Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.12.2018, Az. B 10 ÜG 5/18 B

10. Senat | REWIS RS 2018, 771

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage - unrichtige Rechtsmittelbelehrung durch Ausgangsgericht - gerichtlich verschuldeter Rechtsfehler - Verlängerung des Verfahrens - Berücksichtigung als inaktive Zeit - erforderliche Darlegung einer willkürlichen Rechtsanwendung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 20. Juli 2017 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt Entschädigung wegen der Dauer eines vor dem [X.] (Az: [X.] AS 1269/11) und anschließend vor dem L[X.] Hamburg (Az: L 4 A[X.]85/14) geführten Verfahrens.

2

Das L[X.] als Entschädigungsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen, da keine unangemessene Verzögerung iS von § 198 Abs 1 S 1 GVG vorliege. Zwar sei vor dem [X.] eine inaktive [X.] von insgesamt 22 Monaten eingetreten. Nach Abzug der nach der vom B[X.] zugestandenen allgemeinen Vorbereitungs- und Bedenkzeit verbleibe eine Verzögerung von zehn Monaten. Diese sei aber im darauf folgenden Berufungsverfahren vollständig ausgeglichen worden. Dem L[X.] seien ebenfalls 12 Monate Bedenkzeit zuzubilligen, davon habe es nur zwei Monate aufgebraucht. Die verbleibenden zehn Monate kompensierten vollständig die beim [X.] eingetretene Verzögerung.

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum B[X.] eingelegt. Nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat sein Bevollmächtigter die Beschwerde damit begründet, das Entschädigungsgericht habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache verkannt. Das Verfahren habe sich auch durch die unrichtige Rechtsmittelbelehrung des [X.] verlängert, was das Entschädigungsgericht bei seiner Entscheidung übergangen habe.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 [X.]G).

5

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 7 [X.] 142/02 B - [X.] 3-1500 § 160a [X.] mwN).

6

Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich weder tragend entschieden noch präjudiziert ist und die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist oder sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Um die Klärungsbedürftigkeit ordnungsgemäß darzulegen, muss sich der Beschwerdeführer daher ua mit Wortlaut, Kontext und ggf der Entstehungsgeschichte des fraglichen Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung auseinandersetzen (B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] ÜG 30/16 B - [X.] 4-1500 § 183 [X.]4 Rd[X.]6 mwN).

7

Diese Anforderungen verfehlt die Beschwerde. Soweit sie es für klärungsbedürftig hält,

wie bei der Berechnung der Angemessenheit der Verfahrensdauer durch das entscheidende Gericht [X.] zu bewerten sind, welche auf das Verschulden auf Seiten des Gerichts zurückzuführen sind,

setzt sie sich nicht hinreichend mit den Gesetzesmaterialien und der vorhandenen Rechtsprechung des Senats auseinander. Für die Frage, ob die Verfahrensdauer unangemessen ist, kommt es auf etwaige Pflichtwidrigkeiten des zuständigen Richters nicht an (BT-Drucks 17/3802, [X.]; [X.], Die Kompensation der verlorenen [X.] - Wenn Prozesse Pause machen, 2017, [X.]). Das von der Rechtsbeschwerde behauptete Verschulden des [X.] spielt deshalb von vornherein keine Rolle.

8

Wie der Senat darüber hinaus ausgeführt hat, eröffnet das Entschädigungsverfahren keine weitere Instanz, um das Handeln des Ausgangsgerichts einer rechtlichen Vollkontrolle zu unterziehen. Daher hat das Entschädigungsgericht die materiell-rechtlichen Annahmen, die das Ausgangsgericht seiner Verfahrensleitung und -gestaltung zugrunde legt, nicht infrage zu stellen, soweit sie nicht geradezu willkürlich erscheinen (B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] ÜG 12/13 R - [X.] 4-1720 § 198 [X.] Rd[X.]3 mwN). Eine zumindest noch vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts begründet damit auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie das Gerichtsverfahren verlängert hat (vgl [X.] Urteil vom 5.12.2013 - [X.]/13 - Juris Rd[X.]6 mwN).

9

Die Beschwerde legt bereits nicht substantiiert dar, welche nicht mehr vertretbare, geradezu willkürliche Rechtsansicht das [X.] mit seiner vom Entschädigungsgericht für unrichtig gehaltenen Rechtsmittelbelehrung vertreten haben sollte.

Unabhängig davon fehlt es aber vor allem an der Darlegung, warum sich aus der zitierten Rechtsprechung keine Antwort auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage ergibt. [X.] kann, ob das Entschädigungsgericht in dem von ihm entschiedenen Einzelfall daraus die richtigen Schlüsse gezogen hat. Eine möglicherweise unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall begründet für sich genommen keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Ein vermeintlicher Subsumtionsfehler betrifft lediglich die inhaltliche Richtigkeit des vorinstanzlichen Urteils und lässt sich keinem der in § 160 Abs 2 [X.]G genannten Revisionsgründe zuordnen (vgl B[X.] Beschluss vom 28.10.2015 - [X.] [X.]/15 B - Juris RdNr 20 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]G).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]G).

3. [X.] ergibt sich aus § 183 S 6 [X.]G, § 197a Abs 1 S 1 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 [X.]G iVm § 47 Abs 1 S 2, § 52 Abs 2, § 63 Abs 2 S 1 GKG.

Meta

B 10 ÜG 5/18 B

06.12.2018

Bundessozialgericht 10. Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend SG Hamburg, 20. Januar 2014, Az: S 4 AS 1269/11, Gerichtsbescheid

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 105 SGG, § 145 SGG, § 198 Abs 1 S 1 GVG, Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.12.2018, Az. B 10 ÜG 5/18 B (REWIS RS 2018, 771)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 771

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