Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.04.2013, Az. 2 B 10/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 6148

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Gegenstand

Zur Revisibilität von Landespersonalvertretungsrecht; Unterrichtung des Personalrats in personellen Angelegenheiten


Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensfehlers (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der 1945 geborene Kläger ist [X.] ([X.]esoldungsgruppe [X.] [X.]) und war zuletzt beim Finanzamt [X.] als Großbetriebsprüfer beschäftigt. Seit Februar 2005 verrichtete er keinen Dienst mehr. Ein amtsärztliches Gutachten vom Februar 2006 kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger dienstunfähig sei. Im März 2006 informierte die [X.] den Kläger über ihre [X.]bsicht, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Der Kläger erhob hiergegen Einwendungen und beantragte die [X.]eteiligung des Personalrats. Im Juli 2006 bat die [X.] den [X.]ezirkspersonalrat um Mitwirkung bei der vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand. Der [X.]ezirkspersonalrat erteilte im selben Monat seine Zustimmung. Im [X.]ugust 2006 versetzte die [X.] den Kläger wegen dauernder Dienstunfähigkeit zum Monatsende vorzeitig in den Ruhestand. Der Widerspruch des [X.] ist erfolglos geblieben; auf die [X.]erufung des [X.]eklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage abgewiesen.

3

Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass die [X.]eteiligung der Personalvertretung ordnungsgemäß gewesen sei. [X.]ei der Mitwirkung in Personalangelegenheiten genüge es regelmäßig, dass der Personalrat über die beabsichtigte Maßnahme selbst, d.h. über die davon betroffene Person sowie über [X.]rt und Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Maßnahme, informiert werde und die hierfür erforderlichen Unterlagen vorgelegt bekomme. Dies sei hier geschehen. [X.]uch in materieller Hinsicht sei die vorzeitige Versetzung des [X.] in den Ruhestand nicht zu beanstanden. [X.]uf der Grundlage des amtsärztlichen Gutachtens sei der Kläger als dienstunfähig anzusehen. Eine anderweitige Verwendung oder eine begrenzte Dienstfähigkeit komme danach nicht in [X.]etracht.

4

2. Der geltend gemachte Revisionsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

5

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung gemäß § 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf ([X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 421.2 Hochschulrecht Nr. 173 = NVwZ 2011, 507; stRspr).

6

Die nach § 133 [X.]bs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 [X.]bs. 2 Nr. 1 VwGO erfordert, dass der [X.]eschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. [X.]us der [X.]eschwerdebegründung muss sich ergeben, dass eine die [X.]erufungsentscheidung tragende rechtliche Erwägung des [X.]erufungsgerichts im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Nachprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr; vgl. [X.]eschluss vom 6. Januar 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] - DÖD 2012, 104).

7

Diesen [X.]nforderungen genügt die [X.]eschwerde nicht. Zwar ist die [X.]uslegung landesrechtlicher Normen des Personalvertretungsrechts revisibel, wenn sie einen beamtenrechtlichen Inhalt haben und deshalb materiell dem [X.]eamtenrecht zuzuordnen sind, was insbesondere in [X.]etracht kommen kann, wenn geregelt wird, ob und in welcher Weise der Personalrat an beamtenrechtlichen Maßnahmen zu beteiligen ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. [X.]ugust 1986 - [X.]VerwG 2 C 67.85 - [X.] 237.5 § 42 HeL[X.]G Nr. 5 S. 8 m.w.N.). Die [X.]usführungen der [X.]eschwerde sind aber sämtlich einzelfallbezogen und [X.] die vermeintlich unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall. [X.]uch wenn man die formulierte Frage, "ob die angegriffene Maßnahme des [X.]eschwerdegegners deshalb rechtswidrig und damit anfechtbar ist, weil dieser nicht alle Informationen beziehungsweise Unterlagen an den [X.]ezirkspersonalrat weitergereicht hatte, die er bedeutsam für die Prüfung der Frage halten durfte, ob ein Versagungsgrund durch den [X.]ezirkspersonalrat vorliegen könnte" zugunsten des [X.] dahin auslegt, dass die Klärung der grundsätzlichen Frage begehrt wird, ob die Dienststellenleitung bei der Mitwirkung des Personalrats in personellen [X.]ngelegenheiten alle aus ihrer Sicht für den Personalrat möglicherweise bedeutsamen Informationen erteilen und Unterlagen zur Verfügung stellen muss, führt dies nicht zur Zulassung der Revision.

8

Die Frage des Umfangs der Verpflichtung der Dienststellenleitung zur Erteilung von Informationen und der etwaigen Zurverfügungstellung von Unterlagen ist durch die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen Entscheidungen des [X.] bereits geklärt: Der Umfang der Unterrichtung des Personalrats richtet sich im Einzelfall jeweils danach, für welche Maßnahme die Zustimmung beantragt wird. [X.]ei der Mitbestimmung in Personalangelegenheiten, die einen einzelnen [X.]eschäftigten betreffen, genügt es regelmäßig, dass der Personalrat über die beabsichtigte Maßnahme selbst, d.h. über die davon betroffene Person sowie über [X.]rt und Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Maßnahme, informiert wird ([X.]eschluss vom 10. [X.]ugust 1987 - [X.]VerwG 6 P 22.84 - [X.]VerwGE 78, 65 <69> = [X.] 251.0 § 69 [X.]aWüPersVG Nr. 1). Die Unterrichtung muss konkret genug sein sowie [X.]rt und Umfang der beabsichtigten Maßnahme erkennen lassen. Eine irreführende oder auf Täuschung beruhende Unterrichtung durch die Dienststelle entspricht diesen [X.]nforderungen nicht und führt zur [X.]nfechtbarkeit der getroffenen Maßnahme. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn der Personalrat in kurzer und knapper Form zutreffend über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet wird (Urteil vom 12. Oktober 1989 - [X.]VerwG 2 C 22.87 - [X.]VerwGE 82, 356 <362> = [X.] 232 § 31 [X.] Nr. 49; [X.]eschluss vom 19. [X.]ugust 2004 - [X.]VerwG 2 [X.] - [X.] 232 § 31 [X.] Nr. 62).

9

3. Der geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne von § 132 [X.]bs. 2 Nr. 3 VwGO wegen Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 [X.]bs. 1 Satz 1 VwGO durch Zugrundelegung eines falschen oder unvollständigen Sachverhalts liegt ebenfalls nicht vor.

§ 108 [X.]bs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, ist verletzt, wenn das Gericht bei seiner rechtlichen Würdigung von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Dies ist z.[X.]. gegeben, wenn es wesentliche [X.]ekundungen eines [X.]eteiligten nicht berücksichtigt oder ihm Erklärungen unterstellt, die er nicht abgegeben hat (Urteile vom 28. [X.]pril 1983 - [X.]VerwG 2 C 89.81 - [X.] 237.6 § 39 NdsL[X.]G Nr. 1 und vom 23. Januar 1984 - [X.]VerwG 6 C 131.81 - juris Rn. 10; [X.]eschlüsse vom 17. Mai 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] 88.10 - juris m.w.N. und vom 21. März 2012 - 2 [X.] 11.11 - juris). Es fehlt an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, wenn es einzelne Tatsachenfeststellungen oder [X.]eweisergebnisse bei seiner rechtlichen Würdigung außer [X.]cht lässt, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen ([X.]eschlüsse vom 15. Februar 2010 - [X.]VerwG 2 [X.] 126.09 § 96 [X.] 2009 Nr. 1>, vom 17. Mai 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] 88.10 - juris m.w.N. und vom 21. März 2012 - 2 [X.] 11.11 - juris). Ein solcher Verfahrensfehler ist hier nicht festzustellen.

Der Kläger rügt zum einen, der Verwaltungsgerichtshof habe fälschlich angenommen, die [X.]mtsärztin habe in ihrem Gutachten vom Februar 2006 festgestellt, dass weder eine anderweitige Verwendung noch eine begrenzte Dienstfähigkeit beim Kläger in [X.]etracht kämen; die [X.]mtsärztin habe aber lediglich festgestellt, dass beim Kläger von einer Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit nicht ausgegangen werden könne.

Zwar ist zutreffend, dass mit der bloßen Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit eine begrenzte Dienstunfähigkeit oder eine anderweitige Verwendbarkeit nicht verneint werden kann. Nach den [X.]eamtengesetzen des [X.]undes und der Länder (vgl. nur §§ 44 f. [X.] §§ 53 f. [X.]aWüL[X.]G a.F.) ist vielmehr zu unterscheiden: Ist ein [X.]eamter dienstunfähig, so muss bzw. soll geprüft werden, ob eine anderweitige Verwendung oder eine begrenzte Dienstfähigkeit in [X.]etracht kommen. Nur wenn dies nicht möglich ist, kann eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit erfolgen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 26. März 2009 - [X.]VerwG 2 C 73.08 - [X.]VerwGE 133, 297 = [X.] 232 § 42 [X.] Nr. 25 Rn. 14 m.w.N.; [X.]eschluss vom 6. März 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 5.10 - [X.], 165 f.).

Entgegen der Darstellung der [X.]eschwerde erschöpft sich die Stellungnahme der [X.]mtsärztin indes nicht in der [X.]ussage, es könne "von der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit nicht ausgegangen werden". Die [X.]mtsärztin hat vielmehr in ihrem amtsärztlichen Zeugnis zur Untersuchung des [X.] im Februar 2006 auch die Fragen nach dessen begrenzter Dienstfähigkeit und einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit verneint ([X.]l. 117 der Personalakte des [X.]; Ziff. II Nr. 6 und 7). Dies übersieht die [X.]eschwerde. Sie - und nicht das [X.]erufungsurteil - geht von einem falschen Sachverhalt aus. Ob das amtsärztliche Gutachten eine ausreichende Grundlage für die Versetzung des [X.] in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit war, ist hier nicht zu klären.

Der Kläger rügt zum anderen, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht beanstandet habe, dass der [X.]eklagte eine anderweitige Verwendung nach § 53 [X.]bs. 3 [X.]aWüL[X.]G a.F. oder eine begrenzte Dienstfähigkeit nach § 53 a [X.]aWüL[X.]G a.F. nicht geprüft habe. Damit kann der Kläger schon deshalb nicht durchdringen, weil der [X.]eklagte, nachdem beides im amtsärztlichen Zeugnis vom Februar 2006 verneint worden war, keinen [X.]nlass mehr für eine solche Prüfung hatte. Im Übrigen macht der Kläger hier auch keinen Verfahrensmangel geltend, er rügt insbesondere nicht, dass das Gericht von einem falschen oder unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Vielmehr greift er die [X.]nwendung materiellen Rechts im Einzelfall an, nämlich die Verneinung einer anderweitigen Verwendbarkeit und einer begrenzten Dienstfähigkeit des [X.]eamten durch den Dienstherrn als Voraussetzungen für die Versetzung des [X.]eamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit. Damit ist ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 [X.]bs. 1 Satz 1 VwGO nicht dargetan.

Meta

2 B 10/12

30.04.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 8. November 2011, Az: 4 S 193/10, Urteil

§ 69 PersVG BW, § 53 BG BW, § 54 BG BW

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 30.04.2013, Az. 2 B 10/12 (REWIS RS 2013, 6148)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6148

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