Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2014, Az. XII ZB 592/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7976

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 592/12

vom

12. Februar 2014

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG §§ 9 Abs. 2, 41 Abs. 3; [X.] §§ 1796, 1822 Nr. 2
Anlässlich eines Verfahrens auf Genehmigung einer Erbausschlagung für ein minder-jähriges Kind ist diesem zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses im Sinne von §
41 Abs.
3 FamFG nur dann ein Ergänzungspfleger zu bestellen, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 [X.] festgestellt sind.

[X.], Beschluss vom 12. Februar 2014 -
XII [X.] 592/12 -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 12.
Februar 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Dose
und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu
1 wird der Beschluss des 10.
Zivilsenats
Senat für Familiensachen
des Oberlandesgerichts [X.] vom 11.
September 2012 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1
wird der Be-schluss des [X.] vom 27.
Februar 2012 aufge-hoben.
Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

Gründe:
A.
Das für das betroffene minderjährige Kind zum Vormund bestellte Ju-gendamt der Stadt
H. (Beteiligte zu
1, im Folgenden: Vormund) begehrt die ge-richtliche Genehmigung einer für das Kind erklärten Erbausschlagung in einer Nachlassangelegenheit.
Das Amtsgericht hat für das minderjährige Kind eine Ergänzungspfleg-schaft zur Entgegennahme des noch zu erlassenden Beschlusses und für die Erklärung eines Rechtsmittelverzichts bzw. die Einlegung eines Rechtsmittels gegen diesen Beschluss für den Minderjährigen angeordnet. Das Oberlandes-1
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gericht hat die Beschwerde des Vormunds zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Vormund mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der in-stanzgerichtlichen Entscheidungen.
I.
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in [X.], 651 ver-öffentlicht ist, hat unter Bezugnahme auf die Begründung einer eigenen [X.] Entscheidung ([X.] Rpfleger 2011, 436) folgendes ausge-führt: Nach §
1909 Abs.
1 Satz
1 [X.] erhalte, wer unter elterlicher Sorge ste-he, für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern verhindert seien, einen Pfleger. Eine Verhinderung der Eltern oder
wie hier

eines alleinsorgeberech-tigten Elternteils sei gemäß §
1629 Abs.
2 Satz
3 [X.] iVm §
1796 Abs.
2 [X.] insbesondere gegeben, wenn das Interesse des betroffenen Kindes zu dem Interesse der Kindesmutter in erheblichem Gegensatz stehe. Zwar fehle es [X.] an einem solchen Interessengegensatz. Die alleinsorgeberechtigte [X.] sei aber an der Entgegennahme des Beschlusses, mit dem die Erbausschlagung
vom Familiengericht genehmigt werde, gehindert. Nach §
41 Abs.
3 FamFG sei ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand habe, auch demjenigen bekanntzugeben,
für den das Rechtsgeschäft genehmigt werde. Die Vorschrift trage der Rechtsprechung des [X.], wonach dem Beteiligten die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, bei einer Entscheidung, die seine Rechte betreffe, zu Wort zu kommen (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S.
197). Anders als in anderen 3
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Verfahren könne die Gewährung rechtlichen Gehörs bei der Genehmigung
ei-nes Rechtsgeschäfts nicht durch den Vertreter des durch die Entscheidung in seinen Rechten Betroffenen wahrgenommen werden. Die Bekanntgabe der fa-miliengerichtlichen Genehmigung der Erbausschlagung an die [X.] Elternteile genüge daher nicht
den Anforderungen des §
41 Abs.
3 FamFG.
Die Bestellung eines [X.] komme als milderes Mittel statt einer Anordnung der [X.] nicht in Betracht, zumal er nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes sei.
An dieser grundsätzlichen Beurteilung sei auch im vorliegenden Fall [X.]. Aus der Tatsache, dass im Streitfall das betroffene Kind nicht
wie im seinerzeitigen Verfahren
durch einen Elternteil vertreten worden und es infol-gedessen um die Überprüfung eines Antrages dieses Elternteils gegangen sei, sondern nunmehr eine Vertretung durch das Jugendamt vorliege und eine [X.] dessen Antrags in Rede stehe, ergäben sich keine rechtlich erhebli-chen Abweichungen.

II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Gemäß §
1822 Nr.
2 [X.] bedarf der Vormund zur Ausschlagung einer
Erbschaft der Genehmigung des Familiengerichts. Nach §
41 Abs.
3 FamFG
ist ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen
bekanntzugeben, für den das Rechtsge-schäft genehmigt wird. Gemäß §
1793 Abs.
1 Satz
1 [X.] iVm §
9 Abs.
2 FamFG
wird bei einer angeordneten Vormundschaft der Geschäftsunfähige vom Vormund vertreten.
Nach §
1796 [X.] kann das Familiengericht dem Vor-5
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mund die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse namentlich des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht.
2. Nach den vom Beschwerdegericht
getroffenen Feststellungen fehlt es an den Voraussetzungen für die Entziehung der Vertretungsmacht gemäß §
1796 Abs. 2 [X.] hinsichtlich der Bekanntgabe des [X.] bzw. der aus der Bekanntgabe folgenden Konsequenzen (Einlegung eines Rechtsmittels oder Erklärung eines Rechtsmittelverzichts).
Die Frage, ob es in Fällen
der vorliegenden Art, in denen es um die [X.] einer Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind geht, zur Entge-gennahme des Genehmigungsbeschlusses im Sinne von §
41 Abs.
3 FamFG, zur Rechtsmitteleinlegung oder
zur Erklärung eines Rechtsmittelverzichts der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedarf, ist allerdings umstritten.
a) Zum einen wird vertreten, dass dem Minderjährigen in solchen Fällen grundsätzlich ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist ([X.], 1171;
OLG [X.] 2012, 219; Musielak/[X.] FamFG 4. Aufl. §
41 Rn. 11; Zorn Rpfleger 2009, 421, 431; differenzierend: [X.] 2011, 361, 362 [etwa bei Genehmigung eines vom gesetzlichen Vertreters zuvor abgeschlossenen Kauf-vertrags]; [X.] 2012, 108, 109
f. [kein Vertretungsausschluss über §
1796 [X.], sondern über Verfahrensrecht]; [X.]/[X.] FamRZ 2011, 1350, 1354
f. [Bestellung eines [X.]]).
b) Nach der [X.] ist ein Ergänzungspfleger nur dann zu [X.], wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht ([X.] 2011, 240; [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
41 Rn.
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a; MünchKommFamFG/[X.]
2.
Aufl. §
41 Rn.
14
ff.).
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c) Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Aus §
41 Abs.
3 FamFG, wonach ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen
bekanntzugeben ist, für den das
Rechtsgeschäft genehmigt wird, folgt nicht, dass das Vertretungsrecht des Vormunds gemäß §
1793 Abs.
1 Satz
1 [X.] über die in §
1796 [X.] bezeich-neten Fälle hinaus zu entziehen
ist. Nach §
1796 Abs.
2 [X.] soll die eine Er-gänzungspflegschaft auslösende Entziehung des Vertretungsrechts nur erfol-gen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in er-heblichem Gegensatz steht. Eine solche Entscheidung setzt mithin voraus, dass der Tatrichter entsprechende Feststellungen getroffen hat.
Ein Ausschluss des Vertretungsrechts aus verfahrensrechtlichen Gründen jenseits des hier nicht einschlägigen §
1795 [X.] oder des §
1796 [X.] (so aber [X.] [X.], 108, 109
f.) kommt nicht in Betracht.
aa) Für eine generelle Entziehung des Vertretungsrechts ohne Betrach-tung
der Umstände
des Einzelfalls
fehlt es daher bereits an einer gesetzlichen Grundlage.
Im Übrigen besteht hierfür auch kein Bedürfnis. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens hat das Amtsgericht von Amts wegen die Umstände des Einzelfalls zu prüfen, insbesondere ob die Voraussetzungen für eine [X.] der Erbausschlagung zum Wohle des Kindes vorliegen. Erhält das Gericht im Rahmen dieser Ermittlungen Kenntnis von einem möglichen Interes-senwiderstreit, ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach §
1796 Abs.
2 [X.] immer noch möglich.
Daraus wird zudem ersichtlich, dass der gesetzliche Vertreter in Fällen der vorliegenden Art bereits durch das Gericht kontrolliert wird. Die [X.] steht unter dem gerichtlichen Genehmigungsvorbehalt. Ein Bedürfnis dafür, das der Kontrolle dienende Verfahren sowie das kontrollierende Gericht seinerseits einer generellen weiteren Kontrolle durch einen anderen Vertreter 13
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-
des Rechtsinhabers zu unterstellen, besteht -
jedenfalls soweit kein Interes-senwiderstreit festgestellt wird -
nicht (s. auch MünchKommFamFG/[X.] 2.
Aufl. §
41 Rn.
15).
[X.]) Dem steht auch die vom Beschwerdegericht zitierte Rechtsprechung
des [X.]s ([X.] 101, 397 =
[X.], 731)
nicht entgegen. Zwar hat das [X.] ausgeführt, dass die unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens gebotene Anhörung nicht deshalb entbehrlich gewesen sei, weil der als gesetzlicher
Vertreter der Erben handeln-de Nachlasspfleger
am Genehmigungsverfahren beteiligt gewesen sei
und das rechtliche Gehör im Regelfall nicht durch denjenigen vermittelt werden
könne, dessen Handeln im Genehmigungsverfahren überprüft werden solle ([X.] 101, 397 =
[X.], 731, 733). Zutreffend ist auch, dass der Gesetzgeber in der Begründung zu §
41 Abs.
3 FamFG auf die vorgenannten Ausführungen des [X.]s Bezug genommen hat
(BT-Drucks. 16/6308 S.
197).
Die Genehmigung einer Erbschaftsausschlagung unterscheidet sich von der vom [X.] entschiedenen Fallgestaltung indes darin, dass dort der
zugleich als Vertreter tätige
Nachlasspfleger an dem später zu genehmigenden
Erbauseinandersetzungsvertrag aktiv beteiligt war (vgl. [X.]
101, 397 =
[X.], 731, 732; s. auch [X.] 2011, 361, 362). Dagegen begehrt der Vormund vorliegend allein die Genehmigung der [X.] für das minderjährige Kind; es geht also nicht um die Genehmigung einer vertraglichen Gestaltung, an der der gesetzliche Vertreter aktiv mitgewirkt hat, sondern lediglich um die Genehmigung einer einseitigen, gegenüber dem Nachlassgericht vorzunehmenden Erklärung (vgl. §
1945 Abs. 1 [X.]).

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cc) Im Übrigen wird das vom Beschwerdegericht gefundene Ergebnis auch den Belangen der Praxis nicht gerecht, wie das Kammergericht
zu Recht im Einzelnen ausgeführt hat ([X.], 1171, 1173).
3. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG. Das Beschwerdegericht hat das Bestehen eines erheblichen Interessengegensatzes i.S.v. §
1796 Abs. 2 [X.] verneint. Im Übrigen ist auch sonst nicht ersichtlich, worin ein Interessenwiderstreit bei einem als Vormund tätigen Jugendamt zu sehen sein könnte, das für den Mündel die Erbschaft ausschlägt.
[X.]Schilling

Günter

Nedden-Boeger Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.02.2012 -
624 [X.]/12 -

[X.], Entscheidung vom 11.09.2012 -
10 UF 56/12 -

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Meta

XII ZB 592/12

12.02.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2014, Az. XII ZB 592/12 (REWIS RS 2014, 7976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7976

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