Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.04.2013, Az. B 8 SO 104/12 B

8. Senat | REWIS RS 2013, 6252

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Gegenstand

Sozialhilfe - Übergang von Ansprüchen - Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 10. September 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Im [X.]treit ist die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige des Beklagten nach § 93 [X.]ozialgesetzbuch Zwölftes Buch - [X.]ozialhilfe ([X.]GB XII).

2

Für die Beigeladene, die in einer Pflegeeinrichtung lebt und seit August 2008 Leistungen der Hilfe zur Pflege vom Beklagten erhält, war auf der Gemarkung [X.], [X.] 33, [X.]stücke 255, 507 und 256 ([X.] , [X.]), ein unentgeltliches ausschließliches Wohnrecht an der Erdgeschosswohnung eingetragen. Nachdem die Beigeladene auf das für sie eingetragene Wohnrecht verzichtet hatte, wurde es am 21.7.2008 gelöscht. Eigentümerinnen des mit dem Wohnrecht belegen gewesenen Grundstücks sind seit 1985 die [X.]lägerin und ihre [X.]chwester. Der Beklagte ermittelte den Wert des Wohnrechts mit 28 000 Euro und leitete daraufhin sämtliche Ansprüche der Beigeladenen gegen die [X.]lägerin und ihre [X.]chwester auf sich über (Bescheid vom 12.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 9.3.2011).

3

Im anschließenden [X.]lageverfahren machte die [X.]lägerin geltend, der Beklagte habe den Wert des Grundstücks unzutreffend hoch angesetzt. Zwar sei die Beigeladene verpflichtet gewesen, die Hälfte der ortsüblichen Miete zu zahlen; dies sei aber aufgrund ihrer bescheidenen finanziellen Verhältnisse tatsächlich nicht geschehen. Infolgedessen sei ein erheblicher Instandsetzungsrückstau am gesamten Gebäude entstanden. Der Verzicht der Beigeladenen auf das Wohnrecht habe zu keiner Wertsteigerung des Grundstücks geführt, sondern nur zu einer Reduzierung der Verschuldung. Es fehle deshalb an einem überleitungsfähigen Anspruch. Die [X.]lage ist erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des [X.]ozialgerichts Dortmund vom 19.4.2012; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10.9.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.]G ausgeführt, nach den [X.]riterien der so genannten "[X.]" sei im Rahmen des § 93 [X.]GB XII nur zu prüfen, ob der betroffene Anspruch von vornherein, dh ohne nähere Prüfung, ausgeschlossen sei. Dies sei hier nicht der Fall. Die Einzelheiten des dem Anspruchsübergang zugrundeliegenden Anspruchs seien nicht im sozialgerichtlichen, sondern in einem ggf nachfolgenden zivilgerichtlichen Verfahren zu klären. Der Beklagte habe den Anspruch ermessensfehlerfrei übergeleitet. Es lägen keine außergewöhnlichen Umstände vor, die ein Absehen von der Überleitung rechtfertigen könnten. Insbesondere hätten die [X.]lägerin und ihre Geschwister die Beigeladene nicht über das Maß der sie persönlich treffenden Verpflichtung hinaus gepflegt.

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die [X.]lägerin mit ihrer Beschwerde. [X.]ie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Der Rechtsstreit werfe folgende Frage auf,

"ob die Entscheidung darüber, ob der übergeleitete Anspruch bzw der streitige Wert eines Wohnrechts im Rahmen der Ermessenserwägungen des [X.]ozialhilfeträgers dergestalt hinter dem Nachrang der [X.]ozialhilfe ungeprüft zurückgestellt werden darf, als dass nach materiellem Recht ein entsprechender Anspruch von vornherein als gegeben angesehen werden kann."

5

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

6

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 [X.]ozialgerichtsgesetz <[X.]GG>).

7

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer [X.]lärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die [X.]lägerin überhaupt eine hinreichend verständliche, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage formuliert hat, anhand derer die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung geprüft werden können. Denn auch bei sachdienlicher Auslegung sind die aufgeworfenen Fragen nicht grundsätzlich bedeutsam.

8

Die insoweit offenbar gestellte Frage, ob die Überleitung eines Anspruchs durch den [X.]ozialhilfe-träger nur dann angezeigt werden kann, wenn sicher feststeht, dass der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht, ist nicht klärungsbedürftig. [X.]ie ist durch die Rechtsprechung des [X.] (vgl: [X.]enatsbeschluss vom 20.12.2012 - [X.] [X.]O 75/12 B; zum Recht der Arbeitsförderung B[X.]G [X.]ozR 4100 § 40 Nr 26 [X.] 80) und der ständigen Rechtsprechung des [X.] zur sog [X.] (stRspr seit BVerwGE 34, 219 ff zur [X.]ozialhilfe; zum Recht der Ausbildungsförderung BVerwGE 49, 311 ff; 56, 300 ff; 87, 217 ff; zur Hilfe zur Pflege in der [X.]ozialhilfe [X.], 375 ff) geklärt.

9

Danach genügt es für die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 [X.]GB XII bereits, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt, er also nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist. In der [X.]ozialhilfe dient die Überleitung eines Anspruchs - neben den Vorschriften über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens - dazu, den Nachrang der [X.]ozialhilfe (§ 2 Abs 1 [X.]GB XII) zu realisieren. Wie beim Einsatz des Einkommens müssen die Vorschriften über die Überleitung von Ansprüchen folglich bedarfsorientiert gesehen werden. Entscheidend ist also nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum erfolgt, für den Leistungen der [X.]ozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind (BVerwGE 34, 219, 221). Nur wenn offensichtlich ist, dass dieses Ziel nicht verwirklicht werden kann, ist der Erlass einer [X.] sinnlos und trotz Vorliegens aller im Gesetz normierten Voraussetzungen als rechtswidrig aufzuheben (BVerwGE 49, 311, 316). Eine solch erkennbar sinnlose [X.] liegt gerade nicht vor. Das L[X.]G hat es zu Recht unter Berücksichtigung des Vorbringens der [X.]lägerin für denkbar gehalten, dass der von der Beigeladenen ausgesprochene Verzicht auf das Wohnrecht wegen der damit verbundenen Wertsteigerung des Grundstücks eine [X.]chenkung darstellt und deshalb ein [X.]chenkungsrückforderungsanspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen sei.

Ein [X.]lärungsbedarf besteht auch nicht im Hinblick auf das möglicherweise in der Frage enthaltene Vorbringen der [X.]lägerin zu einer erforderlichen Ermessensausübung im Rahmen der Anspruchsüberleitung. Es ist bereits geklärt, dass der Erlass einer Überleitungsanzeige im Ermessen der Behörde liegt (vgl insbesondere: BVerwGE 34, 219, 225; 92, 281, 287; darüber hinaus [X.]enatsurteil vom [X.] - [X.] [X.]O 17/08 R - juris RdNr 13), dass also die Behörde nicht von der Notwendigkeit enthoben ist, ihr Entschließungs- und Auswahlermessen (Falterbaum in [X.]/[X.], [X.]GB XII, [X.] § 93 RdNr 33, [X.]tand August 2009) auszuüben.

Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 [X.]GG iVm § 154 Abs 2 und § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung; die [X.]treitwertfestsetzung folgt aus §§ 40, 47 Abs 3, § 52 Abs 2, § 63 Abs 2 Gerichtskostengesetz.

Meta

B 8 SO 104/12 B

25.04.2013

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Dortmund, 19. April 2012, Az: S 43 SO 228/11, Gerichtsbescheid

§ 93 Abs 1 S 1 SGB 12, § 2 Abs 1 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.04.2013, Az. B 8 SO 104/12 B (REWIS RS 2013, 6252)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6252

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