Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2017, Az. 1 StR 451/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 13518

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:230317B1STR451.16.1

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]/16

vom
23. März
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 23. März
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]

wird das Urteil
des [X.] (Oder) vom 15. März 2016 mit den Feststellungen zu den Tatbeiträgen des Angeklagten
[X.]

aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten betrifft.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.]

wegen Steuerhinterzie-
hung in 40 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Mona-ten verurteilt. Es hat angeordnet, dass hiervon drei Monate als vollstreckt [X.].
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf [X.] und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision, die in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg hat.

1
2
-
3
-
I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte [X.]

schloss sich mit dem Mitangeklagten [X.]

und drei weiteren Personen zusammen, um unversteuerte Zigaretten versteckt unter Tarnladungen von [X.] nach [X.] zu transportieren und hier auf dem Schwarzmarkt gewinnbringend zu verkaufen. Im Zeitraum vom 16.
Oktober 2006 bis 17. März 2008 wurden durch die Mitglieder der Bande in insgesamt 44 Fällen Verbrauchssteuern in Form von Tabaksteuern hinterzo-
gen. Der Angeklagte [X.]

war an 40 der 44 Taten beteiligt (Taten 2 bis 41)
und hinterzog hierdurch Tabaksteuer in Höhe von gut
3,27 Mio. Euro.
Während der Mitangeklagte [X.]

die Fahrten jeweils maßgeblich
organisierte, ließen sich die Tatbeiträge des Angeklagten [X.]

welchen Paletten sich jeweils Zigaretten befanden und war einer derjenigen, der die Fahrer anwies, welche Paletten am [X.] abzuladen waren. Zu-

r Lkw, die .

, dem Mitangeklagten [X.]

oder
dem gesondert Verfolgten [X.]

durchgeführt wurde. Ohne die Mitwirkung
des Angeklagten wären die Tathandlungen nicht realisierbar bzw. deren Um-setzung wesentlich erschwert gewesen.
II.
1. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
Verfolgungsverjährung ist für die verfahrensgegenständlichen
Taten der Hinterziehung von Tabaksteuer durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], §
19 3
4
5
6
7
-
4
-
[X.] in der bis 31. März 2010 gültigen Fassung vom 12. Juli 1996) nicht
eingetreten.
Die zunächst fünfjährige Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB) wurde durch die richterliche Durchsuchungsanordnung vom 20. September 2010 ge-mäß § 78c Abs. 1 Satz
1 Nr. 4 StGB und die Erhebung der öffentlichen Klage am 2.
August 2013 gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 StGB wirksam unterbro-chen.
Die Verjährungsfrist verlängerte sich
zudem
vor ihrem Ablauf mit dem
Inkrafttreten des § 376 Abs. 1 [X.] am 25. Dezember 2008 auf zehn Jahre (Art.
97 § 23 EG[X.]), weil die Taten die Voraussetzungen des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs.
3 Satz 2 Nr. 1 [X.] erfüllen (vgl. [X.], Beschlüsse vom
8. Dezember 2016 -
1
StR 389/16, [X.], 82;
vom 5. März 2013 -
1 [X.], [X.]R [X.] §
376 Abs. 1 Verjährungsfrist 1 und vom 13. Juni 2013 -
1 [X.], [X.], 471).
2. Während die Verfahrensbeanstandungen des Revisionsführers aus den in der Antragsschrift des [X.] dargelegten Gründen kei-nen Erfolg haben, führt die Sachrüge zur Aufhebung des Schuldspruchs, soweit dieser Angeklagte betroffen ist. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten [X.] in Mittäterschaft begangener Steuerhinterziehung durch Unterlassen ge-mäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.], § 25 Abs. 2 StGB kann keinen Bestand haben, da eine Täterschaft des Angeklagten nicht ausreichend belegt ist.
a) Täter -
auch Mittäter -
einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] kann nur derjenige sein, der selbst zur Aufklä-rung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (st. Rspr.;
8
9
10
11
-
5
-
[X.], Urteil vom 9. April 2013 -
1 [X.], [X.]St 58, 218 mwN; [X.], [X.] vom 14. Oktober 2015 -
1 [X.], [X.], 74).
Die vom [X.] getroffenen Feststellungen für die dem Angeklag-
ten vorgeworfenen 40 Fälle der Steuerhinterziehung (Taten 2 bis 41) belegen nicht, dass sich der Angeklagte in 2007 als Steuerschuldner hinsichtlich der bei
dem Verbringen der Zigaretten nach [X.] entstandenen Tabaksteuer der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 [X.] i.V.m. § 19 [X.] in der bis 31. März 2010 gültigen Fassung vom 12. Juli 1996 im Folgenden §
19 [X.] a.F.; dessen Regelungsgehalt in § 23 [X.] in der ab dem 1. April 2010 gülti-gen Fassung aufgegangen ist) schuldig gemacht hat.
Gemäß § 19 [X.] aF entsteht die [X.] Tabaksteuer, wenn Ta-bakwaren unzulässiger Weise
entgegen § 12 Abs. 1 [X.] aF aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedst[X.]ten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet der Bundesrepublik [X.] verbracht werden. Das Überführen der Ziga-retten aus [X.],
die sich dort im freien Verkehr befanden,
nach [X.] ohne Inanspruchnahme des innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahrens (§ 16 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF) ist ein gewerbliches unversteuertes Verbrin-
gen. Für die Zigaretten war deshalb unverzüglich nach dem Verbringen in das Steuergebiet der Bundesrepublik [X.] eine Steuererklärung abzugeben (§ 19 Satz 3 [X.] aF). Mit der Missachtung dieser Pflicht wurde die deut-
sche Tabaksteuer gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 [X.] hinterzogen ([X.], Beschluss vom 1. Februar 2007 -
5 [X.], [X.], 224 -
228).
Steuerschuldner ist, wer Tabakwaren verbringt oder versendet und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat (§ 19 Satz
1
[X.] aF). Dafür ist zwar nicht entscheidend, dass der Steuerschuldner die Zigaretten selbst aus einem anderen Mitgliedst[X.]t
nach [X.] transpor-12
13
14
-
6
-
tiert, allerdings ist ein gewisses Maß an Herrschaft über die Tabakwaren beim Verbringen nach [X.] erforderlich. So wird als [X.] auch angese-hen, wer kraft seiner Weisungsbefugnis beherrschenden Einfluss auf das Transportfahrzeug hat, indem er die Entscheidung zur Durchführung des Transports trifft oder die Einzelheiten der Fahrt (z.B. Route, Ort, [X.]) bestimmt (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Februar 2007 -
5 [X.], [X.], 590; [X.], Urteil vom 14. März 2007 -
5 [X.], [X.], 592; [X.], Beschluss vom 14. Oktober 2015 -
1 [X.], [X.], 74).
b) Die Feststellungen belegen einen derartigen beherrschenden Einfluss des Angeklagten [X.]

nicht für jede der Taten. Vielmehr bleibt ungewiss,
ob der Angeklagte [X.]

an der einen oder anderen Tat gar nicht oder je-
denfalls nicht als Täter teilgenommen hat.
Die vom [X.] getroffene Wertung, der Angeklagte habe [X.] -
gerade über die Durchführung der Transporte und über den jeweiligen Einfuhrvorgang (etwa die Weiterfahrt der Fahrzeuge) -
gehabt, wird von den Feststellungen nicht getragen.
[X.]) Auf der Grundlage der Feststellungen ist zwar rechtsfehlerfrei belegt, dass der Angeklagte [X.]

Mitglied der Bande um den Mitangeklagten
[X.]

war, nicht aber, dass er an jeder der ihm als Täter angelasteten Taten
als Mittäter beteiligt war. Die Feststellung der Mitgliedschaft in einer Bande er-setzt nicht das Erfordernis des Tatbeitrags des jeweiligen Bandenmitglieds.
Schließen sich mehrere Täter zu einer Bande zusammen, so hat dies nicht zur Folge, dass jede von einem Bandenmitglied begangene Tat einem anderen Bandenmitglied ohne weiteres als gemeinschaftlich begangene Tat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Die Frage, ob die Be-
15
16
17
18
-
7
-
teiligung als Mittäterschaft oder Beihilfe zu werten ist, beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen ([X.], Beschluss vom 19.
Januar 2012
-
2 StR 590/11, [X.], 517). Danach ist Mittäter im Sinne von § 25 Abs.
2 StGB, wer einen eigenen Tatbeitrag leistet und diesen so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen [X.] erscheint. Zwar kann für die Einordnung als Mittäterschaft ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder [X.] ausreichen, der sich auf eine Vorbereitungs-
oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich die objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehende Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich [X.] als Teil der Tätigkeit aller darstellen ([X.], Urteile vom 30. Juni 2005 -
5
StR 12/05, [X.], 44 und vom 9. April 2013 -
1 [X.], [X.]St 58, 218; Beschlüsse vom 14. Juli 2016 -
3 [X.], [X.], 392 und vom 20.
Oktober 2016 -
3 [X.]).
[X.]) Hieran gemessen ergeben die Feststellungen nicht, dass sich der Angeklagte [X.]

für jede der ihm täterschaftlich zugerechneten Taten als
Mittäter oder auch nur als Gehilfe an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat.
Denn danach hat er

aber eben nicht immer einen Tatbeitrag geleistet, weshalb er nicht stets als Steuer-schuldner und mithin als Täter in Betracht kommt. Anders als für den Mitange-klagten [X.]

für den bei jeder der einzelnen Taten festgestellt wird, dass er
beispielsweise die Fahrzeuge pilotiert, telefonisch die Routen bestimmt und die zu transportierenden Zigarettenmengen sowie den Preis bestimmt hat, fehlen beim Angeklagten [X.]

derartige Feststellungen. Seine Tatbeiträge wer-

.

einge-
bunden war.
19
-
8
-
Auch aus den beweiswürdigenden Erwägungen lässt sich kein konkreter täterschaftlicher Tatbeitrag des Angeklagten [X.]

bei jeder der Taten her-
leiten. Das [X.] hat sich hier maßgeblich auf die [X.] Angaben der jeweiligen Fahrer der Transporte gestützt. Danach war der [X.] [X.]

Leiter der Gruppe; er organisierte die Transporte und be-
schaffte die Zigaretten, lud die ganze Ware und besorgte den Absatz in [X.]. Der Angeklagte [X.]

half ihm dabei, machte jedoch nicht so

[X.] [X.]

.

, aber auch
der gesondert verfolgte
[X.]

.

.

erklärte den Fahrern, in welchen Paletten die Zigaretten versteckt waren. Die Mitangeklagten [X.]

, dem Angeklagten [X.]

ten verfolgten [X.]

,
manchmal auch von mehreren gemeinsam.
Auch soweit das [X.] für die Annahme der Tatherrschaft darauf abstellt, dass der Angeklagte nicht hinter dem Tatbeitrag für die für ihn bereits gesondert ausgeurteilte Tat vom 16. Oktober 2006 (Tat 1 des Mitangeklagten
[X.]

) zurückgefallen sei, ist dies keine ausreichende Grundlage, um auf
eine konkrete täterschaftliche Tatbeteiligung in allen 40 Fällen zu schließen. Hinzu kommt, dass der Angeklagte [X.]

bei dieser Tat als Fahrer fungier-
te, diese Art der Beteiligung aber für keine der ihm nunmehr vorgeworfenen Taten angenommen wird.
3. Da der [X.] nicht beurteilen kann, auf wie viele Fälle sich die darge-stellten Tatbeiträge des Angeklagten [X.]

beziehen, hebt er den Schuld-
spruch insgesamt auf. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, mit Ausnahme der Tatbeiträge des Angeklagten [X.]

, können aber bestehen
bleiben, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§
353 20
21
22
-
9
-
Abs.
2 StPO). Damit sind die Feststellungen zu den einzelnen Transporten (u.a. beteiligte Personen, Anzahl der Transporte, Zeitpunkte, Routen, Menge und Wert der Zigaretten, Schätzung des Steuerschadens) bestandskräftig gewor-den. Das neue Tatgericht wird zusätzliche Feststellungen zur Frage des [X.] des Angeklagten [X.]

zu treffen haben, die mit den bisher
getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.
Raum Bellay Cirener

Fischer Bär

Meta

1 StR 451/16

23.03.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2017, Az. 1 StR 451/16 (REWIS RS 2017, 13518)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13518

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 451/16 (Bundesgerichtshof)

Tabaksteuerhinterziehung: Täterschaft beim Verbringen von Tabakwaren nach Deutschland


1 StR 521/14 (Bundesgerichtshof)

Hinterziehung von Tabaksteuer durch Unterlassen: Beendigung und Vollendung; Durchleitung von Tabakwaren durch mehrere Mitgliedsstaaten; einheitliche …


1 StR 282/17 (Bundesgerichtshof)

Verpflichtung des Verbringers von Tabakwaren zur Abgabe einer Steuererklärung


1 StR 521/14 (Bundesgerichtshof)


1 StR 282/17 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.