bargeld mit sich führte. Der Angeklagte [X.] schlug deshalb vor, [X.] zu über-fallen. [X.] willigte ein; der Angeklagte [X.]wurde durch mehrere Tele-fonate zur Mitwirkung als Fahrer gewonnen. 3 Als der stark alkoholisierte Nebenkläger die Gaststätte um 2.30 Uhr ver-ließ, boten die Angeklagten, die planmäßig draußen auf ihn gewartet hatten, ihm an, ihn nach Hause zu fahren. Statt dorthin fuhren sie mit dem PKW des Angeklagten [X.]zu einem Waldparkplatz und von dort noch etwa 400 m in den Wald. [X.] und [X.] zerrten den Nebenkläger aus dem Fahrzeug und schlugen ihn gemeinsam zusammen. Dabei setzte der Angeklagte [X.]auch eine 40 cm lange, schwere [X.] ein, mit der er auf Brust und Schulter des [X.] einschlug. Als dieser schließlich geschwächt zu [X.] fiel, entwendeten [X.]und [X.]ihm Bargeld in Höhe von ca. 11.000 Euro aus der Hosentasche. Sie fragten den Nebenkläger, ob er das Kennzeichen des Kfz erkannt habe; als [X.] dies verneinte, bemerkte einer der beiden Angeklag-ten, dies sei gut für ihn. Eine vom Nebenkläger getragene Armbanduhr beließen sie ihm wegen ihrer Wertlosigkeit. 4 - 5 - [X.]verblieb während der Gewaltausübung durch [X.]und [X.] im Fahrzeug. Dass er von dem Einsatz der Taschenlampe als Schlagwerkzeug Kenntnis nahm, hat das [X.] nicht feststellen [X.]. 5 Die Angeklagten ließen den Nebenkläger im Wald zurück. Zuvor versi-cherten sie sich, dass er nicht im Besitz eines Mobiltelefons war, um zu [X.], dass er schnelle polizeiliche Hilfe [X.]. Sie gingen möglicherweise davon aus, der Nebenkläger werde durch den Wald zur Straße gelangen und dort Hilfe erhalten. Das erbeutete Bargeld teilten die Angeklagten zu gleichen Teilen untereinander auf. 6 Dem alkoholisierten, stark adipösen und durch die Schläge erheblich [X.] Nebenkläger gelang es nicht, sich zur Straße zu bewegen. Er fiel viel-mehr wenige Meter vom [X.] entfernt in einen Graben und verblieb dort nur leicht bekleidet bei einer Temperatur von minus 8 bis minus 10 Grad Celsius bis zum Morgen; gegen 7.30 Uhr wurde er in unterkühltem, aber noch nicht le-bensbedrohlichem Zustand von einem zufällig vorbeilaufenden Jogger gefun-den. 7 Am 22. Dezember 2007 sprach der Angeklagte [X.]den Angeklagten [X.] an und schlug vor, gemeinsam in den Wald zu fahren und nachzu-schauen, ob der Geschädigte unter Umständen verstorben sei. [X.] wies das mit der Bemerkung zurück, das sei "[X.]"; es werde sowieso [X.] erfahren. Hiermit gab sich der Angeklagte [X.]zufrieden. 8 2. Soweit sich die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge dagegen wendet, dass das [X.] einen Tötungsvorsatz der Angeklagten zum Zeitpunkt der Gewalteinwirkung oder des Wegfahrens vom [X.] nicht als bewiesen angese-hen hat, ist die Revision aus den vom [X.] zutreffend [X.] - 6 - legten Gründen unbegründet. Das [X.] hat die für und gegen einen zu-mindest bedingten Tötungsvorsatz sprechenden Beweisanzeichen zutreffend gesehen, ausführlich erörtert und vertretbar gewertet; ein Rechtsfehler in der Beweiswürdigung liegt nicht vor. Er ist insbesondere auch nicht deshalb gegeben, weil das [X.] einerseits festgestellt hat, die Angeklagten [X.]
und [X.] hätten sich am Abend des 21. Dezember zusammen mit Trinkkumpanen "an brennenden Müll-tonnen aufgewärmt", andererseits die Möglichkeit angenommen hat, dass die Angeklagten auf Grund ihrer Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt die [X.] nicht zutreffend einschätzten ([X.]). Diese Erwägung ist zumindest vertretbar; ein "Aufwärmen" im Kreise von Trinkkumpanen lässt sichere oder auch nur nahe liegende Schlüsse auf die zutreffende Schätzung der Tempera-tur nach einer mehrere Stunden später begangenen, nahe liegender Weise mit einem Erregungszustand verbundene Gewalttat nicht zu. 10 Besonders indizielle Bedeutung kam hier, wie das [X.] zutreffend gesehen hat, der Feststellung zu, dass die Angeklagten den Geschädigten da-nach befragten, ob er das Kennzeichen des Kfz des Angeklagten [X.]habe ablesen können. Wenn das [X.] hieraus sowie aus der Suche nach ei-nem Mobiltelefon und dem Umstand, dass der Geschädigte ansprechbar und bei Bewusstsein war, als die Angeklagten ihn verließen ([X.]), den Schluss gezogen hat, dass "die Angeklagten sich ein Überleben des [X.] [X.] und lediglich schnelle Hilfe verhindern wollten um ihre Flucht zu sichern" ([X.]), ist dagegen aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. 11 Die Revisionsführerin setzt insoweit nur ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der tatrichterlichen. Damit kann die Sachrüge keinen Erfolg haben. 12 - 7 - 3. Gleichwohl führt die umfassend erhobene Sachrüge zur Aufhebung der Verurteilung, weil das [X.] die angeklagte Tat nicht erschöpfend rechtlich gewürdigt hat. 13 a) Das [X.] hat sich daran gehindert gesehen, das Geschehen am Tag nach der Tat, also am 22. Dezember 2007, abzuurteilen, denn soweit das Gespräch zwischen den Angeklagten [X.]und [X.] Anlass für eine Verurteilung für ein versuchtes Tötungsdelikt durch Unterlassen gebe, liege dieser Lebenssachverhalt außerhalb der angeklagten Tat ([X.]). 14 Diese Beurteilung des hier von § 264 Abs. 1 StPO umfassten [X.] ist nicht zutreffend. Zwar liegt es nahe, dass ein auf einem neuen [X.] sowie gegebenenfalls auf [X.] beruhender ([X.]) Vorsatz, das Tatopfer sterben zu lassen, materiellrechtlich als selb-ständige Tat eines versuchten Totschlags oder Mordes zu werten wäre. Damit ist freilich die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO noch nicht ausgeschlossen. Diese umfasst vielmehr den gesamten von der Anklage und vom erkennbaren Verfolgungswillen der Staatsanwalt-schaft erfassten Lebenssachverhalt, soweit er sich als einheitlicher Lebensvor-gang darstellt (vgl. BGHSt 23, 141, 145; 32, 215, 216; 45, 211, 212; [X.], 87; 1995, 351; [X.] StPO 51. Aufl. § 264 Rn. 2; [X.] in [X.]. § 264 Rn. 3; jeweils m.w.[X.]). 15 Vorliegend sind die Geschehnisse in der Tatnacht und am Folgetag schon durch die Garantenpflicht der Angeklagten für Leib und Leben des Tatop-fers verknüpft, die sie durch die Gewalteinwirkung zum Zweck des [X.] hatten. Das Übereinkommen der Angeklagten [X.] und [X.]vom 22. Dezember 2007, sich um den Nebenkläger auch dann nicht zu kümmern, wenn dieser aus dem Wald nicht heraus gelangt und daher in Lebensgefahr sei, 16 - 8 - war auch bereits im Wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift vom 31. März 2008 dargestellt; es war Gegenstand der Beweisaufnahme und ist vom [X.] erörtert worden. Auf der Grundlage der Ansicht der [X.], schon zum Zeitpunkt des [X.] aus dem Wald habe Tötungsvorsatz vorgelegen, erschien es folgerichtig, eine gesonder-te materiellrechtliche Würdigung des gegebenenfalls vorsätzlichen garanten-pflichtwidrigen Unterlassens am Folgetag nicht zu betreiben. Es konnte hier [X.] kein Zweifel daran bestehen, dass die Staatsanwaltschaft den gesamten Lebensvorgang und damit auch den Umstand verfolgen wollte, dass das Tatop-fer trotz erkannter Lebensgefahr in verletztem Zustand an einsamer Stelle sich selbst überlassen wurde. Das Gespräch der beiden Angeklagten am 22. Dezember 2007 und ihr nachfolgendes, darauf beruhendes Verhalten war daher Teil der angeklagten Tat im prozessualen Sinn und hätte vom [X.], nach entsprechenden Hinweisen gemäß § 264 Abs. 1 StPO, rechtlich gewürdigt werden müssen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von der Konstellation, die der [X.] vom 6. Juni 2008 - 2 [X.] -, [X.], 383 [X.] lag. Dort lagen Tötungshandlungen gegen verschiedene Personen vor, so dass weder eine gleichartige Angriffsrichtung noch dasselbe Tatobjekt noch eine deliktsimmanente Verbindung der Handlungen gegeben war (vgl. [X.] vom 6. Juni 2008, aaO, Rdn. 10). Alle diese Voraussetzungen sind hingegen vorliegend gegeben. 17 b) Auch die an sich nicht zu beanstandenden Verurteilungen aller drei Angeklagten wegen schweren Raubs bzw. wegen Raubs, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, waren aufzuheben, denn das [X.] hat keine hinreichende Würdigung des Geschehens unter dem Gesichtspunkt des § 221 Abs. 1 StGB vorgenommen. Soweit der Tatrichter sich mit dem [X.] - 9 - lungsbild der Angeklagten bei Verlassen des [X.] befasst hat, ist dies [X.] unter dem Blickwinkel eines möglichen Tötungsvorsatzes geschehen ([X.] f.). Dies konnte Feststellungen zu einem möglichen [X.] im Sinne des § 221 Abs. 1 StGB nicht ersetzen. 4. Es bedarf daher insgesamt neuer Feststellungen zur subjektiven Tat-seite. Die [X.] Feststellungen zum äußeren Tatablauf konnten aufrechterhalten werden. Ergänzende Feststellungen sind zulässig. 19 5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich des [X.] [X.] darauf hin, dass bei Einbeziehung eines früheren jugendge-richtlichen Urteils, das seinerseits frühere Urteile einbezogen hatte, in die neue Verurteilung sämtliche Urteile ausdrücklich einzubeziehen sind. [X.] [X.]

Meta

2 StR 85/09

20.05.2009

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.05.2009, Az. 2 StR 85/09 (REWIS RS 2009, 3421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 3421

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