Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2011, Az. 4 StR 673/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 9781

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[X.] vom 3. Februar 2011 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 3. Februar 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. September 2010 im Straf-ausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgeho-ben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird [X.]. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung in Tateinheit mit Bedrohung unter Einbeziehung der Strafe aus einem amtsgerichtlichen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge ge-stützte Revision. 1 - 3 - Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet. Hinsichtlich des Strafausspruchs hat es dagegen Erfolg. 2 1. Nach den Feststellungen der sachverständig beratenen [X.] war der Angeklagte zur Tatzeit derart alkoholisiert, dass sein Steuerungsver-mögen im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war. Eine Strafrahmen-verschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB hat das [X.] jedoch abge-lehnt, weil der Angeklagte aufgrund seiner Vorverurteilungen wusste, "dass er unter Alkoholeinfluss zu gewalttätigen Impulsdurchbrüchen neigt". 3 2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. 4 Zwar können Umstände, welche die Schuld erhöhen, zur Versagung der Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB führen, wenn sie die infol-ge der Herabsetzung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit verminderte [X.] aufwiegen. Dies kann bei einer alkoholbedingten Verminderung der Schuldfähigkeit dann der Fall sein, wenn sie auf einer selbst zu verantworten-den, verschuldeten Trunkenheit beruht, die dem Täter uneingeschränkt vor-werfbar ist. Dabei ist regelmäßig ohne Belang, ob der Angeklagte schon früher unter Alkoholeinfluss vergleichbare Straftaten begangen hat. Ein die [X.] erheblich beeinträchtigender Alkoholrausch ist aber dann nicht verschuldet, wenn der Täter alkoholkrank oder alkoholüberempfindlich ist. Eine Alkoholerkrankung, bei der schon die Alkoholaufnahme nicht als ein die Schuld erhöhender Umstand zu werten ist, liegt regelmäßig vor, wenn der Täter den Alkohol aufgrund eines unwiderstehlichen oder ihn weitgehend beherrschenden Hanges trinkt, der seine Fähigkeit, der Versuchung zum übermäßigen [X.] - 4 - konsum zu widerstehen, einschränkt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 12. Juni 2008 - 3 StR 84/08). Die Ausführungen des [X.]s lassen es als nahe liegend erschei-nen, dass der Angeklagte im dargestellten Sinne alkoholkrank war. Denn die [X.] stellt - auch insofern dem Sachverständigen folgend - fest, dass beim Angeklagten ein chronischer Alkoholmissbrauch im Sinne des [X.]: [X.] vorliegt. Er konsumiert seit seiner Scheidung "ca. im Jahr 1997" in seiner Freizeit, teilweise aber auch während der Arbeitszeit erhebliche Mengen an [X.], verlor wegen seines Trinkverhaltens mehrmals die Fahrerlaubnis und unternahm erfolglose Versuche, mit dem [X.] aufzuhören. Auch bei Begehung der in den Jahren 2006 (gefährliche Körperverletzung) und 2008 (fahrlässiger Vollrausch) abgeurteilten Taten stand der Angeklagte unter Alko-holeinfluss. Vor diesem Hintergrund hätte sich die [X.] mit der Frage einer krankhaften Alkoholsucht näher auseinandersetzen müssen (vgl. [X.] aaO). 6 3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der für die abgeurteilte Tat ver-hängten Freiheitsstrafe sowie - als Folge hiervon - der Gesamtstrafe. Aufzuhe-ben sind ferner die (allein) dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststel-lungen (§ 353 Abs. 2 StPO), wodurch der neu zur Entscheidung berufene [X.] auch die Gelegenheit erhält, die tatsächlichen Grundlagen und Voraus-setzungen des § 21 StGB erneut zu prüfen und - soweit möglich - konkret fest-zustellen. Der Schuldspruch wird dagegen von dem Rechtsfehler nicht berührt. Der [X.] kann vielmehr - auch unter Berücksichtigung des [X.] - ausschließen, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung schuldunfähig war. 7 - 5 - Ergänzend weist der [X.] darauf hin, dass die vom [X.] straf-schärfend berücksichtigte Erwägung, dass der Angeklagte zu der Tat durch das Opfer nicht provoziert wurde, bedenklich ist, weil sie dahin zu verstehen sein könnte, dass dem Angeklagten das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes ange-lastet wird. Bei erneuter Einbeziehung der zur Bewährung ausgesetzten Vor-verurteilung könnten zudem Ausführungen zu § 58 Abs. 2 Satz 3, § 56f Abs. 3 StGB geboten sein. 8 Ernemann Roggenbuck [X.] Bender

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4 StR 673/10

03.02.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.02.2011, Az. 4 StR 673/10 (REWIS RS 2011, 9781)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9781

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