Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2016, Az. VI ZR 344/15

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8785

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:050716BVIZR344.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR
344/15

vom

5. Juli 2016

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
5. Juli
2016
durch den
Vorsitzenden [X.], die Richter
Wellner
und Offenloch
und die Richte-rinnen
Dr. Oehler
und
Dr. Roloff

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der
Klägerin
wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] in Schleswig
vom 30. April
2015
im Kostenpunkt und inso-weit aufgehoben, als die Berufung
hinsichtlich der [X.] zu 2,
3,
5
bis 7 und 12 sowie

nebst Zinsen hieraus ab dem 20. September 2011,

nebst Zinsen hieraus ab dem 20. September 2011
und
hinsichtlich des [X.] zu 12 insoweit zurückgewiesen wurde, als die damit begehrten außergerichtlichen Rechtsverfol-

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das [X.] wird auf bis 65.000

festgesetzt.
-
3
-

Gründe:
A.
Die Klägerin
verlangt
von den Beklagten
Schadensersatz wegen angeb-licher Falschberatung bezüglich des Erwerbs von Wertpapieren.
Die Beklagten waren alleinige Vorstände der zwischenzeitlich [X.], die unter anderem im Bereich der Anlageberatung tätig war und ihre Erträge insbesondere durch Provisionen der Emittenten der empfohlenen [X.] erwirtschaftete. Soweit im [X.] noch von Interesse erwarben die Klägerin
und ihr während des Rechtsstreits verstorbener Ehemann, der vormalige Kläger zu 2, im Zeitraum vom 1.
April
2005
bis 18. De-zember
2008
jeweils nach telefonischer
Beratung und auf Empfehlung eines für die A.
AG tätigen Kundenberaters
verschiedene Wertpapiere zum Preis von insgesamt 132.453,32

. Unter den erworbenen Wertpapieren befanden sich
-
neben anderen Genussscheinen -
Inhabergenussscheine der [X.].
Die
Klägerin
hat
unter anderem behauptet, sie und ihr verstorbener Ehemann
seien
nicht hinreichend über die mit den Anlagen verbundenen Risi-ken -
insbesondere das Teil-
und Totalverlustrisiko
-
aufgeklärt worden. Dafür seien die Beklagten verantwortlich, da sie ihre Kundenberater systematisch zu einer fehlerhaften Anlageberatung veranlasst hätten.
Soweit sie Gegenstand des [X.]s
ist, hat
die
Klägerin
mit ihrer
Klage Schadensersatz in Höhe der für die Wertpapiere
gezahlten Kaufpreise abzüglich erzielter Erträge und Erlöse Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus den von ihr noch gehaltenen Wertpapieren
sowie 1
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3
4
-
4
-

Ersatz entgangener Anlagezinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten jeweils nebst Verzugszinsen verlangt. Ferner hat
sie
die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagten mit den Gegenleistungen in Annahmeverzug befinden. Die Klage hatte
nach vollständiger Klageabweisung durch das Landgericht
in der
Berufungsinstanz Erfolg nur bezüglich
der für die
Wertpapiere der
[X.]
aufgewendeten Beträge, soweit die entsprechenden Papiere nicht vor dem 19. April 2007 erworben wurden,
sowie darauf entfallender
Verzugszinsen und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
Im Übrigen wurde die Berufung der
Klägerin
zurückgewiesen. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelas-sen. Hiergegen wendet
sich die
Klägerin
mit ihrer
Nichtzulassungsbeschwerde.

[X.]
I.
Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Abweisung des von
der
Klägerin
geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz des [X.] (Berufungsantrag Ziffer 8) richtet, war sie zurückzuweisen. Sie zeigt insoweit nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert.
II.
Im Übrigen hat die Nichtzulassungsbeschwerde Erfolg.
Sie führt
-
dem Umfang der Anfechtung entsprechend -
gemäß §
544 Abs.
7 ZPO insoweit zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des [X.] an das Berufungsgericht, als die Berufung der
Klägerin
hinsichtlich der [X.] Ziffern
2, 3, 5 bis 7 sowie hinsichtlich der [X.] Ziffern 1 und 4 in Höhe von 7.

(An-spruch auf Ersatz der für den Erwerb der
Wertpapiere aufgewendeten Beträge nebst Verzugszinsen),
Ziffer 11
(Anspruch auf Ersatz
außergerichtlicher 5
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-
5
-

Rechtsverfolgungskosten, soweit diese den vom Berufungsgericht zugespro-chenen Betrag von

übersteigen) und Ziffer 12
(Feststellung des [X.]) zurückgewiesen wurde. Die Klägerin
rügt
insoweit zu Recht, das Berufungsgericht habe ihren
Anspruch aus Art.
103 Abs.
1 GG auf Gewäh-rung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
1.
Soweit nicht ab dem 19. April 2007 erworbene Wertpapiere der [X.] betroffen sind, hat das Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch der
Klägerin
verneint. Zur Begründung der Klageabweisung hat es, soweit für das [X.] von Interesse, ausgeführt, die [X.] hafteten der
Klägerin
insoweit nicht nach § 826 BGB. Zwar seien die Voraussetzungen
einer sittenwidrigen Schädigung bei einer strukturell von den Beklagten als Vorstände der [X.] zu verantwortenden nicht anlegergerechten Beratung
erfüllt. Die Klägerin
behaupte
insoweit, im Rahmen einer von der [X.] genommenen Stichprobe hätten sich in den Depots sämtlicher 1.111 von der Stichprobe erfasster Anleger Genussscheine der Risikoklassen 3 und 4 befunden, obwohl die Anleger den Risikoklassen 1 und 2 zuzuordnen gewesen seien. Wenn aus einer Stichprobe von 1.111 Anle-gern mit Genussscheinen im Depot sämtliche dieser Anleger nicht [X.] beraten worden sein sollten, trage dies zur Überzeugung des Berufungs-gerichts den Schluss auf flächendeckende nicht anlegergerechte Beratung und [X.] Handeln der Beklagten.
Der Vortrag der
Klägerin
zur Stichprobe sei aber widersprüchlich und damit unbeachtlich. Denn die Klägerin
trage einander widersprechende Indizien vor: So behaupte sie
einerseits, im Rahmen einer von der [X.] genommenen Stichprobe, Prüfungszeitraum 31. Dezember 2005 bis 14. Mai 2007, hätten sich in den Depots sämtlicher 1.111 in der Stichprobe erhobener
Anleger Genussscheine der Risikoklassen 3 und 4 befunden, obwohl 7
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-

die Anleger den Risikoklassen 1 und 2 zuzuordnen gewesen seien. [X.] trage sie
vor, die Regelprüfung der [X.] nach § 36 [X.] für den Zeit-raum 1. Mai 2006 bis 30. September 2007 habe ergeben, dass von insgesamt 40.470 Kunden (nur) 658 Kunden [X.] in ihrem Depot gehabt hätten, die nicht zu ihrer Anlageklasse, sprich zu ihrer Risikoeinstufung passten. Zudem sei es der
Klägerin
nicht gelungen, ihre
Behauptung zu beweisen. Die von ihr
insoweit benannten [X.] seien gemäß § 376 ZPO nicht zu vernehmen gewesen, da sie nach Auskunft der [X.] zur Amts-
und Berufsverschwiegenheit unterlägen, von der die [X.] sie nicht entbunden habe.
2.
Diese
Ausführungen verletzen die Klägerin
in entscheidungserhebli-cher Weise in ihrem
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
a)
Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein [X.] Handeln der Beklagten nach dem Sachvor-trag der
Klägerin
zu bejahen wäre. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist ein Anlageberater, der vorsätzlich eine anleger-
und objektwidrige Empfehlung abgibt und die Schädigung des um Rat fragenden Anlegers zumin-dest billigend in Kauf nimmt, dem Anleger wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet (Urteil
vom 19. Februar 2008
-
XI
ZR 170/07, [X.], 276 Rn. 29). Dementsprechend handelt auch [X.], wer -
wie von der
Klägerin
in Bezug auf die Beklagten behauptet
-
als Leiter eines mit Anlageberatung befassten Unternehmens ein System etabliert, das darauf gerichtet ist, den Kunden unter planmäßiger Falschberatung ihren Interessen und ihrer Risikobereitschaft nicht entsprechende risikobehaftete An-lagen zu empfehlen (Senatsbeschluss vom 18. August 2015 -
VI
ZR 302/14, juris Rn. 13; vgl. auch Senatsurteil vom 14. Juli 2015 -
VI
ZR 463/14, [X.], 1574 Rn. 24).
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-
7
-

b)
In ihrem
Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art.
103 Abs. 1 GG) hat das Berufungsgericht die Klägerin
dadurch, dass es die von ihr
benannten [X.] nicht vernommen hat.
[X.])
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung verpflichtet Art.
103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Gerichte, erheblichen Beweisanträgen nachzugehen. Die Nichtberücksichti-gung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze [X.], verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 16. September 2014 -
VI [X.], [X.], 338 Rn. 4; [X.], Beschluss vom 23. April 2015 -
V [X.], juris Rn. 7;
[X.]E 69, 141, 143 f.; [X.], [X.], 492, 493; NJW 1993, 254; teilweise mwN). Davon ist im Streitfall auszugehen.
bb)
Die von
der
Klägerin
unter Beweis gestellte Behauptung, bei einer von der [X.] für den Zeitraum vom
31. Dezember 2005 bis 14. Mai 2007 durchgeführten Stichprobe von 1.111 Anlegern mit [X.] im Depot hätten sämtliche Anleger Genussscheine der [X.] und 4 im Depot gehabt, obwohl sie den Risikoklassen 1 und 2 zu-zuordnen gewesen wären, war aus der insoweit maßgeblichen Sicht des [X.] erheblich. Denn das Berufungsgericht hat selbst ausgeführt, dass ein solches Stichprobenergebnis zu seiner Überzeugung den Schluss auf flä-chendeckend nicht anlegergerechte Beratung und [X.] Handeln der Beklagten getragen hätte.
[X.])
Auch ist die unter Beweis gestellte Behauptung der
Klägerin
entge-gen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin
den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil
zufolge auch behauptet hat, die Regelprüfung der [X.] nach § 36 [X.] für den Zeitraum vom 1. Mai 2006 bis 30. September 2007 habe ergeben, dass von insgesamt 40.470 Kunden (nur) 658 Kunden [X.] in ihrem Depot gehabt 11
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14
-
8
-

hätten, die nicht zu ihrer Anlageklasse, sprich zu ihrer Risikoeinstufung passten. Zwar kann es an einem ordnungsgemäßen Beweisantritt fehlen, wenn der Vor-trag der beweisbelasteten Partei in Bezug auf die unter Beweis gestellte Be-hauptung widersprüchlich ist (vgl. Senatsurteil vom 14. Juli 1987 -
VI
ZR 199/86, [X.], 158). Ein solcher Widerspruch findet sich im Vortrag der
Klägerin
aber nicht. Denn die Ergebnisse der Stichprobe der [X.] können auch dann zutreffend sein, wenn eine anderweitig durchgeführte Prüfung zu einem anderen Ergebnis gelangt ist. Ob -
wie von der
Klägerin
behauptet
-
die Ergebnisse der Stichprobe zutreffen, ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu beurteilen, bei der etwa widersprechende Ergebnisse einer anderen Prüfung zwar von Relevanz sein können, die aber unter Beach-tung des Verbots der vorweggenommenen Beweiswürdigung erst dann ab-schließend durchgeführt werden darf, wenn allen
erheblichen Beweisantritten
nachgegangen worden ist.
dd)
Anders als das Berufungsgericht meint, steht der Vernehmung der [X.] § 376 Abs. 1 ZPO nicht entgegen
(vgl. Senatsurteil vom 16.
Februar 2016 -
VI
[X.], [X.], 617).
(1) Das Berufungsgericht hat sich aufgrund einer Auskunft der Bundes-anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: [X.]) gemäß § 376 Abs. 1 ZPO daran gehindert gesehen, die [X.] zu verneh-men. Nach dieser Auskunft handelt es sich bei den Zeugen um [X.], derer sich die [X.] gemäß § 4 Abs. 3 des Finanzdienstleistungs-aufsichtsgesetzes ([X.]) bedient hatte, um bei der [X.] eine Prüfung vor-zunehmen (§ 35 Abs. 1 [X.], § 44 Abs. 1 [X.]); weiter heißt es, die Zeugen unterlägen nach § 8 Abs. 1 [X.], § 9 Abs. 1 [X.] einer gesetzlichen [X.], von der sie nicht entbunden werden könnten.
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-

(2) Diese Mitteilung rechtfertigte es indes nicht, von der Vernehmung der [X.] gemäß § 376 Abs. 1 ZPO abzusehen. Die [X.] werden vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht erfasst.
(a) Nach § 376 Abs. 1 ZPO gelten für die Vernehmung von Richtern, [X.] und anderen Personen des öffentlichen Dienstes als Zeugen über Um-stände, auf die sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, und für die Genehmigung zur Aussage die besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften. §
376 Abs. 1 ZPO setzt mithin
-
ebenso wie der gleichlautende § 54 Abs. 1 StPO -
eine durch andere Bestimmungen begründete Pflicht des Zeugen zur Amtsverschwiegenheit voraus (vgl. [X.], Urteil vom 11. September 1980
-
4
StR 16/80, NStZ 1981, 70 zu § 54 StPO) und überträgt diese Pflicht in das Prozessrecht (zu § 54 StPO vgl. [X.]/[X.], 4. Aufl., § 54 Rn. 2; [X.]/[X.], § 54 Rn. 1 [Stand: November 2010]; [X.]/v. Schlieffen, 2. Aufl., § 54 Rn. 1). Infolgedessen besteht, wenn dem Zeugen von der zustän-digen Behörde keine Aussagegenehmigung erteilt wird, ein Vernehmungsverbot (vgl. Berger in [X.], ZPO, 23. Aufl., § 376 Rn. 2, 13; MüKoZPO/[X.], 4. Aufl., § 376 Rn. 1, 11; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 376 Rn.
43). Dadurch sollen die öffentlichen Geheimhaltungsinteressen auch im gerichtlichen Verfahren geschützt werden (vgl. MüKoZPO/[X.], [X.]O Rn. 1; [X.], [X.]O Rn. 2; zu § 54 StPO vgl. [X.], Urteil vom 15. Dezember 2005
-
3
StR 281/04, [X.]St 50, 318, 326 f.; BayObLG, NJW 1990, 1857, 1858; [X.]/[X.]/[X.], 26. Aufl., § 54 Rn. 1).
(b) [X.] und [X.] sind nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststel-lungen und der in Bezug genommenen Mitteilung der [X.] keine Rich-ter oder Beamte und auch keine sonstigen Personen des öffentlichen Dienstes. Zwar waren die Zeugen aufgrund ihrer Beauftragung durch die [X.] deren Hilfspersonen und wurden bei der Prüfung der [X.] unmittelbar in Erfül-17
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-
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-

lung von Angelegenheiten tätig, die für die Behörde Verwaltungsaufgaben wa-ren (vgl. [X.], Urteile vom 7.
Mai 2009 -
III ZR 277/08, [X.]Z 181, 12 Rn. 23; vom 26. Juni 2001 -
X
ZR 231/99, [X.], 1390, 1392). Dies begründete aber jedenfalls deshalb kein Vernehmungsverbot gemäß § 376 Abs. 1 ZPO, weil den Zeugen keine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit im Sinne dieser Vor-schrift auferlegt worden war (zu § 54 StPO vgl. [X.], Urteil vom 15. Dezember 2005 -
3
StR 281/04, [X.]St 50, 318, 327; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 54 Rn.
22).
([X.]) Ob sich eine solche Pflicht aus einer Amtsträgereigenschaft im Sin-ne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe c StGB ergeben kann (zu § 54 StPO vgl. [X.], Urteil vom 28. November 1979 -
3
StR 405/79, [X.], 846, 847; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 54 Rn. 22; [X.]/[X.]/[X.], 26. Aufl., § 54 Rn. 9
a.E.), kann dabei offenbleiben. Denn die Amtsträgereigenschaft setzt nach der Rechtsprechung des [X.] eine öffentlich-rechtliche Bestellung voraus, die zu einer über den einzelnen Auftrag hinausgehenden längerfristigen Tätigkeit oder zu einer organisatorischen Eingliederung in die Behördenstruktur führen muss (Urteile vom 15. Mai 1997 -
1
StR 233/96, [X.]St 43, 96, 105; vom 19. Juni 2008 -
3 [X.], [X.]St 52, 290 Rn. 25; vom 9. Juli 2009 -
5 [X.], [X.]St 54, 39 Rn. 46). Beides ist nicht festgestellt.
(bb) Nach den getroffenen Feststellungen ist eine Pflicht der [X.] zur Amtsverschwiegenheit auch nicht durch eine förmliche Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz begründet worden (vgl. dazu MüKoZPO/
[X.], 4. Aufl., §
376 Rn. 6; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4.
Aufl., §
376 Rn. 32; zu § 54 StPO vgl. [X.], Urteile vom 11. September 1980 -
4
StR 16/80, NStZ 1981, 70 und vom 15. Dezember 2005 -
3
StR 281/04, [X.]St 50, 318, 327 f. mwN).
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-
11
-

([X.]) Eine für das Eingreifen von § 376 Abs. 1 ZPO erforderliche Pflicht zur Amtsverschwiegenheit folgt schließlich auch nicht aus der sich aus § 8 Abs.
1 [X.] und § 9 Abs. 1 [X.] ergebenden Verschwiegenheitspflicht.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] und § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] dürfen unter anderem Personen, die bei der [X.] beschäftigt oder -
wie die [X.]
-
nach § 4 Abs. 3 [X.] beauftragt sind, die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines ge-prüften Unternehmens oder eines Dritten liegt, nicht unbefugt offenbaren. Bei dieser Verschwiegenheitspflicht handelt es sich aber nicht um eine von § 376 Abs. 1 ZPO in Bezug genommene Pflicht zur Amtsverschwiegenheit (zu ähnli-chen Vorschriften vgl. [X.], 1, 3; [X.], [X.] Personen des öffentlichen Dienstes vor Zivil-
und Strafgerichten, 1973, S. 25), wenn sie sich mit ihr im Einzelfall -
anders als im Streitfall
-
auch überschneiden kann (vgl. [X.], [X.], 1130, 1134).
Zwischen der sich aus §
8 [X.] und § 9 [X.] ergebenden Verschwie-genheitspflicht einerseits und der allgemeinen Amtsverschwiegenheit anderer-seits bestehen wesentliche Unterschiede (vgl. BVerwG, NVwZ 2011, 1012 Rn.
15; [X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., § 8 [X.] Rn. 10). Anders als die beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht erfassen § 8 [X.] und § 9 [X.] keine Tatsachen, deren Geheimhaltung im eigenen Interesse der [X.] liegt, sondern Geschäfts-, Betriebs-
und Privatgeheimnisse der be-aufsichtigten Marktteilnehmer und sonstiger Dritter (vgl. BT-Drucks. 12/6679 S.
42; [X.]/[X.]/[X.], [X.]O Rn. 21; [X.] in Schwark[X.], [X.], 4.
Aufl., § 8 Rn. 1; [X.]/[X.] in [X.], [X.], § 8 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]er, [X.], § 8 Rn. 2; [X.]er in Reischau-er/[X.], [X.], § 9 Rn. 12 [[X.]. 8/12]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., § 9 Rn. 1). Zwar bezwecken beide Vorschriften 22
23
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-
12
-

damit nicht nur den Schutz der privaten Träger des [X.]. Vielmehr sollen auch das notwendige Vertrauen in die Integrität der Aufsichts-praxis, eine entsprechende Kooperationsbereitschaft der beaufsichtigten [X.] und damit letztlich die Funktionsfähigkeit der Märkte für Finanzin-strumente sichergestellt werden (vgl. [X.], Urteil vom 12.
November 2014
-
C-140/13, [X.], 873 Rn. 31 ff.; BT-Drucks. 12/6679 S. 42; [X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., § 8 Rn. 6 f.; [X.] in Schwark[X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rn. 1; [X.]/[X.] in [X.], [X.], § 8 Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]er, [X.], § 8 Rn. 2). Das ändert aber nichts daran, dass die geschützten Personen über den Schutz ihrer Geheimnisse [X.] können. [X.] sie in die [X.] einer Tatsache ein, erfolgt die [X.] nicht unbefugt und die Verschwiegenheitspflicht entfällt (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.]O Rn. 32; [X.], [X.]O Rn. 11, 25;
[X.]/[X.], [X.]O Rn. 23; [X.], [X.]O Rn. 11; Döhmel in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 8 Rn. 14; [X.]er in Reischauer/[X.], [X.], § 9 Rn. 18 [[X.]. 8/12]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., § 9 Rn. 16). Einer Zustimmung der [X.] bedarf es dafür in Ermangelung eines entsprechenden Genehmigungsvorbehalts nicht. [X.] besteht die von § 376 Abs. 1 ZPO in Bezug genommene Pflicht zur Amtsverschwiegenheit gegenüber dem öffentlichen Dienstherrn, der allein dazu berufen ist, den Bediensteten von dieser Pflicht zu entbinden (vgl. § 67 Abs. 3, §
68 [X.], § 37 Abs. 3 bis 5 BeamtStG; BVerwGE 18, 58, 61 f.).
ee) Auch war das Berufungsgericht an der Vernehmung der [X.] nicht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 ZPO gehindert.
Nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch
gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der 25
26
-
13
-

Tatsachen, auf welche sich die Verpflichtung zur Verschwiegenheit bezieht, zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt. Dass sie von ihrem Zeugnisverweige-rungsrecht Gebrauch machen wollen, haben [X.] und [X.] bislang nicht erklärt. Schon deshalb wären sie grundsätzlich zu vernehmen gewesen (vgl. § 386 Abs. 3 ZPO).
Anderes ergibt sich auch nicht aus § 383 Abs. 3 ZPO. Nach dieser Vor-schrift soll das Gericht selbst dann, wenn ein nach § 383 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 ZPO zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge zur Aussage bereit ist, nur solche Fragen stellen bzw. zulassen, durch deren Beantwortung der Zeuge nicht er-kennbar gegen Verschwiegenheitspflichten verstößt (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 383 Rn. 22). Regelmäßig beschränkt die Vorschrift mithin allein den Kreis der im Rahmen einer Vernehmung zulässigen Fragen, macht aber die Vernehmung des angebotenen Zeugen als solche weder unzulässig noch ent-behrlich (vgl. MüKoZPO/[X.], 4. Aufl., § 383 Rn. 42). Ob -
ausnahmsweise
-
anderes gelten kann, wenn von vornherein offensichtlich ist, dass der Zeuge mit jeder Aussage zum Beweisthema gegen seine Verschwiegenheitspflicht
ver-stieße, kann offenbleiben. Denn eine solche Konstellation ist im Streitfall weder hinsichtlich der sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.] erge-benden Verschwiegenheitspflicht (1) noch hinsichtlich derjenigen
aus § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] (2) gegeben.
(1) Die sich aus § 8 [X.] und § 9 [X.] ergebende und von § 383 Abs.
1 Nr. 6 ZPO geschützte Verschwiegenheitspflicht der [X.] ist nicht allumfassend. Sie greift ihrem Schutzzweck entsprechend nur, wenn Ge-heimhaltungsinteressen der beaufsichtigten Marktteilnehmer oder sonstiger Dritter betroffen sind ([X.]/[X.] in [X.],
[X.], § 8 Rn. 8).
(a) Ob und inwieweit durch eine Aussage der [X.] Geheim-haltungsinteressen der [X.] betroffen wären und ob sich eine daraus ggf. er-27
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29
-
14
-

gebende Verschwiegenheitspflicht der [X.] auch im Streitfall dadurch ausräumen lässt, dass der Insolvenzverwalter der [X.] -
wozu er grundsätzlich befugt ist (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 2016 -
VI [X.], [X.], 617 Rn. 23)
-
die Zeugen von dieser Verpflichtung entbindet, [X.] der Senat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht ab-schließend zu beurteilen.
(b)
Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass von § 8 [X.] und § 9 [X.] geschützte Geheimhaltungsinteressen sonstiger Dritter einer Aussage der [X.] in vollem Umfang entgegenstehen. Zwar [X.] allein das Interesse an der Durchsetzung eines zivilrechtlichen An-spruchs im Allgemeinen keine Befugnis zur [X.] von Tatsachen im Sin-ne des § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] oder des § 9 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Dies folgt daraus, dass § 8 Abs. 1 Satz 3
Nr. 1 [X.] und § 9 Abs.
1 Satz 4 Nr. 1 [X.] eine Weitergabe von Tatsachen an Strafverfolgungsbehörden oder an für Straf-
und Bußgeldsachen zuständige Gerichte ausdrücklich gestatten, dass es aber in Bezug auf Zivilprozesse an einer entsprechenden Regelung fehlt (vgl. [X.]. [X.], NVwZ 2010, 1036, 1044; [X.], [X.], 1130, 1134 f.; [X.]/[X.]/[X.], 2.
Aufl., § 8 [X.] Rn. 48; [X.] in Schwark[X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rn.
24; [X.]/[X.] in [X.], [X.], § 8 Rn. 21; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]er, [X.], § 8 Rn.
12; Lin-demann in Boos/[X.]/Schulte-Mattler, [X.], 4. Aufl., § 9 Rn. 20; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
9 Rn. 16). Das Gesetz misst damit dem st[X.]tlichen Strafverfolgungsinteresse in der Abwägung mit den von § 8
[X.] und § 9 [X.] geschützten Geheimhaltungsinteressen ein höheres Ge-wicht bei als dem Interesse an der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche. Über Tatsachen, deren Geheimhaltung nicht nur im Interesse der [X.], [X.] auch im Interesse eines Dritten liegt, insbesondere über dessen perso-nenbezogene Daten (§ 8 Abs. 1 Satz 1 [X.]), dürfen die Zeugen deshalb nur 30
-
15
-

aussagen, wenn und soweit der Dritte in die [X.] eingewilligt hat. Das gilt insbesondere für identifizierende Angaben über einzelne von der
Stichprobe erfasste ehemalige Kunden der [X.], einschließlich der Tatsache, dass über-haupt eine Kundenbeziehung bestand (vgl. BT-Drucks. 12/6679 S.
42; [X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., §
8 [X.] Rn. 22, 27; [X.] in Schwark[X.], [X.], 4. Aufl., § 8 Rn. 8; [X.] in Boos/[X.]/Schulte-Mattler, [X.], 4. Aufl., § 9 Rn. 8, 10; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 9 Rn. 1, 11). Den Zeugen ist es dadurch aber insbesondere nicht verwehrt, in anonymisierter Weise über die Zusammenset-zung der
von ihnen geprüften Depots sowie ihr Vorgehen bei der Prüfung selbst zu berichten. Dass dem Berufungsgericht entsprechende Angaben der Zeugen genügt hätten, sich davon zu überzeugen, dass die unter Beweis gestellten Be-hauptungen der
Klägerin
zutreffen, ist jedenfalls nicht von vornherein ausge-schlossen.
(2) Schließlich ergibt sich eine das Beweisthema erschöpfende Schwei-gepflicht der [X.] auch nicht aus § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Zwar unterliegen die Zeugen als Wirtschaftsprüfer auch der allgemeinen berufsrecht-lichen Pflicht zur Verschwiegenheit. Diese schützt regelmäßig aber nur den [X.] (vgl. [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl., § 43 Rn. 119, 140). An der Weitergabe von Tatsachen, die allein Dritte betreffen, zu denen kein Mandats-verhältnis besteht, ist der Wirtschaftsprüfer durch § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] grundsätzlich nicht gehindert (vgl. [X.], [X.]O 140; zu § 57 [X.] auch [X.], [X.], 7. Aufl., § 57 Rn. 62). Die Erkenntnisse, die die Zeugen bei der von der [X.] beauftragten Prüfung der [X.] gewonnen haben und die sie offenbaren sollen, betreffen nicht die Verhältnisse der [X.]. Ein schutzwürdiges Eigeninteresse der [X.] an der Geheimhaltung dieser Erkenntnisse ist nicht ersichtlich.
31
-
16
-

ff)
Die angefochtene Entscheidung beruht im Umfang ihrer Aufhebung auf der gehörswidrig unterbliebenen Vernehmung der [X.] Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage der -
ggf. eingeschränkten -
Aussage der Zeugen den Klägervortrag als erwiesen ange-sehen hätte, wonach sich in den Depots von sämtlichen 1.111 Anlegern, die die Zeugen stichprobenhaft überprüft haben, Genussscheine der Risikoklassen 3 und 4 befanden, obwohl die Anleger den Risikoklassen 1 und 2 zuzuordnen waren. Aus einem solchen Beweisergebnis hätte das Berufungsgericht nach seinen eigenen Ausführungen auf eine flächendeckende nicht anlegergerechte Beratung und ein [X.] Handeln der Beklagten geschlossen.
Galke
Wellner
Offenloch

Oehler
Roloff

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.09.2014 -
6 O 2/12 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 30.04.2015 -
5 [X.]/14 -

32

Meta

VI ZR 344/15

05.07.2016

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2016, Az. VI ZR 344/15 (REWIS RS 2016, 8785)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8785

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 118/13

V ZR 200/14

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