Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.02.2021, Az. 12 W (pat) 40/19

12. Senat | REWIS RS 2021, 8384

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Gegenstand

(Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren – "Vorrichtung zur Behandlung von Stoffgemischen durch Gefriertrocknung" – zur ausführbaren Offenbarung)


Tenor

In der [X.]

betreffend das Patent 10 2006 019 641

hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2021 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Dipl.-Ing. Univ. [X.], der Richterin [X.], des [X.] [X.] und der Richterin Dipl.-Ing. Univ. Schenk

beschlossen:

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des Patents 10 2006 019 641, das am 25. April 2006 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der Anmeldung 10 2005 020 245.4 vom 28. April 2005 angemeldet wurde, und dessen Erteilung am 1. August 2013 veröffentlicht wurde.

2

Gegen das Patent hatte die Einsprechende am 21. Oktober 2013 Einspruch eingelegt und geltend gemacht, der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht ausführbar offenbart und nicht patentfähig.

3

[X.] hatte geltend gemacht, der Einspruch sei mangels Substantiierung unzulässig und auch unbegründet. Sie hatte das Patent in der erteilten Fassung und mit einem Hilfsantrag mit einem geänderten Anspruch 1 vom 13. Januar 2016 verteidigt.

4

Mit in der Anhörung vom 30. Oktober 2018 verkündetem Beschluss hat die [X.] das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten. Sie hat dabei zur Begründung angegeben, der Einspruch sei zwar hinsichtlich der geltend gemachten mangelnden Ausführbarkeit ausreichend substantiiert und somit zulässig, jedoch seien die geltend gemachten Widerrufsgründe nicht gegeben.

5

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der [X.] vom 19. Dezember 2018, die weiterhin mangelnde Ausführbarkeit sowie mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend macht.

6

[X.] hält weiterhin den Einspruch für unzulässig, außerdem den Gegenstand des Patents für ausführbar offenbart und patentfähig.

7

Im Verfahren sind die folgenden [X.]:

8

[X.] [X.] 42 19 465 C1

9

[X.] [X.] 197 12 365 C2

[X.] WO 97/45 277 A1

[X.] [X.] 25 24 283 A1

[X.] AT 407 567 B

[X.] [X.] 101 36 498 A1

[X.] Grundlagen der Radartechnik; URL: http://www.radartutorial.eu/03.linetheory/Hohlleiter.de.html

[X.] [X.] 197 19 398 A1

[X.] Pehl, [X.]: Mikrowellentechnik Bd. 1. Hüthig Verlag 1988, [X.]-65, [X.]-7785-1611-6

[X.] 4 297 557

[X.] [X.] 4 377 733

[X.] [X.], [X.]: [X.]. Physics Education 39 (1), [X.] 2004.

Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss der [X.] 15 des [X.] vom 30. Oktober 2018 aufzuheben und das Patent 10 2006 019 641 zu widerrufen.

[X.] und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde der [X.] zurückzuweisen.

Das Patent umfasst 7 Ansprüche. Die Ansprüche 2 bis 7 sind unmittelbar oder mittelbar auf den Anspruch 1 rückbezogen. Der Anspruch 1 lautet (mit hinzugefügten Gliederungszeichen a bis n):

A Vorrichtung zur Behandlung von Stoffgemischen durch Gefriertrocknung bestehend zumindest aus einem, eine Trocknungs-(1) und eine Kundensatorkammer (2) umfassenden,

b über eine Öffnung (4) miteinander in Verbindung stehenden Gehäuse (3),

c wobei die [X.] (1) zumindest zur Aufnahme des [X.] sowie zur Gefrierung und Trocknung des [X.] eingerichtet

d und mit einer Anordnung von [X.] (5) versehen ist, die nach Maßgabe des Ablaufs des [X.] zur Aufnahme, zur Gefrierung und zur Beheizung des [X.] eingerichtet sind,

e wobei das [X.] in an sich bekannter Weise in [X.] (11) aufgenommen ist

f und wobei eine, u. a. zur Auswertung von [X.] bestimmte, außerhalb des Gehäuses (3) angeordnete Steuerungseinrichtung [X.]) vorgesehen ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

g der Innenraum (3') des Gehäuses (3) gegenüber dem Außenraum (3'') elektromagnetisch weitestgehend abgeschirmt ausgebildet ist,

h dass die Steuerungseinrichtung [X.]) mit zur Erfassung von [X.] bestimmten, innerhalb der [X.] (1) und/oder der Kondensatorkammer (2) angeordneten, keine eigene Energiequelle aufweisenden Sensoren (16) in einem nicht leitungsgebundenen Datenaustausch steht,

i dass die Sensoren (16) eine Ummantelung aus inerten Materialien, bestehend beispielsweise aus Edelstahl, Glas, Kunststoff oder Keramik tragen,

j dass zumindest ein Sensor (16) zur Erfassung eines Temperaturwertes eingerichtet ist,

k dass wenigstens ein Teil der Trocknungsgefäße (11) mit zumindest einem Sensor (16) zur Erfassung der Temperatur innerhalb des [X.] eingerichtet ist,

l dass jeder Sensor (16) mit einer Antenne (23) versehen ist,

m so dass mittels der Antennen (23) sämtlicher Sensoren (16) Funkstrecken zu einer innerhalb des Gehäuses (3) angeordneten, über eine Wandungsdurchführung (15) leitungsgebunden mit der Steuerungseinrichtung [X.]) in Verbindung stehenden Antenne (15') eingerichtet sind

n und dass der Abstand der [X.] (5) während des [X.] nach Maßgabe der Wellenlänge des für die drahtlose Übertragung eingesetzten Frequenzbereichs bemessen ist.

Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche und weiterer Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der [X.] hat keinen Erfolg, da sich zwar der Einspruch als zulässig, die geltend gemachten Widerrufsgründe, der Gegenstand des Patents sei nicht ausführbar offenbart und nicht patentfähig (§ 21 Satz 1 Nr. 2, Nr. 1 [X.]), jedoch als nicht zutreffend erweisen.

1) Der Einspruch ist wegen des mit dem fristgerecht eingelegten Einspruch eingereichten Vortrags der [X.] zum behaupteten [X.] der mangelnden ausführbaren [X.] zulässig. Denn die Angaben der [X.] dazu, warum der Fachmann die im Merkmal n des Anspruchs 1 geforderte Bemessung des [X.]abstands aufgrund der [X.] der Patentschrift nicht ausführen könne, waren ausreichend, um die Patentinhaberin und das [X.] in die Lage zu versetzen, daraus ohne eigene Ermittlungen abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieses [X.]s zu ziehen (vergl. Busse/Keukenschrijver [X.] 9. Aufl. § 59 Rn 58).

Dem steht nicht entgegen, dass die Einsprechende die mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung damit begründet, dass lediglich das Merkmal n des Anspruchs 1 nicht ausführbar sei, denn bereits die mangelnde Ausführbarkeit eines Anspruchsmerkmals führt dazu, dass die [X.] Erfindung insgesamt nicht ausführbar ist. Auch dass der von der [X.] ausreichend erkennbar geltend gemachte [X.] der mangelnden ausführbaren [X.] im Ergebnis nicht besteht, berührt die Zulässigkeit des Einspruchs nicht, dies ist allein eine Frage der Begründetheit des Einspruchs (vergl. Busse/Keukenschrijver [X.] 9. Aufl. § 59 Rn 66).

Mit der ausreichenden Substantiierung des Einspruchsgrunds der mangelnden ausführbaren [X.] ist der Einspruch insgesamt zulässig. Damit tritt das [X.] in die sachliche Prüfung der durch § 21 [X.] festgelegten Widerrufsgründe ein. Vorliegend bedeutet dies, dass aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes auch die Patentfähigkeit zu prüfen ist, unabhängig davon, ob der Vortrag der [X.] zu diesem [X.] ausreichend substantiiert war, um einen zulässigen Einspruch begründen zu können. (vergl. auch Busse/Keukenschrijver [X.] 9. Aufl. § 59 Rn 113).

2) Gegenstand des Patents ist gemäß Absatz 0001 und 0002 der Patentschrift ([X.]) eine Anlage zum Gefriertrocknen von pharmazeutischen und biochemischen Produkten, Lebensmitteln usw., wobei das [X.] zunächst gefroren wird, auskristallisiertes Eis unter Vakuum aus [X.] sublimiert und anschließend an Kondensatoren als Eis abgeschieden wird.

Gemäß der Beschreibungseinleitung soll dabei an einer Vielzahl von Stellen innerhalb der [X.] aber auch innerhalb der Trocknungsgefäße für das [X.] der Temperaturverlauf mit Temperatursensoren gemessen werden, siehe Absatz 0003 [X.].

Die mit den Temperatursensoren in Verbindung stehenden Messleitungen und die dazugehörenden Steckverbinder werden als nachteilig bezeichnet, da sie einem automatisierten [X.] der Anlage im Wege stünden und zu einem Umfallen der Gefäße führen könnten. Darüber hinaus beeinträchtigten sie durch ihren Wärmeeintrag die Genauigkeit des Messergebnisses. Die innerhalb der [X.] anzuordnenden Steckerleisten und die vakuumdichten Leitungsdurchführungen seien auch hygienisch bedenklich, siehe insbesondere Absätze 0004 bis 0007 [X.].

In Absatz 0016 [X.] ist als Aufgabe der Erfindung angegeben, eine [X.] unter Vermeidung der genannten Nachteile mit Hinblick auf ein reproduzierbares Arbeitsergebnis, eine vollständige Erfassung aller prozessrelevanten Parameter des jeweiligen Verfahrens und einen sicheren Betrieb hin auszugestalten.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt die Erfindung bei einer [X.] gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 die im kennzeichnenden Teil angegebenen Merkmale vor, Absatz 0017 [X.].

3) Als Fachmann für den Gegenstand der Erfindung zuständig ist ein Dip.-Ing. oder Master (FH) der Fachrichtung Verfahrenstechnik oder Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von [X.]n.

4) Einige Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen hinsichtlich ihres Verständnisses durch den Fachmann der Erläuterung.

Gemäß den Merkmalen a und b ist der Gegenstand des Anspruchs 1 eine

a Vorrichtung zur Behandlung von Stoffgemischen durch Gefriertrocknung bestehend zumindest aus einem, eine Trocknungs-(1) und eine Kundensatorkammer (2) umfassenden,

b über eine Öffnung (4) miteinander in Verbindung stehenden Gehäuse (3).

"Kundensatorkammer (2)" ist dabei ein offensichtlicher Schreibfehler, es ist ohne Weiteres klar, dass es sich dabei, wie auch im Merkmal h angegeben, um eine Kondensatorkammer handelt.

Weiterhin ist trotz verunglückter Formulierung für den unvoreingenommenen Leser aufgrund des Adverbs "miteinander", das ein Zusammenwirken zweier Subjekte verlangt, unmittelbar klar, dass es nicht das – eine – Gehäuse ist, das "miteinander" in Verbindung stehen soll, sondern es die zwei genannten Kammern sind, die [X.] (1) und die Kondensatorkammer (2), die über eine Öffnung (4) miteinander in Verbindung stehen. Dies ist darüber hinaus auch im Absatz 0043 [X.] beschrieben und in der Figur 1 dargestellt.

Im Merkmal n ist angegeben, dass

n der Abstand der [X.] (5) während des [X.] nach Maßgabe der Wellenlänge des für die drahtlose Übertragung eingesetzten Frequenzbereichs bemessen ist.

Im Absatz 0028 der Beschreibung ist derselben Angabe eine Zweckangabe vorangestellt: "Um einen störungsfreien Datenaustausch zwischen den Antennen der Sensoren einerseits und derjenigen der Steuerungseinrichtung andererseits zu sichern". Bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels ist im Abs. 0055 weiter angegeben: "Um … eine einwandfreie Funkverbindung … sicherzustellen, sollte der Abstand der [X.] 5 voneinander einen Mindestwert nicht unterschreiten, der quantitativ von der Wellenlänge des für die drahtlose Übertragung eingesetzten Frequenzbereichs abhängt."

Im Ergebnis entnimmt der Fachmann dem Merkmal n die Lehre, dass der Abstand der [X.] mindestens so groß zu wählen ist, dass die Funkverbindung zwischen den Sensoren und der Steuerungseinrichtung funktioniert, und zusätzlich den Hinweis, dass der erforderliche Abstand von der Wellenlänge des Übertragungssignals abhängt. Da der Abstand der [X.] üblicherweise veränderbar ist, dies ist auch im Absatz 0044 beschrieben, ist im Merkmal h außerdem angegeben, dass es auf den während des [X.], d.h. im Betrieb der [X.] eingestellten Abstand ankommt.

5) Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

5.1) Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, die Erfindung sei nicht ausführbar, weil die Formulierung in den Merkmalen a und b, die beanspruchte Vorrichtung bestehe zumindest aus

"einem, eine Trocknungs- und eine Kundensatorkammer umfassenden, über eine Öffnung miteinander in Verbindung stehenden Gehäuse"

grammatikalisch so fehlerhaft formuliert und deshalb so unverständlich sei, dass sie dem Fachmann keine Lehre zum technischen Handeln zu geben vermöge.

Dies trifft nicht zu, weil sich nicht nur wie bereits ausgeführt schon aus dem [X.] selbst und auch aus der Beschreibung und den Figuren ergibt, dass die Trocknungs- und die Kondensatorkammer miteinander in Verbindung stehen sollen, sondern diese Angabe des Oberbegriffs darüber hinaus ein übliches und dem Fachmann geläufiges Merkmal von [X.]n angibt.

5.2) Die Beschwerdeführerin hat weiter geltend gemacht, das Merkmal n sei nicht ausführbar offenbart. Dies ergebe sich daraus, dass das Patent keine Berechnungsregel für die Bemessung des [X.]abstands offenbare, vielmehr sei noch nicht einmal angegeben, ob bei einer Erhöhung der Frequenz der Abstand zu vergrößern oder zu verkleinern sei.

Das Fehlen einer Berechnungsregel kann jedoch der Ausführbarkeit des Merkmals n nicht entgegenstehen, weil das Merkmal n gar nicht verlangt, einen bestimmten [X.]abstand zu berechnen, sondern lediglich, diesen ausreichend groß zu wählen, so dass im Betrieb die Funkverbindung zwischen Sensoren und Steuerungseinrichtung funktioniert. Aus der weiteren Angabe in Abs. 0055 der Beschreibung, dass der [X.]abstand "einen Mindestwert nicht unterschreiten" sollte, ergibt sich auch unmittelbar, dass im Zweifelsfall, falls nämlich die Funkverbindung nicht funktioniert, der Abstand nicht etwa zu verkleinern, sondern zu vergrößern ist.

Die Beschwerdeführerin hat dazu ausgeführt, der erforderliche [X.]abstand hänge nicht nur von der Funkfrequenz allein, sondern außerdem von einer Vielzahl weiterer Parameter ab, wie z.B. der Breite und Tiefe der [X.], der Größe und Belegungsdichte der Trocknungsgefäße, der Anordnung der Antennen, usw. Sie hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, dass deshalb unübersehbar aufwändige Versuchsreihen erforderlich seien, und selbst dann aufgrund der Vielzahl der Einflussgrößen eine Bemessung des [X.]abstandes nach Maßgabe der Wellenlänge – anspruchsgemäß also nach Maßgabe der Wellenlänge allein – gar nicht möglich sei. Die Schlussfolgerung trifft nicht zu, da Merkmal n des Anspruchs 1 nicht fordert, eine Universalformel zu finden, die für jeden von unendlich vielen denkbaren Fällen die Berechnung eines [X.]abstandes ermöglicht, sondern sich jeweils auf einen einzigen Fall bezieht, nämlich einen Gefriertrocknungsprozess in einer Gefriertrocknungsvorrichtung, bei dem somit sämtliche Parameter bis auf den [X.]abstand bereits vorgegeben sind, und dem Fachmann somit nichts zu tun bleibt, als auszuprobieren, ob der [X.]abstand eine funktionierende Funkverbindung erlaubt oder gegebenenfalls vergrößert werden muss.

6) Der Gegenstand des Anspruchs 1 erweist sich gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik als neu und nicht nahegelegt.

6.1) Von den im Verfahren befindlichen [X.] betreffen nur die [X.] und die [X.] Vorrichtungen zur Gefriertrocknung. Keine von beiden offenbart jedoch entsprechend den Merkmalen h, i, k, l, m und n die Verwendung von inert ummantelten Temperatursensoren zur Erfassung der Temperatur innerhalb des [X.]s, die ohne eine eigene Energieversorgung mittels eigener Antennen und einer innerhalb des Gehäuses der Vorrichtung angeordneten Antenne in einem nicht leitungsgebundenen Datenaustausch mit einer Steuerungseinrichtung stehen.

[X.] erläutert in [X.]alte 1 und [X.]alte 2 bis Zeile 13 den insoweit dem Fachmann bekannten Ablauf der Gefriertrocknung in zwei Trocknungsphasen und die dazugehörige Erfassung der Temperatur des im zu trocknenden Produkt [X.]. Die Gefriertrocknung findet demnach üblicherweise in einer [X.] statt, in der sich [X.] Stellflächen befinden, und an die eine Evakuierungseinrichtung, z. B. ein mit einer Vakuumpumpe kombinierter, in einer Kondensatorkammer angeordneter Eiskondensator, angeschlossen ist.

Für die erste Trocknungsphase, die sogenannte Haupt- oder Sublimationstrocknung, wird die [X.] mit dem gefrorenen [X.] bis auf einen Druck unterhalb der [X.] des Wassers evakuiert, [X.] nennt einen Wert von z.B. 0,05 mbar bei einer Temperatur von -20 °C ([X.], [X.] 17-24)°C. Zum Ausgleichen des durch Sublimation aus dem gefrorenen [X.] austretenden Wasserdampfs muss währenddessen die Evakuierungseinrichtung betrieben werden. Während der [X.], solange noch festes Eis im Produkt vorhanden ist, darf die Temperatur des Produktes bestimmte, meist weit unter 0°C gelegene Werte nicht überschreiten. Um die Produkttemperatur mittels der [X.]n Stellflächen steuern zu können, muss die Eistemperatur gemessen werden.

Nach Abschluss der [X.] wird in der sogenannten Nach- oder Desorptionstrocknung bei höherer Temperatur weiteres, am [X.] absorbiertes oder gebundenes Wasser entfernt. Um den richtigen Zeitpunkt für den Übergang zur Nachtrocknung bestimmen zu können, muss wiederholt überprüft werden, ob noch Eis im Produkt vorhanden ist ([X.], [X.] 67-[X.]. 2, [X.] 10).

Beide Messungen erfolgen wie in [X.] beschrieben mittels der sogenannten barometrischen Temperaturmessung ([X.]. 2, [X.] 64-[X.].3, [X.] 1).

Für die Messung der Eistemperatur wird jeweils die Verbindung zwischen der Trockenkammer und der Kondensationskammer, und somit auch der Evakuierungseinrichtung, kurzzeitig geschlossen. Durch die zunächst weiter ablaufende Sublimation steigt der Druck in der Trockenkammer innerhalb von Sekunden auf den Gleichgewichtsdruck an. Da die Lage der [X.] des Wassers bekannt ist, ist damit auch die Temperatur [X.] im [X.] bekannt.

Für die Bestimmung, ob noch Eis im Produkt vorhanden ist, sind längere [X.] erforderlich. Dass das feste Eis aus dem [X.] vollständig entfernt wurde, kann dabei daran erkannt werden, dass der Druck nicht auf den zu erwartenden Sättigungsdampfdruck steigt.( [X.].2, [X.] 3-10)

Gemäß der in [X.] gelehrten Erfindung können die nachteiligen längeren Absperrungen zur Ermittlung des Übergangs zwischen [X.] und Nachtrocknung entfallen, da dieser Übergang daran erkannt werden kann, dass die bei den wiederholten Eistemperaturmessungen gemessenen Temperaturwerte während dieses Übergangs kleiner werden, siehe [X.]alte 2 Zeilen 14 bis 63.

Darüber hinaus kann gemäß der Lehre der [X.] auch die Dauer der ohnehin kurzen Absperrungen für die barometrischen Eistemperaturmessungen selbst noch wesentlich verkürzt werden, indem während der Absperrung die gemessenen [X.] differenziert werden und an dem Maximum der Ableitung ein Wendepunkt im Druckverlauf erkannt wird, von dem aus der weitere Druckanstieg abschätzbar ist, so dass die Messung hier bereits abgebrochen werden kann, siehe [X.]alte 3 Zeilen 1 bis 21.

Die so ermöglichte laufende, kurzzeitige und genaue Feststellung der Eistemperatur erlaubt laut [X.] weiterhin, anhand von Schwankungen der gemessenen Eistemperatur auf inhomogene Eisstrukturen infolge von Fehlern beim Einfrieren des Produkts oder kollabierte Produkte, die Wasser statt Eis enthalten, zu schließen, siehe [X.]alte 3 Zeilen 22 bis 35.

[X.] bezieht sich ebenfalls auf eine Vorrichtung zur Gefriertrocknung, die wie auch die der [X.] dem Oberbegriff des Anspruch 1 entspricht, siehe insb. Absätze 0001 bis 0003. [X.] befasst sich mit dem Problem, Temperaturunterschiede innerhalb der [X.] zu eliminieren, die von der Wärmestrahlung der Kammerwände herrühren und aufgrund einer Temperaturerhöhung in der Nähe der Kammerwände zu ungleichförmiger Eistemperatur und zu entsprechenden Einbußen der Produktqualität führen können, siehe Abs. 0004. Zur Lösung dieses Problems lehrt [X.], eine aus [X.]n Bauteilen bestehende optische Abschirmung zwischen den Kammerwänden und den Stellflächen anzuordnen, siehe Abs. 0008.

Hinsichtlich des Ablaufs und der Steuerung des [X.] lehrt die [X.] wie auch die [X.] einen zweistufigen Ablauf des Trocknungsprozesses mit Haupt- oder Sublimationstrocknung und Nach- oder Desorptionstrocknung. Wesentlicher Parameter für die Steuerung dieses Ablaufs ist wie auch in [X.] die Eistemperatur, die ebenfalls barometrisch, d.h. mittels Druckanstiegsmessungen, bestimmt wird, siehe Absatz 0014 Zeilen 11 bis 14.

6.2) Ausgehend von [X.] wie auch von [X.] ergibt sich für den Fachmann weder ein Anlass zu einer Temperaturmessung mit Temperatursensoren entsprechend den Merkmalen h, i, k, l, m und n, noch überhaupt ein Anlass, nach Möglichkeiten einer anderen als der barometrischen Temperaturmessung zu suchen.

Dieser Anlass ergibt sich nicht daraus, dass, wie von der [X.] ausgeführt, der Patentschrift selbst die Aufgabe entnehmbar sei, eine Temperaturmessung mit Temperatursensoren vorzunehmen und dabei störende Messleitungen und Steckerleisten zu vermeiden. Denn als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit darf weder einfach auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende Aufgabe abgestellt werden, noch ohne weiteres unterstellt werden, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahelegt war. Auch dürfen, wenn die dem Patent zugrundeliegende technische Problemstellung aus dem entwickelt wird, was die im Anspruch angegebene Erfindung gegenüber dem Stand der Technik leistet, Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (vergl. [X.] XA ZR 36/08 – Gelenkanordnung; [X.] X ZR 41/13 – [X.]). Die als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu definierende Aufgabe kann deshalb nicht darin bestehen, geeignete Temperatursensoren für zusätzliche Temperaturmessungen zu finden. Vielmehr kann eine von Lösungselementen freie Aufgabe lediglich darin bestehen, Verbesserungsmöglichkeiten bei der Erfassung der prozessrelevanten Parameter zu finden. Die Wertung der erfindungsgemäßen Lehre als naheliegend setzt voraus, dass davon ausgehend das aus dem Stand der Technik Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen (vergl. [X.] X ZR 65/05 – einteilige Öse).

Eine solche Anregung ergibt sich nicht aus [X.]. Denn diese befasst sich nicht mit der Erfassung der prozessrelevanten Parameter, diesbezüglich wird lediglich auf die bekannte barometrische Temperaturmessung verwiesen, siehe Abs. 0003 Zeilen 35, 36 und Absatz 0014, Zeilen 11 bis 14, sondern mit dem Problem einer ungleichen Temperaturverteilung in der [X.] aufgrund der Wärmestrahlung der Kammerwände. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung der [X.] keine Anregung zu zusätzlichen Temperaturmessungen mit zusätzlichen Temperatursensoren, denn das Problem der ungleichen Temperaturverteilung aufgrund der Wärmestrahlung der Kammerwände lässt sich, wie auch in [X.] gelehrt, durch eine Abschirmung der Kammerwände lösen, nicht jedoch durch die Art und Weise der Temperaturmessung.

Die Einsprechende hat weiter ausgeführt, bei der in [X.] wie auch in [X.] gelehrten Messung der Eistemperatur handele es sich um eine indirekte Messung der Temperatur, der Fachmann sei jedoch stets bestrebt, gesuchte Größen möglichst direkt zu messen. Auch dies kann jedoch ein Suchen des Fachmanns nach einer [X.] nicht begründen. Denn das in [X.] wie auch in [X.] beschriebene Verfahren, bei kurzzeitig abgeschlossener [X.] den Druck und den Druckanstieg bis zum Erreichen eines Gleichgewichtszustandes an der [X.] des Wassers zu messen, führt nicht nur über die bekannte Lage der [X.] zu einer Kenntnis von sowohl [X.] als auch Eistemperatur, sondern liefert darüber hinaus weitere Informationen über den Trocknungsverlauf, es erlaubt insbesondere zu erkennen, wann das feste Eis aus dem [X.] vollständig entfernt wurde. Diese Informationen über Druck, Temperatur und Verfahrensablauf sind mit einer Temperaturmessung mit Temperatursensoren nicht zu gewinnen, deshalb ergibt sich aus [X.] kein Anlass, nach einer solchen zu recherchieren.

Ein solcher Anlass ergibt sich auch nicht aus [X.], in der eine wesentliche Verbesserung der barometrischen Temperaturmessung gelehrt wird, die die bisher erforderlichen längeren Schließungen der [X.] entbehrlich macht. Darüber hinaus beschreibt [X.] in [X.]alte 3 Zeilen 22 bis 35, wie aus der barometrischen Temperaturmessung zusätzlich weitere Informationen gewonnen werden können. Dies legt gerade nicht nahe, nach einer grundsätzlich anderen [X.] zu suchen.

6.3) Deshalb spielt es auch keine Rolle, dass es in einem anderen technischen Zusammenhang, nämlich dem des Erhitzens von Lebensmitteln in [X.], bekannt war, Temperatursensoren mit Antenne ohne eigene Energieversorgung zur Messung der Produkttemperatur zu verwenden, wie in [X.]. 1 den Temperatursensor 36 und in [X.]. 1, 2 den Temperatursensor 26. Denn der Fachmann für Gefriertrocknungsvorrichtungen hatte keinen Anlass, sich mit dem Fachgebiet der [X.] zu beschäftigen. Dieser ergibt sich auch nicht daraus, dass gemäß [X.] Seite 81 [X.] auch zur Erhitzung pharmazeutischer Produkte Anwendung finden. Denn auch aus der von der [X.] festgestellten Gemeinsamkeit, dass somit sowohl [X.] als auch Gefriertrocknungsvorrichtungen, vergl. auch [X.] Abs. 0002, im Bereich der pharmazeutischen Industrie verwendet würden und beides, sowohl das Erhitzen als auch die Gefriertrocknung, als "thermische Behandlung" bezeichnet werden könne, ergibt sich weder, dass das Gebiet der [X.] tatsächlich Aufschlüsse über die Gestaltung von Gefriertrocknungsvorrichtungen, die Steuerung des [X.] oder die Erfassung der prozessrelevanten Parameter Druck und Temperatur in der Nähe der [X.] des Wassers liefern kann, noch dass der mit der Entwicklung von Gefriertrocknungsvorrichtungen befasste Fachmann dies erwarten konnte.

Soweit die in [X.] und [X.] offenbarte Verwendung von Temperatursensoren mit Antenne ohne eigene Energieversorgung in [X.] überhaupt einen Beitrag zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 liefern kann, liegt dieser vielmehr darin, dass [X.] und [X.] mehr als 20 Jahre vor dem [X.] des Streitpatents veröffentlicht wurden, was nicht für sondern gegen ein Naheliegen der Verwendung solcher Temperatursensoren in einem anderen technischen Gebiet wie hier dem der Gefriertrocknungsvorrichtungen spricht.

Die weiteren [X.] liegen noch weiter ab. [X.] betrifft ein Messverfahren mit Sensoren, die entgegen Merkmalen j und k nicht zur Temperaturmessung innerhalb eines [X.]s, sondern zur Reifendruckmessung eingerichtet sind. [X.], [X.], [X.] und [X.] betreffen Sensoren für Holztrocknungsvorrichtungen bzw. Öfen, die entgegen Merkmal h des Anspruchs 1 eine eigene Energiequelle aufweisen. [X.] und [X.] waren lediglich zur Ausbreitung von Funkwellen in Hohlleitern genannt worden.

7) Die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 werden vom Anspruch 1 getragen.

Meta

12 W (pat) 40/19

25.02.2021

Bundespatentgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 21 Abs 1 Nr 2 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.02.2021, Az. 12 W (pat) 40/19 (REWIS RS 2021, 8384)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8384

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